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Tanuri
Geschichtenschreiber / Geschichtenschreiberin
Beiträge: 251
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#876

Beitrag: # 54075Beitrag Tanuri »

„Genug.“ Deutlich hörbar und mit festem und unbeeindruckten Tonfall, ob der Kommentare ihres Vaters und der weiterhin vorherrschenden Knappheit von Adrians Aussagen, erhob sie ihre Stimme und erfüllte mit dieser den Hörsaal. An wen genau ihre Zurechtweisung allerdings gerichtet war, sollte offen bleiben.

Es nutzte nichts, sich hier und jetzt in einem Wortgefecht zu ergehen. Tanuri war sich sicher, dass Stellan noch längst nicht damit fertig war, seine Meinung kundzutun, dafür würde sie ihm aber an einem anderen Tag noch genug Zeit einräumen. Jetzt aber mussten sie sich auf das Wesentliche fokussieren - und das war und blieb Freya. 

 
Natürlich gefiel es ihr nicht, wie ihr Vater mit ihr sprach, schon gleich gar nicht vor Adrian, bei dem sie ohnehin um jeden Funken Respekt kämpfen musste und zumeist, ihrem Empfinden nach, gnadenlos scheiterte. Genauso wenig war sie damit einverstanden, was Stellan über sie und ihr Wirken als Priesterin dachte. Fraglich war es aber, welches Bild er sich selbst während seiner jahrelangen Abwesenheit gemacht hatte? Schließlich war er auch dann nicht geblieben, nachdem er ihr das Erbe der Familie übergab, sondern zog es vor, seinen Tod vorzutäuschen. 
 
Es konnte durchaus sein, dass er mit seiner unmissverständlichen Kritik richtig lag und er von vielerlei Seiten dafür Bestätigung und Applaus erhielt. Er war bekanntermaßen nicht der Erste, der nur zu gerne seine Skepsis über sie als Priesterin aussprach. Wenngleich sie ihm anrechnen musste, dass er zumindest den Schneid besaß, es vor ihr selbst zu tun und nicht gackernd und ereifernd seine unverhohlenen Zweifel und Wünsche, einer Anpassung und Neubesetzung ihres Amts an irgendwelche fremden Ohren oder Stadtmauern richtete. 
 
Alternativen brachten sie aber alle nicht zu Stande, weder ihr Vater noch andere. Eigentlich recht traurig. Es wäre eine willkommene Abwechslung gewesen, wenn man ihr all jene präsentiere, die sich dazu berufen fühlten, hinter den Altar im Felsendom zu treten und mit diesem Schritt nicht nur gewisse Vorteile, sondern auch Pflichten zu übernehmen. 
 
Angeblich gab es auch die Gerüchte, es würden sich Reformen nach einer Entradikalisierung der Kirche gewünscht und ein Frieden herbeigesehnt. Wie lachhaft alleine diese Vorstellung war. Schon für diese Gedanken müsste der Galgen als Antwort folgen. Hervorgetreten war bisher aber noch niemand und so musste wohl auch Stellan damit leben, dass sie es war, die die schwarze Kirche anführte. 
 
Momentan empfand sie es aber als unnötig, ihn weiter darüber aufzuklären, dass es für ihn keine andere Option gab als sie und er das vorerst akzeptieren und annehmen musste.
 
Tanuri löste ihre verkrampft ineinander geschlossenen Hände und suchte ein letztes Mal die Nähe ihres Vaters, während ihre Ausstrahlung aber kalt und zurückweisend blieb. „Ich weiß, was und wer ich bin.“

Die Selbstsicherheit in ihrer Stimme war nicht gelogen oder von eigenen Zweifel getragen. Das Gegenteil sollte der Fall sein und jenen Stolz offenkundig zeigen, den sie einst stetig an sich trug. „Genauso wie Ihr es auch über Euch wisst.“

Über ihr Gesicht zeichnete sich ein berechnendes Lächeln, welches ihre Antwort umso deutlicher unterstrich. „Noch dazu weiß ich, wohin ich gehöre.“ 
Obwohl ihr Wort Stellan galt, lag ihr Blick nicht auf ihm, sondern glitt in eine andere Richtung des Hörsaals. Für einen Moment fiel ein Schweigen über die Gesellschaft und den Saal, die gewiss spürbar gewesen wäre, wenn sie ihre Hände nach ihr ausstrecken würden.

Dann aber richtete sie sich noch weiter auf, wendete ihr Augenmerk ihrem Vater zu und eine ihrer zarten Brauen zog sich leicht nach oben. Genauso wie er es kurz zuvor getan hatte, bediente auch sie sich nun einem leisen Tonfall, der aber nicht verurteilend und schroff war, sondern einzig von pragmatischer Reserviertheit zeugte.
„Könnt Ihr das auch von Euch behaupten?“

 
Auf eine Antwort legte sie keinen Wert, denn egal, welche er ihr gab, es interessierte Tanuri nicht. Anders verhielt es sich aber mit dem Vorschlag Adrians, einen anderen Ort aufzusuchen, um die Unterhaltung dort weiterzuführen. In gewissem Maße war dies seltsam und nichts, womit sie gerechnet hatte, denn es wäre nicht das erste Mal, dass sie den Hörsaal für wichtige und auch vertrauliche Gespräche nutzten. Häufiger kam die Gilde hier für Beratungen zusammen oder auch nur, um über das Alltagsgeschehen zu sprechen. 
 
War er misstrauisch aufgrund der Tatsache, dass Tanuris Bruder sich in jeder Ecke verstecken konnte und sie ihm somit vielleicht in die Hände spielten, indem er womöglich alles hören und sehen konnte, was sie zur Rettung Freyas in Betracht zogen? Oder war er übervorsichtig, zeigte manische Züge und sah Gespenster?

Seiner wahren Intention konnte sie vorerst nicht nachgehen, da dies nur noch mehr unnötige Zeit in Anspruch nehmen würde. Und wenn sie alle sonst Uneinigkeit zeigten, ging sie doch davon aus, dass sie zumindest bei diesem Punkt einer Meinung waren: Die Zeit für Freya wurde mit jeder Minute, die sie ohne eine Tat verbrachten, knapper. 

 
Auch wenn es nicht ganz die Form von Vertrauen war, an die Adrian wahrscheinlich zu Anfang ihrer eigenen Diskussion, als sie noch alleine waren, gedacht hatte, stimmte sie ihm zu und folgte seiner Idee vorerst kommentarlos. 

Wohin aber gehen? Das war vielmehr die Frage, die es zu beantworten galt. Der Felsendom wäre ihr erster Gedanke gewesen. Dort besaß sie ein Arbeitszimmer, welches ihnen genug Raum und Privatsphäre bot. Aber es war mitten am Tag, Betende und Besucher suchten dort womöglich Einkehr und Frieden. Und wenn man die unumstößliche Wahrheit nicht außen vor ließ, dass sie derzeit von mehr Feinden als von Freunden umgeben waren, war es nicht besonders klug, durch den Dom zu gehen. 
 
Mithilfe eines Portals wäre eine schnelle Reise nach Lichthafen möglich. Das hätte aber bedeutet, dass sie ihre wertvollen Rösser vor dem Hörsaal zurücklassen mussten - was gewiss eher früher als später für ein ungewolltes Aufsehen sorgte. Noch dazu wollte sie ihren Vater nicht in den Hallen der Legion willkommen heißen. 
 
Es war schon genug, dass es ihrem Bruder gelungen war, sich uneingeladen Zugang zu verschaffen, auf ein weiteres Familienmitglied in dem Haus ihrer Gilde konnte sie gut verzichten. Außerdem waren sie auch dort nicht mehr vollständig geschützt. Die magischen Barrieren mochten zwar wieder errichtet worden sein, der Verdacht bezüglich eines Spions bestand aber nach wie vor, ganz zu schweigen von der Anwesenheit des äußerst fragwürdigen Anhängers der weißen Priesterschaft, von dem sie immer noch nicht zu sagen vermochte, was er nun mehr war: Tot oder lebendig. 
 
Ihre Möglichkeiten für einen Ortswechsel waren somit nur auf den ersten Blick zahlreich. Mit einem tiefen Atemzug sah sie zunächst zu ihrem Vater, dann zu Adrian, bevor sie mit einer gewissen Resignation in ihrem Ausdruck leicht ihren Kopf schüttelte. „Mein Haus liegt nicht unweit von hier. Ich denke, es sollte vorerst genug Rückzug für uns bieten.“ 
 
Bereits vor Jahren hatte sie am Rande der Stadt ein kleines, unscheinbares Heim zu ihrem Eigentum gemacht. Es war nichts Besonderes und besaß nur zwei Räume im Erdgeschoss und eines direkt unter dem Dach. Für sie aber war es genug, war sie doch weder auf Luxus noch auf großen Komfort aus. Eigentlich war es niemals ihre Absicht gewesen, jemals davon zu erzählen oder jemanden aus ihrem Kreis dorthin einzuladen. Allerdings erforderten gewisse Begebenheiten hier und da besondere Maßnahmen und Anpassungen. Und das war nun eben eine Lage, die von ihnen allen etwas forderte. 
 
Ihr Haus lag nicht weit von dem Hörsaal entfernt und es konnte schnell und ohne großes Aufsehen erreicht werden. Noch dazu war sie sich über eine Sache sicher ziemlich sicher: Naheniel kannte diesen Ort nicht. 
 
Ohne noch weitere kostbare Minuten zu vergeuden, griff sie nach ihrem Umhang, zog ihn fest um ihren Körper und deutete mit einem Kopfnicken auf den Tisch, auf dessen Oberfläche immer noch das zusammengerollte Pergament Adrians lag. "Vergesst das nicht." Für einige Augenblicke wartete sie auf eine Reaktion, ob man ihr folgen würde oder nicht oder gar einen anderen Vorschlag aus dem nicht vorhandenen Hut zaubern würde. Leicht legte sie abwartend ihren Kopf in die Schräge und ließ ihre Augen auf dem Dunkelmagier ruhen. 

„Verwunderung darüber, dass nicht nur die Legion und der Felsendom mein zu Hause sind, ist übrigens unangebracht. Auch ich verbringe Zeit außerhalb meiner Aufgaben und ohne die stets wachsamen und kritischen Gemüter der Gläubigen oder meiner eigenen Gilde. Da es nur sehr selten dazu kommt, bevorzuge ich es aber umso mehr, wenn nicht ein jeder davon weiß." 

Tanuri drehte sich bereits in Richtung Ausgang des Hörsaals, blickte dann aber nochmal über ihre Schulter und sah Adrian erneut direkt an. "Und ich wäre dankbar, wenn es dabei bleibt.“
 
Wie sehr sie es doch hasste, vertrauen zu müssen. 
 


 
...
 

Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis sie ihr Haus erreichten. Es war eines unter vielen, dass sich am Rande eines gepflasterten Weges befand. Es war unscheinbar und unauffällig und niemand hätte vermutet, dass es ihr gehörte. Die Außenmauern und das Dach waren von Efeuranken überwuchert und der Garten, durch den sie traten, nachdem sie ein schmiedeeisernes Tor geöffnet hatten, war klein und mit hohen Gewächsen bedeckt.

Im Frühjahr blühten eine Menge Kräuter und Blumen und zogen die Tiere an, während im Winter alles etwas heruntergekommen wirken mochte, da Tanuri für Arbeiten dieser Art weder Zeit hatte noch ein Gespür dafür besaß. Schon gleich gar nicht wollte sie aber, dass man sie in dem Garten antraf. Ihr Rückzugsort wäre dann nicht länger einer gewesen, weshalb sie es tunlichst vermied, auch nur irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen. Oft konnte sie ohnehin nicht hier sein, blieb doch jedes Verschwinden innerhalb der Legion zumeist nicht unbemerkt. 

 
Mit einem lauten Knirschen öffnete sich die Türe in das Haus hinein und eröffnete den Blick auf einen winzig anmutenden Raum. In diesem stand ein Holzofen, der für Wärme sorgte, sobald man ihn entzündete. Gleichzeitig diente dieser aber auch als Kochstelle oder zur Erwärmung von Wein oder Wasser mit Kräutern.

Dicht an der einen Wand führte eine sehr schmale Treppe hinauf in ein anderes Zimmer, das direkt unter dem Dach lag. Es diente als Schlafraum, besaß aber kein Bett, sondern zahlreiche große Felle, säuberlich gewebte Decken und große Polster, die für einen gewissen Komfort zum Schlafen und Ruhen sorgten. Über einen eigenen Kamin verfügte das obere Stockwerk nicht, weshalb sie darauf angewiesen war, dass der Holzofen genug Wärme erzeugte oder aber die dicken Decken genug Schutz vor nächtlicher Kälte boten. 

 
Von jenem Raum, den man wohl aufgrund seines Herdes als Küche bezeichnen konnte, zweigte sonst nur noch ein weiteres Zimmer ab, das seinen Eingang gegenüber der nach oben führenden Treppe hatte. Mehr Räume gab es nicht, für die Zwecke Tanuris war es aber genug. 
 
Ohne ein einladendes Wort oder eine Geste, betrat sie den anderen Raum, hob ihren Arm und mit einer tänzelnden Bewegung ihrer Finger und einem lautlosen magischen Spruch, entzündeten sich dicke, sowie auch dünne Kerzen, die mal mehr, mal weniger herab gebrannt waren. Um etwas mehr Sicht und Behaglichkeit zu erzeugen, wiederholte sie den Tanz ihrer Finger und von ihrer Handfläche fielen sogleich dicke Lichtperlen. Diese erhoben sich und wanden sich an der Decke entlang, als wären sie auf eine Ketten gezogen. 
 
Die dicke steinerne Mauer selbst, die das Haus zu einem Haus machte, war verstellt mit Regalen voller Bücher und Pergamente, sowie auch mit einer hüfthohen Kommode, auf der sich mit von Staub besetzte Flaschen und Trinkgefäße befanden. 
 
Eine Bank, auf der gerade so zwei Personen Platz finden mochten, ein Stuhl und ein Tisch, standen gemeinsam im letzten freien Winkel des kleinen Raums. Tanuri ging direkt darauf zu, während der eichene Dielenboden unter ihren Füßen angenehm knarrte.

Erst jetzt sah sie sich hzum ersten Mal nach ihren "Gästen" um und deutete ihnen mit einem knappen Nicken, sich an den Tisch zu setzen. Mehrere dicke Kerzen waren auf diesem aufgestellt und das Wachs hatte sich teilweise ausgebreitet. Neben diesen lag ein Stapel von Pergamenten, auf welchen sie mit feinen und verschlungenen Buchstaben die bedeutenden Worte der Prophezeiung niedergeschrieben hatte. 


 
Bild
Vor allen Urkräften und vor den Seraphim
 in einem Königreich, in das der einfache Mensch mit seinen Gedanken nicht dringen kann, 
be
vor Meer und Himmel und auch die feste Erde entstand, 
da war das Wort der Götter schon immer gegenwärtig.  
Das, was nun offen vor unseren Augen liegt, war damals noch ungeschaffen.
Und vor dem Beginn der göttlichen Schöpfung
da waren nur sie,
jene, die keinen Anfang kennen und die die Vergänglichkeit nicht berührt.

 
 
 

Für einen Moment stahl das Pergament ihre Aufmerksamkeit, obwohl seit ihrer Kindheit ein jedes Wort auf diesem fest in ihren Geist eingebrannt war. Es war nur ein Ausschnitt der Prophezeiung, ein kleiner Teil davon, der aber den Anfang einer Bestimmung bildete. 
Genauso wie das Zusammentreffen hier nur ein Teil eines Gesamten war und weitere erste Schritte schuf, um Freya zurückzuholen. 
 
"Also?" Ihr Blick fiel zurück zu Adrian und Stellan und fragend sah sie die beiden an. "Wie sollen wir beginnen?"

 
~~~
Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


Bild
~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
~~ Anführerin der Legion des Schattens ~~ 
~~ Mutter der Nymeria var Aesir ~~ 
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Maryam
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#877

Beitrag: # 54142Beitrag Maryam »

Maryam wagte es kaum noch zu atmen. Ihre Angst, entdeckt und befragt zu werden, überrollte sie nahezu. Aber sie durfte diese Angst nicht übermächtig werden lassen, sondern musste sich zur Ruhe mahnen und weiterhin gedulden. Das Buch hielt sie immer noch fest umklammert und an ihre Brust gedrückt. Wie gerne hielte sie nun eines mit den Gebeten an Artherk in ihren Händen? Es gäbe ihr so viel mehr Sicherheit. Stattdessen war sie umstellt von Worten eines Glaubens, der nichts kannte außer Hass, Krieg, geschändete Opfer und Vernichtung.

Ihre Gedanken versanken wieder in Erinnerungen an die Gespräche mit ihrem Meister. Es war nicht wichtig, wo man war, denn selbst im Feindgebiet wachte Artherk immer über alle, die ihren Glauben an ihn und an sich nicht verloren. Bittend schloss sie ihre Augen und sprach im Stillen ein Gebet für ihn.
"Artherk, sei bei mir und gib mir Zuversicht und Hoffnung. Ich handle nur für dich. Ich bin hier nur für dich. Führe mich hinaus aus meiner Angst und lege deine schützende Hand über mich, damit das Böse mich nicht sehen kann."

Als Maryam ihre Augen wieder öffnete waren die Stimmen verschwunden. Die drei schienen den Hörsaal tatsächlich verlassen zu haben ohne einen Verdacht zu schöpfen oder sich einmal nach Besuchern umgesehen zu haben. Noch aber traute sie sich nicht, ihren Platz zu verlassen. Schließlich konnte es sein, dass einer von ihnen zurück kam.

Etliche Minuten vergingen in denen sie unbeweglich neben einem der Regale stand. Es passierte aber nichts, nur die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster schienen, wurden kräftiger und heller und kündeten davon, dass der Tag weiter vorran schritt.

In aller Vorsicht wagte Maryam einen Blick zwischen den Regalen hervor und ging kurz darauf mit leisen Schritten aber dafür umso lauter pochendem Herzen auf die Mitte des Hörsaals zu. Nichts deutete darauf hin, dass Adrian, Tanuri und Stellan wieder zurückkommen würden. Nachdenklich krauste sie ihre Nase und sah auf den Tisch, der ihres Geschmacks nach ziemlich unaufgeräumt war.

Gerne hätte sie mehr über Freyas Verschwinden erfahren und über die Pläne, die gemacht wurden, um sie zu finden. Ein jedes Wissen war kostbar und durfte nicht unterschätzt werden. Trotzdem war dies hier ein für sie gefährlicher Ort, weshalb sie tief in ihrem Innersten eigentlich ziemlich froh war, von diesem flüchten zu können. Nur ein falscher Schritt, ein falsches Wort und alles wäre verloren. Es war gut so, wie es war. Das Wichtigste hatte sie erfahren und alles andere würde die Hand Artherks weiterhin für sie lenken.

Erleichtert legte sie also das Buch zur Seite und atmete tief durch. Vielleicht musste sie diese Räume endgültig niemals wieder betreten und nicht länger verstecken, welchen Glauben sie tatsächlich lebte und innig liebte. Die vielen Worte, die sie über Ogrimar gelesen hatte, waren schrecklich und versuchten einen reinen Geist zu beschmutzen und zu verderben. Auch wenn es eine Waffe war, viel über den Gegner zu wissen, sie wollte davon nichts mehr lesen müssen oder sich an den Debatten über diese oder jene Zeile aus der Doktrin beteiligen.

Ohne sich noch einmal umzusehen, verschwand eilig aus dem Hörsaal und machte sich dorthin auf, wo die Stimme ihres Meisters am lautesten und am greifbarsten für sie war. 



Ihre Reise dauerte eine Weile, denn die Krypta war nicht in dieser Gegend. Die Aufregung aber, bis sie endlich dort ankam und die Treppen hinabstieg, blieb die ganze Zeit aufrecht. Sie steigerte sich sogar weiter als sie den Sarg erreichte, vor dem sie schon so häufig gesessen war, um Zwiesprache zu halten mit der Stimme, die sich als ihr Lehrer, ihr Führer und ihr Freund bewiesen hatte.

Mit ihrer Hand strich sie zunächt über den kalten Stein hinweg und ließ sich mit einer grazilen Bewegung auf ihre Knie. Noch wagte Maryam es nicht zu sprechen, waren die ersten Momente in seiner Nähe nach wie vor etwas Besonderes und blieben magisch. Dieser Ort war so friedlich und gehörte nur ihr und der Stimme, die ihr den Sinn ihres Lebens gegeben hatte. Jetzt war es an ihr, dieses Geschenk zurückzugeben.

Zittrig legte sich ihre Hand auf die Inschrift des steinernen Sarges und bebend sprach sie in die Einsamkeit der Krypta. 
"Mein Meister, ich weiß, wer der Schlüssel ist. Die Zeit des Wandels und der Veränderung ist gekommen. Aus der Schwärze kann das Weiß hervortreten und das Dunkel wird hell."

 
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-Freya-
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#878

Beitrag: # 54143Beitrag -Freya- »

Der pulsierende Schmerz, den Freya spürte, verblasste mit jedem Herzschlag. Immer weiter trieb er fort. Weit weg von allen Zweifeln und jedweder Last, sodass am Ende nichts bis auf die Dunkelheit selbst blieb.

Die Finsternis, welche sich sanft um sie legte und in der die Qual und Schwere ihres Körpers zusammen mit ihrer Stimme wie ein Echo verhallte. Kühl und erfüllt von vollkommener Stille war es beinahe friedlich.

Zärtlich glitten ihre Fingerkuppen durch die Leere hindurch, umfangen von der Verlockung des Vergessens, als würde man in der Tiefe eines Ozeans untergehen und jeder Sinn des Lebens selbst ohne Belang sein.

So einfach klang es und so einfach schien es. Umgeben von nichts als Schwärze schwanden die Zweifel, die Ängste und die Furcht. Es war nur ein winziger Schritt zu jener endlosen Freiheit, den sie gehen musste, um sich von der Geißel des Lebens selbst zu lösen. Sie musste sich nur entscheiden, loszulassen.

„Du verlierst dich Freya.“ Es war ein leises Flüstern, das die Dunkelheit durchdrang und ihren Geist so mahnend berührte. „Das willst du nicht.“

„Lass mich gehen.“ Worte, die sich auf Freyas Lippen formten und doch lautlos in der Stille selbst verhallten. Niemand interessierte sich am Ende tatsächlich für sie. Für ihre Gedanken, ihr Wesen oder ihre Gefühle. Jeder sah nur etwas in ihr, das sie nicht war. Etwas, das sie niemals sein konnte. Egal wie berauschend es sein mochte, der Schlüssel zu sein, sie fühlte es nur in ihren Träumen, ihren Visionen, während die Wirklichkeit ihr mit aller Grausamkeit ihre Fehlbarkeit und Verletzlichkeit aufzeigte. „Wir sind geboren worden, um zu sterben. Warum nicht einfach jetzt?“

Wieso sollte sie sich nicht einfach treiben lassen? Es war jetzt schon alles unwirklich. Wo immer sie war –in ihrem Bett womöglich, in dem Verlies des Bischofs, verschüttet in den Tunneln, begraben von einem Schuppen oder hier am Rand der Vergessenheit – sie wusste es selbst nicht mehr zu unterscheiden. So vieles wirkte auf sie ein, dass ihr Geist zu brechen drohte, sodass die Finsternis wie eine Erlösung erschien. Eine Befreiung, der Freya folgen wollte.

„Du vergisst deine Bestimmung, deinen Weg und dich selbst.“ Erneut hörte sie die Stimme. Ihre eigene Stimme, der sie nicht entkommen konnte. Doch wollte sie es nicht mehr hören. Keine Litanei über ihr Schicksal oder einen Schlüssel. Niemand wusste, wie es sich anfühlte. Die Bürde jener Erwartung, die man in sie setzte. Eine Verantwortung, die sie in die Knie zwang und zugleich nicht wissen ließ, was richtig und falsch war.

Sie hätte ein Kind sein können. In Apfelbäume klettern sollen, Streiche spielen oder damals mit Samu zum Zirkus gehen können. Stets hatte sie sich leiten lassen von jener Stimme in ihrem Geist. Und wo war sie nun? Wer sah überhaupt noch in ihr das Mädchen und wer ein Ding?

Hier war es gleich. Nein, es war so viel leichter sich treiben zu lassen. Jenen Weg ausnahmsweise zu wählen, der sich leicht anfühlte. Frei von Schmerz und Entbehrung, von der Bürde einer Bestimmung geleitet.

„Willst du es wirklich? Allein sein, in der Dunkelheit?“ Es war ihre eigene Stimme, während sich das Bild der Frau hinter den Spiegeln vor ihren Augen formte. Erwachsen und dennoch zierlich. Zerbrechlich und doch auf eine unbeschreibliche Weise von Macht erfüllt, die sie wie ein Licht in der Dunkelheit selbst wirken ließ. Warum schwieg sie nicht einfach?

„Du weißt, du willst es nicht. Du kannst deine Augen davor nicht verschließen.“ Leicht nur deutete ihr Spiegelbild eine verneinende Geste an, ehe sich ihre Hand vor Freyas Augen erhob. Natürlich wusste sie sehr genau, wovon sie sprach. Jenem Irrlicht, im Reich der Finsternis, das für immer verloren und verdammt war in der Einsamkeit.

„Du wurdest geboren, um für den Untergang zu kämpfen. Du wirst lieben, um Hass fühlen zu können. Du wirst kämpfen, um versagen zu lernen. Du wirst vertrauen, um aus dem Betrug zu erstarken. Deine Liebe wird sich wandeln und deine Freunde werden deine Feinde sein. Doch du bist die Schöpfung, aus der die Zerstörung entstehen wird.“

Bilder flammten vor ihr auf. Erinnerungen und Gedanken, vor denen sie die Augen nicht verschließen konnte. Freya kannte das Verlangen in sich, das mit jedem Tag wuchs. „Du fühlst es in dir. Die Verbundenheit. Die Wahrheit. Wir wissen, wer wir sind, oder nicht? Wir können dem Schicksal nicht entkommen. Wach auf …“

Für einen kurzen Moment flammten die Bilder in der Dunkelheit auf. Wie kleine Funken, die ihre Gedanken durchströmten, während die Stimme weiter an ihrem Geist kitzelte.

„Wach auf Freya…“ Es war ein leiser Hall, während die Finsternis von kleinen Lichtblitzen durchzogen wurde. Erst nur wenige, welche die Dunkelheit wie Risse durchzogen. Ein Schimmern, welches sich mit der Finsternis vereinte und in einem anschwellenden Wirbel zunehmend an Macht gewann. Ein gleißendes Licht, das sie zusammen mit der Dunkelheit umkreiste, sodass es ihr das Gefühl von Schwindel verlieh. Ein Taumel zwischen richtig und falsch. Zwischen festhalten und loslassen.

„Wach auf Freya.“ Flüsterte es leise, als im nächsten Herzschlag ein grauenhafter Schmerz ihren Körper flutete. Eine Stimme, die wie Naheniels klang, doch verzehrt wurde von dem, was sie fühlte. War er gekommen, um sie zu retten? Hatte sie alles einfach nur geträumt? Flatternd zuckten ihre Lider, doch der Blick des Mädchens war verschwommen. „Spürst du es?“

Benommen blinzelte das Mädchen, doch hinter dem Schleier von Tränen und Schmerz konnte sie nichts erkennen. Nichts hatte wirklich eine Form oder gar ein Gesicht, sondern war nur ein fernes nebulöses Bild, über das sich immer wieder Schatten legten. 

Freya spürte, wie sie schreien wollte. All die Qual aus sich hinausbrüllen. Sie wollte der Stimme antworten, ihr trotzen. Ihm, ebenso wie dem Schmerz, doch die Kraft selbst fehlte ihr, sodass lediglich ein gequältes, mattes Keuchen hervorkam. „Spürst du es....Naheniel?

Ob sie die Worte aussprach oder nur dachte, ging für sie verloren. Freya fühlte sich so schwach, so müde. Die Frage wollte das Mädchen kämpfen lassen, doch ihr Körper selbst war so schwer. Sie erinnerte sich an das, was sie wollte, an das, was ihr gehören sollte, wenn sie ihrem Weg treu blieb. Sie durfte nicht von ihrem Weg abkommen, egal wie verführerisch es war, frei zu sein. Nur noch einen Moment der Ruhe. Leise nur seufzte sie, als die Dunkelheit sie wieder umfing. Dieses Mal jedoch zog es sie nicht hinab. Vielmehr hatte sie das Gefühl zu schweben. So als würde sie von ihr getragen werden Sie musste Kraft schöpfen, um einen Weg zu finden. Einen Weg hinaus aus dem Dunkel. Einen Weg heim.


 
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Naheniel
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#879

Beitrag: # 54145Beitrag Naheniel »

Der Stich, den Freya sich zufügte, wand sich durch seinen Körper, als wäre die Klinge überzogen von fließender Lava, die sich durch seine Blutbahnen fraß und ihn von innen verbrannte. Er konnte die Bilder der Illusion über die toten Leiber nicht länger aufrecht halten und so zersplitterte das Trugbild, das sie beide zusammengeführt hatte, zu tausenden surrenden Scherben, ganz so, wie es auch der Spiegel in Freyas Zimmer es getan hatte.
Anders als sonst war es keine Vision gewesen, die sie teilten. Das wurde Naheniel in dem Moment klar, als er die Kontrolle über seine Welt zurückgewann und Freya nach seinem Willen die toten Körper ihrer Freunde zeigen konnte.
Eine Illusion ließ sich lenken, eine Vision nicht. Aber selbst in diesem Trugbild war Freyas Macht angeschwollen und sie hatte sich gegen ihn gewandt.
"Spür es... Diu mirsin."

Das Gesicht der Frau wurde wieder zu dem des Kindes, bevor es verging und eins wurde mit dem fließenden Sand. Naheniel antwortete nicht auf ihre Frage, sondern sah sie nur mit Verachtung in seinem Blick an. Wie konnte sie es nur wagen, aufzubegehren und sich gegen ihn entscheiden?
Sie wollte ihm Schmerz zufügen? Oh, sie würde noch fühlen, was wahre Schmerzen waren.

Seine Finger vergruben sich fester in ihr Handgelenk und er drehte sie wieder zu sich. Für einen kurzen Moment glitt sein Blick an ihr hinab und betrachtete das Blut, das aus ihrem und auch aus seinem Körper floss. Sogleich sah er aber wieder auf, fasste mit seinen Augen nach ihr und beugte sich tief zu ihr hinab, so dass seine Lippen schon fast auf sie trafen, als ein gefährliches Raunen über sie strich.

"Ich fühle es. Fühlst Du aber auch mich?"
Seine andere Hand legte sich auf jene Freya, die den Schaft des Dolchs festhielt. Die scharfe Klinge vergrub sich tiefer in den Bauch des Mädchens, während im gleichen Augenblick ihr wahrer Körper von den Balken der Scheune vergraben wurde und ihre eigene Stimme versuchte sie zu retten und sie dazu zu bewegen, aufzuwachen und seiner Dunkelheit zu entkommen.

 
Natürlich war es seine Absicht, ihr Leid zuzufügen.
Niemand durfte ungestraft eine Macht über ihn anwenden, die ihm schadete. Hier in dieser Welt war Freya die Seinige. Was er zunächst noch für einen hinterhältigen Schritt des Schicksals gehalten hatte, dass das Kind dazu verführt hatte, ausgerechnet hier aufzutauchen, konnte zu sich seinem Vorteil entwickeln.
Es war seine Welt, es galten seine Regeln. Warum das nicht gegen Freya nutzen und sie dadurch noch weiter zu ihm treiben?

Ein berechnend kaltes Lächeln zog sich über sein Gesicht, als er den Dolch noch fester packte und herumdrehte, um mit der Klinge, die sich bereits tief in den Bauchraum Freyas bohrte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn zu lenken und ihr inneres Gespräch mit sich selbst zu unterbrechen.

"Ich gehöre Dir nicht, aber Du gehörst mir."


Auch wenn es seine Welt war, die seinen Regeln unterlag, rechnete er nicht mit dem Echo aus Schmerz, das sein Tun hervorrief und der immer stärker werdenden Macht des Schlüssel.
Der Sand und die Asche, aus deren sich Freyas Körper bildete, schlugen wild auf und rannen brennend heiß durch seine Finger hindurch.
"Spürst du es ... Naheniel?" Kleine Flammen züngelten an seinen Füßen und an seinen Händen auf und von eigenem Schmerz gepeinigt, stolperte er einige Schritte von Freya zurück. Sie löste sich bereits auf, war schon gar nicht mehr richtig da. Ihr Geist wollte sie wohl vor dem beschützen, was sie nicht sehen sollte, damit die Unsicherheit nicht noch tiefer in ihre Seele schnitt und sie nicht noch mehr dazu verführte, sich aufzugeben.

Doch die Bindung zwischen ihr und Naheniel dauerte nun schon über so viele Jahre an, hatte an einer Stabilität gewonnen, die ihn sonst seine Geduld und Nerven kostete, die er sich aber jetzt zu Nutze machte.
Für einige letzte Atemzüge hielt er sie mit seiner Kontrolle über sie und die wenigen Reste der Illusion noch bei sich. Freya sollte dem nicht entkommen, was sie sehen sollte und sehen musste.

Naheniel sackte zu Boden und die gierigen Flammen, die aus dem Zerfall ihres Körpers aus Sand und glühender Asche entstanden waren, streckten sich nach ihm aus, verschlangen zunächst nicht nur seine Hände und Füße, sondern hüllten ihn in atemberaubender Geschwindigkeit vollständig ein, nur um ihn kurz darauf zu verschlucken.
Alles an ihm war nur noch loderndes Feuer, aus welchem er Freya, als wäre nichts von all dem gewesen was soeben geschehen war, gebrochen und enttäuscht ansah.

"Warum tust Du mir das an, kleine Lady?"

Es waren die letzten Worte die sie hörte, bevor der Feuerball in einem hellen Glühen zerbarst und daraufhin die Dunkelheit Freya endgültig einfing und das Bild vor ihren Augen verschwand.
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Gesichtsloser Erzaehler
Schmied / Schmiedin
Beiträge: 67
Registriert: Do 22. Jul 2021, 21:49

#880

Beitrag: # 54148Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

Bild

Verärgert strich Hafrun eine dicke, grünliche Pampe auf die Wunde an Freyas Bauch. Sie hatte dem Mädchen den verdreckten und mit Blut getränkten Fetzen Stoff, der wohl irgendwann mal ein einfaches Kleidungsstück gewesen war, abgenommen und sie auf das Bett gelegt, das sich auf dem Dachboden befand. Ihr kleines Schätzchen, das, wie befohlen bereits einige Zeit zuvor ohne sie aus dem Wald zurückgekehrt war, reichte Hafrun einen Leinenverband, mit dem sie den tiefen Schnitt verband.

Mit einem Ächzen erhob die alte Frau sich daraufhin und drückte sich ihre Hände in den Rücken. Langsam wurde sie wirklich zu alt für diese Form der Arbeit. Und es war auch nicht auf ihrem Plan gestanden, dass sie das Mädchen wieder zusammenflicken musste.

Etwas überrascht war sie nämlich durchaus gewesen, als der Schlachter mit Freya im Arm vor ihrer Tür stand. Das Kind blutüberströmt und ohne Bewusstsein und der grobschlächtige Mann mit einem widerlich seligen Grinsen auf seinen Lippen. Sollte er nur meinen, dass er das Mädchen nach dessen Genesung zurück erhielt. Bis dahin war sie schon längst verkauft und Hafrun würde ihm einfach erzählen, dass die Wunden zu tief gewesen waren und  sie nichts hatte tun können, um sie zu retten. Der Schlachter würde ihr schon glauben und wenn nicht, dann konnte es ihr auch vollkommen gleich sein, schließlich war er es am Ende, der auf ihr Gold mehr angewiesen war als sie auf seine Dienste. 

Dummerweise aber musste Hafruns sich nun wesentlich mehr sputen, als ihr lieb war. Nachdem die alte Frau Freya sich selbst überlassen hatte und zu ihrem Haus zurückgekehrt war, wurde sie schon von ihrem kleinen Täubchen erwartet, das ein Pergament in seinen Händchen hielt.

Unwirsch hatte Hafrun es ihm abgenommen, mochte sie es nicht gern, wenn das kleine Ding seine schmutzige Nase zu sehr in ihre Angelegenheiten steckte. Mit einem Wink schickte die alte Frau ihr Anhängsel hinfort, um Wasser aus dem Brunnen zu holen, begab sich in die Küche und setzte sich neben den bereits beheizten Kachelofen, um ihre schweren und müden Glieder zu wärmen. Wie mühselig es doch war, alt zu werden.

Ihre dürren Finger entrollten das Pergament und mit zusammengekniffenen Augen las sie, was darauf niedergeschrieben stand.
"Verflixt noch eins." Hafrun legte das Pergament zur Seite und legte ihren Kopf gegen den warmen Ofen und seufzte tief. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.





 
Werte Hafrun, 
 
meine Geschäfte und meine Kutsche führen mich wie es der Zufall will in Eure Gegend.
Da die Nachfrage an Eurem Angebot momentan besonders hoch ist, würde ich meine Ware direkt auf diesem Weg selbst abholen. So müsst Ihr Euch nicht in die Stadt bemühen und könnt Euch schonen. 

Ich hoffe, Ihr habt etwas für mich zur Auswahl, was seinen Preis wert ist und von dem wir beide profitieren können. 
 
Erwartet mich schon bald.
 
Hochachtungsvoll, 
die Gräfin



"Was soll das nun heißen, "schon bald"? Ist das ein Heute, ein Morgen oder erst ein nächste Woche?" Hafrun schüttelte ihren Kopf und ihr weißes, schütteres Haar fiel ihr in das Gesicht. "Immer diese Leut' aus den Städten. Wissen nicht, sich klarer auszudrücken. Als wär ich den ganzen Tag nur in meinem Haus und hätt' sonst nichts zu tun, außer zu warten, dass jemand vorbeikommt."

Das Täubchen brachte derweil einen Eimer mit Wasser zurück aus dem Garten und hängte diesen über das Kaminfeuer, damit es sich erwärmte und sie damit die geschundenen Füße Hafruns waschen konnte. Ganz so, wie es das immer tun musste. Tagein und tagaus, seit es sich zurückerinnern konnte.

Es kannte nichts anderes mehr als dieses Leben und wusste nicht, was es sonst für Möglichkeiten gab. Die Erinnerungen an ihr vorhehriges Leben lagen zu weit in der Vergangenheit. Eins aber wusste es mit unumstößlicher Gewissheit: Hafrun gab ihr zu Essen und einen Platz zu schlafen, solang es sich benahm. Und der Zorn der alten Frau sehr schmerzhaft ausfallen konnte, wenn es etwas Falsches tat. 


Als das Wasser eine angenehme Temperatur erreicht hatte, schleppte es den Eimer hinüber zu der alten Frau, die sich bereits ihrer Schuhe entledigt hatte und immer noch leise vor sich hinschimpfte. "Und woher soll ich nun auf die Schnelle ein Kind bekommen? Natürlich will ich das Eine haben. Aber sie is' scheu wie ein Rehkitz. Hast du gesehen, wohin sie verschwunden ist?" Hafrun sah zu ihrem Täubchen hinab und schüttelte erneut den Kopf. "Nein, woher auch, du warst ja brav hier, so wie ich es dir gesagt habe."

Die Frau lehnte sich mit ihrem knochigen Rücken an den Kachelofen und dachte weiter laut nach. "Wir könnten sie einfangen. Zum Teufel mit der Freiwilligkeit." Das Weslein, dass ihr vorsichtig die Füße wusch, sah mit großen, fragenden Augen zu Hafrun auf. "Ja, ja, ich weiß, ich kann sie wohl kaum fangen. Du aber…", sie wog ihren Kopf hin und her und sah ihr Täubchen an, "wenn du dir Mühe gibst und schnell bist, könntest du sie erwischen. Mit ein paar Seilen solltet du sie soweit bewegungsunfähig machen, dass du sie hierherschleppen kannst. Wir baden sie, bürsten ihr das Haar und ziehen ihr etwas ordentliches an. Und bis die Gräfin auftaucht, hab ich auch einen Trank fertig, der ihre Wangen wieder etwas rosiger und ihren Körper etwas voller wirken lässt."

Noch während Hafrun ihren Plan im Geiste vervollständigte, klopfte es donnernd gegen ihre Türe. Und ganz und gar unerwartet und ohne irgendeinen Aufwand zu betreiben, war das Mädchen freiwillig zu ihr gekommen. Nun ja, so mehr oder minder freiwillig zumindest. Aber so genau musste man es ja nicht nehmen. 


"Ich hoff' die Wunde heilt einigermaßen, bis die Gräfin hier ist. Wir brauchen für das Kind noch ein passables Gewand mit langen Ärmeln, was das Gröbste überdeckt." Sie schaute auf das Häuflein Elend hinab, das da in ihrem schummrigen Dachboden lag, eingewickelt in einen dicken Leinenverband und mit allerlei Abschürfungen an ihren Armen und auch Beinen. Selbst die Handflächen waren nicht verschont geblieben.

Gute Güte, wie konnte man sich selbst nur so zurichten? Tadelnd hob Hafrun ihren Blick und sah dann zu ihrem helfenden Wesen hinüber.
"Komm, geh raus in den Wald und hol mir Zaubernuss und etwas Rinde von der Moorbirke. Aber erst nach Sonnenuntergang. Wenn wirs dann aufkochen, ist die Wirkung wesentlich stärker. Mit ein bisschen Glück und Zauberkunst sieht man beim Morgengrauen schon kaum noch was."

Hafruns Täubchen nickte und tapste auf ihren kleinen Füßen eilig davon. Noch kurz versuchte die alte Frau selbst wieder zu Kräften zu kommen, dehnte und streckte sich, bevor sie sich wieder auf dem Hocker neben dem Bett Freyas niederließ und versuchte dem schlafenden Mädchen eine Tinktur einzuflößen, die sie zuvor von einer Flasche mit einer exakten Anzahl von Tropfen auf einen Löffel gegeben hatte. "Komm, nun öffne schon deinen Mund. Oder ists dir etwa lieber, wenn du hier verendest?"


 
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-Freya-
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#881

Beitrag: # 54154Beitrag -Freya- »

Wie lange Freya zwischen Dunkelheit und Dämmerung pendelte, vermochte sie nicht zu sagen. Das Szenario, das sie umgab, erschien Freya geradezu surreal und jeder hier schien sie in jeder Hinsicht feindselig zu betrachten. Es war eine Ebene, die sie als Fremdkörper wahrnahm, doch gleichzeitig bot sie keinen Ausweg.

Es schien ihr daher viel einfacher zu sein, die Augen geschlossen zu halten und sich einfach den Träumen hinzugeben, in denen sie die Hilflosigkeit ablegen konnte. Eine Dunkelheit, in welcher sie an einem Ort sein könnte, wo ein Teil von ihr sein wollte – bei Naheniel. Ein Ort der Freiheit, frei von Schmerz, Zweifel und Angst.

Ihre Träume sollten sich vereinen können. So hatte Naheniel es ihr gesagt oder war es eine Einbildung gewesen? Es war beinahe so, als hätte sie ein unsichtbares Band gespürt, dem sie hätte folgen können, eine Magie, die sie zu ihm führte. In seine Finsternis, wo sie einem gleißend hellen Licht ebenbürtig von Macht erfüllt so rein und perfekt erschien, dass er ihr nicht länger widerstehen könnte. Nicht länger nur den Schlüssel sah, sondern sie. Doch war dies alles nur das Produkt ihrer Fantasie? Oder nicht?

"Warum tust du mir das an, kleine Lady?" Diese Worte hallten in ihrem Geist wider. Warum? Vielleicht damit er dasselbe empfand wie sie: Schmerz und Angst. War es nur ein Traum gewesen? Wie von Flammen verzehrt, lösten sich die Bilder vor ihr auf, loderten nieder, ohne dass sie ihm antworten konnte.

Stattdessen vernahm Freya wie aus weiter der Ferne eine leise Stimme. Ein sanftes Fordern, das an die Ohren des Mädchens drang, bevor etwas Kühles ihre Lippen berührte, nur um behutsam ihre Unterlippe leicht hinabzudrücken.

Zögernd öffnete sie ihre Lippen, nur um im nächsten Moment den bitteren Geschmack der Tinktur auf ihrer Zunge zu spüren. Sie atmete unsicher ein, um einem aufkommenden Würgereflex zu widerstehen, der durch den widerwärtigen Geschmack ausgelöst wurde.

Bitter und brennend breitete sich die Flüssigkeit auf ihrer Zunge und in ihrer Kehle aus, bevor sie husten musste. Ein stechender Schmerz durchfuhr erneut ihren Körper, ein Schmerz, der in jedem Atemzug deutlich nachhallte und der sie ohne Erbarmen aus der Dunkelheit hinauszerren sollte.

„Au!", entfuhr es ihr entkräftet und erschöpft, während heiße Tränen über ihre Wangen liefen. Nein, sie wollte nicht sterben, auch wenn es so einfach erschien, um dem Ganzen zu entkommen. „Wo bin ich?"

Unsicher versuchte Freya ihre Lider zu heben, doch sie spürte die Schwere in ihnen, die sich dagegen auflehnte.  Wo war sie? Eine Frage, auf die sie selbst versuchte eine Antwort zu finden.

Ihre anderen Sinne nahmen dafür jedoch bereits Teile ihre Umgebung wahr. Das einfache Strohbett auf dem sie lag war weich und sauber.  Es roch weder nach Schimmel und Feuchtigkeit, sondern frisch, während eine warme Decke sie bis zum Hals einhüllte. Nichts roch Tod und Verzweiflung, sondern der Duft von einem warmen Feuer, Kräutern und Wald kitzelte sie stattdessen in der Nase.

Mühsam kämpfte sie gegen die Erschöpfung an. Es war ein unsicheres Blinzeln, mit dem sie langsam ihre Wimpern anhob. Das Bild vor ihren Augen war unklar, nahezu verschwommen und Freya brauchte einige Atemzüge, damit die Schatten vor ihren Augen abfielen, und alles um sie herum Gestalt annehmen konnte.

Ein kleiner Dachboden schien um sie herum. Warmes Licht erfüllte den Raum, ob durch Sonne von außen oder einem warmen Feuerschein, konnte sie noch nicht deuten, denn Freyas Aufmerksamkeit ruhte vorerst nur auf der alten Frau, deren Gesicht sich erst zögerlich vor ihren Augen klärte.
 
„Ihr?“ Es war ein kleines dankbares, wenn auch gequältes Lächeln, als sie das Großmütterchen ansah, welches sie scheinbar gerettet haben musste.  „Danke.“

Ein wenig unbeholfen und kraftlos versuchte das Mädchen, sich aufzurichten. Doch sofort spürte sie ein heftiges Ziehen in ihrem Bauch. Ein betäubender Schmerz, der für einen Herzschlag fast wie eine Erkenntnis war, welche sich in einem unsicheren Glanz in ihren Augen widerspiegelte.

Aufgeregt konnte Freya das Pulsieren in ihrem Inneren spüren. Hervorgerufen von Erinnerungen oder vom Schmerz selbst, war schwer zu unterscheiden. Was war genau passiert? Vorsichtig ließ Freya ihre Hand an ihrem Körper hinabwandern, bis ihre Fingerspitzen den dicken Verband berührten.  Was war geschehen? Sie war in die Scheune gelaufen und dann war das Dach über ihr eingestürzt. Und dann?

Langsam ließ sie sich das Mädchen widerstandslos wieder auf die Matratze aus Stroh nieder, ehe sich ihre großen glasigen Augen dem hageren faltigen Gesicht der Kräuterhexe zuwandten. Leise nur hob Freya ihre Stimme an, um sich möglichst wenig zu bewegen. Lediglich ihre Finger strichen ungläubig über den festen Stoff, der spürbar eine tiefe Wunde umgab, hinweg.

„Was ist passiert?"
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
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Gesichtsloser Erzaehler
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#882

Beitrag: # 54155Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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"Pscht!" zischte Hafrun ihr zu und schaute das Kind streng an. "Ich sagte, du sollst trinke und nicht sprechen." Ihre knöchernen Finger griffen nach Freyas Hand und zogen diese Weg von dem Verband. "Und nichts angreifen. Am End' machst du mir noch die ganze Arbeit zunichte. War ohnehin schon schwer genug, dich wieder zu einem Stück zusammenzuflicken." Murmelte die Frau ungeduldig, da man ihr Werk anscheinend nicht richtig zu würdigen wusste. Was aber auch nichts Neues für sie war.

Wie oft standen sie, die Männer und Frauen vor ihrem Haus und erbaten Heilung oder Hilfe? Ganz gleich, ob es nun die schwindende Manneskraft oder das ungeborene Kind im Leib war, das nicht gewollt war. Hafrun fand für alles ein Kraut oder ein Öl. Dankbar waren sie trotzdem meistens nicht, sondern schlichen sich beschämt wieder davon und machten dann aber große Mäuler, sobald sie beim Wirt saßen, über die alte Frau. Kräuterhexe war noch die freundlichste Bezeichnung, von der sie gehört hatte.


Mit einem eiskalten Lappen tupfte sie über die Stirn Freyas und über ihren Haaransatz. Mit gerümpfter Nase schaute sie sich das zerzauste und von Staub bedeckte Haar des Mädchens an. Hafrun bräuchte wohl eher zehn Hände, um das Kind in kürzester Zeit auch nur in irgendeiner Weise vorzeigbar zu machen. "Woher soll ichs wissen? Mit mir kommen wolltest du ja nicht…"
Die Alte setzte einen beleidigten Unterton auf und wischte das restliche Gesicht Freyas sauber, wrang dann den Lappen aus und tunkte ihn erneut in das kalte Wasser, um mit ihrer Arbeit fortzufahren.

"Der Schlachter hat dich so hierher gebracht. Kannst von Glück reden, dass du noch am Leben bist. Außer du willst das Leben nicht, dann ists wohl eher ein Unglück." Ein gespenstisch verzerrtes Lächeln zog sich über ihr faltiges Gesicht, das sie aber kurz darauf bereits in Richtung von Freyas Bauch richtete und die Decke bis zu der Hüfte des Mädchens herunter zog, damit sie auch am Oberkörper den Schmutz und Dreck entfernen konnte. Sie scherte sich nicht darum, ob das Kind dabei Scham empfand. Hafrun hatte schon so viele von ihnen gesehen, für sie waren sie alle gleich. Was sie aber nicht wollte, war, dass irgendein Dreck in die Nähe der Wunde kam und diese infizierte.

"Viel eher sollt' wohl ich dich fragen, was du in der kurzen Zeit angestellt hast, um so auszusehen." Mit einem Feingefühl, das ihrem Charakter so gar nicht entsprechen mochte, führte sie den Lappen über die Haut des Mädchens und schrubbte vorsichtig an den stärksten Verkrustungen von Blut und Schmutz.

Wieder wrang sie den Lappen in dem Eimer neben ihren Füßen aus, beließ diesen dann aber vorerst dort und streckte ihren Rücken durch.
"Eigentlich hatt' ich für heute andere Pläne gehabt, als diese Schererei." Hafrun griff nach einem trockenen Tuch, tupfte das kalte Wasser von Freyas Gesicht und Oberkörper und deckte sie wieder zu. Um ihre Beine und Füße konnte sich dann ihr Täubchen kümmern.

Vorerst schien sie zufrieden mit ihrem Werk, fuhr sich mit ihrem Handrücken über die Nase, erhob sich mit einem Ächzen und ging auf eine hölzerne Kommode zu, die sich mit einem lauten Knarzen öffnete. Für einige Augenblicke war es nahezu ruhig. Nur ein sachter Wind schlug gegen das Dach und das Atmen Hafruns und ihr Suchen in der Schublade, war noch zu hören, als sie in dem Haufen von Gewändern nach etwas Passendem suchte.

Man musste das Mädchen ja nicht gleich herausputzen wie für einen Mitternachtsball, mit roten Stiefeln und rotem Kleid. Aber zumindest etwas überziehen konnte es sich, schließlich sollte sie schon bald aufstehen und sich bewegen. Hafrun musste sehen, ob die Wunde zusammenhielt und sie womöglich schon am Morgen, nachdem für das Mädchen weitere Gebräue zur Heilung hergestellt worden waren, den Verband entfernen konnte. Sie musste jederzeit dafür bereit sein, dass die Gräfin erschien. Immer noch verärgert über diese ungewollte Eile, die sie an den Tag legen musste, raunzte sie leise vor sich hin, während ihre Wahl auf ein weites Hemd fiel, das vorerst annehmbar genug war.

Mit diesem schlurfte sie zurück zu Freya und legte es ihr auf die Bettkante.
"Hier. Das kannst du erstmal überziehen. Hübsch ist es nicht, wärmt dich aber zusätzlich. Wenn die Nacht hereinbricht, wirds hier oben zugig."

Sie strich sich einige ihrer dünnen Strähnen aus dem eingefallenen Gesicht und betrachtete das Mädchen unter der dicken Decke. Es sah wirklich elend aus, käseweiß wie das Polster auf dem sie lag und zugerichtet, als wär das Schlachtross des Höllenfürsten über sie hinweg geritten. "Vielleicht ist's aber eh besser, wenn du dich nicht erinnern kannst. Wenn der Schlachter dich brachte, will ich gar nicht wissen, wie es kam, dass du ihm in die Hände fielst."

Hafrun verzog ihr Gesicht und seufzte wieder. Sie konnte wirklich nur hoffen, dass dieser dumme Kerl seine Hände nur dafür benutzt hatte, um das Kind hierher zu bringen. Es würde ihren derzeit ohnehin schon gesunkenen Wert noch weiter schmälern, hätte er sich an ihr vergriffen. Wenn es sich herausstellte, dass der Zustand des Mädchens seine Schuld war musste sie dringend ihre geschäftliche Beziehung zu ihm überdenken. Bisher hatte er sich in Intellekt nicht sonderlich hervorgehoben, aber von derartiger Schwachsinnigkeit? Nun ja, sie hatte schon alles gesehen und erlebt. Es würde sie kaum noch wundern.

Sie strich sich mit ihren Fingern über die faltige Stirn und überdachte kurz die Möglichkeiten und ob es sich überhaupt lohnte, noch weiter Zeit in das Kind zu investieren, wenn vielleicht nicht mal eine Handvoll Goldstücke heraus schauten. Kurz zuckte sie daraufhin mit ihren schmalen Schulter und warf ihren Blick hinaus aus einem kleinen Dachbodenfenster. Die Dürre und Misswirtschaft hielten an und irgendwann würde der Winter kommen. Da waren auch ein paar Goldstücke mehr als gar keine Goldstücke.
"Hast du Hunger?" 


 
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Naheniel
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#883

Beitrag: # 54156Beitrag Naheniel »

Noch während der Feuerball sich um den Körper Naheniels schloss, strich er mit seiner Hand zornig den Sand auf dem Boden zur Seite und gab damit einen schwarzen, wabernden Fleck frei.
Er musste hier weg, bevor Freya womöglich wieder nach ihrer Macht griff und aus einer Illusion eine Wahrheit wurde und sie ihn mit ihrer Wut und ihrem Schmerz vernichtete.
Wobei nicht alles eine Illusion war, wie er noch feststellte, bevor das Schattenportal, das ihm einen Weg durch das Zwielicht zurück in die wahre Welt freigeben sollte, vollständig entstanden war. Naheniel drückte seine andere Hand gegen den Bauch und spürte das warme Blut. „Miststück.“
Wiederholte er seinen Fluch gegen Freya und ließ sich kurz drauf durch das Portal fallen.

Der Dolch war tief eingedrungen und hatte schwerwiegende Verletzungen hinterlassen. Verletzungen die es ihm fast unmöglich machten, sich auf die Magie des Portals zu konzentrieren und den Pfad durch das Zwielicht zu finden.
Es war ihm egal wo er landen sollte, Hauptsache er war vorerst weit entfernt von seiner eigenen Welt und von Freya.

Mit einem Stolpern entfloh er den Schatten und landete blinzelnd und schwankend in einem Steinkreis. Als er zu Atem gekommen war, lehnte er sich gegen einen der kühlen hohen Steine und schloss seine Augen, während er seine Hand fest gegen die Wunde gepresst hielt.

Er hatte es wohl tatsächlich vollkommen unterschätzt, wie viel Macht sie bereits besaß. Viel schlimmer an dem war aber, dass diese Macht unkontrolliert war.
Sie wusste anscheinend nach wie vor überhaupt nicht damit umzugehen und war bereit dafür, Leben zu beenden nur um den Schmerz des anderen zu sehen. Aber nicht mehr lange ließ er das zu.
Bisher war vielleicht zu naiv gewesen, hatte darauf gezählt, dass er einzig mit seiner angeblichen Freundschaft zu ihr das von ihr bekam, was er wollte. Darauf allein durfte er sich aber nicht länger verlassen.

Nur Vertrauen reichte ihm nicht mehr. Er wollte sie besitzen, damit sie ihm ohne ein Widerwort oder auch nur einen Gedanken des Widersetzens gehorchte.
Auch wenn es zunächst entgegen seinem eigentlichen Plan gewesen war, dass Haedinn sie ausgerechnet in seine Welt führte, sah Naheniel nun, dass es einen gewissen Vorteil brachte: Sie war seine Gefangene. Ohne seine Erlaubnis gäbe es keinen Ausweg für Freya. Und solange er in sicherem Abstand zu ihr blieb, konnte sie ihm keinen Schaden zufügen.
Man musste eben immer das Beste aus der schlechtesten Situation ziehen.

Ein weit durch seinen Körper ziehender Schmerz erinnerte ihn jedoch vorerst daran, was sie ohne zu zögern getan hatte. Naheniel blickte an sich hinab und sah, dass die Wunde weitaus schlimmer war, als gedacht. Missmutig schüttelte er seinen Kopf und sah sich um. Es war der Druidenhain, in welchem er aus dem Zwielicht getreten war.
Zumindest etwas, womit er etwas anfangen konnte. Er zog seinen Mantel fester um sich und schleppte sich durch den Hain hindurch. Es war ihm egal, welcher der Druiden ihm half, solange es einer tat.

Mit seiner Faust klopfte er gegen eine der Türen und ließ dem Öffnenden keinerlei Zeit, den Besuch zu grüßen oder ihm überhaupt Einlass zu gewähren. Naheniel drückte sich durch den Eingang, warf die Türe hinter sich zu und packte den Druiden unsanft mit seiner Hand am Oberarm.
Er hatte keine Zeit und keine Nerven für ausschweifende Erklärungen oder Höflichkeiten. Das war endgültig vorbei. Freya hatte ihn aufs Äußerste gereizt, ihm demonstriert, zu was sie fähig und bereit war. Sie versteckte ihr wahres Ich nicht länger vor ihm, warum also sollte er es?
Es war also nicht mehr von Nöten, sich als freundlicher Reisender vor irgendwem zu präsentieren. Sollten sie Angst haben, zum König oder Priester rennen und ausposaunen, was er tat und mit welcher Vehemenz er seinen Willen durchsetzen konnte. Opfer waren ihm gleich, egal woher sie kamen oder wer die waren. Je weiter es getragen wurde, dass er vor nichts mehr zurückschreckte, desto besser passte es ihm.

„Kümmere Dich darum.“ Er öffnete seinen Mantel und zeigte dem Druiden seine tiefe Wunde. Dieser sah mit einem Stirnrunzeln den ungebetenen Gast an. „Ich bin kein Heiler oder Medicus. Ich bin ein Druide, kümmere mich um den Wald und die Tiere.“

Naheniel ließ sich auf einen Stuhl nieder und lehnte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht nach hinten, während er seine Beine weit von sich streckte. Er musste den Schnitt irgendwie entlasten und dafür sorgen, dass es aufhörte zu bluten.
Noch war auch er nur ein Mensch, weder unsterblich, noch unverletzbar. Verlor er noch mehr Blut, würde er schon bald das Bewusstsein verlieren und das konnte er sich nicht leisten. Wer wusste schon, was der Druide und seine Gesellen dann mit ihm anstellten.

„Ich habe gesagt, kümmere Dich darum. Sofort.“ Der Tonfall seiner Stimme sollte davon zeugen, dass er keinerlei Ausflüchte gewähren ließ. Mit vorsichtigen Schritten kam der Druide näher und deutete Naheniel, seine Hand von der Wunde zu nehmen, um diese zu untersuchen. Verwundert betrachtete er diese und zog seine Augenbrauen fragend zusammen. „Wie habt Ihr Euch diese zugezogen? Es ist keine normale Verletzung… Sie wirkt… dunkel.“

Naheniel griff nach dem Handgelenk des Druiden und fuhr ihn gereizt an. „Ich sagte, Ihr sollt Euch darum kümmern. Von irgendwelchen Fragen sagte ich nichts.“
Der Druide versuchte einen Schritt zurück zu weichen, entkam dem festen Griff aber nicht. Letztendlich sah er ein, dass ihm keine große Wahl blieb und so nickte er knapp, wenn auch nicht minder verstimmt.
Natürlich sah der Mann für ihn nicht danach aus, als wäre er hier um irgendwelche Späße zu machen oder als wäre es für ihn zuträglich, wenn er nicht dem folgte, was von ihm verlangt wurde. Trotzdem konnte man doch ein Mindestmaß an Höflichkeiten erwarten.

„Das wird dauern. Legt Euch dort drüben hin und zieht den Mantel aus. Ich werde Yrian dazuholen. Wenn Ihr Glück habt, kann er damit umgehen. Erhofft Euch aber nicht zu viel. Solltet Ihr also noch bittende Gebete an Euren Gott richten wollen, dann wäre nun wahrscheinlich der richtige Augenblick dafür.“

Der Druide verließ seine Hütte und Naheniel erhob sich mit sichtlichem Schmerz. Tief atmend hielt er sich noch kurz an der Lehne des Stuhls fest, bevor er mit letzter Kraft seines Mantels entledigte. Diesen ließ diesen achtlos auf den Boden fallen und legte sich auf das zugewiesene Bett.
Erleichtert über das für einige Sekunden nachlassende Pochen, das sich mittlerweile von seinem Bauch bis hinauf zu seinem Kopf zog, schloss er seine Augen.
Nein, es gäbe keine bittenden Gebete. Diese konnten andere schon bald an Ogrimar richten. Denn nun würde er mit dem beginnen, was er schon längst hätte tun sollen: Freyas Macht schwächen.

Und den Anfang von alledem bildete seine Nichte Nymeria.
Aber wo wäre schon der Spaß, wenn er das kleine zündelnde Balg seiner Schwester einfach so ermordete? Wo bliebe da die Herausforderung und die Raffinesse?
Viel mehr Freude machte es doch, wenn er sie vorwarnte, wenn sie alle wüssten, was auf sie zukam und sie nichts dagegen tun konnten.
Welch eine innere Qual musste es sein, davon zu wissen und zuzusehen, wie er sich nahm, was er wollte?

Aber er würde nicht zu Tanuri gehen und ihr sagen, was er tun würde. Das wäre langweilig. Für sie hatte er noch etwas ganz anderes vorbereitet. Seinem alten Freund aber, dem war er nach dem letzten gemeinsamen Abend in Silberstreif noch etwas schuldig. Und seine Schulden, die löste er immer ein.

Ein heimtückisches Lächeln zeichnete sich auf seinen Zügen ab, bevor die Schwäche ihn übermannte und er in einen tiefen, traumlosen Schlaf glitt.

 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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-Freya-
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#884

Beitrag: # 54159Beitrag -Freya- »

Der Schlachter. Sicher. Sie war in der Scheune gewesen, um nach einem Pferd oder Pony zu sehen, das sie sich eventuell hätte ausleihen können, um eine große Distanz zwischen sich und dem Bischof zu schaffen und vielleicht die nächste Stadt zu erreichen. Sie musste den Herrn der Welten erreichen oder wenigstens die Prinzessin ausfindig machen. Mehr Anhaltspunkte hatte sie nicht, um einen Weg nach Hause zu finden.

Sollte das Tier in Freiheit geraten sein, wäre es der Wille Ogrimars gewesen, so erinnerte sich Freya. Das war ihr Plan gewesen, bevor die Scheune eingestürzt war. Oder hatte der Schlachter sie niedergeschlagen? Aber warum hatte er sie dann hierher gebracht?

Warum bemühte man sich dann sie zusammenzuflicken und hatte ihr geholfen? Niemand wirkte hier so, als hätte er viel, das er geben konnte und noch weniger von ihnen schienen einem fremden, verirrten Mädchen wohlgesonnen genug, das wenige, was sie hatten, mit einem dahergelaufenen Kind teilen zu wollen.

„Ich danke Euch." erwiderte Freya leise, während ihre Augen Hafrun folgten, die ein Hemd vor ihr ablegte. Immerhin war Mildtätigkeit in dieser Hinsicht keine Selbstverständlichkeit und das Mädchen war ehrlich gesagt erleichtert darüber, dass das Großmütterchen sie nicht einfach hatte verbluten lassen.  

Mit äußerster Vorsicht stützte sich das Mädchen zögerlich auf ihre Hände und versuchte sich langsam aufzurichten. Ein leichter Schwindel und ein stechender Schmerz in ihrem Bauch mahnten sie, nicht übermütig zu werden.

Kurz nur kniff sie nur ihre Augen zusammen und biss sich auf die Lippen, als das Ziehen sie wie ein Blitz traf. Ein Aufflammen, welches für einen Bruchteil von Sekunden Bilder in ihren Geist hineintrieb und sie glauben liess, erneut seine Stimme in ihren Gedanken zu hören.

~Warum tust du mir das an, kleine Lady?~ Für einen kurzen Moment verfiel Freya in Stille. Es war alles nur ein Traum gewesen und der Einsturz hatte ihre Sinne vollkommen durcheinandergebracht.
 
Ihre Hand schwebte vorsichtig über dem Verband, bevor sie die Augen schloss, ohne sich weiter zu bewegen. Regungslos wartete sie darauf, dass der Schmerz verschwand und die einhergehende Benommenheit sich von ihr löste. Es war ein Unfall gewesen. Sie hätte ihm nie etwas angetan. Aber hatte er es tatsächlich gespürt? War er ebenfalls durch sie verletzt worden oder war es eine unterbewusste Angst und Hoffnung zugleich, dass dem so war und er sie suchen würde?


Hoffen war vielleicht eines, sich daran zu klammern jedoch etwas vollkommen Anderes.  Sie war auf sich gestellt und die Aussicht darauf, dass jemand sie an einem Ort wie diesen suchen oder gar finden würde, war genauso wahrscheinlich, wie eine Nähnadel in einem Haufen Heu wiederzufinden.

Daher war es ihre Aufgabe selbst einen Weg zu finden. Wie auch immer sie es anstellen sollte. Wenn es sein Wille war, dann würde Ogrimar selbst sie leiten.

„Langsam, Freya", mahnte sie sich selbst, bevor sie erneut tief Luft holte, um einen weiteren Vorstoß zu wagen. Schleppend hob sie ihren Oberkörper an, um sich aufzusetzen. Etwas zu Essen war wahrscheinlich nicht nur der klügste, sondern der richtige Weg und das konnte sie wohl kaum halbnackt.

Kurz nur berührte Freya mit ihren Fingern das Hemd, welches Hafrun für sie bereitgelegt hatte. Ihre Augen strichen für einen Moment über den sauberen hellen Stoff hinweg, bevor sie ihr sich auf umständliche Weise daran versuchte, das Hemd überzustreifen, ohne sich dabei unnötig viel zu bewegen.

Weit fiel es über ihre Schultern und auch die Ärmel zogen sich über ihre Hände hinweg. Es war etwas zu groß für sie, aber vielleicht war das auch gut. Immerhin übte der Stoff keinen zusätzlichen Druck auf die Wunde aus.

„Ja ein bisschen. Aber ich will Euch nicht noch mehr zur Last fallen.“ Mit einem Blinzeln sah Freya zu Hafrun hinüber. Ihr Magen knurrte noch immer und wahrscheinlich hätte sie direkt mit der Kräuterfrau mitgehen sollen, als jene sie dazu eingeladen hatte, ihr zu folgen. Mit ein wenig Geduld hätte sie ohne Kratzer oder Verletzungen einfach mit ein paar Händlern den Weg in die Stadt suchen können. Aber nein, sie hatte auf die kleine flüsternde Stimme gehört.

Der Gnom! Lumiel, verdammt. Wo war sie hin? Der kleine violette Zwerg? Bei Ogrimar! War sie etwa verschüttet worden? Freyas Augen wanderten kurz umher. Sie müsste nachsehen oder nicht? Das war das Mindeste, nachdem das kleine Ding sie aus dem Kerker des Bischofs befreit hatte.

„Verflixt!“ Ein Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, oder hatte sie ihn tatsächlich ausgesprochen?
Behutsam schob sie ihren Körper an die Bettkante herab. Wahrscheinlich zu schnell und übermütig, denn ein kurzes Schwindelgefühl ließ sie unmittelbar erneut in ihrer Bewegung innehalten. Ruhig und flach atmete Freya ein und aus, während sie ihren Blick auf ein unbekanntes Bündel von Kräutern richtete, um sich an einem Punkt festzuhalten.


Es war eine dumme Idee, in dieser Verfassung und auch nur in einem einfachen Hemd zur Scheune zu schleichen. Vermutlich würde sie dort nicht einmal heile ankommen und wenn sie der Schlachter dort antreffen würde, würde er sicher kurzen Prozess mit ihr machen.

Sollte sie sich trotzdem trauen, sich aus dem Bett aufzustehen? Wenn sie die Zähne zusammenbiss, würde es bestimmt gehen. Immerhin war sie wirklich dankbar und wollte weder der alten Frau nicht noch mehr Mühen bereiten. Allmählich nur streckte Freya ihre kleinen noch dreckigen Füße aus, bis jene den Boden berührten, doch noch schwankte sie in ihrem Vertrauen, ob ihre Beine sie tatsächlich tragen würden.

Möglicherweise war es allein schon ein dummer Gedanke, aufstehen zu wollen, aber weder wollte Freya Schwäche noch Undankbarkeit zeigen. Es war ein kurzes Blinzeln mit dem ihr Blick nachdenklich den Raum zunächst aus dieser Position erkundete, ehe sich ihre großen blauen Augen auf Hafrun legten. „Kann ich Euch wenigstens zur Hand gehen?”
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Beitrag: # 54160Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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Wachsam beobachtete Hafrun das Tun Freyas. Sie wollte sichergehen, dass das Mädchen keine unbedachten Bewegungen machte, die ihre Wunde wieder aufreißen lassen würden. Schließlich war es anstrengend genug gewesen, diese zu schließen und die Blutung zu stillen. 

Die alte Frau war schon mit vielerlei Verletzungen umgegangen und hatte so einiges gesehen, jene des Kindes war aber eine neue Herausforderung. Dabei war sie nicht einmal besonders groß. Aber trotzdem wollten die ersten Versuche der Heilung, die sonst immer halfen, keinerlei Wirkung zeigen. Umso wichtiger war es nun, dass die feine Naht hielt und ihr Täubchen mit den von ihr angeschafften Dingen aus dem Wald zurückkam. 

Anscheinend musste Hafrun bei dem Kind sämtliches Wissen und jahrelang erlerntes Handwerk anwenden, damit Freya nicht einfach so vor ihren Augen verblutete. Seltsam, wirklich sehr seltsam das Ganze. Natürlich könnte es sie auch einfach nicht kümmern, woher diese Art der Wunde stammte. Ändern konnte sie daran schließlich so oder so nichts, sondern nur Mittel anwenden, die dagegen wirkten.

Allerdings galt es für sie, einen gewissen Ruf zu verlieren. Wenn die Gräfin ihr das Mädchen abkaufte und diese noch vor der Auktion verstarb, warf das kein gutes Licht auf Hafrun und sie müsste sich ihre guten Geschäftsbeziehungen wieder neu und hart erarbeiten. Vertrauen war in diesen Landen mehr als rar, weshalb man mit diesem wie mit einem kostbaren Schatz umgehen musste.

 
Vorerst schienen ihre Befürchtungen unbegründet, da sie kein Blut durch den Verband sickern sah und somit war die Alte erstmal zufrieden, vor allem darüber, dass Freya von allein versuchte aufzustehen. Sie hatte schon befürchtet, das Mädchen überreden oder gar zwingen zu müssen, und gerade für Letzteres war sie an diesem Tag eindeutig zu ausgelaugt. 
 
Ihre Augen wanderten prüfend zu Freyas Händen, als diese ihr das Angebot machte zu helfen und abwägend legte Hafrun ihren Kopf zur Seite. „Was ich so von dir gesehen hab, siehst du mir nicht unbedingt aus wie Eine, die Küchenarbeit gewohnt ist.“

Da sie nun Gelegenheit gehabt hatte, das Kind ausgiebig zu untersuchen, sah sie sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass es sich bei ihr nicht um eine gewöhnliche Ausreißerin oder eine Verlorene handelte. Ihre Hände trugen keine von harter Feldarbeit geschaffener Schwielen oder tiefere Narben. Auch ihr sonstiger Körper deutete nicht darauf hin, dass das Mädchen auf einem Feld und in Armut großgezogen wurde. Ihre Haut war nicht von der Sonne gebräunt und zu weiß, trotzdem nicht ganz makellos. Die Auffälligkeiten an den Armen und Fußsohlen, die wie alte Schnitte aussahen, waren Hafrun nämlich nicht entgangen.

Woher aber diese wiederum stammten? Vielleicht war das Mädchen ja nun etwas gesprächiger. Und wenn nicht, dann eben nicht. Es konnte der alten Frau am Ende gleich sein, denn für sie zählte nur der Preis, den sie mit ihr erzielte. 

 
„Na, versuchen können wirs ja mal. Dort neben dem Bett findest du gefilzte Schuhe. Nicht die Neuesten, aber für den Anfang sollt es genügen.“ Sie drehte sich herum, um den Raum unter dem Dach zu verlassen. „Sei so gut und pust‘ die Kerze neben deinem Bett aus. Ist gefährlich, wenn man das Feuer allein zurücklässt. Danach kannst zu mir runterkommen in die Küche und Kartoffeln schälen. Ein Eintopf sollt‘ dir etwas Kraft zurückgeben.“

Das kalte Grinsen auf dem Gesicht der Alten konnte Freya schon nicht mehr sehen, denn diese verließ soeben den Raum und in ihren Gedanken vervollständigte: Nicht nur Kraft, sondern auch Wert.

 
 
„Sei aber vorsichtig und geh langsam und mit Bedacht. Wir wollen ja nicht, dass du stürzt und meine Mühen zunichtemachst. Nochmal werd‘ ich den Tod nicht aus dem Haus scheuchen können.“ Hafrun kicherte leise und stieg die knarrende Treppe hinab, um sich in der Küche an die Arbeit zu machen. Neugierig lauschend wartete sie dort ab, ob Freya ihr diesmal folgte.

 
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Der Waechter
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#886

Beitrag: # 54221Beitrag Der Waechter »

In der düsteren Stille des steinernen Mausoleums erhoben sich nur einige flackernde Kerzen. Ihr schwaches Licht durchdrang die bedrückende Finsternis, die die letzten Ruhestätten umgab. Vereinzelte Flechten, Pilze und Moose hafteten an den verwitterten Säulen und Wänden – deutliche Zeichen der Zeit, die unerbittlich voranschritt und diesen Ort in Vergessenheit versinken ließ, sowie das Wissen und die Mysterien der Vergangenheit unter sich verhüllen sollten.

In der Kammer, wo die sterblichen Überreste längst vergangener Tage ruhten, flackerten die kleinen warmen Flammen, die eine Szenerie der Demut und Ehrfurcht schufen. Es war eine Schmucklosigkeit, die von einer tiefen Bedeutung sprach, denn hier ruhte nicht nur Geschichte, sondern das Schicksal selbst. Die kühlen Felsen bargen die Geheimnisse vergangener Zeiten in ihrem Schweigen und umschlossen die Überreste der einstigen Zeugen dieser Ära in einem zweifelhaften Frieden.

Nachdem Maryams Worte verhallt waren, erfüllte Stille den Raum. Eine gespenstische Ruhe und doch blieb die Stimme der Schülerin nicht ungehört.

Die Zeit des Umbruchs war nahe, so nah, dass sie schon beinahe greifbar schien. Es war die Stunde der Morgenröte. Der Moment, in welcher das Schwert der Gerechtigkeit vom Licht geführt sich erheben sollte, um das Dunkel des Chaos dieses Mal nicht nur zurückzudrängen, sondern zu durchdringen, um ein neues Zeitalter herbeizuführen.

Die Worte vergangener Generationen sollten sich nun endlich erfüllen. Prophezeiungen und Vorhersagen, die von Anbeginn der Schöpfung bis zu ihrem Ende eine Vielzahl an Mythen und Legenden hervorgebracht hatten.

So wie die Entstehung der Welt aus der wüsten Leere und Finsternis erfolgt sein sollte, so war das hatte Artherk selbst die Menschheit ins Licht geführt. Selbst in der tiefsten Dunkelheit durchbrach der Schein dessen die Finsternis.

Nun lag es an den Auserwählten, den Dienern dieses Lichts, die Ordnung aufrechtzuerhalten und dem Chaos Einhalt zu gebieten und den Tücken und der arroganten Verschlagenheit der Finsternis zu trotzen.

Jahre und Jahrzehnte hatte er nach der Wahrheit gesucht. Nie hatte er gezweifelt und sich niemals in der Hoffnung auf Frieden zurückgelehnt. Er, der letzte Wächter des Lichts, hatte die Hüter der Dunkelheit gejagt, um das Geheimnis zu enthüllen, das nur jene kannten.

Den finsteren Plan, der das Licht zu ersticken drohte, wenn sie wie blinde Schafe grasten und die dunklen Wolken am Himmel ignorierten, die sie in den Abgrund reißen würden. Die Sünde von Hochmut und Trägheit, die manch einem selbstgefällig zu gern glauben machte, dass Frieden keine Opfer brauchte.

So lange hatte er gewartet. Unfähig, die Prophezeiung selbst aufzuhalten. Geschlagen auf dem Kreuzzug gegen das Chaos, war er verdammt worden. Verurteilt von der Dunkelheit selbst, machtlos dem Aufstieg der Finsternis zuzusehen, anstatt Erlösung im Licht zu finden. Solange war er nun schon eingesperrt. Doch niemals hatte er aufgegeben, der Gerechtigkeit zu dienen, um selbst für sein Handeln im Namen der Rechtschaffenheit eines Tages Vergebung im Licht zu finden.

Und nun hatte seine Schülerin ihn tatsächlich gefunden. Ihn den Schlüssel, der das Schicksal für sie alle entscheiden sollte. Vielleicht war es noch nicht zu spät, das Blatt zu wenden. Es mochte auch genau der richtige Zeitpunkt gekommen sein. Auch wenn er selbst an dieses Gefängnis gebunden war.

„Du erfüllst mich mit Stolz, meine Schülerin.“ Erklang seine tiefe Stimme. Ob sie nur in ihrem Geist widerhallte oder das Gemäuer erfüllt wurde von ihrem Klang, war schwer zu sagen. Begleitet von einem leichten Windhauch, der durch die Gänge glitt, zog erneut die Grabesstille ein. Wie lange hatte er nur darauf gewartet. Der Schlüssel.

„Vertraue in Artherk. Finde den Schlüssel, lasse Dich von dem Licht des Herrn leiten.“

Kurz nur loderten die Flammen der Kerzen auf. Ein erfüllendes Licht, welches die Kammer in seinen warmen Schein hüllte und dessen Wärme ebenso unter ihren Fingerspitzen spürbar sein sollte, als würde eine Hand sich an ihre legen.

„Glaube an ihn, den allmächtigen Vater und Schöpfer. Vertraue auf Artherk. Auf seine Weisheit und Gnade, dass unsere Taten gerechtfertigt sein werden und wir, die in seinem Namen handeln, seinen Segen oder die Erlösung in seinem Licht finden.“

Maryam war ein kluges Mädchen. Mutig, wie aufopfernd in ihrem konsequenten Handeln. So hatte er sich in ihrer unumstößlichen Treue und Rechtschaffenheit nicht getäuscht. Sie war das Licht der Morgenröte. Ihr goldener Glanz, welcher die Dunkelheit unumstößlich erleuchten oder jene in seinem Schein verblassen lassen würde, umgab sie wie eine schlummernde Aura, die darauf wartete, entfesselt zu werden. Sie wusste, was nun zu tun war, auch wenn der Weg dafür ihnen sich vielleicht noch nicht in seiner Vollkommenheit gezeigt hatte. Ihr Ziel war dafür umso klarer, sie mussten den Schlüssel unschädlich machen, gar vernichten, bevor die Finsternis selbst seine unaufhaltsame Macht entfachte. Es blieb keine Zeit mehr, die verlorene Schwester zu finden, damit er an ihrer Seite kämpfen konnte. Auch wenn er darauf gehofft hatte, dass sie ihn rechtzeitig aus seiner Verbannung befreien würde. Das Schicksal selbst jedoch sah es anders voraus. Nun da er gefunden war hatten sie nur noch eine Aufgabe, ein Ziel. Für das Licht.

„Du darfst keine Zeit verschwenden. Es hat begonnen.“
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-Freya-
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#887

Beitrag: # 54223Beitrag -Freya- »

Vorsichtig stützte Freya sich an dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ab. Es war ein bisschen zu schnell gewesen. Das Großmütterchen hatte schon recht, dass sie sich langsam bewegen sollte. Aber der Schwindel würde gleich vergehen. Wenigstens konnte sie sich so ein wenig erkenntlich bei der Frau zeigen, die ihr das Leben gerettet hatte.

Gewiss würde sie nicht überstürzt folgen, immerhin strafte der Schmerz sie umgehend für jede unachtsame Bewegung. Sie vermochte nicht zu verbergen, dass es unter dem Verband zwickte, ja, tatsächlich sogar mehr als das.

Doch wollte Freya nicht einfach untätig auf dem Stroh liegen, während die alte Frau, die sich um sie kümmerte, allein schuftete und das wenige, was sie hatte, mit ihr teilte. Es waren ja nur ein paar Schritte hinunter.

Mit ruhigem Atem hielt das Mädchen inne und kniff die Augen zusammen, während sie dem Knarzen der Stufen lauschte, bis die Frau vermutlich am unteren Absatz angelangt war.

„Ich komme sofort.“ Antwortete Freya, wobei Freya die Zähne zusammenbiss und nur langsam ihre Lider anhob. Ihre großen Augen richteten sich auf die flackernde Kerze, die vor ihr stand. Ein warmes Licht, jener Magie so gleich, die sich in ihr regte. Beim Bischof hatte sie das Kitzeln nicht spüren können, hier jedoch schon.

Ein kleiner Versuch konnte nicht schaden, auch wenn sie nicht bei Kräften war. Ein Hauch von Linderung würde schon genügen und vielleicht die Heilung ein wenig beschleunigen können. Oder nicht?

Vorsichtig hob das Mädchen ihre Hand und konzentrierte sich auf das Licht. Sie konnte es für einen Herzschlag spüren. Die Magie, welche in kleinen Funken schwach um ihre Fingerkuppen zu schimmern begann. Ein seichtes Glitzern im Kerzenschein, das sie einen Moment lang fasziniert betrachtete. Es fühlte sich gut an, auch wenn ihr Atem zittrig wurde. Ihre Augen wanderten über die tanzenden Funken hinweg.

Konzentriert auf ihr Handeln nahm sie den dunklen Nebel, der sich zu ihren Füßen sammelte, nicht wirklich wahr. Eine kühle Dunkelheit, die sich berührungslos mit ihr zu vereinen schien und lediglich wie ein Schatten selbst sich auf ihrer Haut widerspiegelte, als sie das Schimmern betrachtete.  Langsam nur führte sie ihre Finger an den Verband heran. Na bitte. Es funktionierte! Freya bemerkte es nicht, oder vielmehr hielt sie es für ein natürliches Spiel aus Licht und Schatten.

Eine Wärme, die sich wohltuend um sie legte. Es brauchte nur ein wenig mehr, damit der Schmerz selbst kaum noch spürbar war. Ein leichtes Kribbeln legte sich auf ihre Haut, gepaart mit einer Art von euphorischer Freude. Aber es kostete das Mädchen Kraft. Konzentration und Stärke, die sie nicht hatte. Angespannt atmete sie aus. Noch ein bisschen mehr und dann würde es schon nicht mehr zwicken.

„Miststück!“ Erschrocken geriet das Mädchen ins Taumeln. Seine erkaltete Stimme traf sie wie ein gnadenloser Blitzschlag und riss sie aus ihrer Konzentration, nur damit unter einem verstörten Blinzeln seine von Finsternis beherrschten Augen wie Erinnerungen in ihrem Geist aufflackerten.

 „Verdammt!“, flüsterte sie leise. Strauchelnd suchte ihre Hand sogleich erneut Halt auf dem kleinen massiven Tischchen, an dem sie sich abstützte, um für einen Moment Atem zu schöpfen. Der dunkle Nebel, der sich um sie geschlängelt hatte, zerstob unter ihren Bewegungen und vereinte sich mit den anderen Schatten im Raum, als wäre er nie da gewesen.

Hatte sie sich überschätzt?  Für einige Herzschläge lauschte sie regungslos den Geräuschen um sich herum. Hatte Hafrun sie gehört? Würde sie kommen und Fragen stellen, auf die das Mädchen vielleicht selbst keine Antworten hatte, ohne dabei wie ein verrücktes wirres Kind zu wirken?

Kurz senkte Freya ihre Wimpern. Doch alles, was Freya hörte, war Stille gepaart mit dem aufgeregten Pochen in ihrer Brust. Keine Schritte, kein Rufen.

Fast erleichtert, atmete das Mädchen aus, auch wenn die Anspannung, die seine Stimme ausgelöst hatte, nicht von ihr abfallen wollte. Hatte sie sich das eingebildet? Oder hatte das Mädchen sich vielleicht übernommen?

Wenn sie etwas aß und sich ein wenig schonen würde, würde sie an Kraft gewinnen. Dann könnte sie einen richtigen Heilzauber sprechen.

Jetzt würde es ihre Kraft kosten. Zudem wollte sie nicht das Misstrauen der Kräuterfrau wecken, geschweige denn undankbar wirken und damit riskieren, dass es ähnlich endete, wie bei dem Bischof. Auch wenn das Großmütterchen bei dem Mal an ihrem Arm keinen Sinneswandel vollzogen hatte, so wollte Freya es auch nicht unbedingt herausfordern. Ohne das Wissen ihres Zutuns, würde sie einfach schnell genesen und der Kräuterfrau für ihre Hilfe danken.

Etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf waren mehr als sie erwartet hatte und vielleicht könnte sie hier auf die Händler warten, mit denen sie zusammen in die Stadt gelangen würde. Dort würde sie vielleicht mehr über den Herrscher der Welten erfahren können.

Herrscher der Welten. Die Flamme der Kerze spiegelte sich unheilvoll in ihren Augen wider. Es gab nur einen Herrscher der Welten. Nur einen einzig Wahren und es war schlichtweg Ketzerei sich so zu nennen. Allerdings war jener ihre vielleicht einzige Hoffnung einen Weg heim zu finden. Der Zweck heiligte die Mittel. Daher gab es keinerlei Gewissensbisse oder Zweifel darüber, ob sie ihn und seine Hilfe suchen sollte.

Tanzend spiegelte sich die Flamme in ihren glasigen Augen wider. Ein hypnotischer Tanz, der unter ihrem Atem selbst im nächsten Moment erstarb, als Freya die Kerze auspustete. Feuer ließ man nicht unbeobachtet, da hatte das Großmütterchen recht. Nur ein seichter Dampf des verbrannten Wachses stieg schlängelnd empor, als das Mädchen mit ihren nackten Füßen in die Pantoffeln schlüpfte.

Vorsichtig setzte Freya einen Fuß auf die Treppe, eine Stufe nach der anderen. Es war ein wenig besser geworden. Das Mädchen konnte spüren, wie das Zwicken unter dem Leinenverband erträglich geworden war und doch war Freya sich darüber bewusst, dass sie jeden Schritt mit Bedacht gehen sollte, um ihr Glück selbst nicht weiter herauszufordern.

Unten angekommen, ließ sie ihren Blick kurz schweifen. Der Raum selbst zeugte zwar nicht von Wohlstand, aber wirkte dennoch wohnlich. Kräuterbüschel hingen an der Decke und hinterließen einen beruhigenden Duft.

Das metallene Geräusch von klappernden Töpfen erinnerte Freya jedoch unmittelbar an ihre Aufgabe. Ihre Neugier konnte sie noch immer stillen und eigentlich galt sie ganz anderen Fragen, nachdem die Hütte selbst nicht so kalt und grausam auf sie gewirkt hatte, wie die verlassene Kirche in die Haedinn sie geführt hatte.

Nein, sie wollte die Kräuterfrau besser nicht warten lassen.  Mit einem kleinen Lächeln folgte sie den Geräuschen, sodass der Schatten ihrer zierlichen Gestalt bereits vor dem Eintreten dem Großmütterchen ihre Anwesenheit verraten sollte, obwohl die Filzpantoffeln die Schritte des Mädchens fast lautlos werden ließen.

„Ich habe schon öfter Kartoffeln geschält.“ Sagte Freya leise. Es war zwar schon länger her, aber das verlernte man bestimmt nicht. Mit kleinen, sehr vorsichtigen Schritten kam sie näher und sah sich nach einem Messer um, nachdem sie die Kartoffeln bereits auf dem Tisch liegen sah. „Wohnt Ihr hier ganz allein?"
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#888

Beitrag: # 54225Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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"Wer von uns ist schon jemals ganz allein?" Gab die alte Frau zu bedenken und drehte sich zu Freya herum. Wachsam wartete sie ab, bis das Mädchen sich setzte und es die Kartoffeln zu ihrer Zufriedenheit bearbeitete. Ein kurzes Aufzucken ihrer Mundwinkel sollte davon zeugen, dass es vorerst nichts auszusetzen gab und so machte Hafrun sich wieder an ihre eigene Arbeit. Sie schnitt mehrere Sorten von Gemüse und warf dieses kurz darauf in einen hohen Topf mit Wasser, der von einem Ofen befeuert wurde.

Während sie all das tat, schwieg sie. Nicht, weil sie sich besonders konzentrieren musste, sondern weil sie darauf wartete, dass Freya diesen Schritt nun auf sie zuging. Hafrun war ihr schließlich nun zweimal entgegen gekommen und einmal davon abgewiesen worden, weshalb sie sich nicht in der Pflicht sah, das Mädchen weiterhin zu hofieren.

Bereits bei ihrer ersten Begegnung, war das Kind nicht unbedingt redselig gewesen und nahezu allem ausgewichen. Vielleicht war Freya nun klar geworden, dass Hafrun derzeit wohl die beste Möglichkeit war, die sich ihr bot. Die Alte drehte ihre Kopf in Richtung eines der Fenster und sah hinaus. Die Sonne würde heute nicht mehr zurückkommen, so viel war sicher. Zeit für die Dämmerung war zwar eigentlich nicht, aber das würde die Halunken auf den Straßen nicht davon abhalten, sich ein kleines, hübsches Mädchen zu greifen, wenn sich ihnen die Gelegenheit bot.

Außerdem waren die Nächte hier auf dem Land kalt und einen anderen Unterschlupf, in welchem sie Schutz fand, würde Freya kaum so schnell finden. Hafrun hoffte, dass dem Kind das klar war. Wenn nicht, dann konnte man ihr sowieso nicht mehr helfen. Nachdem sich dieses aber mit äußerster Vorsicht bewegte, um sich selbst und ihre Verletzung zu schonen, ging die Alte davon aus, dass Freya doch klug genug war und es gar nicht mehr erst versuchen würde, auf eigene Faust eine Unterkunft oder Reisemöglichkeit zu finden.

Hafrun stahl sich ein großes Stück Karotte, kaute geräuschvoll darauf herum und warf eine fette, rote Zwiebel in den Eintopf. Mit einem langen, hölzernen Löffel rührte sie das Gemüse um und roch daran. Allerlei getrocknete Gewürze hingen von den Balken der Zimmerdecke und so stellte sie sich kurz darauf auf ihre wackeligen Zehenspitzen und zupfte sich einige Blätter von diesem und einige Blätter von einem anderen Zweig ab, um diese ebenfalls in den Topf zu werfen.

Hin und wieder sah sie über ihre Schulter zu Freya und prüfte, sie sich weiterhin um die Kartoffeln kümmerte. Diese schien bemüht zu sein, ihr Wissen - oder Halbwissen über die Arbeit in der Küche - anzuwenden und somit machte Hafrun sich auf und ging durch eine winzige Türe in einen sehr niedrigen Raum im hinteren Teil der Küche. In jenem lagerte sie geräuchertes Fleisch und andere Vorräte, die entweder vom hellen Licht des Tages geschützt werden mussten, von medizinischer Natur waren oder von kleinen diebischen Händen versteckt werden mussten. 
 
Mit einem Brocken Fleisch an einem Haken kam sie zurück und warf dieses geräuschvoll auf die Oberfläche des Tisches, an dem Freya arbeitete. Hafrun holte sich noch ein dickes Brett und ein äußerst gefährlich aussehendes Messer, ließ sich neben Freya nieder und ächzte dabei schwer. Für einige weitere schweigsame Momente betrachtete sie das Kind und ihr faltiges Gesicht wurde noch runzeliger und sah es fragend und abwartend ab. "Deinen Namen kannst mir aber schon nennen, wenn du heute an meinem Tisch isst."

Die alte Frau zückte das Messer, wog die Klinge in ihrer dürren Hand hin und her und schnitt dann in äußerster Präzision einige Scheiben von dem Fleisch ab, um diese gleich darauf in kleine Würfel zu schneiden. "Du kannst auch mehr reden, den Topf störst du beim Kochen mit deiner Stime bestimmt nicht." Wieder zog dieses seltsam anmutende Grinsen über das Gesicht Hafruns, während sie sich auf das Fleisch auf ihrem Brett konzentrierte.

Nachdem sie nach ihrem Empfinden genug von dem getrockneten und rauchig riechenden Fleisch geschnitten hatte, lehnte sie sich zurück, so dass einige ihrer alten Knochen hörbar knackten und sah wieder eindringlich zu Freya hinüber.
"Märchen möcht' ich aber keine hören. Von denen kenne ich selbst genug."

Nachdenklich legte Hafrun ihren Kopf zur Seite und ein amüsierter Schimmer schlich sich über die bisher so trüb wirkenden Augen der alten Frau. "Angeblich bin ich selbst ein Teil von der ein oder anderen Mär und über mich will ich gewiss nicht sprechen." 
 
 
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Adrian
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#889

Beitrag: # 54226Beitrag Adrian »

Leicht hatte Adrians Stirn sich gekraust, als Tanuri ihre Einladung aussprach. Verwunderung wäre eine Übertreibung. Auch er wusste, dass jeder einen Ort brauchte, an den er sich zurückziehen konnte, um nachzudenken oder zur Ruhe zu kommen. Seine Augenbraue ruhte in der Stirn, während es eher Skepsis war, welche sich in seinem Blick zeigte. Ein Einspruch hätte eine Erklärung gefordert, mit der er höchstwahrscheinlich Stellan unmittelbar vor den Kopf gestoßen hätte.

Tanuri jedoch war der Ansicht, dass sie den ehemaligen Hüter und sein Wissen brauchten. Er hingegen hatte keinen Grund ihm zu trauen.

Zwanglos hatte er sich von der Fensterbank gelöst, um nach seiner Pergamentrolle zu greifen. Knapp nur sah der Magier noch einmal zu den Regalen zurück, um vielleicht etwas oder jemanden zu sehen. Doch offenbar war es nur eine Täuschung, so dass er sich zum Gehen wandte, um der Priesterin sowie ihrem Vater hinaus zu folgen.

Wie angekündigt war der Weg auch nicht wirklich weit. Adrians musterte die äußerliche Erscheinung des Hauses, welches im ersten Moment ein wenig verwaist auf ihn wirkte. Wilder Efeu schien alles zu bedecken und in seinen schützenden Schatten zu hüllen, während der verwilderte Garten selbst in einem ungebändigten Chaos im Winterschlaf zu ruhen schien.

Adrian hatte sich ehrlich gesagt auf etwas anderes eingestellt, als Tanuri zu einen Ortswechsel in ihr eigenes Reich gebeten hatte. Obwohl er nicht erwartet hatte, dass ihn ein Akt der Dekadenz empfangen würde, mit dem sie sich womöglich umgab, so war er dennoch überrascht von der natürlichen und bescheidenen Schlichtheit, empfangen zu werden. Eine Verwunderung die er trotz all seiner Selbstbeherrschung nicht vollends verbergen konnte.

Sein Blick strich nur kurz über die Priesterin, als sie ihnen den Weg ins Innere wies, doch er ließ Stellan den Vortritt. Diese Geste war nicht nur aus Respekt, sondern auch, um ihn im Auge zu behalten. Sie konnten sich keinen weiteren Fehler erlauben, und zu viel Vertrauen in die falsche Person könnte verheerende Folgen haben.

Kurz nur holte er Luft, bevor an Tanuri vorbei ins Innere trat. „Ich hoffe, du wirst es nicht bereuen.“ Die Stimme des Dunkelmagiers war lediglich ein leises warnendes Raunen, das er Tanuri im Vorbeigehen zukommen ließ, ehe er weiter in die wohnliche Küche schritt. Kühl wanderten seine Augen umher, beinahe als würde er jede Lage Staub mustern und für sich sondieren, um abzuwägen, wann sie zuletzt hier gewesen sein mochte.

Beiläufig strich das helle Blau seiner Augen dabei auch über den Aufgang zum Dachboden, bevor er Vater und Tochter in die Schreibstube folgte.

Auch hier schien einiges von den Zeugen der Zeit bedeckt zu sein. Der Staub war dabei nur eine flüchtige Wahrnehmung für ihn. Sein Fokus jedoch legte sich unmittelbar auf den Stapel Pergamente.

War es etwa das, was er annahm? Mit ruhigen Schritten durchquerte Adrian den Raum, um einen Blick auf die obenliegende Seite zu werfen.

„… so warun desê.“ Worte, die er nur stumm las, bevor er mit einem Lidschlag zu Tanuri sah und nur für einen kurzen Augenblick der Schatten von seinen Augen wich.

Womit sollten sie beginnen? Eine Frage, die im Grunde rhetorisch war aus seiner Sicht und unnötig Zeit raubte, die sie nicht hatten. Dennoch entschied Adrian sich dafür zu schweigen und stattdessen das Gespräch zwischen der Hüterin und ihrem Mentor zu beobachten.

Diese Antwort überließ er daher Stellan. Immerhin schien er einiges sagen zu wollen und auch zu haben. Man würde sehen, ob unter all den Worten sich auch die Antwort auf die ein oder andere Frage des Magiers auftun würde.

Wo war Stellan gewesen, als sein Sohn Tanuri entführt hatte? Schon damals hatte der Hüter, Freyas Aussagen nach, Zweifel an Tanuri geäußert. Doch waren seinen kühnen Worten Taten gefolgt?

Reine Ansichtssache. Kurz nach Stellans Ankunft war die Priesterin verschwunden. Genauso wie der ehemalige Hüter selbst, der bis jetzt untergetaucht gewesen war.

Es war durchaus möglich, dass der alte Mann sich dem Vorhaben seines Sohnes angeschlossen hatte. Trotz seines gezeichneten Körpers besaß er zweifellos ein enormes Wissen, das Naheniels größenwahnsinnigen und ketzerischen Plan unterstützen könnte. Immerhin verlor er bislang kein Wort über jenen und dass Stellan um Naheniels Einwirkungen auf den Schlüssel nicht Bescheid wusste, konnte Adrian sich nicht vorstellen.

Doch wenn sein Instinkt ihn nicht trügte, stellte sich die Frage nach dem Warum. So glitt sein Blick abermals über die Zeilen des Pergaments. Verse, die er bereits zum Teil kannte und zu einem anderen Teil in ihrer ursprünglichen Runenschrift auf blasser Haut hatte lesen können.

Jede Information und Wortlaut, so geringfügig sie daher auch sein mochte, konnte entscheidend sein. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann, oder vielleicht schon bald. Adrian hatte bereits seine eigenen Pläne. Vielleicht sehr radikal, aber dennoch unvermeidbar. Immerhin war Naheniel nicht nur von seinem Handeln, sondern auch von seiner Bestimmung überzeugt. Es gab nur einen Weg, um ihn aufzuhalten.
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
❖ Wahre Finsternis herrscht nur dort, wo kein Licht durchdringt, denn sonst wäre sie nichts weiter als ein Schatten.❖
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Gesichtsloser Erzaehler
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#890

Beitrag: # 54227Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Die Gräfin
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Noch ein unbekannter Ort

Die fahlen Finger glitten über das Holz des Treppengeländers. Ihre Erscheinung ließ es schlagartig still im Haus werden. Der hohe Stehkragen umrahmt das Gesicht, dass weitesgehend hinter einer Kapuze verborgen war. Eine goldene Maske verbirgt die Augen und geben nur das bleiche Antlitz darunter frei. Sie war weiß geschminkt. Noch heller als die Haut es ohnehin war. Die Lippen aber rot, tief dunkles Rot und mit einem strengen Gesichtsausdruck. Sie ziert sich gerne mit Schmuck, Ringe, Ketten, Ohrringe. Kein billiger Tand sondern schon durchaus teuer. Alles in diesem Haus war teuer. Bezahlt mit Tränen. Der Mundwinkel zuckte leicht.

"Gib acht, dass sie nicht lächelt. Dann geschehen schlimme Dinge." Flüstert die kleine Magd vielleicht 14 Sommer alt. Aber sie wirkte schon sehr erwachsen für ihr Alter. Sie sprach es zu dem Burschen der neu war. Noch etwas unbeholfen in seiner Art. "Komm." Das Mädchen nimmt ihn an die Hand. Das Personal stellt sich auf. Links und rechts der Treppe. Die Hände hoben sich um sich darbietend zu zeigen. Die Handfläche nach unten. Gerader Rücken. Niemand will auffallen. Niemand will ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken. Der Blick gen Boden gerichtet. Das Mädchen stößt ihn an, es ihr gleich zu tun. Man konnte die Stille hören.

Die anderen Hand hob sich un lässt den Gehstock auf den hölzernden Boden der Treppe knallen. Es war wie eine Explosion die durch das Haus ging. Ein Schuss. Eine Mahnung. Dann hob sie diesen an, klemmte ihn unter den Arm und beginnt Stufe für Stufe herab zusteigen.  "Zeig deine Hände." Flüstert das Mädchen wieder zum Burschen. Der Bursche zittert als er die Finger vor sich ausstreckt. Die Handfläche nach unten.

Die Gräfin war angekommen an der unteren Stufe. Passiert die erste Magd und des sah so aus, als würde der Blick über die Finger gehen. Sobald sie vor jemanden stand schreiben die Finger einen Kreis in der Luft und derjenige drehte die Hände mit der Handfläche nach oben. Dann ging es zum nächsten. Warum das so war? Niemand hinterfragte es. Dann war sie da vor dem Jungen und dem Mädchen. Wieder zeichnete sie den Halbkreis und das Mädchen dreht die Hände herum. Schweigend wechselte sie zu dem Jungen. Der zittrig ebenso Folge leistet. Dann war sie vorbei und drehte sich am Ende der Reihe wieder herum. Ihre Stimme ist erschreckend annehm zu hören. Man erwartete eine Gewitterhexe oder irgendwas knartschiges, aber nein. Sie hatte eine ruhige, sanfte Stimme. Wie die eines jungen Mädchens schön.

"Ich erwarte das alles vorbereitet ist wenn ich heimkehre. Ich werde .. vermutlich nicht alleine kommen. Die Besten unter euch werden bald das große Privileg haben, danke meiner Ausbildung und Mühe, zu wertvollsten Perlen zu zählen. Eure Arbeit kann sich auszahlen. Also wie lautet eurer Kredo?"

Recht wie aus der Pistole geschossen folgte ein Mantra. "Wir dienen mit Eifer, Sorgfalt  und Gehorsam." Es klang tonlos, monoton und ohne jeglichen Widerstand. Bis auf der Bursche der kannte das Kredo nicht. Er hat geschwiegen. Sie hat es durchaus gemerkt und der Schatten ihrer hohen Gestalt warf sich auf ihn. Als die Lippen sich spalten, eine weiße Zahnreihe preisgeben und die spitzen wölfischen Eckzähne. Ein breites Lächeln, fast eine groteske Schönheit der Kommödie und so voller Gefahr. "Gehen wir." Es galt nur ihm. Nur ihm alleine als sie ihn mit sich nimmt. Alle beginnen hastig mit der Arbeit. Niemand will auffallen, niemand gesehen werden, niemand ihre Aufmerksamkeit.

Es geschehen schlimme Dinge wenn sie lächelt.

Nur wenige Stunden später verlässt eine Kutsche den Hof. Es wollen neue Perlen geerntet werden. Neue Edelsteine geschliffen.
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Stellan
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#891

Beitrag: # 54228Beitrag Stellan »

Zumindest dahingehend, dass der Weg nur von kurzer Dauer war, hatte seine Tochter ausnahmsweise die richtige Einschätzung bewiesen.

Für Stellan war es gleich, ob sie sich von ihrer Gilde entfernte, um sich an diesem nichtssagenden Ort mit etwas oder seinetwegen auch jemandem zu vergnügen. Allerdings, und das nahm er doch stark an, hatte wahrscheinlich genau dieser Wunsch nach Rückzug und Privatsphäre Tanuri so unzuverlässig werden lassen.

Ein abhanden gekommener Schlüssel. Gleich aus welchem Blickwinkel man es betrachtete, ob nun geflüchtet oder gestohlen, es befleckte den Namen seiner Familie und der Bestimmung, die der Name trug, mit Schande. Sich davon reinzuwaschen würde mehr kosten, als nur hohle Phrasen und aufgeblasenes Kompetenzgerangel.

Auf seinen Stock gestützt trat er unbeeindruckt durch den Raum und nahm sich eine der verstaubten Flaschen, die achtlos herumstanden. Es war Stellan gleich, was sich darin befand, solang es nur stark genug war, die Enttäuschung hinfort zu spülen.

Seine Gehhilfe stellte er an die Kommode und lehnte sich selbst dagegen, um besseren Halt zu haben. Dann strich er mit seiner Hand über die Beschriftung und gab ein zufriedenes Murren von sich.

Mit dem Stecken in der einen und dem Alkohol in der anderen Hand humpelte er zu dem Tisch hinüber, an dem seine Tochter und der Mann standen, von dem er nach wie vor nicht mehr wusste, als die offensichtliche Tatsache, dass dieser nicht besonders redselig war.


"Nach wie vor schweigsam?" Als Stellan vor Adrian stehen blieb, sah er diesen eingehend an. "Habt Ihr etwa etwas zu verbergen?"

Leicht nur legte er seinen Kopf zur Seite und setzte dann ein überhebliches Lächeln auf. "Oder seid Ihr einfach nur schüchtern?" Sein rechtes Auge zeigte den Anflug eines herablassenden Zwinkerns, bevor er sein Interesse dem Tisch zuwendete.

Auch sein Blick glitt über das Pergament, das dort ohne jeglichen Schutz und sehr präsent ausgebreitet lag. Stellan musste es nicht lesen, um zu wissen, was darauf geschrieben stand.

Er kannte die Worte, jedes einzelne davon. Schon seit seiner Geburt, mochte Ogrimar selbst wissen, wie lange diese zurücklag, waren sie ein Teil von ihm und er in gewisser Weise ein Teil von ihnen.


Der Ausdruck auf seinem Gesicht verfinsterte sich und mahnend zog er seine Stirn in Falten. "Äußerst unvorsichtig von dir, eine Abschrift davon in deiner derzeitigen Situation für alle sichtbar liegen zu lassen. Oder hast du dein Vertrauen so großmütig zu verschenken?"

Noch während er sprach, wanderten seine Augen von Tanuri zu dem für ihn fremden Mann und blieben an diesem hängen. Stellan zeigte bereits eine gewisse Ungeduld.

Seine Zeit wollte er nicht unbedingt dafür investieren, sich mit Höflichkeiten aufzuhalten, um sich gegenseitig soweit kennenzulernen, bis Adrian sich eventuell dazu entschied, offen auszusprechen, was er dachte und beizutragen hatte.

Strafend schüttelte er seinen Kopf und sah zu seiner Tochter zurück. 
"Bedenkt man, was du bisher geleistet hast und welche Ergebnisse zu damit erzieltest, warst du nicht sehr erfolgreich. In vielerlei Hinsicht."

Abfällig zog er einen seiner Mundwinkel nach oben und setzte sich mürrisch seufzend breitbeinig auf den Stuhl. Die Flasche in seiner Hand stellte er neben sich ab und lehnte sich, an seinem Stock haltend, leicht nach vorn. 


Einige Male klopfte er mit diesem auf den Holzboden, während seine Augen nun starr in den Raum gerichtet waren. Stellan wartete ab, einen Atemzug und noch einen weiteren.

"Such gar nicht erst nach passenden Ausreden und Entschuldigungen." Eisernes Schweigen und zu hoffen, dass er es nun war, der das Wort ergriff und Möglichkeiten aufzeigte, sollte niemand von ihm erwarten.

Er war keinem etwas schuldig. Und schließlich war es Tanuri gewesen, die nach ihm und seiner Hilfe gerufen hatte und nicht er nach ihr. Ein Anfang war gefordert? Wie traurig, dass er selbst diesen aufzeigen musste.

Mit seiner Zunge fuhr er sich über seine Lippen und deutete mit einem knappen Nicken in die Richtung der Flasche, nach der er nun erneut griff, um sie mit Hilfe seiner Zähne zu entkorken. 


"Kelche wären angenehm." Den geöffneten Alkohol stellte er zurück auf den Tisch und wartete darauf, dass entweder Adrian oder Tanuri seinem deutlichen Hinweis nachkamen.

"Womit wir also beginnen?
Bevor wir uns noch länger mit unpassender Stille und Heimlichkeiten aufhalten: Wie wäre es damit, wenn ich vollständig ins Bild gesetzt werde und keine Tänze um die Wahrheit und das Wissen, das ihr im Gegensatz zu mir zu haben scheint, geführt werden?"
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Das Chaos wird entbrennnen und aus diesem die ewige Dunkelheit geboren.
Und dann, wenn das Heer des Meisteres sich erhebt, wird niemand ihm noch widerstehen können.
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-Freya-
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#892

Beitrag: # 54229Beitrag -Freya- »

Vorsichtig führte Freya das Messer über die bräunliche Schale der Kartoffel hinweg, um jene davon zu befreien. Sicher war sie nicht so schnell und geschickt wie die Küchenmägde in der Legion. Dafür fehlte ihr die Übung. Dennoch hatte sie keinerlei Scheu davor, sich die Hände schmutzig zu machen und zu helfen, auch wenn ihr Hilfe selbst vielleicht eingeschränkt war. Sie bemühte sich.

Der würzige Duft von Kräutern und Gemüse stieg Freya unmittelbar in die Nase, als das Großmütterchen alles in den Topf gab, um es auf der Feuerstelle köcheln zu lassen. Es war ein verlockender Geruch, der Freyas Hunger nur noch verstärkte, und sie konnte kaum den Blick von dem dampfenden Topf abwenden, obwohl sie wusste, dass es noch eine Weile dauern würde, bis die Suppe fertig war.

Für einen Moment war Freya in Gedanken versunken, wie es wohl schmecken mochte und wie lange es noch brauchen würde. Allein die Vorstellung hinterließ schon ein Glitzern in ihren Augen. Ein Schimmern, das jedoch abrupt verblasste, als das Fleisch auf die Tischplatte knallte. Abrupt ließ sie das Geräusch selbst zusammenzucken.  

Wie in Starre verfallen wanderten nur ihre großen Augen zu Hafrun, die sich zu ihr an den Tisch setzte. Freyas Hand selbst hatte in der Bewegung innegehalten, als sie für einen Wimpernschlag den Bischof vor Augen hatte und ihr der Gedanke kam, dass die Kräuterfrau sie vielleicht zu ihm zurückbringen wollte.
 
Freya holte zittrig Luft und verdrängte ihre unbegründeten Bedenken, während sie eine neue Kartoffel griff. Wenn das Großmütterchen etwas Böses im Sinn gehabt hätte, wäre es für sie ein leichtes gewesen, sie auszuliefern oder einzusperren, als sie bewusstlos gewesen war. Mit Sicherheit hatte die Frau auch das Mal auf ihrem Handgelenk gesehen. Jenes Symbol, für das der Bischof sie beinahe besinnungslos geschlagen hatte.

Hafrun hatte stattdessen jedoch ihre Wunden versorgt und kochte nun einen frischen Eintopf, ohne es auch nur einmal zu erwähnen. Nein, das Großmütterchen war nicht wie er, weshalb sie vielleicht auch weniger misstrauisch sein musste.

Als hätte sie gerade eine Erkenntnis zu ihrem Versäumnis gehabt, wandte sie sich wieder der Arbeit zu.
„Verzeiht. Mein Name ist Freya. Freya Chakai.“ Antwortete sie ein wenig schuldbewusst, als sie das Messer an die Kartoffel legte. Ein wenig zerknirscht biss sich das Mädchen in die Unterlippe. Wie viel sollte sie preisgeben?

Mit einem Blinzeln sah sie zu Hafrun. Das dünne lichte Haar, die Falten und ihre ganze Erscheinung wiesen eindeutig darauf hin, dass sie alt war. Etwas das keine Schande war, sondern eher ein Umstand vor dem Freya Respekt hatte. Aber das Wichtigste war, sie kannte Geschichten und Märchen. Vielleicht wusste sie also auch etwas über die Prinzessin oder jenen Herrscher, den sie suchen musste. Oder auch, wie das alles hatte passieren können.

„Ich hab nicht gelogen, als ich sagte, ich hab mich verlaufen.“ Begann Freya nachdenklich, während sie sich ihrer Arbeit wieder zuwandte und beobachtete, wie die Schale der Kartoffel sich unter dem Führen der Klinge zu einer Spirale formte.

„Auch wenn Ihr es nicht glauben wollt, in einem Moment war ich in meinem Zimmer und im nächsten Augenblick fand ich mich oben am Berg an einem Gebirgspass wider. Ich weiss, es klingt verrückt und wie eine Lüge, aber es ist wahr.“

Sie wagte nicht, Hafrun direkt anzusehen, weshalb Freya froh war, dass sie ihre Augen auf ihre Arbeit richten konnte. Vielleicht würde Hafrun ihr ohnehin nicht glauben. Sie selbst wusste schon nicht mehr, ob oder was noch wirklich war.  Womöglich nahm die Kräuterfrau auch an, dass sie vielleicht zu heftig am Kopf getroffen worden war und Unsinn redete. Doch es war die Wahrheit und wären Haedinn oder Lumiel hier, könnten sie es bestätigen.

Seufzend legten sich die Finger wieder um den Griff der Klinge, nur um ihre Arbeit fortzusetzen. Keiner von beiden war jedoch hier. Beide hatte sie unterwegs verloren. Vielleicht sogar verletzt oder zum Sterben zurückgelassen. Ein Gedanke, der an ihr nagte und doch konnte sie nichts tun. Nur ihren Weg fortsetzen und die Trübheit abstreifen. Womöglich hatten sie beide auch einen Weg hinausgefunden.

„Nun suche ich einen Weg nach Hause. Und dafür muss ich in die Stadt. Nehme ich an.“

Der Geruch der kochenden Suppe sorgte jedoch dafür, dass sich ein kleines Lächeln sich auf ihre Lippen stahl. Zarte Grübchen zeichneten sich auf ihren Wangen ab und das Wasser lief ihr im Munde zusammen.
Verstohlen sahen ihre Augen zu Hafrun hinauf. Klar glänzte das Blau durch ihre Wimpern hindurch, als sie, ein wenig zurückhaltend ihren Blick suchte.

„Ihr wisst nicht zufällig, wie ich die Prinzessin finden kann?“
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Adrian
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#893

Beitrag: # 54230Beitrag Adrian »

Mit einem angedeuteten Anflug von Verachtung hob er eine Augenbraue. Eine wohlkalkulierte Geste, um Stellan mit einem kühlen Blick zu betrachten. Sein Interesse an seiner Meinung über ihn war marginal. Unter anderen Bedingungen hätte er dem ehemaligen Hüter gerne dargelegt, dass er die Worte der Niederschriften an anderer Stelle bereits gehört und nicht zuletzt gesehen hatte. Kunstvoll und anmutig. Doch weder war dies der richtige Ort dafür, noch die Zeit.

Ein Mundwinkel verzog sich leicht, begleitet von einem schiefen Lächeln, das jedoch nicht von wirklichen Emotionen unterstrichen wurde, sondern lediglich eine Spur von süffisanter Erheiterung zeigte.

„Mein Name ist Adrian Al Saher. Euer Sohn würde mich einen alten Freund nennen. Ihr seht, ich habe nichts zu verbergen, Lord var Aesir. Allerdings überlege ich, welchen Nutzen Ihr für uns haben könnt und welche Rolle Ihr im Allgemeinen noch in diesem Spiel spielt.“ Erwiderte Adrian mit einer kühlen Gelassenheit. Es war bekannt, dass der Magier nur selten etwas von sich preisgab. Sogar diejenigen, die ihm nahegekommen waren, erhielten in der Regel nur jene Antworten, die er für angebracht hielt und auch nur dann wenn, die richtigen Fragen gestellt wurden. Vertrauen war etwas, dass er weder vorschnell noch freizügig verteilte.

Dennoch, wenn Stellan darauf bestand, dass er sein Schweigen brach, würde dieser mit seiner ehrlichen Meinung umgehen müssen. Sollte er dazu nicht in der Lage sein, würde es für den Magier selbst keine relevante Rolle spielen. Es gab nur einen Grund, warum er hier war.

Das helle Blau seiner Augen wandte sich kurz zu Tanuri. Auch wenn sein kühler Blick von Erschöpfung gezeichnet war, war er ihr gefolgt. Kurz nur fuhr er sich über die Lippen und ließ seinen Blick über den der Priesterin hinweg streifen, bevor der Magier sich an die Tischkante lehnte, um seinen Standpunkt darzulegen.  Eine Erklärung, die er ziemlich pragmatisch kurz hielt und dennoch auf demselben Niveau wie Stellans Wortwahl verlauten ließ.

„Eure Tochter sieht offenbar in Euch eine Hilfe. Ich jedoch sehe in Euch nicht mehr als einen alten Mann, der lediglich die Fragen der Hüterin wiederholt, ohne etwas Substanzielles beizutragen außer seiner eigenen unangebrachten Selbstüberzeugung.“ Stellte er klar, bevor er seine kühlen blauen Augen wieder auf den alten Greis richtete.

Zweifellos hätte Adrian ihm jederzeit die Situation bis ins kleinste Detail erklären können. Die Frage war nur, zu welchem Zweck. Hätte Tanuris Vater ein wahres Interesse an seiner Bestimmung oder aber an Freya gehabt, hätte er mehrfach entsprechend rational reagieren können, anstatt die Situation für seinen unangemessenen Spott und seiner selbstherrlichen Zurschaustellung zu nutzen. Ein Umstand, der nicht zum ersten Mal deutlich wurde.

„Lord var Aesir, Ihr verzeiht, was waren gleich Eure Fortschritte seit Eurem Erscheinen? Insbesondere als Ihr dem Schlüssel gegenüberstandet?“ Entspannt lehnte Adrian sich an den Tisch, ohne eine emotionale Reaktion zu zeigen. Vielmehr hielt er nüchtern seinen Blick auf Stellan gerichtet, während seine Stimme eine eisige, aber dennoch herausfordernde Ruhe ausstrahlte.

„Vielleicht sind mir gewisse Fakten ja durchaus entgangen. Freya ist noch jung, und es ist möglich, dass mir eventuell einige Informationen fehlen, inwiefern Ihr Euren Beitrag geleistet habt. Ich möchte Euch den immerhin gebührenden Respekt entgegenbringen, der Euch zusteht.“

Er erwartete keine Antwort darauf und wenn der alte Mann nicht vollständig senil war, würde ihm die Bedeutung seiner Worte bewusst sein.

Zu gern hätte Adrian jedoch noch einige Details hinterfragt, um die Zusammenhänge zwischen dem Auftritt Stellans und dem Verschwinden Tanuris rekonstruieren zu können und die Intention ihres Vaters zu durchschauen, doch die Zeit spielte im Augenblick gegen sie. Der vermutlich einzige Punkt bei dem er Stellan derzeit recht geben musste.

„Unter Umständen mag sich Eure Motivation auch verändert haben, da das Schicksal Eures Sohnes am selben seidenen Faden wie der Schlüssel hängt und ihr Tod auch den seinen bedeutet?“

Streng und kalt zugleich fixierte Adrian sich einen Moment lang auf den Blick des alten Mannes. Fast schon forschend, ob seine Worte etwas in ihm auslösten.

„Auf die eine oder andere Weise ist es daher sicher in unser aller Interesse, dass wir den Schlüssel finden. Wenn Ihr also mit Eurem eigenen Tanz fertig seid, denke ich, dass Tanuri Euch aufklären sollte." Ohne dem einstigen Hüter weiter Beachtung zu schenken, sah Adrian lediglich auf die Flasche, die Stellan gerade zu öffnen versuchte.

„Vielleicht werdet Ihr den Erwartungen der Hüterin gerecht und beweist am Ende doch vor dem dunklen Lord selbst noch Euren Wert, auch wenn ich Schwierigkeiten habe, daran zu glauben.“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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Maryam
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#894

Beitrag: # 54231Beitrag Maryam »

 Mit einem aufgeregten Leuchten in ihren Augen sah sie zu ihrer Hand, die immer noch auf dem Sarg lag. Maryam war sich sicher, dass er auf seine besondere Art immer bei ihr war. Trotzdem konnte sie nicht vorhersagen, ob er auf ihre Fragen antwortete. Er war ein strenger Lehrmeister für sie gewesen, hatte sie weder verwöhnt, noch ihr etwas geschenkt. Aber sie wusste tief in ihrem Herzen, dass er sie nie im Stich lassen würde. Sie vertraute ihm bedingungslos, obwohl sie nur seine Stimme kannte. Seine Worte aber hatten sie noch nie belogen und seine Versprechen waren immer eingetreten. Ohne ihn, wäre sie nicht so weit gekommen. 

"Mein Meister, sprecht weiter! Ich höre Euch zu."

Kaum traute sie weiterzuatmen, nur um sicherzugehen, dass sie nichts von dem verpasste, was er sagte. Sein Wunsch war es, dass sie den Schlüssel fand. Aber wie sollte sie das bewerkstelligen? Es war schwierig genug gewesen, unauffällig zu bleiben zwischen all denen, die dem falschen Glauben angehörten. Jetzt auch noch den Schlüssel suchen, der nicht einmal mehr hier war, wenn man den Worten glauben durfte, denen sie gelauscht hatte. 

Unstet glitt ihr Blick hin und her, während die Gedanken und Überlegungen in ihrem Kopf rasten. Es war unmöglich, sich denen, die Freya sonst umgaben, noch weiter zu nähern. Auch wenn sie alles dafür geben würde, um die Stimme und auch Artherk zufriedenzustellen, wusste sie um die Grenzen. Niemandem würde sie noch etwas bringen, wenn sie ermordet wurde.

Maryam zweifelte aber nicht daran, dass ihr Meister das nicht wusste. Hatte er vielleicht einen ganz eigenen Plan und bereits alle Möglichkeiten durchdacht? Seine Weisheit hatte er ihr bereits so oft bewiesen, es würde sie also nicht verwundern, wenn sein Blick schon eine Zukunft sah, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte. 


Bittend leise flüsterte sie und neigte sich dabei näher an den Sarg heran. "Wie soll ich es tun? Welchen Weg seht Ihr für mich?"

Fast schon zärtlich strich sie über die Inschrift hinweg und hoffte, dass er nicht bereits gegangen war.
"Alleine schaffe ich das nicht." Flehentlich war ihr Tonfall und erstarb mit den letzten Worten. Sie wollte ihn nicht enttäuschen und auch vor Artherk beweisen, dass sie würdig war, für ihn zu sterben und in seinem Glauben wiedergeboren zu werden. Maryam wollte es sich verdienen, mit Blut und Schweiß und Tränen. Ganz so, wie es von den frühen Kriegen berichtet wurde. Nur wie, das wusste sie nicht. Sie war weder feige, noch zimperlich. Aber sie würde es sich nicht verzeihen, wenn sie jenen Gott, dem ihr Herz und ihr Leben galt, nicht gerecht wurde.

"Vergebt mir meine Schwäche." Ihre andere Hand ballte sie zu einer Faust und blickte dann entschlossen in die Richtung des Sargs.

Schon so lange war sie alleine gewesen, der Stimme gefolgt und würde es auch weiterhin tun. Aber sie wollte wissen, wer es war, der zu ihr sprach. Es war eine Forderung, die sie nie zuvor ausgesprochen hatte, da die Angst vor den möglichen Konsequenzen bisher zu stark gewesen war. Jetzt aber, so dachte sie, war die Zeit dafür gekommen.  
"Kommt an meine Seite und führt mich." 

 
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Gesichtsloser Erzaehler
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#895

Beitrag: # 54232Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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Hafrun zuckte fast schon gleichgültig mit ihren Schultern, legte das große Messer beiseite und sah hinüber zu Freya. "Eine Prinzessin? Prinzessinnen haben wir hier nicht. Nur 'nen Kaiser gibts."

Sie strich sich mit dem Ärmel ihres Gewandes über Gesicht und Nase und hievte sich dann wieder ächzend nach oben. Ihren Blick weiterhin auf das Mädchen gerichtet, das sich sichtlich darum bemühte, die Kartoffeln ordentlich zu schälen, dachte sie kurz nach.

"Der purpurne Kaiser. Wobei," abfällig lachte sie, platzierte das scharfe Messer auf dem Brett und nahm dieses dann in ihre Hände, "sein Titel ist nicht mehr als nur Zierwerk. Die drei alten Weiber an seiner Seite sind's, die ihm Befehle einflüstern und mittlerweile seine Ländereien regieren. Allerdings sind die weit entfernt von dem, was man wohl als Prinzessin bezeichnet."

Mit dem Palast hatte Hafrun nichts zu schaffen. Besser war das auch, denn diese Gesellschaft war nicht gut für sie und ihre Beziehungen. Die drei Regentinnen, wenn man sie denn so nennen mochte, begrüßten die Geschäfte wie das ihre nicht. Zumindet dann nicht, wenn sie nicht selbst ihren Profit daraus schlagen konnten.

Nach außen hin diktatorisch, nach innen korrupt. Das war es, was er war, der purpurne Palast.

Verächtlich verzog die alte Frau ihr faltiges Gesicht, fing sich dann aber schnell wieder und fuhr fort:
"Seit die Tochter des Kaisers sich gegen den Thron entschieden hat und angeblich die Liebe wählte anstatt die Macht, sind die Drei es, die die Geschicke seines Kaiserreichs lenken."

Hafrun kniff ihre Augen zusammen und murmelte leise, aber auch abschätzend. "Du musst von weit her kommen, wenn du nichts über den purpurnen Kaiser weißt."

Mit dem Brett in der Hand schlurfte sie zurück zu der Kochstelle.
"Wenn Du fertig bist mit dem schälen und schneiden deiner Kartoffeln, bring sie her und wirf sie in den Topf."

Das Mädchen erwies sich von Minute zu Minute als interessanter. Vielleicht ergab es sich doch, dass sie von höherem Wert war, als Hafrun bisher dachte. Denn, dass Freya nicht log, war ihr anzusehen. Hafrun hatte genügend Erfahrung in ihrem Leben gesammelt, um eine Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden. Gerade Kinder waren zumeist einfach zu durchschauen. Wesentlich einfacher sogar, als sie dachten. Aber das würde Hafrun natürlich nicht einfach frei heraus mitteilen, war es in diesem Fall, wie sich nun zeigte, sowieso vorerst unnötig. 


Nachdem die alte Frau das klein geschnittene Fleisch in den Topf geworfen hatte, stellte das Schneidebrett neben die Kochstelle, griff wieder nach dem großen Kochlöffel und rührte die Suppe um.

"Ein paar Knochen werden die Brühe kräftig machen." Brummte sie leise vor sich hin und machte sich erneut in die kleine Vorratskammer auf. Dort musste sie nicht lange suchen und kam mit einem großen Knochen zurück in den warmen Raum. Ob es der Schenkelknochen eines Tieres oder der eines ausgewachsenen Menschen war, konnte kaum gesagt werden. Für ihren Eintopf erfüllte er so oder so seinen Zweck.

Mit einem Donnern knallte der Knochen auf ihr Brett und sie griff nach dem Messer. Bevor sie sich aber ans Werk des Zerkleinerns machte, drehte sie sich wieder zu Freya herum und ihr Antlitz spiegelte sich verzerrt auf der Klinge wieder. 

 
"Es gibt doch nichts, was es nicht gibt. Dumm wär's eher, wenn man denkt, dass das Unmögliche nicht möglich ist." Kommentierte sie erst jetzt die Erzählung Freyas und versuchte von deren Gesicht abzulesen, ob es da mehr gab, was das Kind dazu noch zu sagen hatte, denn die Details fehlten merklich an ihrer Ausführung.

Ein heiteres Grinsen, das allerdings eine überhebliche Kälte ausstrahlte, zog sich über ihr eingefallenes Gesicht.
"Hast dich doch hoffentlich nicht an irgendeiner verbotenen Magie bedient und damit herumgespielt? Das würds zumindest erklären."

Eines ihrer Lider zuckte noch kurz auf, bevor sie sich wieder herumdrehte und das Messer ohne Zögern mit einer Kraft, die man ihrem hageren Körper wohl kaum zutraute, auf das Brett niederfahren ließ, um damit den Knochen zu zerteilen. Einige Splitter flogen wild umher, was Hafrun aber nicht weiter störte.

Wenn das Kind sich tatsächlich, ob nun aus Versehen oder mit einer Absicht, die sie nicht zugeben wollte, von einem Ort hergezaubert hatte, der so weit entfernt war, dass sie den Palast nicht kannte, dann war sie fremd. Sehr fremd. Und fremd erzielte einen hohen Preis.

Erneut hob sie das Messer in die Höhe und schaute über ihre schmale Schulter hinüber zu Freya.
"Mein Name ist Hafrun." Zielsicher zerschlug das Messer nochmals den Knochen. "Und keine Sorge, auch wenn die Kinder im Dorf das gern behaupten und Lieder über mich singen, eine böse Hexe bin ich nicht." 

 
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Stellan
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#896

Beitrag: # 54233Beitrag Stellan »

Stellan lehnte sich zurück und mit einem zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht hob er seinen Blick Adrian entgegen. "Ah, Ihr sprecht also doch?"

Vorerst beschloss er, auf die gut gesetzten Spitzfindigkeiten des Magiers nicht einzugehen, sondern drehte den Stock in seiner Hand und dachte über die Vorstellung des Mannes nach. "Al Saher, ja? Interessanter Name." 

Tief in Stellans Erinnerung regte sich etwas. Allerdings bekam er es noch nicht so richtig zu fassen. Irgendwoher kannte er den Namen, genauso wie das Gesicht. Nachdenklich biss er sich auf die Innenseite seiner Lippe. Von Anfang an war Adrian ihm bekannt vorgekommen. Woher aber, das wollte ihm bisher nicht einfallen. 


Wenn auch verärgert über sich selbst, beließ er es fürs Erste dabei, dass er die Verknüpfung nicht zustande brachte. Vielleicht bot sich ja noch die Gelegenheit, die Herkunft und das Elternhaus des Magiers genauer zu eruieren. 

"Ich habe mich mehr als einmal bewiesen und zahle noch dazu einen hohen Preis für meine Fehler." Unvermittelt glitt die kalte Ablehnung hinüber zu Tanuri, während sein Wort aber weiterhin Adrian galt. "Könnt Ihr das auch von Euch sagen?" 

Stellan kümmerte die Antwort nicht, da sie nichts ändern würde. Jeder zahlte einen Preis, der eine war höher, der andere niedriger. Er hatte seinen schon mehrfach gezahlt und würde es jederzeit wieder tun, um dorthin zu kommen, wo er heute war.

Die Vollendung der Prophezeiung stand kurz bevor. Sie war weitaus näher, als Tanuri und ihr Anhang es begriffen.

Nichts aber würde er dazu tun, sie aufzuklären, denn sie würden es nicht sehen oder sehen wollen, was die einzige Wahrheit und Zukunft von ihnen allen war. Sie alle waren zu verbohrt und engstirnig und es fehlte die Weitsicht.

Es wäre nur ein Hindernis, wenn er ihnen den eigentlichen Pfad, denn die Prophezeiung vorsah, offenbarte. Außerdem war es außerdem sehr zweckdienlich, wenn seine Tochter nach seiner Hilfe fragte. Je mehr er wusste, desto mehr konnte er lenken. 


Seine stahlblauen Augen konzentrierten sich wieder auf Adrian, als er fortfuhr. "Ich bin nicht hier, um Freundschaften zu knüpfen oder Euren und den Erwartungen meiner Tochter gerecht zu werden."

Ein schmales Lächeln zuckte auf seinen Mundwinkeln auf. "Auch wüsste ich nicht, warum ich einem Fremden Rechenschaft über meine Freizeitgestaltung ablegen müsste."

Leicht schnalzte er mit seiner Zunge und sah bedauernd zu der Flasche Alkohol, für die offenbar nur er sich interessierte. Stellan lehnte seinen Stock gegen den Tisch, zog sich dann nach oben und humpelte durch den Raum, auf der Suche nach einem passenden Gefäß für das Getränk. Zurück an der Kommode öffnete er die oberste Schublade, in der Hoffnung, dort fündig zu werden. 


"Ihr scheint recht wenig über die Hüter und unsere Vergangenheit zu wissen." Mit einem Ruck schloss er die Schublade wieder, beherbergte sie nicht, wonach er suchte. "Bedauerlich." Ob er dabei seine ergebnislose Suche meinte oder seine Einschätzung gegenüber Adrian, blieb offen. 

"Gerne kläre ich Euch aber auf: Bindungen, ganz gleich welcher Art, haben für uns keine Wichtigkeit. Stirbt ein Sohn, stirbt er. Stirbt eine Tochter, stirbt sie. Keinen würde ich betrauern.

Wir lieben nicht, wir sorgen uns nicht um andere, wir fühlen nicht, wir kennen keine Zuneigung oder werden blind, aufgrund von weltlichen und kindischen Gefühlen, die uns in die Irre leiten.

Wenn andere ihren Weg und ihr Ziel verlieren, gehen wir weiter. Unser Leben gilt nur der einen Sache.
Wir sind die Hüter und folgen nur einer Bestimmung und einem Glauben."
 


Während er sprach, öffnete er eine weitere Schublade, in der er aber ebenso nichts vorfand, was sich als Trinkgefäß eignete.

"Wenn Ihr erlaubt," Stellan hielt inne und grinste spöttisch, "greife ich hier einen Punkt Eurer wenig unterschwelligen Kritik auf: So wie es Tradition ist, übergab ich das Schicksal unserer Familie an Tanuri, da meine Zeit eigentlich gekommen war.

Übergibt ein Hüter an seinen Nachfolger, stirbt er."
Mit einem tiefen Atemzug schloss Stellan auch diese Schublade, richtete sich auf und wendete seinen Blick in Richtung Adrian. "Eine Wortklauberei aufgrund meines nach wie vorigen Daseins ist an dieser Stelle unnötig.

Mir ist es selbst nicht entgangen, dass ich nicht tot bin. Woran das liegt?"
Frostig und abweisend war sein Lächeln und sein Tonfall mit Hochmut getränkt. "Vielleicht weil der dunkle Lord meine Tochter als weitaus unwürdiger erachtete als mich und ich es war, der sich täuschte und mehr in ihr sah, als sie tatsächlich ist?" 


Er hinkte weiter an den Regalen mit Büchern entlang und öffnete eine Tür. Hinter jener fand er Trinkbecher, zwar nur zwei Stück, aber irgendjemand von ihnen konnte auch aus der Flasche trinken. War er ehrlich, würde er es in der derzeitigen Situation sogar bevorzugen, die Flasche alleine zu leeren. 

Mit den zwei Bechern in seiner Hand humpelte er schweren Schrittes zurück an den Tisch. "Nicht unbedingt für Besuch eingerichtet, was?" Er sah zu Tanuri, nahm den Alkohol wieder an sich und füllte die beiden Trinkgefäße. 

"Nun, wie bereits gesagt, ich bin nicht hier, um neue Freunde zu gewinnen. Und Ihr wirkt auf mich nicht, als wäre Euch nach neuen Bekanntschaften zumute.

Noch dazu, da Ihr ja mit meinem Sohn und meiner Tochter mehr als bedient zu sein scheint."
Leise lachte Stellan in sich hinein, setzte sich wieder und lehnte sich gegen die Lehne.

Er konnte nicht verbergen, dass der Schmerz in seinem Oberschenkel zugenommen hatte und so strich er sich fest über diesen, als könnte er durch den Druck das Ziehen mindern. 


"Es ist Eurer Aufmerksamkeit bestimmt nicht entgangen, dass "Tänze", so wie Ihr es nennt, sich für mich nicht besonders gut eignen.

Somit wäre es also langsam angebracht, sich nicht gegen meine Anwesenheit zu wehren, sondern sie zu akzeptieren und das für Euch Beste daraus zu machen. Welche Wahl habt Ihr sonst?" 


 
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#897

Beitrag: # 54234Beitrag -Freya- »

Freya bemühte sich darum, sich auf die Kartoffeln zu konzentrieren, auch wenn sie dabei immer mal wieder verstohlen zu Hafrun aufsah. Bedacht würfelte und schnitt sie die Kartoffeln, während die Worte des Großmütterchens sie nachdenklich stimmten und sie den Gesichtsausdruck und die Züge ihrer Gastgeberin dabei genau beobachtete.

Hatte Freya sich am Ende vielleicht Lumiel wirklich eingebildet, und die ganze Geschichte war nicht mehr als ein Märchen, das sich in ihrem Kopf abspielte? Keine Prinzessin. Oder gab es gleich drei? Aber welche war dann die richtige? Oder hatte der Gnom die verlorene Tochter des Kaisers gemeint? Vielleicht sollte sie erstmal den Palast des Herrschers suchen. Immerhin hatten Kaiser sicherlich auch ein Schloss oder etwas Ähnliches, indem sie lebten und von denen aus sie ihr Reich regierten oder regieren ließen.

„Wir haben zu Hause nur einen König“ Bemerkte Freya, wobei ein kurzer Anflug eines Lächelns ihre Lippen umspielte. Immerhin war er auch vieles, aber nicht unbedingt ein besonders wacher Geist. Kurz nur rollte sie ein wenig mit den Augen, schienen Männer mit Macht offenbar alle nicht sonderlich viel heldenhaftes an sich zu haben, auch wenn Geschichten Könige, Kaiser und Prinzen so darstellen wollten. „König Theodor, den Dreizehnten.“

Langsam legte Freya das Messer beiseite, bevor sie sich vom Stuhl gleiten ließ. Viel gab es nicht über ihn zu erzählen, außer der Geschichte über das einstige Turnier und seine Brüder. Vorsichtig stand sie daher auf. Allerdings nicht behutsam genug, ließ ein leichtes Ziehen sie umgehend innehalten. Eine zwackende Erinnerung, unter der sie kurz die Augen zusammenkniff, als diese sie zu überlegteren Bewegungen mahnte. Freya wollte es sich nicht anmerken lassen und griff umgehend nach der Schüssel. Das ging schon. Irgendwie. Leicht nur krauste sie ihre kleine Nase und gönnte sich einen Atemzug, als sie Hafruns Blick suchte.

„Euer Kaiser hat drei Frauen?“  Hinterfragte sie schließlich ohne das Erstaunen in ihrer Stimme verborgen zu halten, während sie in einer behutsamen Bewegung nach den Kartoffeln griff und mit umsichtigen Schritten diese zu dem dampfenden Topf brachte.

Es roch einfach köstlich, sodass dem Mädchen das Wasser förmlich im Munde zusammenlief und für einen Moment sich den Duft des köchelnden Eintopfs einsog. Blinzelnd erspähte sie dabei ein Stück Karotte, das sie nahm und sich in den Mund steckte. Kauend wandte sie sich herum und ging wieder an den Tisch.

Freya konnte sich vorstellen, wie drei verschiedene Frauen um Macht rangen und sich dabei gegenseitig ausspielten. Ein intrigantes Spiel, für den das Volk meistens den Preis bezahlte und weshalb Hafruns kurzer verächtlicher Ausdruck bestimmt einen guten Grund haben mochte.

Inwiefern Menschen fähig waren, ihr Umfeld zu manipulieren, damit hatte sie durchaus ihre ersten Erfahrungen gemacht. Wenn es um Macht ging, schenkten sie sich sicherlich gegenseitig nichts und am Ende auch nicht ihrem Volk. Doch waren sie im Grunde tatsächlich keine Prinzessinnen, sondern vielmehr Kaiserinnen oder Regentinnen.

„Weiß man denn, was mit seiner Tochter geschehen ist?“ Hakte Freya nach, als der gnadenlose Widerhall, mit dem die hagere Gestalt den Knochen zerteilte, das Mädchen kurz zusammenzucken ließ, als wäre es ein Omen in ihren Gedanken. „Hat sie ihre Entscheidung je bereut oder ist sie glücklich geworden?“

Ihre Augen hatten sich geweitet, und für einen Moment malte sie sich aus, was drei bösartige Frauen, die sich miteinander verschworen hatten, wohl mit einer liebenden Prinzessin anstellen würden, um Status und Macht für sich zu beanspruchen und zu sichern. In Geschichten gab es sie oft: die erbarmungslosen Stiefmütter, die vor nichts zurückschreckten, bis sie sich der störenden Stiefkinder entledigt hatten.

Kurz nur schluckte Freya, bevor sie wieder an den Tisch trat und ihr Blick Hafrun mit Zurückhaltung musterte. Vielleicht ging ihre Fantasie mit ihr auch durch und es war keine metaphorische Geste der älteren Frau gewesen, sondern einfach nur eine Einbildung ihrerseits. Der Kaiser war jedenfalls schon ein Ansatz für einen Weg. Ob es sich als der falsche erweisen würde, das würde Freya erst erfahren, wenn sie diesen beschritt. Anonsten blieb immer noch der sogenannte Herrscher der Welten. 

„Sein Palast ist nicht zufällig in der nächsten Stadt?“ Überlegte Freya, während sie kurz nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumkaute, um dann das Messer und das Brettchen zusammen zu räumen, damit der Tisch später für das Essen gedeckt werden konnte. Kurz nur fuhr ihr Blick dabei auf die dunkel schimmernde Oberfläche in der Waschschüssel.  Leicht verschwommen und ein wenig getrübt konnte Freya ihr eigenes Spiegelbild darin erkennen. Trüb und dunkel und dennoch war es ihre Silhouette, die sich in dem Wasser widerspiegelte, wie ein Dejavue.

„Verbotene Magie?“ Hielt Freya kurz inne. Sicher hatte auch sie von verbotener Magie gehört. Doch sie verband diesen Begriff eher mit ketzerischer Magie oder Zaubern, die ihren Erfahrungszyklus überstiegen.

Allerdings hatte sie nicht einmal den Anflug eines Zaubers benutzt, als sie in ihrem Zimmer gewesen war. Da war nur Wut und Verzweiflung aufgrund der Bilder, die sich in den Scherben gezeigt hatten. Grausame Erinnerungen und Träume, die sie überwältigt hatten. Sie hatte jedoch nicht einen Funken Magie benutzt. Haedinn konnte es bestätigen. Das Blau ihrer Augen wurde erneut größer. Sie hatte nicht gezaubert. Aber sie war nicht allein gewesen... Haedinn! Blinzelnd holte Freya sich selbst aus ihren Gedanken zurück und strich sich die langen Strähnen aus dem Gesicht und verbannte sie hinter ihre Ohren.
„Was meint ihr damit, verbotene Magie würde es erklären können? Was für eine Art von Magie soll das gewesen sein?“
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Tanuri
Geschichtenschreiber / Geschichtenschreiberin
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#898

Beitrag: # 54235Beitrag Tanuri »

Die Situation lähmte sie, verlangsamte ihr Denken und betäubte ihren Verstand. Der Raum schien plötzlich unaushaltbar klein zu werden und die Luft zum Atmen wurde mit jedem Wimpernschlag geringer. Es waren zu viele für sie, zu viele Stimmen, zu viele Auren, zu viele Worte.

Das hier war eigentlich ihr Ort gewesen, ihre Einsamkeit und ihre Flucht. Dieses Haus war ihr Schutz. Nicht vor der Welt, nicht vor den Menschen dort oder ihren Aufgaben. Nein, es war der Schutz vor sich selbst. Und nun waren sie beide hier. Jene Männer, denen sie immer wieder die Stirn bieten und vor denen sie sich behaupten musste.

Aber trotz aller Bemühungen war es nie genug. Sie war nie genug. Diese Tatsache war ihr nicht erst einmal in aller kalten Brachialität vor Augen geführt worden. Was aber blieb ihr noch, um sie zu überzeugen, wenn sie selbst an sich zweifelte?


Tanuri wendete sich von ihrem Vater und Adrian ab und trat in nur wenigen Schritten an eines der kleinen Fenster heran. Noch stand die Sonne am Himmel und erleuchtete die Landschaft in vielen Farbfacetten. Sie wollte das Fenster aufreißen und tief Atmen. Einfach nur die frische Luft in ihren Lungen spüren. Das aber wäre verräterisch gewesen. Sie durfte nicht zeigen, wie aufgezehrt sie bereits war und wie schwach sie sich fühlte. Nicht nur körperlich, sondern auch in ihrem Geist. Es wäre nur eine neue Bestätigung für ihren Vater und wahrscheinlich auch Adrian gewesen, dass sie schon längst die Kontrolle verloren hatte. Über das Geschehen, sowie auch über sich. 

Mit einem tiefen Atemzug, der ihr zwar keinen klaren Kopf, aber dennoch etwas Ruhe verschaffte und das innere und äußere Zittern zumindest leicht mäßigte, blieb sie noch mit dem Rücken zu den beiden gewandt stehen. Für jetzt musste sie, auch wenn keiner daran glaubte, das sein, was sie zu sein hatte. Tanuri schluckte ihre Unsicherheit hinunter und drehte sich wieder herum. 

"Father. Wenn Ihr mich als Eure Erbin so sehr anzweifelt, ist jetzt die Gelegenheit dafür, wieder selbst an die Spitze zu treten und der Hüter über die Prophezeiung und den Schlüssel zu sein." Ihr Blick, mit dem sie in Richtung Stellan sah, war hart und zeigte keinerlei Regungen, während der bestimmende Klang ihrer Stimme den Raum erfüllte. "Wie Ihr schon festgestellt habt: Ihr seid nicht tot. Womöglich seid Ihr also im Recht und Ihr habt mich vorschnell zu Eurer Nachfolgerin erkoren."

Es war keine Bitterkeit, Reue oder Traurigkeit zu hören. Denn der Glaube an die Lehren des einzig Wahren und seine Vollkommenheit waren für sie unerschütterlich, weshalb sie überzeugt davon war, dass es einen Grund gab, warum Stellan sich nicht in die Reihe der Verstorbenen eingefügt und der Lord entschieden hatte, ihn nicht an seine Seite zu befehligen.


"Ihr lebt. Genauso wie Naheniel und ich. All das war so noch nie zuvor in der Geschichte unserer Familie und unserer Bestimmung als Hüter gewesen. Eine Irritation oder dumme Laune des Schicksals? Wohl kaum. Wir wissen das der Meister des Chaos nichts dem Zufall überlässt." 

Gefasst ging sie in Richtung des Tisches und senkte nun ihre Stimme. Sie war immer noch deutlich zu hören, durchdrang aber nicht mehr mit der schneidend die Anspannung in dem Raum, sondern war viel eher beschwörend und bittend. "Vielleicht ist es viel eher das, worauf wir uns konzentrieren sollten. Nur so können wir das Bild zusammenfügen und Freya sicher nach Hause zurückbringen." 


Erst jetzt erlaubte Tanuri es sich, hinüber zu Adrian zu sehen. Es war ungewohnt, dass er auf seine Weise eine Art Partei für sie ergriff, ja sich fast schon vor sie stellte. Vielleicht aber trügte sie aber auch ihre Einschätzung. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie etwas hörte, was sie hören wollte, etwas dachte zu sehen, was sie sehen wollte und am Ende über die gnadenlose Realität stürzte. "Das Wohl des Schlüssels steht über allem." Sprach sie nun leise und blieb für einen weiteren Moment an seinem Blick verfangen.

Wir sind die Hüter und folgen nur einer Bestimmung und einem Glauben. Rekapitulierte Tanuri die Worte ihres Vaters, die dem sehr ähnlich waren, was er ihr einst sagte, als er ihr den Namen ihrer Familie übergab. Nur dafür waren sie gemacht. Für nicht weniger aber auch für nicht mehr. 
 
Emotionen trüben das Urteilsvermögen… 



 


 
~~~



Um sich an diesem Punkt nicht mit unnötigen Wiederholungen abzuquälen, die vielleicht auf den ein oder anderen einschläfernd wirken, können die Details des weiteren Gesprächs vorerst mit gutem Gewissen übersprungen werden. Stellan erfuhr, was er wissen musste. Allerdings noch längst nicht alles. Denn auch Tanuri war vorsichtig mit ihrem Vertrauen ihm gegenüber. Nicht, weil sie ihm zutraute, einen Pakt mit ihrem Bruder geschlossen zu haben - das war für sie noch viel zu abwegig - sondern, weil ihr Vater ihr ebenso misstraute. 

Trotzdem hoffte sie auf seine Hilfe. Selbst wenn sich dies als ein verzweifelter Griff ins Leere erweisen sollte, derzeit konnte und wollte sie es sich nicht mehr erlauben, irgendetwas unversucht zu lassen. Sie bereute bereits zu viel, für mehr war kein Platz mehr. 

Die Stunden vergingen und als die Sonne hinter den Bergen verschwand und die Dämmerung des Abends einsetzte, sollte ein jeder von ihnen mit einer Aufgabe betraut sein. Welche das genau war, wird sich im weiteren Verlauf der Erzählung zeigen. Ein Vorausgreifen wäre schließlich äußerst langweilig und zwänge etwas auf, was selbstbestimmt bleiben soll. 

 
~~~





Das Gespräch, welches weit entfernt davon war, nur mit zugänglichen Worten geführt zu werden, hatte Tanuri ermüdet und erschöpft. So vieles gab es zu bedenken, so vieles zu beachten. Freya befand sich in Gefahr, in großer Gefahr. Zumindest darüber waren sie sich einig geworden. Und sie mussten dafür sorgen, dass sie dieser so schnell wie möglich entkam, denn die Zeit schritt erbarmungslos voran. 

"Nun ich denke, vorerst ist alles besprochen." Tanuri erhob sich von der Bank, auf die sie sich gesetzt hatte. Der Alkohol war von ihr unberührt geblieben, auch wenn sie sich alles in ihr danach sehnte, sich zu betäuben. Es zehrte an ihr, die Angst, die Ungewissheit und ihr bisheriges Scheitern. Trotzdem durfte sie sich nicht dem immer lauter werdenden Ruf, dem sie schon so oft gefolgt war, hingeben. Nicht hier und nicht jetzt.

"Für heute können wir nichts weiter ausrichten." Auch wenn es ihr missfiel, blieb ihnen nichts anders übrig, als auf den nächsten Tag zu warten und zunächst Erholung zu finden. Freya war nicht geholfen, wenn die Erschöpfung ein jedes weitere Handeln unmöglich machte und sie zu Fehlentscheidungen verleitete. Und so ging Tanuri durch den kleinen Raum bis zur Türschwelle und wartete darauf, dass Stellan und Adrian ihr folgten, damit sie sie aus ihrem Haus geleiten konnte.
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Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
~~ Anführerin der Legion des Schattens ~~ 
~~ Mutter der Nymeria var Aesir ~~ 
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Gesichtsloser Erzaehler
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#899

Beitrag: # 54236Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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"Ganz schön viele Fragen, während du dich mit Auskünften über dich ziemlich zurückhältst, findest du nicht?" Hafrun warf die Knochen in die Suppe, rührte noch einige Male herum und prüfte die Konsistenz. Jetzt, da alles in dem Topf war, musste es nur noch lange genug vor sich hinköcheln, damit es die richtige Konsistenz erreichte. Das Gemüse und das Fleisch sollten dann aber nahrhaft genug sein, damit das blasse Ding nicht mehr länger halb verhungert und tot aussah. 

"Deinen König kenn' ich nicht. Du musst also von weit herkommen. Hat er denn mehrere Frauen geehelicht?" Sie pustete die Suppe auf dem Löffel und kostete vorsichtig und mit spitzen Lippen. Das Essen war bereits ordentlich heiß und die Alte mochte es nicht, wenn sie sich die Zunge verbrannte. Hafrun schmatzte hörbar und wog ihren Kopf abschätzend hin und her. Der Geschmack war noch nicht perfekt, aber das würde sich durch weitere Kochzeit noch geben. 

"Unser Kaiser hatte nur eine Frau. Die is' aber schon lange tot. Vielweiberei gibts nur beim Wüstenvolk. Zumindest offiziell." Was aber hinter verschlossenen Türen stattfand, war wiederum eine ganz andere Sache. Schließlich wusste Hafrun sehr gut, an wen die Gräfin teilweise die verlorenen Kinder verkaufte. Da musste man nichts umschreiben oder schön reden.

So war die Welt eben. 
Erwartete man auf diesem Erdboden ein Paradies aus Regenbögen und Prinzen auf edlen Schlachtrössern, war man hier falsch. Die Abgründe der menschlichen Seele sind seit Anbeginn ihrer Existenz böse, grausam und von dunklen Abartigkeiten durchzogen. War Hafrun selbst anders, wenn man bedachte, mit welchem Geschäft sie ihr Gold verdiente? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht aber hatte sie sich einfach nur der Nachfrage angepasst. 

"Des Kaisers Tochter… Hm." Die alte Frau wischte ihr Messer an einem Fetzen ab, legte es fein säuberlich auf das Brett und drehte sich zu Freya herum. "Glückliche Enden gibts nur in den von mir angesprochenen Märchen, oder?"

Sie zuckte mit ihren Schultern und sah ungerührt zu Freya. "Es gibt Geschichten, die erzählt werden. Verlassen würd ich mich aber auf keine. Vieles wird dazu gedichtet oder weggelassen. Der Eine sagt, sie wurd' von den drei Regentinnen in den Sumpf zu einer dicken Raupe gebracht, aus Angst, sie könnte zurückkommen und ihnen ihre Macht streitig machen. Wieder ein anderer weiß angeblich, was von zwanzig Kindern und fragt man den Nächsten, wird er erzählen, dass sie an ihrem Unglück zu Grunde ging und in einer Absteige in der Stadt tanzt, um sich am Leben zu halten."

Hafrun ging auf einen Schrank zu, beugte sich mit knackenden Knochen und einer Hand im Rücken herab, um eine Schüssel und einen Löffel hervorzuholen. 
Aus einer hölzernen Schale nahm sie ein frisches Brot, platzierte es auf dem Brett und schnitt einige Scheiben davon ab. "Warum bist denn so interessiert an dem Palast und wo er zu finden ist?" Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie das Mädchen, das ihr eigenes Spiegelbild in der Waschschüssel ansah. Tatsächlich hätte sie gern noch erfahren, woher das Mädchen stammte und wie es vonstatten ging, dass sie in dieser trostlosen Gegend landete. Immer mehr Rätsel warf das Kind auf. Rätsel, die nicht nur wertvoll, sondern womöglich auch gefährlich werden konnten. 

Mit zwei Brotscheiben und der Schale in der Hand schlurfte sie zu Freya hinüber. "Verbotene Magie gibts überall, sie versteckt ich hint…" Weiter kam Hafrun aber nicht, da sich in diesem Moment die Haustür leise knarrend öffnete. Anscheinend war ihr Täubchen zurückgekehrt. War es tatsächlich schon so spät, oder war es nicht fündig geworden? Ihr Blick richtete sich auf eines der Fenster.

Es sah noch nicht nach der richtigen Zeit aus. Wenn ihr Täubchen nicht das gefunden hatte, was sie brauchte, musste die alte Frau auf ein anderes Mittel zurückgreifen. Sehr stark und in seinem Spektrum der Wirkung schwer einzuschätzen. Aber zumindest wäre das Kind dann bis zum Morgengrauen wieder auf den Beinen. Doch auch das musste erst in der richtigen Dosierung angemischt werden, was sie wohl einiges an Zeit und Konzentration kosten würde. Nur ein Tropfen zu viel und Freya würde sich von innen auflösen. Auf diese Sauerei konnte Hafrun gut und gern verzichten. Trotzdem wollte sie nichts dem Zufall überlassen, denn sie musste sichergehen, dass das Kind bereit war, wenn die Gräfin hier erschien. 


Sie schob dem Mädchen die Schale noch etwas näher hin und deutete mit einem Nicken auf den Kochtopf. "Es wird noch ein wenig dauern. Ich hab jetzt aber was anderes zu tun." Sie legte ihre Schürze ab und strich ihr einfaches Leinenkleid darunter zurecht. "Nimm dir von der Suppe so viel du willst und dann leg dich wieder ins Bett. Du brauchst Schlaf. Ich werd' später nach dir sehen und dir noch etwas Medizin bringen. Mit der solltest die Nacht ohne Träume und Schmerzen durchschlafen können." Ohne sich nochmal nach Freya umzusehen, verließ Hafrun, mittlerweile mit etwas gekrümmtem Rücken, die Stube. 

 
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Adrian
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Beitrag: # 54238Beitrag Adrian »

Auch wenn man dem Magier oftmals eine undurchschaubare Aura der Distanz und Geheimnis nachsagte, so zerrten die letzten Stunden an seiner steten Kontrolle.

Wie Stellan wenigstens richtig aus dem Kontext herauszulesen wusste, suchte Adrian keineswegs eine Freundschaft geschweige denn, dass er eine sonderliche Sympathie für ihn erübrigen konnte. Allerdings hatte der Dunkelmagier sich auch nicht bemüht sein Misstrauen ihm gegenüber zu verschleiern.

Vertrauen war ein teures Gut, während der Glaube beständig war. Der Glaube und die Loyalität zu Ogrimar erhob sich über alle menschlichen Bindungen hinweg. Selbst die stärksten Bande konnten vor dem Willen des dunklen Lords zerreißen.

Auch wenn die einstige Bestimmung Stellans ihn vielleicht als hilfreich ausweisen mochte, so war er nicht mehr als ein Name in einer Ahnenlinie. Seine angebliche Bedeutung als Nachkomme einer alten Linie mochte ihn als nützlich erscheinen lassen, doch im Angesicht des Schicksals war er für ihn nicht mehr als ein namenloser Schatten.

Nicht mehr, nicht weniger. Daher war es seiner Meinung nach an der Hüterin zu entscheiden, welche Informationen sie teilte und ihrem Vater vielleicht noch die Möglichkeit einräumte in seinen letzten Atemzügen seinen Wert vor dem Lord zu beweisen, nachdem jener Stellan zu einem gebrechlichen Dahinscheiden verurteilt zu haben schien.

Adrian konnte kaum sagen, wie viel Zeit vergangen war, doch war einiges davon mehr als vergeudet, wenn er an die selbstgerechten Urteile dachte, mit denen Stellan nicht geizte, um sich immer wieder in den Vordergrund zu drängen. Haltlose Phrasen und leere Worte, sonst nichts.

Das einzige, bei dem er auf seine Weise mit ihm konformging, war der Stellenwert des Glaubens. Die Vorrangigkeit, welche Ogrimars Willen über alles stellte. Emotionen, menschliche Bindungen, Opfer – alles verblasste vor diesem höheren Zweck. Doch selbst in dieser Gemeinsamkeit der Überzeugungen fand Adrian keine Verbundenheit, die sie nur annähernd zu Freunden machen würde.

Seine Wiederholungen erachtete er als Zeitverschwendung, die nur zusätzlich an seiner Beherrschung zerrte. Doch Tanuri sah in ihm eine mögliche Hilfe und in Anbetracht dessen, dass Stellan gern in selbstdarstellerischer Weise über Fehler sinnierte, konnte Adrian durchaus einen Einblick auf gewisse Begebenheiten gewinnen. Sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden noch näher.

Langsam nur erhob er sich von dem Tisch, auf dessen Kante er sich angelehnt hatte, um von dort aus sowohl Vater als auch Tochter im steten Blick zu behalten. Den angebotenen Alkohol hatte er ebenfalls nicht angerührt, sodass der Becher unangetastet noch immer an Ort und Stelle verweilte. Es war einiges und gleichzeitig auch nichts, das sie in den Händen hielten. Informationen, Gedanken, Prophezeiungen. Genau hatte der Magier zugehört und entgegen seiner persönlichen Meinung über Stellan einen Teil seines Wissens in wohl bedachter Menge geteilt. Am Ende jedoch waren es bisher nur Worte, keine Taten. Und Worte waren zumeist geduldig.

Kühl legte sich das helle Blau seiner Augen auf die Priesterin und griff nach ihrem Blick, als sie das Treffen auflöste. Ein finsteres Aufblitzen durchzog das dunkle Zentrum für einen kurzen Moment, ehe er jener zusammen mit ihrem Vater zur Tür folgte. Jeden Schritt des Greises musternd sah er zu, wie er seines Weges ging. Ob er ebenfalls handeln würde und in welcher Weise, das würde sich zeigen.

Für einige schweigsame Momente verweilte er im Türrahmen, ohne sich von der Silhouette des gebeugten Mannes abzuwenden. Er vertraute ihm nicht, auch wenn er in einem gewissen Maß dazu gezwungen war, da die Priesterin entschieden hatte, ihn zu Teilen zu einem Verbündeten in ihrer Suche zu machen. Auch wenn er nur ein Werkzeug sein mochte, am Ende war jede unbedachte Information ein Fehler.

„Tanuri?“ Durchbrach er mit ruhiger Stimme die einkehrende Stille. Er zweifelte nicht daran, dass auch sie nach all den schlaflosen Stunden und der Ungewissheit, ebenso an der Grenze ihrer Kräfte angelangt war, wie er. Körperlich, wie geistig. Doch es stand noch immer eine Frage im Raum, deren Antwort mit dem Erscheinen Stellans im Hörsaal ausgeblieben war.

„Wünschst du, dass ich gehe?“ Mit einem kühlen Lidschlag wandte er seinen Blick von Stellan ab, sodass im nächsten Moment das helle Blau seiner Augen unmittelbar nach der Priesterin griff. Ein düsteres Flackern in der undurchdringlichen finsteren Tiefe seiner Pupillen, dass sie berührungslos einfangen wollte. Langsam nur wandte er sich ihr zu, sodass sich sein Schatten über sie legen und sie nur mit seiner kühlen Dunkelheit streifen sollte, bevor er mit einem fragenden Tonfall seine Frage vollendete. „Oder soll ich bleiben?“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
❖ Wahre Finsternis herrscht nur dort, wo kein Licht durchdringt, denn sonst wäre sie nichts weiter als ein Schatten.❖
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