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Gesichtsloser Erzaehler
Schmied / Schmiedin
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#826

Beitrag: # 53757Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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Milde lächelte Hafrun das Mädchen an und trat bedächtig langsam etwas näher an sie heran. "Oh, es kommt mir so vor, als wärst Du nicht nur einmal falsch abgebogen."

Mit einem leichten Nicken deutete sie auf die löchrige Decke, mit der das Kind versuchte, sich selbst Wärme zu geben und sich zugleich dahinter zu verstecken. "Bist Du ganz alleine unterwegs in den Wäldern? Man weiß doch, wie gefährlich es zwischen den Bäumen ist." 


Der Tonfall Hafruns klang besorgt, gar schon mütterlich. Mit einem Seufzen, stellte sie ihren Korb neben sich, legte ihre knochig dürre Hand in ihren Rücken und streckte sich mit sichtlicher Erleichterung in ihrem Gesicht, die Last für einige Minuten losgeworden zu sein. Unterdessen sie noch damit beschäftigt war, ihren Rücken gerade zu richten, musterte sie das Kind von oben bis unten mit unverhohlenem Interesse. 

Sie war ihr völlig unbekannt und so bemüht sie auch in ihren Erinnerungen kramte, fand sie darin kein Bild von den näher gelegenen Anwohnern, das dem Kind in irgendeiner Weise glich. "Kann es sein, dass Du gar nicht von hier bist? Mir wärst Du zumindest zwischen all den Kindern aus den Dörfern nicht aufgefallen."
Ihre Frage nach Freyas Herkunft stellte sie ganz beiläufig, während sie ihr alten Knochen einrenkte. "Wenn Du in die nächst größere Stadt willst, wirst Du noch einige Tagesmärsche auf Dich nehmen müssen." 


Hafrun war es durchaus bewusst, dass sie gegenüber dem fremden Mädchen vorsichtig sein musste, allerdings sollte das kein Grund sein, ihre Neugier über Freya zu verbergen. Wenn das Kind nicht dumm war, musste es ihm selbst klar sein, dass sie am Rande des Waldes, noch dazu völlig verirrt, mehr als deplatziert auf die alte Frau wirkte.

Ein oder zwei Schritte machte sie auf das Mädchen zu und kneifte ihre Augen zusammen, als würde sie dadurch ihren Blick schärfen können. 
"Bist Du vielleicht eine Ausreißerin? Waren Deine Eltern nicht gut zu Dir?" Ihre Stirn legte sich in Sorgenfalten, jetzt, wo sie Freya aus einer gewissen Nähe betrachten konnte, waren die Spuren der Schläge nicht zu übersehen. 

Auf die Idee, dass das Kind irgendwie in Verbindung zu der auf dem Berg gelegenen Kirche stehen konnte, kam Hafrun nicht. Von dort kamen nur sehr selten die Schüler des Bischofs ins Dorf, um Vorräte einzukaufen. Und diese waren alle männlich. Ein Gedanke in jene Richtung wäre also völlig abwegig. Den Glücksfall aber, den das Mädchen womöglich für sie darstellte, erkannte die alte Frau hingegen sehr wohl. 

Wenn sie nicht aus der Umgebung war, dann würde so schnell niemand hier nach ihr suchen. Das Land war groß und die Dörfer lagen teilweise weit auseinander. Und in ihrem einfachen Gewand machte Freya nicht den Anschein, als würde sie einem hohen Haus entstammen. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde es Hafrun nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Es würde die Angelegenheit etwas heikler gestalten. 

Mit einer wegwerfenden Geste ihres Arms versuchte Hafrun Freya eilig zu vermitteln, dass sie nach keiner sofortigen Antwort verlangte. Zusätzlich dazu schenkte sie ihr ein freundliches und aufmunterndes Lächeln. "Ach, das ist ja erstmal egal. Du siehst mir ziemlich hungrig und durstig aus. Außerdem seh ich Dir an, dass Du vor Kurzem noch gefiebert hast." Die glasigen, großen, blauen Augen, die ihr entgegen blickten, sagten nach wie vor einiges über den derzeitigen Gesundheitszustand des Kindes aus.

"Ungefähr eine Stunde von hier ist mein Dorf. Ich kann Dich dorthin begleiten und von dort aus kannst Du versuchen, Deine Reise fortzusetzen. Alle paar Tage kommen Händler vorbei, womöglich nimmt Dich einer von ihnen mit in die Stadt die Du suchst?" 


Hafrun griff bereits wieder nach ihrem Korb und hievte diesen mit sichtlicher Anstrengung nach oben. "Ich wohne in einem kleinen Häuschen am Rand des Dorfs. Solang Du mich nicht störst, kannst Du Dich dort für eine Weile ausruhen. Komfort wirst Du bei mir zwar vergeblich suchen, aber einen Schlafplatz und eine ordentliche Decke wird sich schon irgendwo finden." 

Der Gang der alten Frau war schleppend, als sie sich langsam in Bewegung setzte. "Ein Zuber mit heißem Wasser wird Dir bestimmt auch nicht schaden." 

Vernachlässigt wirkte das Mädchen nicht auf sie. Dazu war das Gesamtbild, was sich ihr präsentierte, zu gepflegt. Oft genug waren ihr Kinder untergekommen, die aus Familien stammten, bei denen die Geburten nicht mehr gezählt wurden, man sich um die Namen nicht mehr scherte und auch gerne dafür sorgte, dass man das ein oder andere Kind irgendwie loswurde. Ob man es nun im Wald aussetzte und der Natur überließ oder ihm giftige Pflanzen in den Morgenbrei mischte, damit es schnell verstarb.

In den Dörfern gab es eben viele arme Familien oder auch Menschen, die sich nichts aus den Kindern machten, die sie zuvor so fröhlich jauchzend im Stroh zeugten. Nicht selten waren sie ihr schon begegnet, die traurig anzusehenden Geschöpfe, die sich nachts in die Gärten der Häuser stahlen, um sich von dort vielleicht den ein oder anderen Bissen, der über ihr Überleben bestimmen konnte, zu erhaschen. 

Verstoßene, verlorene und vergessene Kinder, die niemanden hatten, außer sich selbst. Für das Geschäft, das Hafrun betrieb, waren sie nicht ertragreich. Der Aufwand und die Pflege, die sie benötigten, waren wesentlich höher, als das, was sie schlussendlich einbrachten.
Denn es waren Seelen, die zumeist bereits gebrochen waren. Und keine Nahrung, kein noch so hübsches Kleid oder gebürstetes Haar, konnte über die Leere in ihren Gesichtern hinwegtäuschen. 


Freya hingegen wirkte zwar etwas verirrt, aber nicht verlassen und vergessen. Oder sie wusste es noch gut zu verstecken. Nun, das würde sich schon noch zeigen. Vorerst witterte Hafrun ein gutes Geschäft und dafür musste sie ein gewisses Risiko eingehen. Sollte das Mädchen sich als Fehlgriff erweisen, konnte die alte Frau sie immer noch im Teich ertränken oder sie ins Moor bringen. 

Hafrun war bereits weitere Schritte gegangen, als sie nochmals innehielt und dem Mädchen mit einem breiten Lächeln, welches ihre tadellosen Zähne zeigte, zuzwinkerte.
"Na los, komm mit. Ich werd Dich schon nicht fressen!"  

 
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Gesichtsloser Erzaehler
Schmied / Schmiedin
Beiträge: 67
Registriert: Do 22. Jul 2021, 21:49

#827

Beitrag: # 53761Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

~~ Der rote Bischof ~~


Gnadenlos presste der rote Bischof den großen Kopf des Katers auf den Boden und wartete nur darauf, dass der Schädel verräterisch zu knacken begann. Dem stummen Bericht des Kerkermeisters hatte er zunächst keinen Glauben schenken wollen. Vielleicht hatte Freya sich einfach nur in eine besonders dunkle Ecke gedrängt? Oder sich unter dem alten, fauligen Stroh ihres Bettes versteckt?

Es war unmöglich, das Verlies zu verlassen, außer man benutzte die geöffnete Türe. Dazu aber war der Kerkermeister zu genau und stets vorbildlich in seiner Arbeit. Nie zuvor war ein Ausbruch gelungen, ganz gleich, wie sehr die Gefangenen sich dafür abmühten. Warum also ausgerechnet bei ihr? Diesem Kind, das dasselbe Symbol trug wie sein einstiger Schüler, der ihn vor langer Zeit aus seinem Leben riss und ihn zu einem Geknechteten dieser Welt machte? 


Fassungslos musste der Bischof sich aber eingestehen, dass das Kind tatsächlich verschwunden war. Als hätte der Erdboden sie still und heimlich verschluckt und dabei nicht die kleinste Spur hinterlassen. Die Steine, die Freya das Tor in die Freiheit geöffnet hatten, waren, als wäre nie etwas geschehen, bis auf den noch so kleinsten Kiesel, wieder zurück an ihren Platz gekehrt. 

Tiefster Zorn trieb den Bischof in jene Zelle, in welcher der Kater bereits einen Leid ausgesetzt war, dem der Kirchenmann vorerst aber keine Beachtung schenkte. Haedinn war gemeinsam mit Freya in seiner Kirche erschienen, deshalb war anzunehmen, dass er mehr über das Kind wissen musste. Oder ebenfalls eine Bedeutung in ihr sah. Warum auch sonst, wäre das Tier freiwillig über die Pforten des Glaubenshauses getreten?
Es war ein Fehler des Bischofs gewesen, ihn nicht bereits früher zu befragen und sich zunächst den wenigen Schriften, die er aus der alten Welt besaß, zuzuwenden. Denn in jenen lag seine größte Hoffnung, etwas über Freya in Erfahrung zu bringen. Es durfte ihm einfach kein noch so kleiner Hinweis über sie entgehen. Denn die lang ersehnte Freiheit und sein tief verwurzelter Wunsch nach Rache, waren endlich zum Greifen nah. 

Leider, so musste der Bischof sich nun aber selbst eingestehen, war es ein großer Schnitzer gewesen, dem Abschaum, was weder Tier noch Mensch, noch etwas dazwischen, für ihn war, solange zu ignorieren. Umso mehr kam Haedinn ihm jeztt gerade recht, seine Aggression ungehemmt an ihm auszulassen. 

"Wo ist das Mädchen?" Die gequälten Augen des Katers sahen in glühenden Farben zu ihm auf. Der Bischof sah sehr wohl die Not, die das Tier empfand. Bremsen ließ er sich davon aber nicht. Zu viele dieser jämmerlichen Gestalten waren ihm über die Jahrzehnte hinweg in dieser Welt begegnet, als dass er Mitleid oder Respekt für sie empfinden konnte. Sie waren minderwertige Abartigkeiten, die es galt, auszumerzen. 
Freya hingegen war einzigartig und mit ziemlicher Gewissheit eine nicht wiederkehrende Chance, sich aus dieser gottlosen Kreation einer Welt zu lösen und Naheniel für einen jeden einzelnen Tag und eine jede Stunde büßen zu lassen, die er ihn in diese verbannt hatte. 

Trotz all dem Wissen aber, welches der Bischof bereits besaß und von dem er schöpfen konnte, war es ihm natürlich nicht gelungen, etwas über Freya herauszufinden. Es hätte Wochen bedurft, alles zusammenzutragen und seine wenigen Kontakte, denen er vertrauen konnte, in aller Vorsicht zu befragen. Da er sich aber darauf verlassen hatte, dass der Kerker für lange Zeit, die nur von ihm bestimmt wurde, das neue zuhause des Mädchens war, wollte der Bischof sich einen durchdachten Plan zurechtlegen. Mit den richtigen Fragen und Angeboten oder eben auch einer angemessenen Folter, würde das Mädchen ihre Lügen gewiss schnell durch Wahrheiten ersetzen.
 

Jähzornig griff der rote Bischof nach einem von Haedinns Ohrringen und zog ihn an diesem nach oben, weiter und weiter, bis sie einander auf Augenhöhe waren. "Schweigen wird dir nichts nützen, oder denkst du etwa, ich habe Skrupel vor einer Widerwärtigkeit wie dir?"

Der Schmerz, den Haedinn bei dem Zug an seinem Ohr empfinden musste, war ihm dabei völlig gleichgültig. "Und wenn Du schon dabei bist, mir zu antworten, dann sag mir auch: Wer ist sie?" 

Das Rot der Augen des Bischofs intensivierte sich, glühte und loderte und entzündete auf Haedinns lederner Haut kleine Stichflammen. Der Kirchenmann würde nie vergessen, welche Qual das Feuer Naheniels über die Priesterschule gebracht hatte. Der Geruch von verbrannten Leibern und die Schreie waren für immer an seine Sinne gebunden. Auch wenn er zur Zeit des Geschehens selbst nicht mehr am Leben gewesen war, Naheniel hatte dafür gesorgt, dass selbst die Toten das Elend der Lebenden spüren mussten. 

Erbost riss er erneut an dem Ohrring des Katers, nur um ihn kurz darauf mit aller Kraft gegen die Mauer zu schleudern. Es war kein schönes Geräusch, als der klapprige Körper gegen die Steine schlug. Für den Bischof aber war es eine Wohltat. Es würde ihn nicht lange zufriedenstellen, zumindest aber für jetzt verspürte er Erleichterung. "Wenn du denkst, dass ich dein Schweigen akzeptiere, dann will ich dich gleich eines Besseren belehren. Nicht nur ich, sondern auch mein Kerkermeister haben Mittel und Wege, um aus deinem Kopf die Antworten zu holen, nach denen ich suche. Dieses eine Mal, lasse ich dir noch die Entscheidung, ob es durch Pein und Leid geschieht ober du freiwillig dein Maul öffnest."

Gerade wollte der Bischof dem keuchenden Kater seinen Ohrring zuwerfen, von dem er sich sicher war, ihn ausgerissen zu haben. Allerdings musste er mit Verwunderung feststellen, dass er nicht nur einen Ring, sondern gleich das ganze fledermausartige Ohr in seiner Hand hielt. Als er sich fragend umsah, fiel ihm aus dem Augenwinkel heraus der ausgefallene Zahn des Katers auf dem Boden auf. Was für eine überaus interessante Wendung das plötzlich darstellte.
 Als würde es ihn nicht kümmern, warf er das Ohr angewidert in eine Ecke, hob dann aber zugleich unbemerkt den Zahn auf.

Der Kater zerfiel also...

Einen derartiges Ereignis hatte der Bischof erst einmal selbst gesehen und damals für eine jener unwirklichen Regeln gehalten, die in dieser Welt eben galten. Einige Jahre darauf war ihm aber davon berichtet worden, dass jene Vorgänge kein Zufall waren. Wenn er, den sie Schöpfer nannten, nach jenen, die er an sich band, rief und sie nicht gehorchten, begannen sie förmlich in ihre Einzelteile zu zerfallen.


Vielleicht stellte sich der Kater doch als wesentlich wertvoller heraus, als der Bischof zuerst gedacht hatte. Mit weiten Schritten verließ er die Zelle Haedinns.

Ächzend und knarrend war das Geräusch, welches sich durch das gesamte Kerkergewölbe zog, als der Kerkermeister die Türe hinter ihnen beiden schloss. Gerade als jener diese verriegeln wollte, legte der Bischof ihm mit einem knappen Schütteln seines Kopfes die Hand auf den Unterarm. Sichtlich verwirrt über des Bischofs Ansinnen, gehorchte der Kerkermeister aber und das große Schloss, sowie auch die dicke, eiserne Kette blieben unberührt. 


Stattdessen traten beide gemeinsam die schmalen Treppen hinauf, die sie aus dem dunklen und muffigen Steingewölbe des Gebirges nach oben führte. Weit sollten sie aber nicht kommen, denn der Bischof drehte sich bereits nach wenigen Schritten herum und mit eisiger Berechnung in der Stimme wendete er sich an den schweigenden Kerkermeister. "Er wird schnell merken, dass die Türe nicht verschlossen ist. Lass ihn gehen. Ich bin mir sicher, dass es nicht lange dauern wird, bis er uns zu ihr führt."

Der Bischof präsentierte seinem Gegenüber Haedinns Zahn, griff nach seinem Handgelenk und ließ das Fundstück in dessen Hand fallen. "Und du wirst ihm folgen. Ich bin mir sicher, dass du weißt, wie du ihm damit auf der Spur bleibst. Wenn du Freya gefunden hast, dann kannst du mit dem Kater machen, was du willst."  Sein Befehl duldete kein Hinterfragen oder Ablehnung. Darüber sollt sich der Kerkermeister bewusst sein, stand er schließlich bereits seit langer Zeit in dessen Dienst.

"Das Mädchen aber bringst du mir. Unbeschadet. Gelingt dir das, kannst du gehen. Für immer." Es war nur ein Atemzug, den der Bischof innehielt, bevor er die unabänderliche Entscheidung über die Zukunft des Kerkermeisters fiel.
"Ich gebe dir deine Freiheit gegen ihre."
 
 
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Haedinn
Bauer / Bäuerin
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Registriert: Mi 5. Mai 2021, 21:19

#828

Beitrag: # 53765Beitrag Haedinn »

Der Kopf. Warum nur musste es immerzu der Kopf sein? 

Konnte man sich nicht zur Abwechslung auf irgendein anderes Körperteil konzentrieren? Seinetwegen täte es auch die gute, alte Streckbank, wenn es denn so unbedingt sein musste, Zorn und Wut Ausdruck zu verleihen. Auch diese war zwar nicht unbedingt mit einer sanften Massage zu vergleichen, zumindest zurrte sie aber den ein oder anderen Knochen zurück an seinen Platz.  

Wie sollte er nur jemals seinen Geist zusammenhalten, wenn sich nach Lust und Laune an seinem Schädel ausgetobt wurde? Ihn zuerst mit aller Macht auf den Boden pressen, nur um ihm kurz darauf gegen die Wand zu schmettern. Das war wirklich nicht das, was Haedinn unter freundlicher Behandlung verstand. 
Wehe dem, der ihm in Zukunft noch nachsagte, seine Zurechnungsfähigkeit wäre als bedenklich einzustufen. 

Erst nachdem die Tür zugekracht war, wagte Haedinn es wieder zwischen seinen zusammengekniffenen Augen hervorzuschauen. Es war schon bemerkenswert, in welcher Häufung ihm dieses Potential zur Aggression immer und immer wieder begegnete. Was war so schwer daran, sich zusammenzusetzen, eine Tasse heiße Tee und vielleicht sogar ein kleines, gebratenes Mäuschen miteinander zu teilen und über alles in Ruhe zu sprechen? 
Musste es denn immer gleich diese unangenehme Form der Gewalt sein? Leise fauchte der Kater und leckte sich mit seiner rauen Zunge über seine Lippen. Sein Blut schmeckte ihm nicht, was aber in diesem Moment definitiv nicht sein größtes Problem war. Der Bischof hatte eine ordentliche Portion Kraft bewiesen. Trotzdem war weder der Druck auf seinen Schädel noch das Krachen seines Körpers gegen die Mauer, stark genug, um die eigentliche Pein des Katers langfristig zu überdecken. 

Verdammt noch eins, was sollte er denn tun? Natürlich wäre ihm nichts lieber gewesen, als dem Rufen nach ihm sofort Folge zu leisten. Weder durch Flehen, noch durch Einsatz seiner Krallen gegen die Mauer, war ihm aber ein Ausbruch gelungen. Wohl kaum konnte er als Ersatz versuchen, eine Nachricht aus seinem Kerker zu schmuggeln mit dem Vermerk, dass er unglücklicherweise derzeit verhindert war. 

Zumindest aber hatte der Besuch des Bischofs einen winzigen Vorteil mit sich gebracht. Haedinns Frage nach dem "Warum" für das plötzliche und sehr vehemente Einfordern seiner Anwesenheit, war mehr oder weniger beantwortet. Da war das Menschenkind dem roten Prediger wirklich entwischt. Wie entzückend! Wäre seine eigene Lage nicht derart misslich und würde es nicht bedeuten, dass auch er das Mädchen verloren hatte, nur zu gerne hätte er Freya für diesen Zaubertrick mit seiner Pfote auf die Schulter getätschelt. 

Was ihn allerdings sogleich zu seiner nächsten Frage brachte: Wie konnte Naheniel von alledem wissen?

Der Prozess des Nachdenkens gestaltete sich für den Kater mittlerweile aber zu einer mehr als komplexen Aufgabe. Eine jede Überlegung fühlte sich an wie ein kleines Seifenbläschen, das frech vor seiner Schnauze tanzte, nur um zu zerplatzen, sobald er danach griff. 


Da kam es schon fast einer Erlösung gleich, als er unbewusst hörte, dass die Ketten nicht wieder miteinander verschlossen wurden. Überrascht hob er seinen Kopf und versuchte seine Ohren zu spitzen. Ohren? Erst jetzt konnte der Kater davon Kenntnis nehmen, dass ihm wohl eins von diesen abhanden gekommen war. Eine Tatsache, die gleich in vielerlei Hinsicht äußerst unpraktisch war. 

Verlor man von vier Beinen eins, hatte man immer noch drei. Ein Ohr allein dagegen versprach lästig zu werden. Wo sollte er denn nun nur seinen ganzen Schmuck unterbringen? Nicht nur, dass es fürchterlich komisch aussehen musste, wenn viele Ringe an nur einem Ohr klimperten, nein, noch dazu würde es alles aus dem Gleichgewicht bringen. 

Über diesen speziellen Missstand konnte er sich aber auch später ausgiebig seinen Kopf zerbrechen. Soweit dieser nicht ohnehin schon entzweit war. 

Geduckt schlich er über den Boden hinweg und wartete ruhig atmend an der Türe. Noch wollte er es nicht wagen, dieser einen kleinen, prüfenden Schubs zu geben. Waren Bischof und Kerkermeister so sehr mit der Frage nach dem Verbleib Freyas beschäftigt, dass sie tatsächlich vergaßen, seinen Kerker zu verschließen? Ein leichtes Grinsen zog über das immer noch verzerrte Gesicht des Katers hinweg. Was auch immer den beiden die Ablenkung verschaffte, Haedinn begrüßte es und würde sich bestimmt nicht über diese winzige Unachtsamkeit beschweren. 

Er wagte einen letzten Blick in sein Verlies hinein, schließlich wollte er sichergehen, dass er vor seinem Aufbruch nichts vergaß. Einen großen Rucksack voll mit seinen Habseligkeiten hatte er selbstverständlich nicht auf seinem Rücken getragen, aber weiß man denn immer, was man so bei sich hat?  

Auch jetzt bewies sich seine Achtsamkeit als zuträglich, denn ein ein sanftes Glitzern fiel ihm auf dem feuchten Boden auf. Das Glück schien sich eindeutig für seine Seite entschieden zu haben. Eine geöffnete Kerkertüre und sein verlorenes Ohr! Nach mehr konnte er schon fast nicht mehr verlangen. Wären die gegebenen Umstände nicht in diesem Umfang gegen seine Existenz gewesen, vielleicht hätte er einen Moment darüber nachgedacht, dass es zu viele glückliche Zufälle einfach nicht gab. 

Stattdessen aber sprang er mit einer Freude, die ihn nahezu alle Schmerzen vergessen ließ, hinüber zu seinem Ohr, nahm es in sein Maul und stupste gleich darauf die Türe auf. Noch breiter als zuvor wurde das Lachen auf seinen Lippen, da er mit seinen glühenden Augen in dem von trüben Licht erhellten Gang niemanden entdecken konnte.

Als seine letzte Pfote über die Schwelle seines Gefängnisses getreten war, wurde er Stück für Stück eins mit der Umgebung. Die Farbe seines Körpers vermischte sich mit der des grob gehauenen Steins und verschwand dann vollständig. Wie immer war es das Grinsen, welches sich zuletzt auflöste. Allerdings diesmal mit einer prägnanten Lücke in seinem Gebiss. 


Ein Faktor, der sein Verhängnis werden sollte.

 
Wie willst du vor dem fliehen, was in deinem Kopf ist?
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Adrian
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#829

Beitrag: # 53766Beitrag Adrian »

Adrian erwiderte vorerst nichts auf die Priesterin. Stattdessen richtete er seinen Blick schweigend auf die undurchsichtig schimmernde Flüssigkeit, die das zweite Glas füllte und die Leere vertrieb. Er hatte Tanuris schlichte Kleidung bemerkt, was ihn darauf schließen ließ, dass sie möglicherweise die Nacht im Fuchsbau verbracht hatte.

Stand es ihm jedoch zu, die Vorgehensweise oder ihren Besuch dort tiefergehend zu hinterfragen? Kurz nur richtete sich sein Blick auf Tanuri. Sie war eine erwachsene Frau, die ihre Entscheidungen traf, wie er es tat, und ebenso mit den Konsequenzen daraus leben musste.

Aus welchen Gründen auch immer hatte sie sich jedoch ebenfalls vor den anderen vorerst im Hörsaal zurückgezogen. Gründe, die er vorerst allerdings nicht weiter hinterfragte.

„Ich habe die Adeptin gesucht.“ Seine Stimme trug eine Schwere, die nicht nur seine Erschöpfung widerspiegelte, sondern auch keine Zweifel an dem ernüchternden Ergebnis ließ. Die Tatsache, dass er bis nach Silberstreif gegangen war und dass es Rosalind gewesen war, die den Zauber gewirkt hatte, spielte dabei jedoch keine Rolle.

Nicht viele kannten die wahren Talente und Fähigkeiten der Herrin der Schmetterlinge geschweige denn wussten sie um ihre Vergangenheit. Rosalind hielt diese Informationen verborgen, waren sie ein Teil dessen, was sie zurückgelassen hatte. Eine Zeit, von der nur wenige Kenntnis außerhalb des Ordens hatten und mit der die Sünde selbst abgeschlossen hatte.

Nichtsdestoweniger war Adrian überzeugt, dass der Fuchs sich ebenfalls der ein oder anderen nützlichen Kenntnis zuwandte, die man hinter dem heiteren Lächeln des goldenen Schmetterlings nicht vermuten mochte. Kadir war ein kluger Geschäftsmann und sein Bau ein Labyrinth, dem einiges an Magie anhaftete. In wen mochte er mehr Vertrauen legen, als in seine Fähe.

Viele mochten es als Fehler ansehen, einer Hure zu vertrauen. Eine Frau, die ihren Körper für Gold oder Edelsteine hergeben mochte, konnte ebenso bereit sein ihren Geist oder ihre Seele zu verkaufen, wenn es ein lohnenswertes Geschäft wäre. Bei vielen mochte es zutreffen.

Rosalind war allerdings mehr als das. Sie war immer noch dem dunklen Lord verpflichtet. Egal, ob die Herrin der Schmetterlinge den Orden der Schwestern verlassen hatte oder nicht. Sie war einst eine schweigende Schwester gewesen. Rein in ihrem Glauben würde sie trotz ihres Weges stets eine Dienerin des Einen bleiben.

Es war ein freudloses Zucken auf seinen Lippen, welches sich für einen Herzschlag im Hier und Jetzt abzeichnen sollte, als er den Stopfen in die Flasche gleiten ließ. Rosalind würde weder den einzig wahren belügen noch gab es ansatzweise einen Grund, weshalb sie ihn in dieser Hinsicht hätte hintergehen sollen. Nicht nur, weil es unprofitabel war, sondern schlichtweg unnötig. Trotzdem war der Umstand und die Herkunft seiner Informationen Tanuri gegenüber nicht erwähnenswert, würde die Priesterin das Wort jener vermutlich umgehend in Zweifel ziehen.

„Die Antworten, die ich gefunden habe, werden dir jedoch sicherlich genauso wenig gefallen wie mir.“ Die nüchterne Überzeugung in seiner Stimme untermalte die Botschaft, die unausweichlich dahinterstand. Mit einem knappen Blinzeln suchte er ihren Blick mit einer ungewohnten Offenheit in seinem, welcher die aufkeimende Dunkelheit, die jene allein als unausgesprochener Gedanke hervorbrachte, widerspiegelte. Doch währte der Moment nicht länger als einen Herzschlag.

Beiläufig nahm Adrian stattdessen sein Glas in die Hand und durchschritt den Raum, während er das zweite Glas auf dem Tisch für sie offenkundig zurückließ.

Auch wenn Tanuri selbst nichts Anderes erahnt haben mochte, konnte jene zunehmende Gewissheit dennoch auch für sie einen guten Tropfen erfordern.

Allerdings warum sollte er aus dem, was er erfahren hatte einen Hehl machen oder es in rosige Worte hüllen. Es änderte nichts an den Tatsachen und den Versäumnissen, die zu diesem Punkt geführt hatten.
‚Nichts.‘ hallte Rosalinds Stimme in seiner Erinnerung wider. ‚Ganz gleich, wer es ist. Du weißt, was es bedeutet.‘

Mit jeder Faser seines Körpers war ihm diese Bedeutung mehr als bewusst und doch war er selbst von der Intensität der aufkeimenden Wut überrascht worden. Einem Zorn, der auch jetzt in ihm weiter schwelte und dafür sorgte, dass seine Finger das Glas fest genug umschlossen, dass das weiße seiner Knöchel zum Vorschein kam.

Langsam nur trat er an das Fenster. Sein Blick wandte sich jenem ebenso zu, doch blickte er nicht wirklich hindurch. Vielmehr war er nachdenklich und in sich gekehrt.

„Entweder er hat das Mädchen, oder sie ist tot“, erklärte er mit eisiger Stimme, während er die im Fenster reflektierte Silhouette der Priesterin betrachtete. Es war schonungslos und ehrlich. Eine Wertung der Situation lag jedoch nicht darin verborgen und wenn, dann galt diese desillusionierte Stimmlage ihm allein. Egal, was zwischen ihnen war, beide wussten, was ein Scheitern bedeuten würde.

Keineswegs ging Adrian davon aus, dass das Leben der Adeptin ein Ende gefunden hatte. Es lag ebenso wenig in Naheniels Interesse. Die Alternative jedoch war in der Hinsicht nicht wirklich rosiger. Zu gut wusste er, welcher Dunkelheit das Mädchen ausgesetzt werden würde. Eine pervertierte Form abnormer Schöpfungen, welche der schonungslosen Grausamkeit ihres größenwahnsinnigen Herrn ausgeliefert waren.

Viele trachteten zwar danach erlöst zu werden, jedoch überwog bei den meisten vielmehr die Gier nach Rache. Das Verlangen danach jenem all die Leiden zuzufügen, die er ihnen gebracht hatte, als er sie in jene Verdammnis gezwungen hatte, um seine Welt zu formen.

Er ließ einige Sekunden in Stille verstreichen, nippte an seinem Glas und ließ seine Gedanken schweifen.

Sein Blick richtete sich auf den Wolf, der immer noch am Waldrand stand. Ein prächtiges Tier, doch hinter der Fassade verbarg sich vielleicht ein Schicksal. War er nachlässig gewesen oder hatte einem überlegenen Feind gegenübergestanden, sodass sein Rudel gefallen war? Hatten sie ihn im Zuge seines Wesens verstoßen und zurückgelassen? Oder hatte er am Ende die Entscheidung bewusst getroffen, um entweder von der Bürde befreit zu werden oder gar sein Rudel selbst zu schützen?

Nachdenklich ließ Adrian den Alkohol über seine Zunge gleiten, um die Aromen zu entfalten. Melancholie wäre zweifelsohne eine Kapitulation. Was immer die Geschichte des Tieres dort draußen sein mochte, er würde wie der Wolf, bis zum letzten Atemzug weiterkämpfen. Ihm war bewusst, dass er keine andere Wahl hatte.

Naheniel hatte ihm genau erklärt, was es für sie alle bedeuten würde, wenn er siegen würde – etwas, das er nicht zulassen durfte.

Wortlos sah der Magier zu, wie der Wolf sich langsam in das Dunkel des Waldes zurückzog. Ein Schatten, der vielleicht nie wirklich da gewesen war. Doch das kurze Aufglimmen seiner Augen zeugte von seiner Präsenz, bereit aus dem Dunkel hervorzukommen und gnadenlos zu töten.

Es war nie sein Plan gewesen, Freya dem auszuliefern. Nicht ohne sie wissen zu lassen, was sie erwarten würde und sicherlich nicht ohne jedweden Schutz sich gegen jene Regeln zur Wehr zu setzen. Vielleicht war es Schicksal, welches das Licht ins Dunkel zu gebracht hatte. Aber sie war noch nicht bereit dafür.

Dem Magier blieb keine Möglichkeit mehr zu handeln. Es gab nur noch den einen Weg. Nur noch das volle Risiko, das er herausfordern konnte. Er hatte einem Eid zu folgen und nicht zuletzt der Priesterin einen Schwur geleistet. Und wenn sein Leben der Beweis oder gar Preis dafür sein sollte, dann würde er er ihn ohne weiteres Hinterfragen darbringen.

„Weiß der Fuchs, wo sich dein Bruder aufhält?“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
❖ Wahre Finsternis herrscht nur dort, wo kein Licht durchdringt, denn sonst wäre sie nichts weiter als ein Schatten.❖
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Gesichtsloser Erzaehler
Schmied / Schmiedin
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#830

Beitrag: # 53769Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

~~Lumiel die Schattentochter~~



Sie hatte sich verborgen, um für Freyas Unversehrtheit zu sorgen.
Es war unnötig zu erwähnen, aber nur die wenigsten würden sich gegen den Weltenherrscher auflehnen.
Er hatte sie einst alle verband und nun ihr Schicksal fest in der Hand.



Klare Anweisungen hatte sie dem Kind gegeben, aber nun schien es nach eigenen Erfahrungen zu streben.
Wollte sie doch schon nach wenigen Metern, gegen die gut gemeinten Ratschläge zetern.



Vertrauen zu können war sicher toll, aber in dieser Welt alles andere als wundervoll.
Sie ließ sich blenden von einer alten kümmerlichen Gestalt,
so viel zum Thema Selbsterhalt.



Mühsam rappelte sich Lumiel auf, da nahm das Unglück schon Zusehens seinen Lauf.
Wie sollte Lumiel nur auf sich aufmerksam machen,
unerkannt von dem alten Drachen?



Sie könnte Freya an den Haaren reißen, oder doch lieber ins fleischige Ohrläppchen beißen?
Ein Reißen an Haaren würde sie nicht wagen, ging es damit wohl ihrem Versteck an den Kragen.
Beißen konnten immerhin auch Flöhe und Läuse, also keine Überraschung bei ihrem derzeitigen Gehäuse.
So war es entschieden sie musste Freya beißen, um sie aus ihrer Gutmütigkeit zu reizen.



Mit ein wenig recken und strecken, würde sie des Kindes Lebensgeister erwecken.
Beherzt glitten die spitzen zähne in das weiche Fleisch, hoffentlich ganz ohne lästiges Gekreisch.



„Bist du von Sinnen oder fängst du jetzt vollends an zu spinnen?!
Du sollst niemanden um Hilfe fragen, sonst wirst du ein grausames Schicksal ertragen,
lauf so schnell dich deine Füße tragen, schon bald werden sie dich alle jagen!“



Raunte sie dem Kind leise zu, damit es handelte im nu.
Mehr konnte sie sich jedoch nicht erlauben, würde sie sich sonst selbst ihrer Unsichtbarkeit berauben.
Mit einem unhörbaren plumpsen ließ sie sich fallen, nur um sich in Freyas Schultern festkrallen
und nicht elendig in den Dreck zu knallen.
Von hier aus hätte sie den besten Überblick und konnte zumindest etwas leiten, das weitere Geschick.

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Tanuri
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#831

Beitrag: # 53772Beitrag Tanuri »

Tanuri zuckte immer noch zusammen, wenn Adrian Naheniel als ihren Bruder betitelte. Persönliche Gespräche waren zwischen dem Dunkelmagier und ihr in letzter Zeit nicht möglich gewesen, weshalb sie sich nicht daran gewöhnen konnte, dass jemand davon wusste und zumindest solange sie alleine waren, offen mit dem Wissen umging und aber - und das war wesentlich höher gestellt - nicht daran gewöhnen wollte. 

Es störte sie, dass sie nur Bruchstücke dessen wusste, welche Details genau Adrian von Naheniel über die familiäre Beziehung erfahren hatte. Ihr Bruder musste es durch und durch genossen haben, vor ihm damit zu prahlen. Nichts anderes erwartete sie von ihm, wenn nicht sogar noch wesentlich mehr.

Eine Spaltung geschah nicht erst durch ein schweres und gut geschliffenes Beil. Gut platzierte Worte, kleine unentdeckte Intrigen und neu geschaffene Verbindungen, hatten einen wesentlich höheren Effekt. Stünde Tanuri nicht ihr eigener Stolz mit mahnend erhobenem Zeigefinger im Wege, hätte sie vielleicht irgendwann nach einer Gelegenheit gesucht und Adrian aufgefordert, ihr genauer von dem Treffen zwischen ihm und Naheniel in der Taverne von Silberstreif zu berichten.

Nachdem Adrian aber ihr genau dieses Wissen vorwurfsvoll präsentiert hatte, war ein weiteres, sachliches Gespräch in weite Ferne gerückt. Stattdessen kam es zu dem, was Tanuri erwartet hatte, sobald es pubklik wurde, was sie lange versuchte, für sich zu behalten: Ein Gerangel aus Vorwürfen gefolgt von der Demonstration von Macht und Stellung. , dem Kampf gegen Enttäuschung und Worte, die ungehört von anderen verklungen waren. 


Weder er noch sie waren seither von ihrer Position abgerückt. Warum sich also die Blöße geben und noch dazu eventuell weitere Erklärungen darüber geben müssen, warum sie für sich beschlossen hatte, dieses Geheimnis so lange wie nur möglich zu hüten? Wollte er mehr wissen, bitte. Bisher war Adrian nicht gerade scheu gewesen, das zu bekommen, was er verlangte. Aber nichts dergleichen war geschehen. Die darauffolgenden Worte jenes Abends, als der Dunkelmagier ihr schonungslos darlegte, was er über Tanuri herausgefunden hatte, waren ungehört von anderen verklungen und zwischen dem einsamen flackernden Licht der Kerzen und den Schatten der Nacht anscheinend in Vergessenheit geraten. 

Ihr Blick glitt zwischen dem Schriftstück und dem zurückgelassenen, jedoch gefüllten Glas hin- und her. Sie hatte nicht vor, den Kopf erneut zu verlieren und das zu dämpfen, was so grausam in diesem pochte. Naütrlich wäre es für sie so viel einfacher gewesen, in Kadirs Unterschlupf zu verbleiben. Den zarten Vorhang geschlossen zu halten und eins zu werden mit den ganzen Gesichtern, die - so wie sie selbst auch - zumeist nur dort waren, um ihrer eigenen Wahrheit zu fliehen.

Aber nur weil man sich der Wahrheit entzog, verschwand sie nicht. Sie blieb hier und da und war recht geschickt darin, einen überall zu finden und dabei ziemlich schonungslos vor Augen zu führen, dass eine Flucht vollkommen sinnlos war. 


Nachdenklich und bedacht langsam streckte sie ihre Hand nach dem zurückgelassenen Glas aus, strich mit ihren Fingerkuppen über dessen Rand hinweg, bevor sie danach griff und sich dazu entschloss, Adrian an das Fenster zu folgen. Dabei wahrte sie aber immer noch den gebührenden Abstand, denn der Hörsaal war ein offenes Gebäude. Zu jeder Zeit konnten Gäste kommen und gehen, wie es ihnen beliebte. Wenn sie derzeit etwas nicht gebrauchen konnte, waren es weitere unangemessene Interpretationen, die eventuell darauf folgen konnten, sie beide alleine im Lehrsaal seiner Lordschaft anzutreffen.

Die Folgen daraus kannte sie mittlerweile gut und mehr als ausführlich. Das Getuschel und Getratsche, war es nun laut oder schweigend, kannte sie bereits in all ihrer Pracht, und konnte deshalb mehr als gut darauf verzichten.


"Wir wissen beide, dass Freya nicht tot ist." Abwägend hielt sie inne, biss sich unbemerkt kurz auf ihre Unterlippe bevor sie mit unveränderten rationalen Tonfall fortfuhr: "Nur, weil man etwas nicht mehr erfühlen und erspüren kann, heißt es nicht, dass es fort ist." 


Nahe genug, dass sie in normaler Lautstärke miteinander sprechen konnten, aber mit einer durchaus angemessenen Entfernung, die zwischen zwei und drei Schritten betrug, blieb sie versetzt hinter ihm stehen. Dem Glas in ihrer eigenen Hand schenkte sie keine Beachtung, war es aber durchaus tröstlich, es als eventuelle Option des sich daran Festhaltens bei sich zu wissen. 

Sie war bemüht darum, ihre Fassade aufrecht zu halten und damit auch das Bild zu wahren, dass keine Worte und keine Personen - egal ob Freund oder Feind - ihr nochmals unbedachte Kommentare entlockten oder sie diesen ungewollte Einblicke in ihr eigentliches Denken gab. 

Somit quittierte sie Adrians mehr als dürftigen Rückmeldungen auf ihre eigenen Feststellungen nur mit einem überheblichen Kräuseln ihrer Lippen. "Ein Fuchs findet nur das, wonach er die Fährte aufnimmt." Überlegend wandte sich ihr Blick nun doch hinab zu dem Glas in ihrer Hand, konzentrierte sich auf die honigfarbene Flüssigkeit darin, die bei einer jeden noch so kleinen Bewegung sachte Wellen schlug.

Wie schnell nur konnte aus einer zarten Brise, die über das Meer zog und mit dem Wasser spielte, ein unaufhaltsamer Tsunami werden, der die Wellen meterhoch in die Höhe trieb, nur damit sie danach ein jedes Leben mit sich rissen, in die Kälte des Ozeans zogen und an den tiefen Meeresgrund banden?


Nicht viel anders verhielt es sich mit allen Vorkommnissen der jüngeren und auch länger zurückliegenden Vergangenheit. Alles hatte seinen Anfang mit einer einzigen kleinen unschuldigen Welle genommen, die sich am Strand verlief und keine Gefahr bildete. Was daraus geworden war?

Tosende Wellen, die laut und stürmisch gegen Felsen brachen, unerbittlich nach dem Leben suchten, es umschlossen und mit sich zogen. Strittig blieb, ob es noch irgndeine Möglichkeit gab, sich vor dem Ertrinken zu retten. 


Als Tanuri ihre Augen wieder hob, sah sie direkt an Adrians hoher Statur vorbei durch das Fenster. Zu stark waren die Verspiegelungen des Morgenlichts, als dass sie in der Entfernung irgendetwas von dem Erkennen konnte, was die Aufmerksamkeit des Dunkelmagiers für einige Augenblicke auf sich zog. 

"Was ändert es, wenn Du weißt, wo Naheniel ist? Wirst Du zu ihm stürmen, ihm seine Kehle zerquetschen, auf dass seine verlogenen Worte nie wieder Freyas Ohren erreichen? Willst Du ihn einsperren in den Kerkern und ihn dort nur mit dem Allernötigsten am Leben lassen, bis Du weißt, wie wir den Schlüssel vor ihm beschützen können? Ist es das, worauf Du derzeit Dein Vertrauen setzt? Dass Du ihn vor ihr versteckst, ihn verschwinden lässt und ihn Deine aus Schatten bestehenden Ketten legst, ohne ihm dabei das Leben zu nehmen?"

Mit einem Lidschlag entriss sie ihre Augen dem glänzenden Schauspiel von Morgenlicht und Spiegelung des Fensters und wandte diese Adrian zu. Nur kaum sah sie etwas von den Konturen seines Gesichts, ganz zu schweigen von einem Ausdruck, den sie hätte deuten können. Trotzdem blieb ihre Stimme fest und einer Möglichkeit bewusst, von der sie noch nicht einzuschätzen vermochte, ob Adrian sie nicht selbst schon längst erkannt hatte.


"Wenn Du wissen willst, wo mein Bruder ist, warum fragst Du dann nicht mich?"
 
~~~
Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
~~ Anführerin der Legion des Schattens ~~ 
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Naheniel
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#832

Beitrag: # 53777Beitrag Naheniel »

Natürlich verlangte Syndra mehr als nur nach einer kleinen Handvoll von Worten. Sie war misstrauisch und das ganz zurecht. Nicht anders wäre seine Reaktion gewesen, wären die Rollen getauscht.
"Das ist ja gerade mein Problem: Eine vollständige Erklärung für das, was soeben passiert ist, finde ich selbst trotz vieler Bemühungen nicht." 

 
Deutlich hörbare Unzufriedenheit war in seiner dunkel gefärbten Stimme zu hören, als er ihr eine ungewohnt offene und ehrliche Antwort gab. Bevor er aber noch fortfahren konnte, löste sich sein Blick mit einem Mal von ihr und glitt zur Seite.
Seine Stirn legte sich in leichte Falten, als er versuchte aufmerksam etwas zu lauschen, was in der Verborgenheit lag.

"Nicht hier." Flüsterte er leise, während seine Augen die Leere einer Ecke fixierten und mahnend aufleuchteten. 

 

Es ist nicht so einfach zu erklären, wie seine Welt neben der wirklichen Welt existieren konnte und wie sie Naheniel über viele Jahre hinweg mit großer Vorsicht miteinander verknüpft hatte. Nur er und jene wenigen Geschöpfe, denen er es gestattete, konnten sich nach Belieben zwischen ihnen bewegen.
Für alle anderen galten andere Gesetze. Gesetze von ihm geschaffen worden waren, aber auch Gesetze, die sich mit der Zeit verselbstständigten, einen Eigenwillen zeigten und dadurch Wege wie die Spiegelportale schufen, von denen niemand wusste, wo sie waren und wie sie gefunden werden konnten. 

 
Er selbst betrat seine Welt zumeist durch einen einfachen Riss in den Schatten, betrat das Zwielicht, das wie eine Brücke zwischen den Welten fungierte.
Für den Bruchteil einer Sekunde war er dann weder hier noch dort. Es war ein Nirgendwo, welches den Übergang ermöglichte, aber nicht wahllos überall erzeugt werden konnte. 

 
Die Brücke war stabiler, je mehr der Ort, an dem er sich gerade befand und an dem er sie schuf, seiner eigenen Kreation glich. Oder besser gesagt, wie gut seine Kopie davon war. Ob nun Räume, ganze Gebäude, Landschaften oder eben verlassene Ruinen: Deckten sich diese Örtlichkeiten mit jenen der wirklichen Welt, blieb die Passage des Dämmerlichts umso länger aufrecht und konnte als Zwischenstation genutzt werden.
 


Naheniel löste seine Aufmerksamkeit von dem, wo nur für ihn etwas war und packte Syndras Arm.
Noch näher zog er sie heran und sah beschwörend zu ihr hinab.
"Bleib hier und bewege Dich nicht weg." Die Finger um ihren Oberarm verfestigten sich und untermalten damit spürbar seine Aufforderung. 

 
Mit einem letzten intensiven Blick in ihre Augen, mit dem auch die Schwärze langsam wich und dem Blau wieder seinen Platz verschaffte, löste er seine Hand, schob diese aber sogleich in ihren Nacken und vergrub seine Finger in ihrem Haar, als er sie nach oben an seine Lippen zog. "Ich bin gleich zurück." 
Nachdem er sie aus seinem Griff und seinem Kuss entlassen hatte, befahl er der Dunkelheit mit einem leisen Schnippen seiner Finger, die Kleidung wieder freizugeben. Allerdings fand nur seine Hose wieder den Platz an seinen Beinen, sein Hemd blieb verborgen und Syndras seidenes Kleid glitt lautlos auf den Sessel, anstatt sie zu bekleiden. 
 
Ein letztes Mal strichen seine Augen an ihrem Gesicht und ihrem Körper entlang, der nur dürftig durch das Leinen der Bettdecke verborgen war. Herausfordernd zuckte ein Lächeln über seinen Mundwinkel, als er sich nochmals zu ihrem Ohr hinunter beugte und mit seinem warmen Atem an eben jenem kitzelte.
"Und ich würde es bevorzugen, wenn Du so bleibst, wie Du derzeit bist." 

 
Dann trat er mit mehreren Schritten von ihr weg, in Richtung der Türe des Raums. Anstatt diese aber zu öffnen, hob er seinen Arm und schnitt mit einer Geste durch die Luft. Wabernde Schwärze zeigte sich, aus welcher sich Tropfen lösten und zu Boden fielen.
Ein Riss in den Schatten, der gierig nach Dunkelheit suchte, an der er wachsen konnte. Ruckartig bewegte er seinen Kopf zu jener leeren Ecke des Raums und erhob befehlend seine Stimme. "
Komm mit. Sofort."

 
Bereits im nächsten Augenblick trat Naheniel in den Riss der Schatten, hinein in das Dämmerlicht, und war verschwunden. 


Die Ebene des Zwielichts war nichts, was man beschreiben kann. Würde man es versuchen, so würde man an dem Nichtvorhandensein der Wörter scheitern.
Deshalb bleibt es einem jeden selbst überlassen, dieser ein Bild zu geben. Einem Konstrukt, in welchem Naheniel nun mit vor der Brust verschränkten Armen stand und mit kaltem Blick auf den Kater hinabsah. 

 
"Ich dachte, meine Anweisung wäre klar und deutlich gewesen. Was war daran für Dich nicht zu verstehen? Wieso bist Du nicht mehr bei ihr?"
Haedinns Erklärung war nicht sehr deutlich. Ein Missstand, der dem Raum geschuldet war, auf dem sie sich begegneten. Mochte es auch sonst schwierig sein, eine Beschreibung dafür zu finden, zumindest kann so viel darüber gesagt werden, dass ein jedes Wort dort in tausenden von Echos widerklang.
Stimmen prallten an unsichtbaren Hindernissen ab, zersplitterten, fügten sich neu zusammen. Waren ein Wechsel aus laut und leise, nur um kurz darauf wieder zu verklingen. 

 
Eines jedoch, das hörte Naheniel genau: Der rote Bischof. 
 
Gepackt von Unglauben, wollte er den Kater greifen, ihn näher an sich ziehen, nur um aus seinen glühenden Augen die ganze Geschichte abzulesen. Doch auch das war auf dieser Ebene nicht so einfach umzusetzen. Denn schließlich befand man sich sowohl hier als auch dort und war deshalb selbst nur ein Abbild seiner selbst. 
 
Natürlich wäre es komfortabler gewesen, wäre er Haedinn in seiner Welt begegnet. Doch nach wie vor wusste Naheniel die Wandlungen in dieser nicht einzuschätzen. Was geschah, wenn plötzlich wieder die Zeit aus ihren Fugen geriet?
Oder unter seinen Füßen der Boden brach und das Feuer ihn verschlang?

 
"Du dummer Kater. Ich sagte: Bringe sie wohin, wo sie nicht gefunden werden kann.
Damit meinte ich ganz gewiss nicht diesen Ort!"
Seine Gereiztheit war trotz der Unbeständigkeit des Dämmerlichts deutlich zu hören.
"Ich hoffe Du weißt, wie Du Deinen Fehler korrigieren kannst."

Es wäre Verschwendung, die Antwort des Katers abzuwarten. Stattdessen verließ Naheniel mit einem Schritt wieder die Ebene, die eine Brücke zwischen den beiden Welten für ihn bildete. Syndra war immer noch dort, wo er sie zurückgelassen hatte, denn für sie war nicht mehr als nur ein Augenblick vergangen, seitdem er in die Schatten getreten war. 

 
Was Haedinn ihm dort aber offenbart hatte, war mehr als nur ein einfacher Fehler. Was hatte der Kater sich nur dabei gedacht, Freya an den einzigen Ort zu bringen, an dem sie nicht sein sollte? Das änderte alles. 
 
Ohne innezuhalten ging Naheniel eilig zu dem Sessel, schnappte sich seinen schweren Mantel und warf diesen, nach wie vor, ohne ein Hemd zu tragen, über seinen nackten Oberkörper.

Noch bevor der Saum seine Knie erreichte, drehte er sich zu Syndra und deutete mit einer knappen Geste auf ihre Robe.
"Ich muss Dich fortbringen. Jetzt."
Auch wenn er versuchte, seinen Atem zu kontrollieren, sah sie das verräterische Heben und Senken seiner Brust. Der Blick, der Syndra im gleichen Moment traf, war eindeutig und duldete keinen Aufschub.

Freya bewegte sich frei in jener Welt, die sie mit unbewusster Leichtigkeit zerstören konnte, was gleichzeitig bedeutete, dass er angreifbar war.


"Von nun an bist Du in meiner Nähe nicht mehr sicher." 


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Adrian
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#833

Beitrag: # 53781Beitrag Adrian »

Gerüchte und Getratsche. Adrian hatte noch nie viel darauf gegeben, was die Leute hinter vorgehaltener Hand flüsterten. Die meisten Worte waren nur Vermutungen. Spekulationen über das, was sie nicht verstanden oder womit sie glaubten mittels eines fulminanten Wissens und ihrer geistesscharfen Interpretationsfähigkeit deuten zu können, was sich hinter dem Handeln eines anderen verbergen mochte.

Schlicht und ergreifend zumeist nichts als ein grandioser Haufen Schwachsinn, den sie sich zusammenreimten. Aber ihn fragen, das wagten nur die wenigsten. Ihm war es gleich, was sie über ihn dachten, geschweige denn in welcher Form sie sich das Maul zerrissen. Wer meinte etwas in seinem Handeln deuten zu können oder zu wollen, sollte es tun.

Aus Adrians nüchterner Sicht war es pure Zeitverschwendung, die er sich weder erlauben wollte, noch konnte. Ebenso wie es aus seinem Blickwinkel heraus unnötig war eine Maske oder Schatten aufrechtzuerhalten und die Tatsachen nicht beim Namen zu nennen, wenn sie wie in diesem Moment beide unter sich waren.

„Genau genommen gefällt mir der Gedanke, das Leben aus ihm herauszupressen.“ Bemerkte er mit kühler Trockenheit. Nichts lieber würde er mit Naheniel tun, als sein Kapitel enden zu lassen. Worte, die er mit schwarzer Tinte sehr deutlich verfasst hatte und welche in letzter Instanz ihren Platz finden würden.

Doch durfte er sich nicht aus der Reserve locken lassen. Nicht so lange es noch andere Optionen gab. Ein unumstößlicher Entschluss, den er gefällt hatte und dessen letzte Konsequenz vielleicht weitere Opfer fordern würde, sollte er scheitern.

„Führe mich daher nicht in Versuchung.“

So viel hatte es ihn bereits gekostet und sein alter Freund weidete sich förmlich daran, was er ihm bereits alles schon genommen hatte. Doch ein weiteres Mal würde er ihm diesen Triumph nicht gönnen, ganz gleich wie kompliziert die Umstände oder verloren die Situation sein mochten.

Der Glanz in seinen Augen zeigte den Wandel seines Blickwinkels zum Fenster. Jenen Moment, da er nicht länger den Schatten des Waldes zugewandt war, sondern das verschwommene Abbild der Priesterin fokussierte.

Ja ihnen beiden war bewusst, dass Freya lebte. Die Frage war nur unter welchen Umständen und vielleicht wie lange. Wusste die Priesterin auch darum? War er bei ihr oder war sie der Willkür und den Risiken dort alleine ausgesetzt?

Tanuri hatte nur einen kleinen Einblick in jenes Reich in den Schatten erhalten. Eines, das sicherlich unbarmherzig gewesen war in seiner Erscheinung, aber zweifellos dabei all seine dunklen Facetten und Gefahren auch nur ansatzweise widerzuspiegeln konnte. All die finsteren Windungen des Geistes ihres Bruders, welche im Laufe der Zeit ein Eigenleben entwickelt hatten und in mancher Hinsicht an unmenschlicher Grausamkeit und unerbittlicher Brutalität gewachsen waren.

Was jene Welt aus einem machen konnte? Ein freudloses Zucken zeigte sich abermals auf seinen Mundwinkeln. Darüber brauchten sie beide kaum zu sprechen.

Leicht nur senkte er seine Lider und blickte auf sein Glas, das er noch immer fest umschlossen hielt. Es war nicht nur eine Verlockung, sondern am Ende würde ihm vielleicht keine andere Wahl bleiben.

Tatsächlich hatten sie Naheniel schon zu lange freie Hand gelassen und waren blind für das Offensichtliche gewesen, in ihrem Eifer Freya zu schützen. Jeder für sich, jedoch nicht miteinander, sondern im Zuge von Rückschlägen oftmals gegeneinander in Form von Zwiespalt, Vorwürfen und Ratlosigkeit.

Bereits jetzt saß der Keil, den Naheniel getrieben hatte tief im Herz der Legion und er schien umso entschlossener und siegessicherer denn je den Schlüssel für sich zu beanspruchen zu können. Doch noch war er nicht sein. Noch hatte Naheniel nicht gewonnen und noch war nicht alles verloren. Oder etwa doch?

Langsam nur wandte Adrian sich Tanuri zu, ohne die von ihr gewählte Distanz zu überschreiten, als würde er die von ihr gesetzten Grenzen respektieren. War sie bereit an seiner Seite zu stehen? Für einen schweigsamen Moment sah er sie an. Einige Atemzüge, bevor er das Wort an sie richtete und ihrer Aufforderung nachkam.

„Dann frage ich dich.“ Seine Stimme war ruhig. Kein Vorwurf lag darin verborgen. Nicht einmal eine Wertung. Vielmehr ruhte in dem dunklen Timbre die Entschlossenheit seiner Entscheidung. Umso bestimmter versuchte daher das helle Blau seiner Augen nach ihrem Blick zu greifen.

„Wo hält sich Naheniel auf?“

Ein intensiver Blick, mit dem er nicht nur forderte, sondern zugleich mehr als nur eine Antwort auf ihre Fragen offenbarte, während sein Schatten selbst sich über die Priesterin legen sollte. Berührungslos streifte jener ihren Körper und hüllte sie in seine Dunkelheit ein, ohne Tanuris Blick dabei freizugeben.  Die Klangfarbe seiner Stimme verriet, dass es nicht alles war, was ihm auf der Zunge lag. Was wusste sie tatsächlich noch und was schlußendlich resultierte daraus? Hatte sie aufgegeben oder im Umkehrschluss einen Plan? Langsam aber stetig überschattete die Finsternis seine Züge, als er seine Frage vollendete, um ihr das Wort zu überlassen.

„Und wenn wir schon dabei sind. Um was genau hast du Kadir gebeten?“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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-Freya-
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#834

Beitrag: # 53783Beitrag -Freya- »

Jeder schien sie zurückzulassen. Immer und immer wieder. Sogar der kleine Gnom. Herrje, so viele Fragen und nicht eine Antwort und alles schien feindlich gesonnen? Jedoch musste sie früher oder später Hilfe suchen und annehmen, um nicht zu verhungern oder zu erfrieren und einen Weg nach Hause zu finden. Jedoch war das Mädchen sich ebenso im Klaren darüber, dass sie nicht jedem trauen durfte.

Es war ein aufgesetztes Lächeln, an dem Freya sich versuchte, während sie Hafruns Überlegungen folgte, ohne ihr darauf zu antworten. Sicherlich hatte das Mädchen weder vor der Fremden ihre Geschichte zu erzählen, geschweige denn jener auch nur annähernd zu zeigen, wie verloren sie sich tatsächlich fühlte.

Ihre Augen wanderten intuitiv auf den Korb. Freya konnte nicht leugnen, dass ihr Magen knurrte und nicht zuletzt ein warmes Feuer noch immer eine einladende Abwechslung zu all den kalten Stunden war, die sie unterhalb der Kirche zugebracht hatte.

Ihr ganzer Körper schmerzte und trotzdem konnte sie sich keine Pause erlauben, auch wenn es mehr als einladend sein mochte, sich einfach in einem dampfenden Bad zurücklehnen, um im Anschluss einen heißen Becher Milch oder Tee zu trinken. Ja sogar ein Zuber mit warmen duftendem Wasser klang wie ein Traum.

So unscheinbar und großmütterlich die alte Dame wirkte, so konnte jene sich allerdings zu ihrem nächsten Alptraum wandeln. Auch dem Bischof hatte sie vertraut. Zu schnell, wie ihr nun bewusstwurde. Der äußere Schein trübte schnell, ebenso wie Hunger und Furcht dazu verleiteten, unvorsichtig zu werden. Hinter der Gebrechlichkeit konnte noch etwas Anderes lauern und beim Lord, ob sie dann noch einmal das Glück haben sollte, dem zu entkommen?

Blinzelnd sah sie wieder zu Hafrun hinauf. In keiner Weise schien sie etwas Angsteinflößendes an sich zu haben. Abgesehen davon, dass sie steinalt wirkte und vielleicht einer der Hexen aus Kindergeschichten ähneln mochte. Freya musste auf jeden Fall irgendwie untertauchen. Sollte der rote Prediger sie suchen, musste sie bereits weit weg sein und die jenes Mütterchen bot ihr zumindest einen sicheren Weg ins Dorf.

Weit weg konnte es nicht sein. Schließlich hatte sie es vom Berg sehen können. Wäre sie erstmal dort, konnte sie immer noch überlegen, wie es weitergehen würde.

Leicht zuckten ihre Mundwinkel, als sie über einen der umgefallenen Bäume zu der älteren Frau hinüber balancierte, um ihrer Einladung zu folgen.

Das weiche Moos unter ihren Füßen war dabei fast wie ein weicher Teppich. Es verführte schnell dazu unbedachte Schritte zu machen, da es sich anfühlte, als wandle man auf Wolken. Dennoch war es ebenso tückisch, verbarg sich unter manchen Stellen auch ein Loch oder ein Stein, der einen zu Fall brachte. Vorsichtig kletterte das Mädchen über den unebenen Weg, um zu Hafrun zu gelangen, als plötzlich und unerwartet ein Schmerz sie durchzuckte.

„Au!“ Kam es instinktiv über ihre Lippen, als sie im selben Moment fast schon ausholen wollte um das, was sie unsanft ins Ohr gezwickt hatte, wegzuschlagen. Im letzten Moment hörte sie doch die kleine wispernde Stimme. Jene, die ihr geholfen hatte, dem Bischof zu entkommen. „Verflixt!!“

Was fiel ihr ein, sie so fies zu beißen? Wo kam sie überhaupt auf einmal her und warum warnte das unsichtbare Wesen sie nicht einfach mit ihrem leisen Flüstern? Nein, die kleine Gnomin musste noch zusätzlich auf schmerzhafte Weise auf sich aufmerksam machen. Freya war nicht taub und auch wenn sich das Angebot der alten Frau verlockend anhören mochte, war sie gewiss nicht dumm. Trotzdem brauchte auch sie hin und wieder Schlaf und etwas zu Essen. Vielleicht war das bei diesem kleinen Tier anders. Trotzdem rumorte der Magen des Mädchens und dass jeder nach ihr zu suchen oder jagen sollte, schien ihr vollkommen unwahrscheinlich.

Und wenn doch? Dann war eher das Handeln des kleinen bissigen Wichts töricht, machte Lumiel doch so erst recht auf sich aufmerksam.  Ebenso, wie sie selbst nicht weniger verdächtig wirken würde, wenn sie blind und unüberlegt die Flucht ergreifen und in den Wald rennen würde.

 „Verzeiht.“ Murmelte Freya leise und blickte kurz um sich, als würde sie ein Insekt suchen, welches sie sichtlich gerade geärgert hatte. Eine Suche, die sie mit einem Kopfschütteln und in dem Wissen, dass etwas sich auf ihrer Schulter eingenistet hatte schnell beendete, aber ebenso beiläufig ablenken sollte. Stattdessen streckte sie ihre kleine dreckige Hand nach dem Korb aus und blickte die alte Frau an, ob sie ihr diesen abnehmen durfte. Jener schien schwer und die Großmutter selbst mühte sich erkennbar ab.

„Es hilft mir schon sehr, wenn Ihr mir den Weg ins Dorf zeigt.“ Sprach sie leise, während die Finger ihrer anderen Hand ihren behelfsmäßigen Umhang zusammenhielt. Es war sicherlich ein Risiko, da hatte Lumiel recht. Aber wenn sowieso alle, aus welchen Gründen auch immer nach ihr suchen oder gar jagen mochten, war sie nirgendwo vor wem auch immer wirklich sicher.

„Ich trage Euch dafür den Korb heim. Damit sollte uns beiden geholfen sein. Von dort aus finde ich alleine weiter.“
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#835

Beitrag: # 53785Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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Mit einem abschätzigen Aufzucken ihrer Nase verblieb ihr Blick nun doch etwas länger auf Freya, als diese zusammenfuhr und offenbar nach etwas bissigem an ihrem Körper suchte. Das Kind trug doch hoffentlich keine Läuse oder ähnliches Getier mit sich spazieren? Dann würde ein heißer Zuber alleine nicht ausreichen. Gut, sie hatte so einiges an Kräutertinkturen und Zusätzen zu Hause, aber nun ja, sie war eben doch nicht mehr die Jüngste und so manche Salbe und mancher Kräutertropfen brannte auf der Haut und ließ die Kinder schreien und brachte sie in Versuchung, sich gegen die Behandlung zu wehren. 

Wenn die kleinen Geschöpfe erstmal in ihrem Haus waren, war es vorbei mit jeglicher großmütterlicher Freundlichkeit. Wozu die goldbringenden Weslein mit irgendwelcher Vorsicht oder Feingefühl behandeln? Gedankt wurde es ihr sowieso nicht und ihr Wert steigerte sich damit auch nicht. Minimaler Aufwand, maximaler Gewinn. Schließlich musste sie mittlerweile auch auf ihr Alter und ihre darunter leidende Gesundheit achten.

Die Kleineren und Schwächeren unter den Kindern waren noch leichter zu handhaben. Freya war aber deutlich über das Alter eines Kleinkindes hinaus, was eine ordentliche Pflege, eventuelle Entlausung und Mästung bis zu einem bestimmten Gewicht nicht unbedingt einfach machte. Zur Not war die alte Frau aber auch darauf vorbereitet, konnte sie dem Mädchen ein paar Tropfen beruhigenden Schlafmohn in die Milch oder in den Tee geben.

Trotzdem schnaubte Hafrun leise aus. Dichte schwarze Strähnen, die sich unter der löchrigen Decke zeigten, die das Kind fester um zwar fest um sich zog aber die doch nicht alles verbarg, deuteten daraufhin, dass es allerdings ordentlich Einsatz kosten würde, wenn sich dort kleines Getier herum tummelte. Darüber konnte sie sich aber immer noch Gedanken machen, schließlich musste sie das Kindchen erstmal in die Richtung ihres Hauses bugsieren. 


"Mir solls recht sein." Wie unfreundlich, ihre Einladung einfach so abzuschlagen. Empört über diese derartige Unartigkeit, leuchteten ihre tief in den Augapfel eingefallenen Augen kurz auf. Dann zuckte sie mit ihrer schmalen Schulter und stellte den Korb neben Freya ab. Zumindest besaß sie genug Anstand, ihr den Korb abzunehmen, was Hafrun am Ende den Anflug eines dankbaren Lächelns abrang. Ächzend richtete sie sich wieder auf und deutete den steinigen Feldweg, der sie noch einige Zeit am Rande des Waldes entlangführen sollte, hinab. 

"Dann komm, wir sollten uns beeilen. Die Sonne steht zwar noch nicht lange am Himmel, trotzdem weiß man nie, wer hier zwischen den Bäumen so auf einen wartet. Monster kommen entgegen aller Geschichten nicht nur in der Nacht aus ihren Verstecken." Wieder verzog sie ihren schmalen Mund zu einem Lächeln, welches dieses Mal jedoch an Freundlichkeit vermissen ließ. Monster, das waren sie in gewissem Maße schließlich alle. 

Etwas schneller, als es ihr erschöpfter und ins Alter gekommener Körper vermuten ließ, ging sie Schritt für Schritt vorwärts. Während sie sich beide immer weiter dem Dorf näherten, den Wald langsam hinter sich ließen und an verdorrten und nicht bestellten Feldern entlang liefen, schwieg Hafrun aber. Sie hielt nichts davon, sonderlich viel Konversation zu führen. Weder mit Kindern, noch mit Erwachsenen. Zumeist stellte es sich als anstrengend heraus und solange das Mädchen nicht in ihrem Haus war, wollte sie nicht riskieren, etwas falsches zu sagen. 

Es war ein ziemlicher Marsch, bis sie das Dorf erreichten. Dort angekommen führte Hafrun Freya bis auf den in zentral gelegenen Dorfplatz, der nichts mit einem gepflegten und einladenden Ort gemein hatte, an dem sich sonst Einwohner gerne trafen und zu dem ein oder anderen Ereignis zusammen kamen. Entgegen jeglicher eventueller Vorstellung, wirkte alles an dem Dorf nahezu ausgestorben und abweisend. Vor den Fenstern waren hölzerne Läden angebracht, Beete und Blumen waren kaum gepflegt. Hier und da stommerte eine vernachlässigte Katze über den unwegsamen Pfad, wohl auf der Suche nach einem kleinen Leckerbissen.

Viele der Häuser waren überwuchert von dornigen Rosensträuchern oder Efeu und Menschen begegneten ihnen vorerst nur sehr wenige. Diese sahen noch dazu sehr unfreundlich aus und musterten Freya mit spürbar ablehnenden Blicken. Sie alle waren arm und hatten nicht viel. Das Leben hier war kein einfaches, vor allem nicht seit jener Zeit, als immer wieder grausige Feuerstürme und finstere Dunkelheit über die Felder und Häuser zogen. Das Land war nie fruchtbar gewesen, doch jetzt erstarb eine jede Saat in dem toten Boden, bevor sie überhaupt Wurzeln schlagen konnte. Was sie deshalb am wenigsten gebrauchen konnten, war noch ein Gör, das ein zu Hause suchte und darauf hoffte, dass sie etwas von ihrer hart zusammengetragenen Nahrung zu teilten. 


Es waren drei Wege, die von dem Dorfplatz wegführten. Auf einem waren sie gekommen, in die Richtung eines anderen, deutete Hafrun nun mit ihrer knochigen Hand. "Dort vorn findest Du eine Schenke. Keine große Taverne, nur etwas sehr einfaches für die hier ansässigen Leut' oder die Händler, die hier ab und zu kurz Rast machen. Meines Wissens nach hat der Gastwirt ein oder zwei Betten. In welchem Zustand diese aber sind…" Wieder zuckte ihre schmale Schulter auf, während sie ihren Satz unvollendet ließ. Stattdessen drehte sie ihren Kopf in die Richtung des zweiten Weges. 

"Da unten wohnt der Schlachter. Manchmal hat er alte Rösser oder Esel übrig. Wenn Du ein paar Silberlinge bei Dir hast, gibt er Dir vielleicht eins." Hafruns Blick wanderte an der dünnen und in Mitleidenschaft gezogenen Gestalt Freyas hinab und bewertete diese mit einem Runzeln ihrer ohnehin schon sehr runzligen Stirn. "Zu Fuß wirst Du es kaum noch bis in die Stadt schaffen."

Noch während sie sprach, streckte sie ihren dürren Arm nach dem Korb in Freyas Hand aus. "Du kannst auch die paar Schritte zurück bis zur Abzweigung hier ins Dorf gehen. Geh dann einfach weiter geradeaus. Nicht zurück zum Wald, wo wir herkamen, sondern folge weiter dem Pfad. In weniger als zwei Stunden findest Du die nächste kleine Siedlung. Nur für den Fall, dass es Dir hier nicht gefällt." Es war nur ein leises Lachen, das Hafrun entkam, bevor sie ihre knochigen Finger wieder um den Griff des Korbes legte und diesen an sich zog. "Nun denn, für was auch immer Du Dich entscheidest: viel Glück und hab Dank für Deine Hilfe." 
 
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Tanuri
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#836

Beitrag: # 53786Beitrag Tanuri »

"Du forderst so viel ein und gibst zeitgleich so wenig. Wie immer sind Deine Antworten auf das Knappste beschränkt. Aber ich soll Dir Ausführlichkeit bieten?" Das Glas in ihrer Hand zitterte leicht, so wie sie selbst es auch tat. Kaum merklich nach außen, womöglich war es auch einfach nur ein zarter, von Angst und Überforderung getragener Schauer, der über ihren Körper fuhr, aufgrund der schier unüberwindbaren Aufgabe, vor der sie standen. Vielleicht war es so, vielleicht aber auch nicht. 

Etwas fester umschlossen ihre Finger das Glas, als könnte sie an diesem Sicherheit und Halt finden und Vergangenes, sowie auch die derzeitige Gesamtlage, kontrollieren. War es den in irgendeiner Form wirklich noch überraschend für Tanuri? Oder war sie erneut in die Falle der Annahme getappt, etwas hätte sich geändert? Die Dunkelheit, sie war und sie blieb ein unüberbrückbares Hindernis und zeitgleich ein Spiegelbild ihrer selbst. Eine verworrene Verzerrung ihres Gesichts, das ihr hämisch entgegen sah, nur um sie an die Worte des letzten Abends in Freyas Zimmer zu erinnern: "Wollen wir über Versagen sprechen?"  

Versagen, Verfehlung, Schwäche, Versäumnis, Verschulden, Vergehen … Versündigung… Auch wenn die Worte einander so ähnlich waren, unterschied sich eines von ihnen doch. Das Ergebnis, vor dem sie stand, blieb trotzdem gleich. 

Als der Schatten auf sie fiel, war sie versucht, einen Schritt zurückzugehen. Denn für sie war es nicht einfach nur die dunkle Silhouette ihres Gegenübers, die, gezwungen durch das im Fenster flackernde Sonnenlicht, auf sie fallen musste. Es war ein Schatten, der absichtlich aus dem Dunkel entstand und ihr mit Nachdruck aufzeigte, dass er nicht weichen würde, bevor sie keine Antworten gab. "Kadir wird das tun, was er am besten kann."

Trotz des vehementen Drangs, sich abzuwenden und zu flüchten, blieb sie still stehen. Mehr denn je fürchtete sie die Dunkelheit. Es war aber nicht die Furcht davor, was diese war, sondern was sie sein konnte. Eine bedrohliche Gefahr, die ihr bereits mehrmals Schranken aufgezeigt hatte, in denen es ihr erlaubt war, sich zu bewegen. Und die ihr in aller Deutlichlkeit vor Augen geführt hatte welche Konsequenzen warteten, wenn sie auch nur einen einzigen Schritt über diese hinaus wagte. "Antworten die keine Antworten sind. Es ist frustrierend, nicht wahr?"

Der Konflikt in ihr zwischen Kampf und Flucht war für Tanuri allgegenwärtig, einen Sieger dieser Parteien konnte es aber nicht geben. Ganz gleich, ob sie rebellierte oder sich dafür entschied, sich selbst zu entkommen, sie würde verlieren. Es blieb ihr also nichts, als dem Blick Adrians entschlossen standzuhalten.
Versagen, Verirrung, Scheitern, Versündigen, Verlieren….
Nein, sie würde sich selbst nicht erlauben, nachzugeben. Stattdessen griff sie nach der Beherrschung und zeigte eine knappe, wegwerfende Geste, als könnte sie damit die Schatten vertreiben. 


"Er ist nicht bei ihr." Eine weitere Antwort, die Adrian gewiss nicht zufriedenstellen würde. Aber was sollte sie sonst sagen? Das war alles, was sie wusste. Woher das Wissen rührte? Tanuri entschieds sich dafür, dass es unnötig war, darüber zu sprechen. Wahrscheinlich war ohnehin ein jedes ihrer Worte nur eine Bestätigung für seine unterschwellige Unterstellung, die einige Stunden zuvor in Freyas Zimmer gefallen war. 

Sie wiederholte nicht, was er gesagt hatte, doch klang alles davon nach wie vor in ihren Ohren, als wäre es soeben erst ausgesprochen worden: "Es ist ja auch nicht etwa so, dass Naheniel Verbindungen in den inneren Kreis der Kirche oder der Legion hätte." 

Dachte Adrian tatsächlich, dass sie in nur irgendeiner Form ihrem Bruder den Weg ebnete? Naheniel die Hand reichte und ihm Freya freiwillig überließ? Dass alles nur ein lang einstudiertes Schauspiel war, das nun den nächsten Akt erreichte, bei welchem sie ihr wahres Ansinnen offenbarte und sich an die Seite ihres Bruders stellte? "Treue, Vertrauenswürdigkeit und Ehrlichkeit." Weise gewählt, von einem Mann, der ihr gegenüber bisher nichts gezeigt hatte, außer undurchdringliche Finsternis, die nichts von dem preisgab, was und wer er war. Nur Schatten und Dunkelheit, die sich um Adrian schlossen und sie nicht nur einmal in die Irre führten. Schließlich war die Frage danach, woher er Naheniel kannte, bis heute ein Rätsel.
Wie so vieles anderes… 


"Treue, Vertrauenswürdigkeit und Ehrlichkeit." Mit nur einem Schritt übertrat sie die von ihr gezogene Grenze, stellte sich vor ihn und sah mit Distanziertheit zu ihm auf. So nah und so greifbar die Gefahr auch war, ein Wanken erlaubte sie sich nicht. "Du erinnerst Dich daran?" Es war nur ein nahezu unmerkliches Zucken ihrer Lider, ein kurzes Aufflackern in der Farbe ihrer Augen. Verräterisch, wenn auch nur für einen winzigen Moment. Trotzdem lange genug, um zu zeigen, dass dort mehr als die Kälte und Überlegenheit, die sie so angestrengt versuchte, auszustrahlen.

Was es aber war? Es auszusprechen, wäre frei von jedem Sinn. Weshalb es bereits mit einem nächsten Lidschlag wieder verschwand und Tanuri sich wieder an der Erhabenheit der Ablehnung bediente. 
"Da wir hier und jetzt alleine sind, nutze doch die Gelegenheit und sprich aus, was Du zu sagen hat." Nur angedeutet schüttelte sie ihren Kopf, erhob ihre Hand und zückte ihren Zeigefinger. Natürlich war sie nicht dumm und legte ihm diesen nicht auf den Mund, sondern hielt ihn mit gebührendem Abstand von seinem Gesicht entfernt.

Herausfordernd krauste sie ihre Nase und gestattete sich ein von Selbstüberzeugung geprägtes Lächeln.
"Bevor Du mich ermahnst, dass für derartige Machtspiele keine Zeit ist, lass mich Dir sagen: Ich spiele schon lange nicht mehr." Das Lächeln auf ihren Zügen verschwand und die Hand senkte sich langsam nach unten. "Du stellst mich in Frage, zweifelst an meiner Treue und Ehrlichkeit und urteilst ausgerechnet über meine Vertrauenswürdigkeit?"  

So einiges war geschehen, was Wahrheiten offenbarte, denen sie gerne entgangen wäre. Stattdessen war es brachiale Schonungslosigkeit, die ihr die Tatsachen vor Augen geführt, sie geweckt und in die bittere Realität zurückgeworfen hatte. Ihretwegen, dann sollte es eben so sein, wie es war. Noch weitere Kraft aufwenden, um irgendetwas zu beweisen, konnte Tanuri nicht mehr. Wenn sie Freya aber retten wollten, musste sie wissen und eine unumstößliche und verlässliche Sicherheit darüber haben, wer an ihrer Seite stand und wer nicht.


"Beginnen wir mit Deiner Ehrlichkeit: Das ist es also, was Du vor Dir siehst?"
~~~
Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
~~ Anführerin der Legion des Schattens ~~ 
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Syndra
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#837

Beitrag: # 53789Beitrag Syndra »

Syndra hatte ihre Hand sacht auf seinen Arm gelegt, als er sie an sich zog. Eine Berührung, mit der sie instinktiv nach ihm griff, als er sie aufforderte an Ort und Stelle zu verweilen. Sowohl sein bestimmender Unterton, als auch die nachdrückliche Geste an ihrem Arm trugen etwas Düsteres mit sich. Nicht die gewohnte Dunkelheit, sondern ein Zwielicht, welches sie nur mutmaßen ließ, was geschehen war.

Sacht glitten ihre Fingerspitzen von ihm ab, als er sich der Tür zuwandte und sie ihren Blick durch ihre nur zur Hälfte gesenkten Wimpern hindurch ihm folgen ließ.

Seine Worte waren deutlich. Aber auch wenn sie ihm heute Nacht ergeben gewesen war, sich ihm bereitwillig in jeder Facette hingegeben hatte und zugegeben keinen Moment davon nur ansatzweise bereute, bedeutete es nicht, dass sie sich mit einer zärtlichen Geste und Worten in die Ecke stellen lassen würde.

Langsam nur blickte sie auf, nur um die dunkle Silhouette Naheniels zu betrachten, welche gebieterisch den Arm an der Tür emporhob, als würde er die Schatten selbst zerreißen.

Kurz nur sah sie hinab auf ihre Hand. Zarte dunkelrote Schlieren seines Blutes. Was verschwieg er ihr? Etwas oder jemand hatte ihn verletzt und doch waren sie allein. Oder auch nicht? Komm mit. Sofort. Diese Worte galten nicht ihr, doch sah sie niemanden.

Nachdenklich befeuchtete Syndra sich ihre Lippen, um sich im selben Moment selbst dem Durchgang zu widmen. Warnungen oder Forderungen interessierten sie nicht. Weder spürte sie Furcht, noch das Verlangen oder einen Sinn seiner Forderung nachzukommen.

Doch ehe sie ihren nackten Fuß auf dem Boden absetzen konnte, trat Naheniel bereits wieder aus den Schatten hervor. Es war nicht länger als ein paar Herzschläge gewesen. Ein Atemzug war vielleicht vergangen.

„Fortbringen?“ Verstört sah die Magierin zu ihm auf, während er zielsicher nach seinem Mantel griff und sie tatsächlich glaubte etwas wie eine gewisse Panik in ihm erkennen zu können. Was immer in den letzten Minuten geschehen war oder er auch von seinem untergebenen Knecht erfahren haben mochte, schien ihn gänzlich aus der Bahn zu werfen.

„Ernsthaft Naheniel?“ Syndra hob eine ihrer elegant geschwungenen Augenbrauen an, ohne ihren Blick von ihm zu lösen. Keineswegs hatte sie vor seinen Worten unmittelbar zu folgen oder sich von derselben Unruhe einnehmen zu lassen, die ihn heimsuchte. Sie konnte ihm nur zur Seite stehen, wenn er mit ihr redete. Er hatte ihre Hingabe gefordert, aber kaum konnte er ein naives Ding erwarten, dass nach seinem Gutdünken sich ins Körbchen schlich wie ein braver Schoßhund.

Ohne die Seide auf dem Sessel zu beachten, trat sie an jenen heran. Nicht jedoch, um sich unmittelbar zu bekleiden und seiner Forderung zu folgen. Vielmehr flammte das Eis in ihren Augen bedrohlich in ihren Augen auf.

„Sag, vertraust du am Ende dabei Dir selbst nicht oder zweifelst du an mir?“

Ihre Hand streckte sich kurz nach ihm aus, nur um vor seiner nackten Brust, welche unter dem Mantel hervorschimmerte für einen Atemzug zu verweilen, ehe Syndra kurz innehielt. Ihr Blick legte sich auf die imaginäre Spur, die ihre Fingerspitzen beschreiben wollten, doch blieb jene berührungslos. Nur ein sachter Hauch von einer spürbaren Kälte schien unsichtbar unter jenen aufzukeimen.

Abermals befeuchtete sie kurz mit ihrer Zungenspitze ihre Lippen. Glaubte er wirklich, sie würde sich mit einer solch dürftigen Aussage nur annähernd abspeisen lassen? Ein unheilvoller Glanz überzog ihre Augen.
 
„Für wie naiv hältst du mich?“  Ein wenig abschätzig krauste sie ihre Nase, als sie ihren Blick wieder zu ihm anhob. Mit kühler Arroganz sah sie hinauf zu ihm, um dem finsteren Zentrum seines fordernden Blickes auf Augenhöhe zu begegnen. Seit sie das Risiko seiner Nähe eingegangen war, war sie nicht wirklich sicher und bewegte sich auf vielerlei Weise auf dünnem Eis. Wovor wollte er sie also warnen? War es am Ende vielleicht sogar eine Form von Selbstschutz, um vor ihr keine Schwäche zu zeigen? Sein Blut war es immerhin, das nicht nur an ihrer Hand, sondern auch an ihrem Arm rote Schatten hinterlassen hatte.

„Verrate mir wenigstens, was das eben zu bedeuten hatte. Und weshalb sollte ich in deiner Nähe nicht mehr sicher sein?“
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-Freya-
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#838

Beitrag: # 53790Beitrag -Freya- »

Freya war der alten Frau gefolgt. Hinweg über Stock und Stein. Mochte die kleine Stimme sie zwar warnen wollen, auch nur irgendjemandem zu trauen, so hatte sie gewiss nicht vor, blindlings allein durch den Wald zu marschieren. Das Moos unter den Füßen hatte sich zwar angenehmer und weicher angefühlt, jedoch forderte der steinige Feldweg, auf den das Großmütterchen sie führte, weniger Vorsicht. Außer einiger deutlich erkennbarer Steine bot der Pfad keine unter weichem Grün verborgene Wurzeln oder Kuhlen, durch die man ins Stolpern geriet oder sich den Fuß verdrehen konnte.

Dennoch fühlte das Mädchen mit jedem ihrer Schritte, wie sehr der Weg selbst zunehmend an ihren Kräften zerrte. Immer deutlicher spürte sie die Müdigkeit in ihren Knochen. Eine Schwere, welche dafür sorgte, dass sie Mühe damit hatte, ihre Füße ordentlich zu heben und nicht auf irgendeine Art und Weise ins Straucheln zu geraten.

Schweigend folgte sie Hafrun über den steinigen Feldweg hinweg. Auch wenn das Mütterchen anfangs viele Dinge hinterfragt hatte, so war Freya umso dankbarer gewesen, dass sie am Ende nicht annähernd auf eine Antwort bestanden hatte.

Keineswegs hatte Freya vor, die Wahrheit zu offenbaren. Auch wenn sie auf Hilfe angewiesen war, um einen Weg nach Hause zu finden, und zwar bevorzugt lebendig, so war es dennoch unklug jedem auf die Nase zu binden, was geschehen war. Weder verstand sie selbst, was ihr widerfahren war, noch konnte sie sich die Reaktion des Bischofs auf irgendeine Weise erklären.

Genau genommen war alles um sie herum ein gewaltiges Rätsel. Wo sie war, warum sie hier war und nicht zuletzt wem oder auf was sie vertrauen konnte. Blinzelnd sah sie zu der grauhaarigen Frau hinüber. Bedrohlich wirkte sie nicht. Doch konnte sie wissen, ob sie vielleicht am Ende dem Bischof auf eine Weise verpflichtet war und ihm diente? Scheinbar hatten sie nicht viel, und dass der Zweck die Mittel heiligte, war ihr bekannt.

Nachdenklich ließ das Mädchen immer wieder ihren Blick schweifen. Über die verdorrten Felder hinweg, welche sichtlich keine Ernte mehr trugen und wenn, dann nur verdorbenes Korn. Es wirkte trostlos und erdrückend, je weiter sie gingen.

Von dem saftigen Grün des Waldes fort in Richtung des Dorfes schien das Land immer karger und unfruchtbarer zu werden. Wilde Gräser und verdorrtes Getreide wuchsen um sie herum. Schon lange schien hier kein Bauer sich die Mühe zu machen, ein Feld zu bestellen. So waren die Einwohner des Dorfes vermutlich abhängig von einkehrenden Händlern, um sich auf irgendeine Weise zu versorgen.

Der Weg Dorf einwärts war zwar gepflastert, aber dennoch bedeckt von Sand, Staub und Asche, sodass er sich kaum von dem Feldweg zu unterscheiden wusste. Suchend sah Freya sich um, hatte sie doch eine kleine Hoffnung den Kater hier anzutreffen. Eine Hoffnung, welche sich jäh zerstreute, als die Silhouetten der Häuser immer deutlicher wurden.

Spuren von Feuer und Dunkelheit zeichneten die ersten Dächer der Häuser, während sich gleichzeitig unförmige ausgedorrte Ranken an manchen Wänden emporschlängelten. Die Fensterläden wirkten teilweise verwittert und manche Hauswand war gezeichnet von Rissen, als hätte ein Beben an ihnen geschüttelt und gerüttelt, um sie niederzureißen.

Hier sollten Menschen leben? Hier im Nirgendwo, wo es kein taugliches Ackerland gab und der Berg selbst das Umland zu erschüttern schien, als wäre es verwunschen und dem Untergang geweiht?

So viele Fragen, die in Freya aufkeimten. Was war hier geschehen. Kaum war es immer so gewesen. Warum sonst hätte sich hier eine Siedlung bilden sollen? Ungläubig wanderten ihre Augen über die brüchigen maroden Fassaden hinweg. Nur beiläufig fing Freya dabei die unfreundlichen Blicke einzelner Gestalten auf, die weder wirklich greifbar schienen, noch in irgendeiner Form gastfreundschaftlich wirkten. Wo zum Grott war sie nur gelandet? Was war es für ein gespenstischer Ort?

Wortlos hielt sie neben Hafrun auf dem verlassenen Dorfplatz inne und ließ ihren Blick zu ihr wandern. Auch wenn ihr viel auf der Zunge lag, traute sie sich nicht nachzuhaken und damit das Risiko einzugehen, jener zu offenbaren, dass sie im Grunde nichts über diesen Ort oder dieses Reich wusste.

Aufmerksam lauschte sie stattdessen der Beschreibung der alten Frau, um abzuwägen, welcher Pfad für sie der klügste wäre. Nur ihr Blick schien den Weisungen Hafruns zu folgen, während Freya selbst ihre Lippen fest aufeinander presste.

~Wo bist du nur Kater?~ Überlegte sie angestrengt, während ihre Augen suchend umherwanderten. Wie viel Zeit konnte sie opfern, um sich nach ihm umzusehen, ohne auch nur annähernd zu wissen, ob er dem Bischof überhaupt entkommen war.

~Ich brauche dich.~ Er redete wenigstens nicht ganz so rätselhaft, wie der Gnom und er wusste zudem, wohin sie zurückwollte, was immerhin ein Anfang war, dass er ihr helfen konnte einen Weg dorthin zu finden.

Schenke, Schlachter und ein Pfad zur nächsten Siedlung. Gewiss würde man sie aus der Taverne jagen, war sie dafür zu jung und hatte zudem weder einen Silberling noch sonst etwas von Wert dabei. Daher würde auch der Schlachter ihr sicher nicht einmal einen lahmenden Esel geben, der für all die Menschen hier vermutlich mehr wert war, als ihre Dankbarkeit. Das einzig kostbare, das ihr geblieben war, war der kleine zarte Ring an ihrem Finger. Doch für nichts in der Welt würde sie ihn hergeben. Es musste auch dafür eine andere Lösung geben.

Trotzdem hatte Freya keineswegs vor, der alten Frau zu folgen, auch wenn es wesentlich einladender wirkte als das Dorf um sie herum. Tatsächlich erschien ihr nach dem langen Fußmarsch ein warmer Schlafplatz mit einer warmen Decke fast schon mehr als willkommen. Doch Lumiels Stimme hallte noch immer mahnend in ihrer Erinnerung wider.

Wehe dieser kleine Gnom hatte keinen Plan, woher sie etwas zu essen bekommen würde oder Schutz in der Nacht finden konnte. Es war ja schön und gut, dass dieses Tierchen vielleicht ohne auskommen mochte, allerdings, wenn sie die Blicke der Einwohner dieser Geisterstadt betrachtete, in der selbst die Schatten bei Tag bedrohlich wirkten, bot das Großmütterchen trotz der Warnung der Gnomin noch die beste Alternative.

„Ich danke Euch.“ Erwiderte Freya kurz, während sie Hafrun den Korb überließ. Ohne zu viel zu offenbaren, konnte sie die alte Frau kaum um mehr bitten.  Andererseits schienen sie hier alle selbst nicht viel zu besitzen und zum Tausch anzubieten, hatte sie auch nichts was von Wert war. Vermutlich sah man in ihrem einfachen mitgenommenen Äußeren auch nicht mehr als ein heruntergekommenes Waisenkind, von denen sie annahmen, es würde ihnen den letzten Brotkrumen rauben. 

„Könnt Ihr mir vielleicht noch sagen, wann die Händler, von denen Ihr gesprochen habt, hier wieder vorbeikommen?“ Sie hatte von jenen erzählt und vielleicht konnte sie sich irgendwo auf einem der Wagen verstecken, um so ungesehen in eine der Städte zu gelangen.
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#839

Beitrag: # 53792Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

Hafrun

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Hafruns faltiges Gesicht verzog sich, als sich ein entschuldigendes Lächeln auf ihren Lippen breit machte. "Wüsst' ich nur welcher Tag heute ist, könnt' ichs Dir vielleicht sagen, wann die Händler kommen." Mit einem angestrengten Seufzen zog sie den prall gefüllten Korb nahe an ihren ausgemergelten Körper. "Wie Du siehst, viel gibts nicht, was wir ihnen anbieten können und das Gold hat hier keiner, um es in aller Regelmäßigkeit auszugeben. Deshalb kanns sein, dass Tage oder Wochen vergehen, bis jemand seine Waren vorbeibringt."

Der Blick der alten Frau wanderte über die ramponierten Häuser hinweg. Sie war es mittlerweile gewohnt, das Dorf und die Umgebung so zu sehen. Und da sie alt war, wie alt genau hatte sie vergessen, war es ihr auch ziemlich gleich, wie es um die Leute stand, die hier lebten. Selbst wenn sie noch 100 Jahre weiterleben würde und irgendwann alleine zurückblieb, würde es Hafrun nicht stören. Ihr Geschäft war eines, das niemals starb. Vergessene Kinder gab es überall, genauso wie die Abartigkeiten in den Köpfen derer, die sie zu sich nahmen. Um ihr Auskommen musste sie sich also nicht groß sorgen.

"Vielleicht sind sie auch gerade erst hier gewesen?" Gleichgültig schob sie ein weiteres Mal ihre Schultern nach oben. Ohne dem Umstand, dass Freya die Händler womöglich gerade erst verpasst hatte, eine größere Relevanz zuzuweisen, war sie eigentlich schon bereit dafür, sich ihrer Wege zu machen.

"Weißt Du, in meinem Alter machts keinen Unterschied mehr, obs heute, morgen oder gestern ist." Ihr faltiges Gesicht zeigte nun keine weitere freundliche Regung mehr. Ihre Einladung war abgelehnt worden, das Mädchen musste anscheinend erst selbst ihre eingeschränkten Möglichkeiten erkennen. Hafrun würde sich nicht die Mühe machen, Freya zu überreden oder gar zu überwältigen.

Natürlich sah sie, dass das Kind ihr ein paar Goldstücke mehr einbringen könnte, als die anderen, die sie in letzter Zeit in der Stadt feilgeboten hatte. Aber nicht ein jedes Goldstück war es wert, sich zu überanstrengen. Außerdem war der bereits zurückgelegte Weg an diesem Tag bis zum Wald weit gewesen und das Sammeln und die Wanderung zurück hatten sie erschöpft.

Hafrun brauchte eine Bank, um sich zu setzen und einen stärkenden Tee. Schließlich musste sie später noch für das letzte Schätzchen sorgen, das auf ihrem Dachboden hauste und schon bald ein neues zu Hause finden würde.


Die alte Frau war nicht auf das Kommen und Gehen der Händler angewiesen, sondern besaß selbst eine Kutsche und zwei kleine Rösser. In ihrem Garten war für diesen Luxus selbstverständlich kein Platz und so verweilten die Tiere, sowie auch die Kutsche beim Schlachter.

Für die Pflege und auch Verschwiegenheit darüber, überließ sie ihm in aller Regelmäßigkeit ein Säcklein voll Gold. Entgegen Hafruns Anregung, er sollte nicht so mit seinem kleinen Reichtum, den er durch sie erlangte, protzen, zeigte er sich trotzdem in der Schenke immer wieder überaus spendabel und hatte von ihnen allen das am besten in Schuss gehaltene Haus.

Aber was sollte es Hafrun schon kümmern, was die Leute daraus schlussfolgerten. Jeder war genug mit sich selbst beschäftigt und sollte es irgendwann dazu kommen, dass sie den Schlachter um seinen Reichtum so beneideten und ihm die Kehle durchschlitzten, würde sie sich einfach jemand neues suchen. 


"Irgendwann wird schon einer kommen. Vielleicht hast Du auch Glück und ein Reisender aus der Stadt kommt für eine Rast vorbei und Du kannst fragen, ob er Dich mitnimmt."

Nochmals betrachtete sie die Aufmachung Freyas. Es war ihr anzusehen, dass sie nicht daran glaubte, dass auch nur irgendjemand freiwillig ein so ramponiertes Kind mit sich nahm. Eine Einschätzung, die ihr nur mehr als recht war und die sie vor Freya in keinster Weise verbarg.

"Wie auch immer, jetzt halt mich aber nicht länger auf. Ich hab' noch genug zu tun heut und der Tag wartet nicht auf mich." Sie zeigte vor Freya ein letztes Lächeln und verabschiedete sich mit einem Nicken, bevor sie sich umdrehte, um in eine der Pfade einzubiegen, die sie an den Rand des Dorfs und somit auf einen noch schmaleren Weg zu ihrem Häuschen zu führen.

Bevor sie außer Hörweite war, drehte sie ihren Kopf nochmal in die Richtung des Mädchens.
"War nett, Dich kennenzulernen." 
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Naheniel
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#840

Beitrag: # 53794Beitrag Naheniel »

Auch wenn die Zeit dafür nicht gegeben war, so musste Naheniel wohl oder übel seine Ungeduld zügeln und nicht leichtfertig den Zugang zu ihr verspielen. 
Er legte seinen Handrücken unter ihr Kinn und hob auf diese Weise ihren Kopf etwas weiter in die Höhe, während er zu ihr hinabsah. Sein markanter, warmer Duft nach Rum, Moschus und Zeder haftete, trotz der von Leidenschaft und Lust geprägten Stunden, selbst jetzt noch an seiner Haut hüllte Syndra ein und durchdringend war die Farbe seiner Augen, die sich auf das Antlitz der Eismagierin legten. Wie viel einfacher war es noch kurze Zeit zuvor gewesen, als er sie mit Küssen bedeckt hatte, während er die weißglühende Hitze genoss, die ihr Körper gekonnt in ihm entzündete?  

"Ich schätze Dich, Syndra, weil Du es verstehst, nicht kompliziert zu sein und dennoch dabei Deine Komplexität nicht verlierst. Alles andere wäre enttäuschend."
Der Ausdruck in seinem Gesicht sagte ihr, dass es kein aus der Luft gegriffenes Kompliment war, an dem er sich bediente, nur um sie zu beruhigen und von sich zu überzeugen. Es war eine ernst gemeinte Feststellung über ihre Vielschichtigkeit, die er mit einer erhobenen Augenbraue unterstrich.

"Hielte ich Dich für naiv, wärst Du mir nicht einmal im Ansatz so nah, wie Du es bist." Es war nur der Anflug eines hochmütigen Lächelns auf seinem Mund und der Schimmer einer winterlichen Dunkelheit, die sich auf seine Augen legte, als er sich ihrem Gesicht näherte, es jedoch nur mit seinem Atem berührte und sie in seinem Blick gefangenhielt. 

Die Kälte, die von ihrer Hand ausging und sich zart aber in gewisser Weise auch warnend wie der Morgentau auf seine Brust legte, hatte etwas Herausforderndes an sich und nährte das Feuer, das in ihm wütete nur umso mehr. Es war für Syndra eindeutig nicht der richtige Moment, um aufzubegehren und er hoffte für sie, dass sie ihn nicht soweit trieb, bis sie herausfand, was das bedeuten konnte. 
 
Noch war es Naheniel nicht möglich, die Tragweite von Haedinns Fehler vollständig zu durchdenken, gerade dann nicht, wenn er sich vor seiner süß schmeckenden und zugleich gefährlichen Sünde, erklären musste. Weitere Ablenkungen durfte er sich nicht erlauben, zumindest zu diesem heiklen Zeitpunkt nicht. 
Natürlich wäre es ein einfaches, Syndra ohne weitere Erklärungen zurückzulassen. Wäre sie nicht sie, dann hätte er diesen Weg mit großer Wahrscheinlichkeit gewählt. Sie waren einander zu nichts verpflichtet und hatten sich keine Versprechungen, die sie auf persönlicher Ebene verbanden, gegeben. 
 
Und doch brauchte er sie … auf gleich mehrere Weisen. Dies war für Naheniel eine für ihn völlig neue und unbekannte Sachlage, denn bisher hatte er es nicht nötig gehabt, es irgendjemandem durch seine Aussagen und Handlungen recht zu machen oder durch diese zu gefallen.
Stellte man Bedingungen und Forderungen an ihn, war die daraus folgende Konsequenz zumeist etwas, was von dem anderen bitter bereut wurde. Soweit Naheniel demjenigen noch genug Zeit für die Reue ließ.
Für Syndra jedoch galten neue Regeln. 

 
Außer an ihrem Kinn fasste er sie nirgendwo sonst und doch war seine Nähe allgegenwärtig. Die Wärme seiner Haut strahlte in gleicher Weise auf siie, wie auch die kalte Finsternis, die aus seinem Innersten kam.
"Mache ich auf Dich den Eindruck, als würde ich mir selbst nicht vertrauen?" Obwohl seine Berührung hauchzart war, zeigte er ihr durch diese in aller Deutlichkeit seine körperliche Überlegenheit.

Lange würde Naheniel es ihr nicht erlauben, zu protestieren und ihn zu hinterfragen. Wenn sie sich dafür entschied, ihm nicht freiwillig zu folgen, würde er sie eben mit sich reißen. Nichts leichter als das. Trotzdem wäre es für ihn begrüßenswert, wenn sie nicht nach Antworten verlangte, die er ihr nicht geben würde.


"Vielleicht solltest Du Dich selber fragen, ob Du jemals in meiner Nähe sicher warst." Nochmals flammte eine verhängnisvolle Dunkelheit auf. Erst dann entließ er sie aus seiner Nähe, erhob sich zu seiner vollen Größe und zog seine Hand von ihr zurück. "Die Zweifel an Dir sind nicht die Meinen."

Vielleicht mochte sie an sich selbst zweifeln, da sie ihn immer wieder in Frage stellte. Die Zeit, dem eingehender nachzugehen, blieb ihnen aber nicht. Vorerst verzichtete er also darauf, herauszufinden, ob sie seinen möglicherweise unterschwelligen Hinweis verstand oder nicht.
Stattdessen betrachtete er mit ernster Miene ihren teilweise verhüllten Körper, nur um sogleich wieder ihre misstrauischen Augen zu suchen.
"Meine Nähe zu Dir wird nicht nur Zweifel von vielen anderen Seiten wachsen lassen, sondern noch dazu Aufmerksamkeit auf Dich lenken."

Seine Stimme senkte sich zu einem dunkel gefärbten Flüstern, welches deutlich machte, dass er keinerlei weiteres Misstrauen seiner Einschätzung gegenüber gestattete. "Glaubst Du wirklich, dass das für Dein Vorhaben nützlich sein wird?"

Ohne sich ihr wieder zu nähern, berührte er sie einzig mit seiner Anwesenheit. "Wenn Daeine Antwort 'ja' ist, dann lass das Laken fallen und wir machen dort weiter, wo wir aufgehört haben. Wenn Du Dich für ein 'nein' entscheidest, dann nimm nun Deine Robe und ich bringe Dich weit genug von mir fort."


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Syndra
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#841

Beitrag: # 53801Beitrag Syndra »

Welch Wendung. Es mutete beinahe an, dass Naheniel selbst die Lage falsch eingeschätzt haben mochte und sich mit einer unerwarteten Situation konfrontiert sah, die ihn ungewollt auf die Knie gezwungen hatte. Die unübersehbare Hybris, die er zur Schau trug, verurteilte Syndra umso deutlicher, obwohl sie vermutlich an seiner Stelle selbst nicht frei von einem gewissen Hochmut gewesen wäre. Einer, in Anbetracht seines Blutes an ihren Händen, mehr als unangemessenen Überlegenheit, die nichts mehr mit der tiefen Intimität gemein hatte, welche sie in den vergangenen Stunden geteilt hatten.

„Es wäre gefährlich, würdest du mich für leichtgläubig oder gefühlsdusselig halten.“ Betonte sie abermals, ohne jedoch eine Form von Wärme in die Klangfarbe ihrer Stimme mitschwingen zu lassen.

Ob Naheniel sich der damit einhergehenden warnenden Bedeutung ihrer Worte bewusst war, spielte keine Rolle. Syndra hatte keinesfalls vor, sich mit jener dürftigen Erklärung zufriedenzugeben, geschweige denn auf sein Geheiß hin, wie ein braves Schoßhündchen zu verschwinden.

Knapp nur ließ sie ihre Augenbraue in die Stirn gleiten, um seinem Blick auf mahnende Weise zu begegnen. Eiskalt und ebenso berechnend, wie sein Blick es war, sah sie zu ihm auf, wenngleich sie den leidenschaftlichen Glanz in dem Blau ihrer Augen nicht zurückhielt.


Die Magierin war sich bewusst, welche Auswirkungen seine Nähe hatte. Eine Anziehung, die alles andere in den Hintergrund drängte, sogar ihren Verstand. Doch sich ihm vollkommen hingeben, nachdem er eine Mauer um sich herum errichtete? Sich fallen lassen und alles damit zu riskieren, das war eine andere Frage.

Mit einem langsamen Wimpernschlag wandte sich Syndra von ihm ab und widerstand dem inneren Drang ihn abermals zu berühren, nach seinen Lippen zu suchen und dabei sich selbst aus dem Fokus zu verlieren.  Kurz nur sah sie auf ihre Hände. Auf das zarte Rot, das sich von ihren blassen Fingern deutlich abhob.

„Es war dein Zweifel, der meinen weckte.“  Was auch immer mit ihm geschehen war und Naheniel von einem Moment auf den anderen seiner bislang überzeugten Selbstsicherheit beraubt hatte, es hinterließ Spuren.

„Nicht ich habe mich am Boden gewunden. Es ist dein Blut an meinen Händen. In diesem Fall habe ich, meinem Empfinden nach, wenig zu bezweifeln. Und wenn, dann nur, ob ich mich in dir getäuscht habe.“ Nachdenklich fuhr sie sich über die Lippen, während das Laken nach vorne hinab glitt und sie vor ihm abermals ungehemmt die Hüllen fallen ließ. Ohne eine Form der Eile Wischte Syndra sich das Blut von ihren Fingern.

„Du verlangst Hingabe und Vertrauen, um mich, wie du es nennst, vor Dir in Sicherheit zu bringen?“ Ein Anflug von Erheiterung suchte den Weg in ihre Stimme. Zugegeben, Syndra konnte sich derer nicht annähernd verwehren, war es doch mehr als kontrovers, jetzt über die Konsequenzen ihrer Verbindung zu resümieren. Ein Rückschluss, dessen sie sich selbst schon seit geraumer Zeit bewusst war. Dennoch hatte Syndra keine Zweifel oder Scheu gehegt, sich offen mit ihm zu zeigen und ihm gegenüber Kompromisse einzugehen. Solange es auf Augenhöhe geschah.

„Jetzt erst richten sich alle Augen auf dich, und sie würden auch erst jetzt an meiner Loyalität zweifeln? Natürlich.“ Der Sarkasmus in ihrer kühlen, aber dennoch ruhigen Stimme war unüberhörbar, hatte er mit seinen Worten einen mehr als empfindlichen Punkt bei ihr getroffen.

„Wenn ich ehrlich bin, erinnerst du mich in diesem Augenblick an jemanden.“ Entschlossen griff Syndra nach dem blau schimmernden Stoff ihrer Robe, welchen ihre Finger unter einem leisen Rascheln vom Saum aufwärts zusammenraffte. Für einen Atemzug ließ sie ihre Feststellung schweigend im Raum stehen, bevor sie ihren Kopf in den Nacken legte, nur um die Seide über ihren Kopf hinweg über ihre nackte Haut hinweggleiten zu lassen. Ruhig hob und senkte sich ihre Brust, während sie selbst die unbedeutende und unscheinbare Wand vor sich ansah.

Sie sparte sich den Vergleich und die damit verbundenen Erwartungen auszusprechen. Es war beinahe unerfreulich, wie ähnlich sich die Situationen, wenn auch auf so unterschiedliche Weise, wiederholten. Hingabe und Vertrauen.

„Bedauerlicherweise…“ räumte sie leise ein, ehe sie ihre Hände ausstreckte, um das lange schwarze Haar über ihre Schultern hinwegzuheben. Ein feines Lächeln umspielte Syndras Lippen, als sie sich zu Naheniel wandte. Statt ihn um Hilfe zu bitten, bediente sie sich nun selbst der Magie.

„Vielleicht war deine Kompromissbereitschaft ebenso wie mein Vertrauen übereilt.“ Es war nicht mehr als ein Schnippen ihrer Finger, während sich die Schnürung ihrer Robe fest um ihre Brust und Taille herum zusammenzog, damit der Stoff ihre Silhouette schmeichelnd umspielte.

„Also stelle Dir selbst diese Frage. Bist du für mein Vorhaben nützlich oder nicht?“ Herausfordernd schimmerte das Blau ihrer Augen zu ihm auf. Nur Stunden zuvor hatte er bedingungslose Hingabe gefordert, die sich nicht nur auf körperliche Nähe beschränken sollte, sondern auch ihre Loyalität hinterfragt hatte, um eine Position zu beziehen.

Elegant machte die Magierin auf ihren nackten Füßen einen Schritt auf ihn zu, nur um ihren Blick über seine Brust hinweg aufwärts fahren zu lassen. Ohne jedoch in irgendeiner Form dem Ganzen noch eine emotionale Tiefe zu verleihen, suchte sie seinen Blick. Forschend, fragend und nicht zuletzt provokant, ehe sie sich auf Zehenspitzen stellte, um ihren Atem über seine Lippen hinwegtanzen zu lassen und sich einen fast unbedarften Kuss von ihm zu stehlen.

 „Kann ich mich auf deine Worte verlassen, oder lösen sich deine Versprechen im nächsten Moment in Rauch auf?“

Jedes ihrer Worte war von ausgeprägter Ruhe und einer klaren Definition ihrer eigenen Erwartungen an sich selbst geformt.

„Solltest du deine Vertrauensbasis nochmals überdenken, bist du es nun, der weiß, wo und wie er mich finden kann.“
 
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Tochter des Erzmagus Vaboris van Darc & Miradoria
~ Erstgeborene & rechtmäßige Erbin des Hauses van Darc ~
~ Schwester der Nymeria var Aesir ~ Mitglied der
Legion des Schattens ~

Wir können zwar das Blut nicht leugnen, aber es ist an jedem selbst zu entscheiden, wie viel Macht oder Einfluß man diesem gewährt die Gegenwart noch zu beeinflußen. ~
❖Niemand kann sehen, was verborgen liegt. Niemand vermag es zu stehlen, was dir gehört.❖
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-Freya-
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#842

Beitrag: # 53807Beitrag -Freya- »

Nachdenklich schweifte Freyas Blick durch die Umgebung. Verfallene Häuser, einst Zeugen glorreicher Zeiten, zeigten sich vor ihr. Einer Epoche, als dieses Dorf vielleicht noch unter der Gunst des einzig Wahren gestanden hatte und über dem noch immer dessen Kirche auf dem Berg thronte.

Die Rußspuren an den Wänden kündeten von einem nicht bloß einfachen Brand, sondern einem verzehrenden Feuersturm, der alles verschlungen haben musste. Das Blau ihrer Augen wanderte über jene Häuser an dem verlassenen trüben Dorfplatz hinweg. Ein jedes schien nahezu davon gezeichnet zu sein. Viele Fensterscheiben waren zersprungen. Nicht jedoch etwa durch einen Jungenstreich mit einem Stein, sondern vielmehr von Hitze. Alles, was die Zerstörung des Dorfes überlebt hatte, war mit feinem Aschestaub überzogen, als ob es den Flammen nur knapp entkommen war.

Sogar die Pflanzen. Vorsichtig streckte Freya ihre Hand nach einer der Ranken aus, deren Blätter nur ein kränkliches stumpfes Grün widerspiegelte, um die Asche fortzustreichen. Doch die Pflanze zerfiel nahezu in ihren Händen, als wäre sie schon lange dem Tod geweiht. Zarte Ascheflocken zogen an Freya vorbei, während der Rest der Blätter zwischen ihren Fingerspitzen zu Boden rieselte, um in den Abgrund der Vergessenheit zu fallen.

In einer solchen Umgebung konnte Freya kaum hoffen, jenen Herrn der Welten zu finden, geschweige denn auf irgendeine Weise Hilfe erwarten. Die Einheimischen würden diesem Herrscher vermutlich für den Urheber jenes Unheils halten.

Ein nachvollziehbares Urteil aus ihrer Sicht, sofern er die Macht hatte, die sein Name in der Hinsicht versprach.  Dennoch sah Freya die Dinge bereits mit anderen Augen. Jener Blickwinkel, welche die Doktrin und die Lehren Ogrimars ihr beschrieben hatte und die das Mädchen nicht voreilig über das Unglück, das jenen Einwohnern widerfahren war, urteilen ließen. Ob durch Hochmut, Dekadenz, Aufruhr oder die Erinnerung daran, wem sie dienten – es musste einen Grund geben.

Insbesondere, wenn sie an den Bischof dachte. Es wäre eine angemessene Strafe für all jene, die seinem Treiben folgten. Ihre Augen schimmerten düster, als ihr Blick an all den maroden Häusern vorbei dem Pfad zu den geborstenen Treppen hinauf zum Bergplateau folgte.

Was immer geschehen war, der flüchtige Anblick erinnerte sie an eine ihrer zahlreichen Visionen – die Apokalypse, in der die Welt in Asche lag.

Ein zerstörerisches Chaos, das eine neue Ordnung hervorbringen würde. Die Dunkelheit, aus der die Welt neu erblühen konnte. Der unmittelbare Tod als notwendige Voraussetzung für Wiederauferstehung und Neuschöpfung. Die Gnadenlosigkeit und die Schönheit dieser Ruhe war für sie jedoch ein faszinierendes Mysterium, dessen Bewunderung kaum jemand nachvollziehen konnte. Niemand außer der Finsternis am Ende des Pfades.

Ein sanfter Wind wirbelte den Staub zu ihren Füßen auf und ließ die verdorrten Grashalme seinem Willen nachgeben, während sein leises Flüstern durch die maroden Mauern der Häuser zog. Unbemerkt spielte der Wind mit ihrem Haar und zerrte einige Strähnen unter der Decke hervor. Um sie kurz auftanzen zu lassen, als sie zur Kirche empor sah.

Ogrimar sollte ihn richten. Unabhängig von ihrer Demut und dem Respekt gegenüber einem kirchlichen Oberhaupt hatte er ihr gegenüber unmittelbar ein Urteil gefällt, ohne selbst den Mut aufzubringen, seine Anklage zu äußern. Es würde ihm nur recht geschehen, würde das Feuer ihn verschlingen, damit die Erde sich zu seinen Füßen auftun und jener feige Narr von der Vergessenheit selbst verschlungen werden würde.

Ruhig atmete Freya ein, während sie die Wut noch immer in sich brennen spürte. Der Tag, an dem er seinem Richter gegenüber treten sollte, würde irgendwann kommen. Der Moment, in dem er sich den Konsequenzen seiner Verfehlungen vor dem einzig Wahren stellen müsste. So wie sie alle sich seinem Urteil beugen mussten.

Die Zerstörung mochte Opfer gefordert haben, aber sie hatte ebenso einige verschont. Einerseits mochte es die Spreu vom Weizen getrennt haben oder sie hatte all jenen, die noch den Atem in ihren Lungen spüren konnten, eine Lehre erteilt.

Ihr Blick streifte kurz über die staubigen Gassen, die irgendwohin führten, aber sicher nicht nach Hause. Sie war sich bewusst, dass es kaum ein einfaches Entrinnen geben würde, wo auch immer sie sich befand.

Ungeachtet der Bedeutung des bisherigen Weges spürte Freya ein Rumoren in ihrer Magengegend. Ein unangenehmes Brummen, das sie daran erinnerte, nicht länger über das Warum zu grübeln, sondern vielmehr über sich selbst und den Weg, den sie nun einschlagen wollte.

Langsam senkte Freya ihre Lider und wandte sich Hafrun zu. Mit einem angedeuteten Lächeln verbannte das Mädchen alle Gedanken. All die Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten, die ihr durch den Kopf gingen. Sie war sich bewusst, dass sie sich dieser Aufgabe stellen musste, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und sich ihrem Schicksal zu ergeben.  Im Zweifel vollkommen alleine und auf sich gestellt.

„Ich danke Euch“, erwiderte Freya mit ruhiger Stimme. Mit ihren großen blauen Augen verfolgte sie Hafrun, als diese einen der vielen Pfade wählte, der vermutlich zum Haus des Mütterchens führte. Ein Ort, an dem es sicherlich etwas zu essen gab und ein Feuer im Ofen loderte, auf dem das Großmütterchen die Pilze in einen Eintopf gab oder aus den gesammelten Kräutern einen warmen Tee kochte.

Für einen kurzen Moment sah Freya ihr schweigend nach, da die Hoffnung, hier im Dorf auf einen hilfsbereiten Menschen zu stolpern oder den Kater anzutreffen, erloschen schienen.

„Und nun?“, flüsterte sie leise. So leise, dass sie selbst ihrer Stimme kaum gewahr wurde. Die Frage galt der kleinen Gnomin, deren Rat sie befolgt hatte, anstatt das Angebot der Fremden anzunehmen. War es klug gewesen, die Hilfe abzulehnen? Hunger war eine Sache, Sicherheit noch eine andere. Beides hätten sie vielleicht für einen Tag gewonnen. Einen weiteren Sonnenaufgang, um zu Kräften zu kommen und vielleicht auf einen Händler zu stoßen, der sie in die nächste Stadt mitnehmen würde.

„Ich hoffe, Du hast einen Plan“, fügte Freya leise hinzu, während ihre Augen weiterhin auf Hafruns Gestalt ruhten. Freya spielte durchaus weiter mit dem Gedanken, ihre Entscheidung zu revidieren und ihr zu folgen. Zumindest wenn ihr nichts Besseres einfiel, wo sie für die Nacht Schutz und Schlaf finden konnten sowie vielleicht sogar ein Stück Brot zum Essen.

Die Blicke der anderen Bewohner, selbst wenn sie sich versteckten und verbargen, hatten etwas Unwillkommenes. Auch wenn sie ihnen nicht direkt in die Augen sehen konnte, hatte Freya deutlich das Gefühl, dass sie unerwünscht war, als wäre sie eine Aussätzige.

Vorsichtig strich Freya sich das Haar aus dem Gesicht. Jene langen Strähnen, die sich an den Seiten ihres behelfsmäßigen Umhangs ungewollt befreit hatten und wie kleine finstere Schatten im trüben, kränklichen Licht umhertanzten.  „Sag mir, Lumiel, welcher Weg führt mich zu deinem Herrn der Welten.“
Zuletzt geändert von -Freya- am Sa 6. Jan 2024, 20:40, insgesamt 1-mal geändert.
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
♦ Kleiner Keks ihrer großen Ziehschwestern Mahaba, Namayah, Lysiana & ihres möglicherweise fiesen Ziehbruders Liam Chakai ♦
Adeptin der dunklen Kirche Ogrimars unter ihrer Mentorin Tanuri 


Geboren aus dem Wissen einer dunkler Vergangenheit - verblaßt mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit
Fühlst Du die Macht? Kannst Du sie spüren?
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Naheniel
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#843

Beitrag: # 53808Beitrag Naheniel »

Naheniel verfolgte Syndra während ihres gesamten Tuns aufmerksam mit seinen Augen. Bedauerlich war nicht nur, wie sie ihn einschätzte, sondern auch, dass sie ihm nur für kurze Zeit einen Blick auf ihre nackte Haut gewährte.

Stumm zog er seine Stirn kraus, als sie ihn und seine Entscheidung, ihr nicht alles von sich zu offenbaren, sehr deutlich und erneut in Frage stellte. Dafür, dass das Eis ihre Magie war, besaß sie ein äußerst feuriges Temperament. Immer wieder war es für ihn in ihrer Gegenwart wie ein Tanz auf glatten Eisschollen im frostig kalten Meer, bei dem man sehr schnell den Halt verlor, wenn man nicht äußerste Vorsicht walten ließ.
Hoffentlich war Syndra sich ebenfalls bewusst darüber, dass sie sich mit dem was sie tat und wie sie mit ihm sprach durch eine Flut aus brennender Lava und verschlingender Dunkelheit bewegte. 

Ein Schritt in die falsche Richtung und sie würde sich ihre äußerst hübschen, kleinen Füße verbrennen und sich vielleicht sogar von der Dunkelheit unfreiwillig verzehren lassen. 
 
"Willst Du mich wirklich in diese Ecke drängen?"
Prüfend sah er sie an und achtete auf eine jede noch so kleine Regung in ihrem Gesicht. "Meinetwegen kannst Du diesen Versuch wagen, das Ergebnis, was sich daraus für Dich ergeben könnte, musst Du dann aber akzeptieren."

Wesentlich näher als er es ursprünglich seit ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte zulassen wollen, war sie ihm mittlerweile gekommen und fasste unbewusst nach einem Teil von ihm, den er sonst eigentlich sehr gut verbarg. Naheniel wusste, dass er wieder wesentlich vorsichter sein musste, damit er nicht eines Tages darüber stolperte und fiel.

Trotzdem interessierte es ihn, welche Zugeständnisse sie zu diesem Zeitpunkt noch von ihm hören wollte und was sie dachte zu erreichen?

Sie beide waren bisher klug und bedacht genug gewesen, einander nur so viel Vertrauen zu geben, wie es nötig war.
Was war es also genau, das sie verlangte? Ein Wissen und einen Zugang zu ihm, was weit über das hinaus ging, was er ihr geben konnte und wollte? Eigentlich, so dachte Naheniel, hätten sie ihre Grenzen bereits ausgelotet und abgesteckt. Umso weniger verstand er es, warum sie diese nun erneut zu setzen gedachte. Es war somit ihre deutliche Abweisung und der mehr als spürbare Rückzug ihrerseits, was er als "bedauerlich" bezeichnen konnte.

 
"Was versprichst Du Dir davon, wenn Du mich zu Antworten auf all Deine Fragen und zu einem Handeln zwingst?"
Die Überheblichkeit seiner Person ließ er für einen Moment zurück und zeigte ihr stattdessen ein wahres Interesse an ihrer Handlungsweise.
Es entging ihm aber nicht, wie sie in ihrem Innersten wieder die Mauern aus Eis aufbaute und wie ein scheues Reh in den schützenden Wald sprang.
Selbst ihre Berührung und der angedeutete Kuss, war für ihn frei von der aufgehitzten Leidenschaft, die sie ihm kurz zuvor im Bett schenkte. 


Noch bevor sie sich zu weit entfernen konnte und von selbst den Weg zurücknahm, griff er nach ihrem Handgelenk. Eigentlich sah er sich nicht in der Verantwortung, sich in irgendeiner Form vor ihr zu rechtfertigen. Allerdings war ihm der Grund für ihr Verhalten durchaus rätselhaft und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr seine Position nochmals klar vor Augen zu führen. 
 
„Habe ich Dir jemals etwas weggenommen, woraufhin Du begründen könntest, Dich mir gegenüber so zu verhalten?"
Obwohl er sie festhielt, war er darauf bedacht, Abstand zu ihr zu wahren. Schließlich war es sie, die beschlossen hatte, eine Barriere zu errichten und sich hinter dieser vor ihm auf ein Neues zurückzuziehen. Diese gewährte Naheniel ihr, zumindest vorerst.

"Ich werde nun nicht den Fehler begehen, mich in Erläuterungen über alle meine Schritte zu ergehen.
Aber ich rate Dir an, meine bereits gesagten Worte zu rekapitulieren. Ebenso wie die Einblicke, die ich Dir gab."
Einige schweigende Sekunden zogen an ihnen vorüber, während sein durchdringender Blick es nun war, der nach Antworten suchte. "Und trotzdem bestehst Du weiterhin darauf, mich sofort in Frage zu stellen, sobald ich nicht alles preisgebe?"

Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und zeigten ihr kühle Düsternis, die Syndra hoffentlich Warnung genug war, ihn dahingehend nicht weiter zu provozieren. Sein Griff um ihr Handgelenk verstärkte sich nachdrücklich und mahnend.

"Wirklich, Syndra?" Bewusst bediente er sich ihrer eigenen Worte, neigte sich kurz darauf zu ihr herab und küsste sie, weit weniger unbedarft als sie es getan hatte.
Es war herrisch, besitzergreifend und fast schon grob. Dennoch getragen von der steten Gier, die sie in ihm entfachte, sobald sie sich näherte.

Noch bevor seine Lippen sich wieder vollständig von den ihren lösten, strich seine leise, jedoch nicht minder warnende Stimme über ihren Mund hinweg.
"Bist nicht vielmehr Du es, die etwas zu überdenken hat?
Weder Dich noch mich wird es weiterbringen, wenn wir bei einer jeden Begegnung von vorn beginnen müssen."
Mochte der Griff seiner Hand um ihr schmales Handgelenk auch schmerzlich für sie sein, verblieb er noch einige Atemzüge schweigend in dieser Haltung. 


Erst als er spürte, dass ihr Puls stärker pochte lockerte er die Strenge und schob mit seiner anderen Hand eine Strähne ihres langen, weichen Haares zur Seite, fuhr mit seinen Fingern hindurch und schenkte ihr daraufhin einen etwas milderen Blick, als er bereits dabei war, sich von ihrem Gesicht zu entfernen, indem er sich zu seiner vollen Größe vor ihr aufbaute. "In einer Sache sei mir eine Korrektur erlaubt: Ich wusste immer wo Du bist und wo ich Dich finde." 

  
Dann löste er sich endgültig von ihr und trat auf die Türe zu. Nicht aber, um diese zu öffnen, sondern um sie als schnelle Reisemöglichkeit zu nutzen.

Naheniel berührte das Holz mit seiner flachen Hand und die Maserung wandelte sich zu schwarzen, zarten Fäden. Es war eine wirre und wilde Zeichnung, die sich auf dem Holz zeigte und sich nach und nach ausbreitete, bis eine jede noch so kleine Verschlingung bis zu den Ecken reichte.
Von dort aus verwob sich das chaotisch wirkende Muster zu einem Ganzen und verwandelte sich von innen heraus zu einem scharfen Bild, welches den Waldrand in der Nähe von Syndras Gilde zeigte. Es würde die Magierin nahe genug heranbringen, ihm aber nach wie vor den benötigten Schutz bieten. 


Seit seinem letzten Besuch in Freyas Zimmer, wagte er es nicht mehr, die Gildenhallen der Legion zu betreten. Naheniel wusste nicht, was für eine Magie Adrian mittlerweile einsetzte, um ihn fernzuhalten und schließlich reichte ihm dieser eine Fluch, den ihm sein alter Freund in seiner Großzügigkeit zum Geschenk gemacht hatte.
Eine Geste, die er ihm früher oder später selbstverständlich zu erwidern gedachte. 

 
Als Naheniel sich von der Tür abwand und seine Aufmerksamkeit wieder auf Syndra legte, flackerte das Bild von dem Waldrand. Das Portal dorthin blieb aber stabil und aufrecht und surrte in einem gleichmäßigen Ton. 

"Nimmst Du also die Hand, die ich Dir immer wieder reiche und vertraust darauf, dass ich weiß was ich tue oder nimmst Du sie nicht?"
Auch wenn sie mittlerweile einige Schritte von ihm entfernt war, fasste sein auffordernder Blick sie trotzdem mit der gleichen Vehemenz, als stünde sie direkt neben ihm. Leicht nur erhob er daraufhin seinen Arm und bot ihr seine Hand dar. 
"Lass mich allerdings eins sagen: Letzteres wäre etwas, was für mich äußerst bedauerlich wäre." 


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#844

Beitrag: # 53809Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

~~Lumiel die Schattentochter~~


Für Außenstehende mochte es aussehen,
als würde Freya eine höhere Macht anflehen
oder einfach nur durchdrehen?
Aber daran sollte sich niemand stören,
schien Verzweiflung hier zum guten Ton zu gehören.


„Du sollst nicht gehen zu Herrn der Welten,
er würde es dir nicht vergelten.
Hörst du mir den gar nicht zu,
was glaubst du eigentlich, was ich hier tue?
Ich sagte die Prinzessin will dich sehen,
also solltest du gefälligst zu ihr gehen.“


Das alte Mütterchen hatte Recht,
das Kind sah aus, wie ein kümmerlicher Knecht.
Weit würden ihre Füße sie nicht mehr tragen,
hach was hasste sie solche Plagen.

Aber ohne Silber und Gold,
wäre ihr das Glück auch nicht hold.
Sorgsam wägte sie die Option ab,
hielt das doch ihren Verstand auf Trab.


„Zuerst sollten wir aber den Schlachter aufsuchen
und dort unser Glück versuchen.
Meist ist er betrunken und in seinem Irrsinn versunken.
Dort kannst du dich auf dem Heuboden verstecken
und sicher etwas Dürrfleisch schmecken.
Sei dir aber klar, dass wenn er dich erwischt,
er dich unter Garantie auch verdrischt.“


Stehlen müsste das Kind, ganz unauffällig und geschwind.
Wasser vom Vieh konnte sie trinken,
müsste aber dafür weiter stinken.
Nach dem Essen, sollte sie das Schlafen auch nicht vergessen.
Ja so schien es im besten Ermessen.


„Bei Einbruch der Nacht, geht es weiter in die Schlacht.
Aus deinem Quartier, entwende heimlich ein Reittier.
Der Schlachter sollte dich nicht entdecken,
scheint er meist in der Taverne sein Ansehen zu beflecken."

"Lenke das Tier anschließend in den Wald,
ohne das es schallt.
Auf den trockenen Pfaden, kannst nicht reiten
und unentdeckt deinen Weg bestreiten.“


Die Spuren in der trockenen Erde,
brächten den Schlachter auf die Suche nach dem Pferde.
Im Wald war es sicher kalt, doch er bot Freya mehr halt.
Unerkannt könnte sie so reisen, ohne sich irgendwo auszuweisen.
 
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Adrian
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#845

Beitrag: # 53811Beitrag Adrian »

Adrians Blick ruhte unverwandt auf ihr, während er seine Ungläubigkeit der Frage gegenüber beherrscht hinter einer stoischen Miene verbarg, welche ihrem standhaften Ausdruck ebenbürtig sein sollte.

Ihm entging jedoch nicht das Zittern ihrer Hand. Das leichte Beben, welches die Flüssigkeit in ihrem Glas in Aufruhr brachte und im Widerspruch zu der kalten Maske auf ihren Zügen stand, der sie dadurch ungewollt leichte Risse in ihrer Erhabenheit auferlegte.

Tanuris frostiger Blick schien deutlich und doch konnte er das kurze Aufflackern in dem Blau ihrer Augen erkennen, welches ihn nur für einen kurzen Moment hinter die Fassade blicken ließ. Dem Finger, der vor seinen Lippen schwebte und ihn offenbar mahnen sollte, seine Worte zu überdenken, schenkte er dabei keine Beachtung. Vielmehr waren es Aussagen, die seine Gedanken bewegten.

In einer nicht minder schnellen Bewegung schnellte seine Hand auf, um ihren Arm in der senkenden Bewegung zu umschließen. Fragte Tanuri wirklich danach, was er vor sich sah?

Forschend griff sein Blick nach ihr in der gleichen Härte und Erbarmungslosigkeit, mit der seine Finger ihr Handgelenk umschlossen. Würde sie die Antwort darauf tatsächlich hören wollen oder war das Unwissens und die Vorwürfe ihm gegenüber, die daraus resultierten am Ende das, was sie bevorzugte.

„Ist es tatsächlich das, über das du sprechen willst?“

Knapp nur schob Adrian eine Augenbraue in seine Stirn, woraufhin sich der dunkle Schatten einer Falte unterhalb seines wirren Haares abzeichnete. Das Blau seiner Augen verdunkelte sich zunehmend unter der Frage, welche aus seiner Sicht mehr als ein Widerspruch in sich war. Nach all seinen Zugeständnissen und Worten wollte sie nun was genau?

„Ich habe dir meine Loyalität geschworen.“ Mehr als das, wie die Herausforderung in seiner Stimme deutlich untermalte, ohne dass seine Worte eine weitergehende Tiefe dessen beschreiben mussten.

„Ich zweifle weder an deinen Worten noch an deinen Absichten und erst recht nicht an dir. Auch wenn du es mir nicht einfach machst. Und doch ist es nicht genug?“

Ohne ihren Blick freizugeben, verdunkelte sich das Licht der Morgensonne, dass sie umspielte. Ob es die Intensität seiner Schatten oder lediglich eine Wolke am Himmel war, würde ein Blinzeln zum Fenster hinaus verraten, jedoch war es keine Frage, die er sich in irgendeiner Weise stellte. Für einen Moment verfiel er in Schweigen, nur um ihr einen Augenblick des Nachdenkens zuzugestehen.

„Glaubst du wirklich, dass ich das alles so wollte?“

Seine Nasenflügel bebten leicht, ehe er sich sichtlich mit einem Lidschlag zur Beherrschung mahnte. Durchaus war ihm die Situation aus der Hand entglitten und er hatte den Überblick aus Stolz und Egoismus heraus verloren.

Aber hier war ein Ort, an dem er nicht die Kontrolle verlieren durfte. Jederzeit konnte jemand eintreten und er nahm es sehr genau mit dem, was er versprach. Kaum hatte er Vergnügen oder Interesse an einem Machtspiel.

„Ehrlichkeit? Ich gebe genau so viel zurück, wie man mir entgegenbringt, Tanuri. Und wenn wir ehrlich sind, dann bist du selbst nicht sonderlich großzügig damit.“

Sie ist nicht bei ihm. Sollte diese Aussage ihn nun beruhigen oder ihm vor Augen führen, wie viel Zeit sie sinnlos verschwendet hatten? Wie lange war Tanuri sich dieser Tatsache bewusst und warum in aller Welt hatte sie nichts gesagt. Ein dunkler Schatten legte sich über seine Augen hinweg.

„Wo er ist, willst du mir scheinbar nicht sagen oder ist dies nun ein Ausdruck deiner Überlegenheit? Relevantes Wissen über ihn zurückzuhalten?“

Kurz presste er seine Lippen aufeinander. Sicherlich hielt auch er sich mit Antworten zurück und ließ sich nicht immer und wirklich in die Karten schauen. Manche Informationen waren jedoch von essenzieller Wichtigkeit. Wissen, welches im Angesicht der herrschenden Situation die Legion unmittelbar erfahren sollte. Es war nicht zum ersten Mal, dass sie Dinge bewusst verschwieg und damit nur erneut die Frage aufwarf, was sie ihnen vielleicht aus welchen Gründen auch immer noch vorenthalten mochte.

„Wie lange wusstest du bereits, dass er nicht bei ihr ist? Etwa bereits in Freyas Zimmer? Oder kam die Einsicht im Fuchsbau?“

Adrian war sich sicher, dass Freya in jenem Schattenreich war. Allerdings, sofern Tanuri recht behielt, allein und auf sich gestellt. Ein Reich, in welchem Naheniel die Adeptin zuvor beschützt hatte, wenn auch aus Eigennutz, denn auch er brauchte sie lebend.

Jetzt war das Kind jedoch den Regeln dort ohne jedweden Schutz ausgeliefert. Verdammt wie war sie überhaupt dorthin gekommen. Doch diese Frage war erst einmal zweitrangig. Er konnte nur hoffen, dass die Prinzessin sie finden würde.

Die Konstanz des Reichs war bereits ins Schwanken geraten. Die Regeln ihres Herrschers schienen sich immer mehr selbst neu zu schreiben. Er ahnte, um die Ursache und sofern er sich nicht täuschte, wäre es tatsächlich sein Versäumnis, sollte es außer Kontrolle geraten. Vielleicht sollte er sich ihrer Suche ebenfalls anschließen, doch andererseits war es unter Umständen auch Schicksal.

Ein Weg mit dem er ihn vielleicht ein für alle Male aus dem Weg räumen konnte, ohne dabei einen Kollateralschaden zu verursachen. Ihn dorthin zurückdrängen oder vielleicht sogar richten konnte, ohne dem Mädchen das Leben auszuhauchen. Eine Chance, die sich ihnen unter Umständen auch nur einmal bieten würde.

„Ich habe dir meine Treue, mein Vertrauen und meine Ehrlichkeit geschworen, Tanuri.“

Es war nur wenige Tage her, so dass nicht nur die Gewichtung oder der Kern, sondern auch die Worte selbst noch haargenau in seiner Erinnerung war. Für einige Atemzüge blickte er zu ihr hinab und ließ seinen Schatten selbst über ihrer zierlichen erhabenen Gestalt ruhen. Forschend suchte er die Antworten in ihrem Blick, da die Priesterin sehr wohl fähig war, diese in ihren Worten selbst zu verschleiern.

„Keine weiteren Machtspiele, meine Priesterin.“

Sie konnten sich keine Uneinigkeit erlauben. Das Damoklesschwert des Misstrauens und der Unsicherheit durfte nicht länger über ihnen schweben. Egal wie schwer es ihr fiel, auch Tanuri musste lernen ihm auf Augenhöhe entgegenzutreten anstatt weiterhin interne Konkurrenzkämpfe auszufechten oder dem Glauben zu folgen, keine Hilfe annehmen zu müssen.

„Wenn wir für dieselbe Sache kämpfen und du dasselbe willst, wie ich, solltest du ebenso auf deine eigenen Aussagen zurückblicken. Und zwar so lange du noch die Zeit dafür hast dir die Bedeutung noch einmal vor Augen zu führen.“

Weder hatten sie Zeit dafür noch durften sie Naheniel noch weiter in die Karten spielen. Ihm war bewusst, dass es seinem alten Freund nur noch zusätzlich Freude bereitete der Priesterin einem endlosen Leiden auszusetzen.

„Ich werde ihn mit oder ohne deine Hilfe finden und es zu Ende bringen.“

Langsam führte Adrian ihre Hand hinab, ehe sich seine Finger um ihr Handgelenk lösten. Ihren Blick jedoch gab er nicht frei, als seine Stimme sich ruhig erhob. Beherrscht und dennoch von einer dunklen Klangfarbe unterstrichen, in der nicht nur etwas Mahnendes mitschwingen sollte, sondern sich ebenso seine Entschlossenheit widerspiegeln sollte.

„Mit oder ohne deinen Segen.“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖  Bruder des Verlion Al Saher ✟
❖ Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
❖ Wahre Finsternis herrscht nur dort, wo kein Licht durchdringt, denn sonst wäre sie nichts weiter als ein Schatten.❖
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Tanuri
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#846

Beitrag: # 53812Beitrag Tanuri »

War sie in einem immer wiederkehrenden Traum gefangen, lief sie in einem Rad, welches sie keinen Schritt vorwärts kommen ließ? Alles wiederholte sich, immer und immer wieder. Egal, was sie sagte, egal was sie tat, kein Stück kam sie weiter. Was dachte Adrian? Dass sie ähnlich wie ein gold schimmernder Fisch in seinem Glas nach einer Runde vergaß, wo sie begonnen hatten? Dass sie vergaß, was geschen war, nur um sich nun den mahnenden Blicken und Worten wie ein schüchternes Mädchen zu unterwerfen und einfach nur "ja" zu sagen? Es wäre geschickt gewesen, das zu tun. Aber Tanuri hatte ihre Grenzen erreicht. Nein, sie nicht nur erreicht, sondern war längst darüber gefallen. 
 

"Und? Was war Dein Schwur wert? Es sind Worte, die aus Deinem Mund kamen, mit Deiner Stimme gesprochen wurden. Aber sagtest Du sie mir nur, um den Frieden zu wahren, dafür zu sorgen, dass ich endlich schweige und meinen Fokus nicht verliere?"

Für einen Moment richtete sie ihren Blick auf seine Hand, die ihr Handgelenk aber bereits im selben Moment wieder entließ. Wütend aber dennoch mit leiser Stimme trat sie ihm entgegen und umfasste ihr Glas nur noch fester. Die Flüssigkeit in dieser bebte, so wie sie selbst es tat. "War es ein Schwur, an dem Du Dich bedient hast, weil er Dir in diesem Moment sinnvoll erschien und Dein Kopf es Dir sagte, dass Du damit das Unkontrollierbare unter Kontrolle hältst oder kam er aus Deinem Herzen und Deinem Geist?"

Sie hatte genug, genug von dem Schauspiel, genug davon sich zurückzuhalten. Zu lange war die Schmach auf ihren Schultern gelegen, als dass sie jene noch länger dulden würde. Zornerfüllt warf sie das Glas von sich, welches an dem Stein des Bodens zersprang. Alles wiederholte sich, die Worte, die Gesten und selbst diese Szene war etwas, was sie vor gar nicht allzu langer Zeit ein wenig anders durchlebt hatten. Der Kontext war und blieb aber der Gleiche und die Fragen genauso unbeantwortet wie viele Male zuvor. 

"Wofür hältst Du Dich eigentlich, dass Du es wagst, mich an die Wand zu stellen? Willst Du mich auf meinen Knien sehen, indem Du wieder und wieder dafür sorgst, dass ich an Zweifeln zu zerbrechen drohe, die Du in mir schürst?" Helligkeit flackerte in ihren Augen auf, überschattete das Blau und zeugte davon, dass nicht nur Finsternis und Schatten eine Gefahr sein konnten, sondern selbst das Licht eine tödliche Erbarmungslosigkeit in sich trug. War es nicht sogar so, dass er ihr einst damit gedroht hatte, sie in ihre Knie zu zwingen, würde sie vergessen, Freya mit allen Mitteln zu beschützen? Sollte es sie überraschen, dass sie womöglich genau an diesem Punkt angelangt waren? War Adrian etwa tatsächlich hier, um seiner einstigen Drohung Taten folgen zu lassen?

Fest ballte sie ihre Hände zu Fäusten, um zumindest ihre Magie zu zügeln. Wenn möglich sollte sich wenigstens der Kampf, den sie einst ausgefochten, an dieser Stelle nicht wiederholen. Beim letzten Mal mochte es nur eine Narbe gewesen sein, die sie ihm zugefügt hatte. Ein Versprechen darauf, dass es jetzt dabei blieb, würde sie weder dem Dunkelmagier noch sich selbst freiwillig geben. 

"Denke genau nach, Adrian." Für einen letzten Atemzug hielt sie seinem Blick stand, durchdrang ihn aber ebenso mit dem ihrigen. Sie war ihm nah, viel zu nah nach ihrem Geschmack, doch hatte sie die Grenze dahingehend selbst übertreten. 

Es war kein Machtspiel. Sie war dessen überdrüssig und müde und sie wusste nur zu gut, dass es niemals ein Ende fand. Deshalb waren ihre Worte, ihre Wut und diese überwältigende Machtlosigkeit, alles andere als ein Spiel. Was es aber sein sollte, war eine endgültige Klarstellung ihrer beider Positionen. "Warum teile ich wohl mein Wissen über Naheniel nicht mit Dir?" Von Bitterkeit getragen war der letzte Augenblick, den sie noch vor ihm stand, bevor sie sich abwendete und mehrere Schritte Abstand zwischen sich und ihm brachte. Sie ertrug weder die Nähe, noch die Worte, die er ihr zukommen ließ und schon gleich gar nicht konnte sie in diesem Moment irgendetwas mit der Ruhe anfangen, die jene Überlegenheit ausstrahlte, die er ihr im Gegenzug aber vorwarf. 

Die einfachste Antwort auf ihre Frage lag selbstverständlich auf der Hand. Trotzdem war es zusätzlich so viel mehr, weshalb sie den Großteil dessen, was sie über Naheniel wusste, vor ihm und auch vor allen anderen verschwieg.  

Es war Tanuri vollkommen gleichgültig, dass sie selbst nicht wusste, was mit ihr geschehen würde, wenn Adrian oder irgendjemand anderes ihren Bruder vernichtete. Es wäre ihr sogar ein innerliches Fest, könnte sie selbst Naheniel einen Dolch in sein verdorbenes Herz jagen und ihn dabei beobachten, wie er seine letzten Atemzüge tat, seine Dunkelheit wich und von ihm nicht mehr blieb als eine leere, leblose Hülle. 

Was gäbe sie für die Sicherheit darum, dass man ihn einfach nur töten musste, um alles zu beenden? Denn mit dem Auftauchen ihres Bruders hatte es begonnen, alles war aus dem Gleichgewicht geraten und nichts mehr war an seinem Platz. Weder Freya, noch die Drei aus der Prophezeiung. Selbst alle weiteren Figuren, auf dem sich ewig in Bewegung befindenden Spielbrett der Götter, standen auf dem falschen Feld. Nichts war so, wie es sein sollte und Tanuri fand den Weg und die Macht in sich nicht mehr, alles dorthin zurück zu rücken, wo es einst stand und mittlerweile auch stehen musste. Sobald sie die Hand nach einer der Figuren ausstreckte, fiel eine andere oder brach ein Stück der Welt ab, in derer sie sich alle bewegten.
 

Vielleicht wäre der Tod Naheniels eine Erlösung? Ein Neubeginn? Wenn er sie mit in den Abgrund riss, wäre es weder Qual noch Trauer, die sie dabei empfinden würde. Wahrscheinlich ähnelte es vielmehr einer Freiheit, nach der sie sich schon lange sehnte.

Wäre da nicht… ja, wäre da nicht Freya….

Mit einem tiefen Atemzug schluckte Tanuri ihre tief sitzenden Ängste um das Kind herunter und schloss ihre Augen. Immer noch verzweifelte sie über der Frage, warum es diese Bindung gab, warum die Leben des Schlüssels und ihres Bruders so eng verwoben waren, wenn er nicht die Dunkelheit war, die das Licht des Schlüssel führen sollte.

Wenn sie das Risiko wagten und Freya mit dem Tod Naheniels ebenfalls starb, dann war es kein Neubeginn, sondern das Ende der Zeit. 


Sie hob ihren Blick, dieses Mal aber in den Raum hinein und nicht mehr in die Richtung Adrians. Was gäbe sie dafür, wenn es nur ihr eigenes Leben wäre, das mit dem ihres Bruders enden könnte? Einst da waren sie aneinander im Kampf gescheitert, vermochten es nicht, sich gegenseitig zu töten. Ob es Ogrimar selbst war, der eingegriffen hatte, das Schicksal oder die Verbindung durch ihre Geburt, Tanuri durfte nicht diejenige sein, weshalb irgendjemand von ihnen zögerte oder sich zurückhielt, wenn es zu einem finalen Schlag gegen ihren Bruder kommen sollte. Mochten die derzeitigen Worte und Versprechen noch so groß sein, was tatsächlich an dem Tag der Tage davon umgesetzt wurde, war derzeit schwer einzuschätzen. 

Aber es war nur ein kleines Detail unter vielen. Ein Geheimnis, tief getragen in ihren Erinnerungen, die sie nach wie vor nicht teilen wollte. Ebenso war es ein Geheimnis, warum sie wusste, dass Naheniel nicht bei Freya war. Seltsam, denn all die Jahre hatte sie nichts von ihm gespürt und selbst als er zum ersten Mal in die Nähe des Schlüssels kam, war er nicht mehr als ein jeder andere Mensch gewesen. Naheniel trug die spürbare Aura eines dunklen Seraphen, aber das war schon alles.

Doch dann, plötzlich, mit einem Schlag und völlig aus dem Nichts heraus hatte sich etwas geändert. Woher diese Veränderung aber rührte? Sie vermochte es nicht zu sagen und eigentlich wollte sie es auch nicht herausfinden, denn die Vermutung allein, war nichts was ihnen allen in irgendeiner Form weiterhalf, sondern vielmehr für ihren Bruder einen Gewinn darstellen konnte, sobald er selbst dahinter kam. 


Trotz alledem, trotz ihren eigenen Zweifeln, ihrer eigenen Angst, ihrer Wut auf sich selbst, sich verloren zu haben, eines übertraf in diesem Augenblick, hier in diesem Saal, für diesen Moment in dem sie alleine waren alles andere: Wie konnte Adrian sich erdreisten, ihr Schweigen über alles was Naheniel betraf, als eine Demonstration einer angeblichen Überlegenheit ihrerseits zu deuten? Immer noch hatte sie ihren eigenen Willen und ließ diesen von niemandem beherrschen oder lenken. Oder sich gar befehlen, was sie zu offenbaren hatte und was nicht. 

Der Zorn schwoll immer weiter in ihr heran, riss sie mit sich und tränkte ihre Gedanken in wild ausschlagende Finsternis. Sich zur Ruhe und Besonnenheit mahnen? Es wäre eine Möglichkeit. Aber nichts anderes hatte sie in den vergangenen Tagen und auch Wochen - wenn nicht sogar Monaten - getan. Was war das Ergebnis von allem? Das Hamsterrad, in welchem sie lief und lief und lief, drehte sich weiter und weiter und ein Erfolg war nicht nur nicht in Sicht, nein, er kam nicht einmal in eine greifbare Nähe. 

Warum sich also weiter unterwerfen, sich tadeln lassen und bemüht darum sein, auf dem Seil zu tanzen, das mehr und mehr wackelte und sie nicht länger halten würde?

"Weißt Du denn überhaupt noch, was Du willst?" Es war nur ein kaltes Wispern, das sich über ihre Lippen stahl. Und da sie mittlerweile am Tisch stand, sich an diesem abstützte, um nicht an den Pergamenten, Büchern und Flaschen wie damals ihre fürchterliche Wut und Ohnmacht zu entladen, konnte sie nicht einschätzen, ob Adrian es hörte oder nicht.

Mit immer noch geballten Fäusten, die sie am liebsten auf die Tischplatte geschlagen hätte, sah sie kurz darauf aber doch in seine Richtung und funkelte ihn aus tiefblauen Augen an, während ihre Stimme an einer Schärfe gewann, die weit entfernt von der diplomatischen und beherrschten Ruhe war, die Adrian ihr entgegen brachte.
"Seit wann benötigst Du für irgendetwas was Du tust meinen Segen?"
~~~
Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
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Adrian
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#847

Beitrag: # 53816Beitrag Adrian »

Sicherlich waren sie alle angespannt. Die gesamte Situation schien ihnen auf jede erdenkliche Weise im Augenblick komplett zu entgleiten. Aber was verflucht hatte er falsches gesagt oder getan, dass sie so reagierte.

Hatte er ihr hier und jetzt nicht zum wiederholten Male ehrlich und ohne Umschweife das Knie gebeugt? Klare Offenbarungen, ohne kunstvolle Wortverdrehungen, die die Fakten nur verschleierten.

Erstaunen zeichnete sich auf Adrians Zügen ab, als Tanuri die Fassung verlor. Ein Unverständnis darüber, was sie derart in Rage brachte. Sicherlich konnte sie ihm in mancher Hinsicht vieles vorwerfen und das meiste davon sollte gleichermaßen zutreffen. Doch in diesem Moment konnte er sich nicht erklären, weshalb die Priesterin so auf seine Antwort ihr gegenüber reagierte. Er hatte seine Karten auf den Tisch gelegt und doch schienen seine Worte das genaue Gegenteil dessen bei Priesterin auszulösen, als er beabsichtigt hatte.

Nur für einen Moment senkte Adrian seine Lider, als Tanuri ihre Beherrschung verlor und wutentbrannt das Glas auf dem Boden zerschellte.

Es war eines, ihm den Vorwurf zu machen, dass er Naheniel unterschätzt hatte und er ihn nicht hatte stoppen können. Ebenso hätte er Freya auch nie aus den Augen verlieren dürfen genauso, sondern stattdessen viel härter und konsequenter an ihrer Ausbildung arbeiten müssen. Doch wenn sie ehrlich waren, war die Adeptin nicht mehr in einem Alter, in dem es sich einfach gestaltete, sie zu kontrollieren und dies war am Ende nicht allein seine Bürde gewesen.

Schlussendlich war es ihre Uneinigkeit die Naheniel eindeutig in die Hände gespielt hatte.  Adrian wusste, dass er einige Schuld davon zu verantworten hatte. Fehlerfrei war allerdings keiner von ihnen. Auch die Priesterin vor ihm nicht.

Es war jedoch weder die Frage der Schuldigkeit gewesen, die sie gestellt hatte, noch war er hier, um irgendjemanden, außer sich, dafür zur Verantwortung zu ziehen.  Aber das war ganz offensichtlich auch nicht das, worum es der Priesterin hier alleine ging.

„Was mein Schwur wert ist - mein Wort? In deinen Augen offenbar nichts.“

Sämtliche Wärme in seiner Stimme schien von einem Moment zum anderen erkaltet zu sein, als er seine Lider wieder anhob. Schatten hatten sich über das Blau seiner Augen gelegt. Eine Finsternis, die seinen Blick verdunkelte und sie mit eisiger Härte ansah. War das alles gerade ihr verfluchter Ernst?

„Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sprich es aus und hör auf dich hinter Vorwürfen zu verstecken!“

Keines seiner Versprechen hatte er vergessen, geschweige denn auch nur eines davon leichtfertig getroffen. So manches Wort war ihm sogar deutlicher in Erinnerungen als andere. Was immer gerade zu ihrem Ausbruch geführt hatte, Adrian konnte es nicht verstehen. Vor wenigen Tagen noch war es genau das, was sie von ihm erwartet hatte. Das, was sie beide voneinander verlangt hatten. Und nun?

Schritt für Schritt folgten seine Augen Tanuri, als sie sich von ihm distanzierte. Sie zweifelte ihn an? Ausgerechnet jetzt stellte sie ihn und seinen Willen infrage? Sogar seine Absichten, nachdem er ihr alles zu Füßen gelegt hatte?

„Es reicht!“ Fordernd hallte seine Stimme durch den Raum. Nicht laut, aber von einer schneidenden Schärfe, während die Finsternis ebenso in seinen Augen züngelte.
 
Unumwunden sah Adrian in ihre Augen. Nein, er wusste weder, weshalb sie ihr Wissen über Naheniel vor ihm zurückhielt noch warum sie mit einem Mal derart impulsiv auf seine Worte reagierte. Und doch schien Tanuri dieses Wissen von ihm zu einzufordern.

Seine Nasenflügel bebten leicht, während Adrian sie verständnislos musterte. Doch bei allem Zorn und dem aufbrausenden Chaos in seinem Inneren verlor er dennoch nicht den letzten Funken Beherrschung, auch wenn sein Geduldsfaden zum Zerbersten dünn geworden war. Kurz nur senkte er seine Lider, während er sich knapp über die Lippen fuhr. Es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt, zu dem sie ihn nahezu an den Rand seiner Selbstbeherrschung trieb.

Adrian selbst konnte es spüren, wie das Blut durch seine Adern raste und die Dunkelheit in ihm immer mehr von ihm Besitz ergreifen wollte. Immer und immer wieder konfrontierte sie ihn mit ihren Zweifeln. Ihrem Misstrauen, für das sie ihm die Schuld gab. Unfähig auszubrechen aus diesem schier endloswährenden Kreislauf. Und doch war es nun endgültig genug.

Entschlossen folgte Adrian ihr, nur um Tanuris Arm zu packen und sie unsanft zu sich herumzudrehen, so dass sie die Tischkante in ihrem Rücken hatte. Bestimmend und ohne einen Widerspruch zu dulden, griff sein Blick erbarmungslos nach ihrem, während er seine Hände auf der Tischkante abstützte und ihr damit die Fluchtmöglichkeit nahm. Sein Schatten, genährt von dem immer heller werdenden Licht des Tages, legte sich über sie hinweg, als er sich leicht nach vorn beugte, um ihr nicht mehr Raum zu gewähren als notwendig.

Es reicht, Tanuri.“ Wiederholte er. Dieses Mal jedoch gemäßigter, auch wenn er sein Unverständnis und die daraus resultierende Wut nicht vollständig zu zügeln wusste. Eine finstere Wut auf sich selbst und seine Nachlässigkeit. Ein innerer Zorn, dem sie mit jedem ihrer Worte geschürt hatte, indem sie jedes seiner Worte in Zweifel zog, ohne sich scheinbar dabei an ihre eigenen zu erinnern.


„Ich weiß, was ich will.“ Tief blickte Adrian in das tiefe Blau ihrer Augen, um ihr nicht noch einmal zu erlauben, sich einfach der Konsequenz ihrer Worte zu entziehen oder ihm einfach den Rücken zuzudrehen.

Düsternis überschattete seine Augen. „Solltest du daran zweifeln, dann solltest du dir diese Frage besser selbst stellen.“

Ihm war bewusst, dass er durchaus selbst einen Großteil der Schuld dafür trug, dass Tanuri so handelte. Ihr Misstrauen, ihre Wut. Vieles davon war alles in allem legitim. Doch sich ausgerechnet jetzt Luft machen?

Sich zur Ruhe mahnend atmete er einige Male ein und aus. Ein Moment, in dem sich ein Schweigen zwischen ihnen ausbreitete, ehe er sich wieder zur vollen Größe aufrichtete. Seine rechte Hand löste sich von der Tischplatte und griff nach ihrem Kinn, um ihren Blick dazu zu zwingen, ihn anzusehen.

„Sag mir, was du noch willst. Was erwartest du noch von mir?

Warm aber ebenso bestimmend umschlossen seine Finger ihren Unterkiefer, während das Blau seiner Augen sie beherrschend zu fesseln versuchte. Jedoch nicht nur um sie zu binden, sondern ebenso um die Wahrheit selbst darin zu sehen, die ihre Lippen nicht in Worte fassen konnten.

„Ich habe dir alles zu Füßen gelegt. Mich deinem Licht gebeugt.“ Er musste es kaum wiederholen. Auch wenn ihr überhebliches und selbstgerechtes Verhalten nicht den Anschein erwecken mochte, wusste die Priesterin sehr genau wovon er sprach und dass er damit nicht nur seine Treue, sein Vertrauen und Ehrlichkeit meinte.

„Was ist es? Soll ich gehen? Ist es am Ende das, was du willst? Dann sprich es aus. Es ändert nichts an meinen Worten. Doch, und darüber sei dir im Klaren, stehe ich dann nicht länger an deiner Seite und es gibt keinen Weg zurück.“
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-Freya-
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#848

Beitrag: # 53822Beitrag -Freya- »

Freya wandte ihren Blick von Hafrun ab und sah auf die Wege, die das kleine Dorf durchzogen. Dass vielleicht nur sie die Stimme hören konnte oder Lumiel nur für ihr Auge sichtbar sein mochte, war ihr weder bewusst noch dachte sie darüber nach. Die kleine Gnomin hatte sie befreit, weshalb sie durchaus das Gefühl hatte, dass sie jener zumindest ein wenig vertrauen konnte. Auch wenn ihre Reime sie wahnsinnig machten und manches weder nett war noch einen Sinn ergab, war sie derzeit ihr letzter und einziger Wegweiser hier in diesem verfluchten Nirgendwo.

„Der Herr der Welten kann mich nach Hause bringen.“ Erwiderte sie leise, doch voller Entschlossenheit.

Sicherlich klang es einfacher, als es sein mochte. Vielleicht war jener ein dunkler bösartiger Tyrann. Wenn sie allein an den Bischof dachte, wollte sie sich nicht ausmalen, mit welcher Kälte und Gnadenlosigkeit ein Wesen, mit einem solchen Titel vielleicht handeln würde und welcher Gefahr sie sich damit vielleicht stellte. Was oder wie sie ihn dann dazu bringen konnte oder was sie tun musste, um nach Hause zu kommen, würde sich zeigen.

Aber im Gegenzug betrachtet, was konnte sie wohl von einer Prinzessin erwarten? Eine Prinzessin war nicht mehr als ein hübsches reiches Mädchen mit einem glitzernden Diadem auf ihrem glänzenden Haar, das auf einem Thron saß. Vielleicht war sie ja ganz nett, vielleicht würde sie auch helfen wollen und natürlich hatte Adel zumeist auch Macht. Aber jene versprach kaum einen Weg, der sie heimbringen würde, es sei denn, die Prinzessin würde sie zu jenem Herrn bringen können. Dann vielleicht.

Eine zierliche Falte formte sich auf ihrer Stirn, während ihre Augen dem Weg folgten, der laut Aussage der Kräuterfrau zum Schlachter führen sollte. Instinktiv holte sie tief Luft, ehe sie auf den gewiesenen, steinigen Pfad trat.

Wenn sie sich ein Reittier stehlen sollte, war es klug, sich selbst erstmal ein Bild davon zu machen, wo jener die Tiere einsperrte, die früher oder später unter seinem Beil landeten oder was auch immer er mit jenen tat.

Immerhin hatte Freya nicht unbedingt das Bedürfnis erwischt, geschweige denn nochmals verdroschen zu werden. Ihre Wangen fühlten sich noch immer dick an. Ein Pulsieren, das sie annehmen ließ, dass ihr Gesicht sicherlich noch immer Rötungen zeigen sollte, wenn es nicht sogar eine blaue Schwellung trug. Ein Blick in einen Spiegel würde ihr sicherlich nur vor Augen führen, was für ein erbärmliches Bild sie abgab. Daher war sie froh, dass die meisten Fenster von einer feinen Staubschicht bedeckt waren und sie lediglich nur schemenhaft ihre eigenen Umrisse erkennen konnte.

Leicht nur wirbelte der Saum des grauen, farblosen Talars den trockenen Sand zu ihren Füßen auf, während sie an den brüchigen und teils maroden Fassaden der kleinen Häuser und Hütten langsam entlang schritt. Nirgendwo konnte sie jemanden sehen. Jedenfalls nicht wirklich. Es waren mehr schemenhafte Bewegungen, Schatten oder Blicke, die sie wahrnahm. Nichts davon wirkte jedoch nur ansatzweise einladend oder in irgendeiner Weise freundlich gesonnen. Fast so, als wäre sie hier ein Eindringling. Ein leichter Schauer überflog ihren Rücken, während das Mädchen weiterging.

Vielleicht hatte die Gnomin ja doch recht und es war das Beste, wenn sie so schnell wie möglich hier verschwinden würden. Doch dafür brauchte sie nichtsdestotrotz ein Reittier.

Müde wanderte ihr Blick über den zerfallenen Gartenzaun über das wild wuchernde Geflecht aus Unkraut und strohigen verdorrten Grashalmen hinweg. Tatsächlich konnte sie nicht wirklich Mitleid empfinden. Ein solches Urteil, eine solche Plage traf niemanden ohne Grund oder Versündigung. Und wenn sie an jenen roten Bischof dachte, dessen Blick direkt auf diese Gemeinde sah, die ihm vielleicht untergeben war, war das Schicksal am Ende vielleicht sogar gerecht gewesen. Vorsichtig legte sie eine Hand auf den Balken eines Zauns, um ein wenig Halt zu finden und ließ ihre Finger über dessen von Splittern heimtückisch gesäumte Kante fahren. Es war besser wachsam zu bleiben.

„Warum sollte ich nicht mit ihr gehen? Dort hätten wir es warm und könnten auf die Händler warten.“ Freya wandte sich noch einmal um. Nur ein verstohlener Blick über ihre Schulter hinweg, mit dem sie glaubte, noch den kleinen Schatten Hafruns in der Ferne erkennen zu können.
Sie hatte sicherlich etwas zu essen und tatsächlich klang ein warmes Bad immer erfreulicher. Ihre Lungen schmerzten noch immer und ihr Körper war geschunden genug, als dass sie sich fast danach sehnte im warmen duftenden Wasser zurückzulehnen.

Es klang nicht nur sicherer, sondern auch einladender als ein zugiger Heuboden, auf dem man sich versteckte und Dörrfleisch, auf dem man vermutlich ewig herumkaute. Es würde morgen noch Zeit bleiben und so konnte sie vielleicht noch die Zeit nutzen, um den Schlachter auszukundschaften und dann vor Einbruch der Nacht sich einen Gaul oder Esel heimlich zu nehmen.

„Sie ist nur eine alte Frau und sie hat uns eingeladen. Warum wäre es dumm es anzunehmen?“

War es nicht noch dümmer durch die Straßen zu ziehen und sich von einem Schlachter, der sicherlich ein großes Beil hatte und damit umzugehen wusste, ein Pferd zu stehlen? Einen Apfel oder einen Laib Brot, so etwas hatte sie früher durchaus schon geklaut. Es waren jedoch allesamt kleine Dinge, die man verstecken und verbergen konnte. Ein Pferd, vielleicht aber auch nur ein Pony oder einen Esel, die Krach machten und kaum unter ihrer Decke verschwinden konnten, waren etwas völlig anderes.

Auf eine Antwort von Lumiel wartend, riss sie unerwartet ein grausames Geräusch aus ihren Gedanken heraus.  Ein markerschütternder, verzerrter Schrei, der das Mädchen mit einem Mal wie angewurzelt stehenbleiben ließ.

Das Blau ihrer Augen wandte sich wie paralysiert auf ein Gebäude. Die Mauern wirkten weniger gräulich und alt.  Fast war man sogar versucht zu glauben, dass hier das Oberhaupt des Dorfes wohnen mochte. Doch hatte es ebenso etwas befremdliches an sich. Etwas, das in keiner Weise ansprechend oder gastlich wirkte, sondern deplatziert und falsch.

Erst recht nicht, da aus dem Inneren der Hütte diese grauenvollen Todesschreie kamen. Ein Leiden, dass nahezu danach brüllte, erlöst zu werden, bevor es mit einem Mal von einer Sekunde auf die andere verstummte. Ihr Vater jagte auch und nicht nur einmal hatte sie bei ihm oder auch bei Verlion zugesehen, wie man ein Tier zerlegte. Das hörbare Leiden und der Todeskampf jedoch ließen Freyas Fantasie mit ihr durchgehen. Blinzelnd sah Freya langsam hinauf, ahnend und gleichzeitig mit einem krampfenden Gefühl im Magen.

Der Schlachter. Ein goldenes Schild prangte beinahe schon protzig vor dem Haus, doch auch für jene, die nicht des Lesens mächtig waren, war der Besitzer ohne einen Zweifel zu erkennen. Seitlich neben der Tür hing der Kopf einer toten Kuh. Vermutlich war es eine gewesen. Von Fliegen umgeben und von Maden zerfressen, war er fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. 

Mulmig schluckte sie, konnte sie eine aufsteigende Übelkeit in ihrem Inneren spüren. Weder wollte sie näher herantreten noch die Überreste genauer betrachten, die sehr deutlich erklärten, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

Das sollte also der Plan laut der Gnomin sein? Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete sie die leeren Augenhöhlen des toten Tieres, aus denen weiße kleine Würmer krabbelten. Kaum hörbar erhob sie ihr Wispern ohne ihren Blick von dem lebendigen Kadaver abzuwenden. Leise, aber voller Unglauben.

„Das ist nicht wirklich deine Vorstellung von klug?“
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♦ Stolze Tochter ihres Ziehpapas Ninian Chakai & ihrer Ziehmutter Caidith Chakai ♦
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Tanuri
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#849

Beitrag: # 53823Beitrag Tanuri »

Kaum hatte Tanuri damit gerechnet, es immer noch vollbringen zu können, Adrian in seine spezielle Form der dunklen Rage zu versetzen. Unpassend zwar zu der angespannten Situation, schien es trotzdem so, als würde sich auf ihrem verhärteten Gesicht eine winzige Regung zeigen. Möglich, dass es nur ein Spiel der Schatten war, eine Illusion, geschuldet der Übermüdung und der Angst um Freya und um die Herrschaft des einzigen Herrschers der Welten. Oder war es Wirklichkeit und wahrhaftig ein zartes Lächeln auf ihren Lippen, welches ihr eine Weichheit verlieh, die zugleich eine Verletzlichkeit offenbarte?

Es hielt nur für dem Bruchteil eines Augenblicks, weshalb die Zeit für eine eingehende Deutung nicht gegeben war. Allerdings ließ ihr Blick, der von einem nicht arroganten, sondern vielmehr überraschten Heben ihrer Brauen begleitet wurde, darauf schließen, das letzteres mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit der Fall war.


"Wie mir scheint, habe ich mich zumindest in einem Punkt geirrt." Es war nicht mehr als eine Erinnerung, ob vor Tagen oder bereits vor Monaten entstanden, war nicht von Bedeutung. Was aber sehr wohl zählte, war diese endlich greifbare Sicherheit, dass sie anscheinend doch keiner Täuschung auferlegen war. Nicht alles musste hell und strahlend sein, um als Licht zu gelten. "Dunkelheit, Finsternis und Schatten, und doch ein Licht, welches ich niemals zuvor sah." Worte einer Vergangenheit, die aber zugleich Zukunft waren. Dieses Mal war die Zufriedenheit über die Erkenntnis deutlich in ihrem Gesicht abzulesen und selbst der Klang ihrer Stimme war frei von jeglichem weiteren Zweifel. "Es ist also doch da…" 

Schweigen legte sich auf die Szenerie, während die Morgendämmerung sich weiter in dem Raum ausbreitetete und dabei die Schatten, die es warf, zu einemgemeinsamen Tanz aufforderte. Aber die Friedlichkeit, die das Schauspiel auf den ersten Blick suggerierte, war trügerisch. 

"Würde ich wollen, dass Du gehst, dann wärst Du längst fort." Trotz seines Griffs, der ihr keine Chance gab, sich zu entwinden, sah sie mit Stolz zu ihm auf. Körperlich mochte er ihr überlegen sein, genauso wie nicht selten in seinen Worten und der Unnahbarkeit, durch die es Adrian immer wieder gelang, es ihr unmöglich zu machen, seine Absichten zu erkennen und zu deuten, was sein eigentliches Ziel war.

Jede Begegnung mit ihm fühlte sich an, als stellte man sie in einen Raum ohne Fenster und Kerzen und es war ihre Aufgabe, den Ausgang aus diesem zu finden. Das Schuhwerk aber, hatte man ihr genommen und zusätzlich auf dem Boden schneidende Splitter verstreut. 


Warum sollte sie weiterhin Kraft aufwenden, aufzubegehren und zu kämpfen, wenn das Verlieren das Einzige war, was sie bisher erreicht hatte? Eine jede Tür, die sie nahm, führte immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: Einen Ausweg gab es nicht, nur einen nächsten lichtlosen Raum, mit weiteren scharfkantigen Splittern. 

Sollte er seine Meinung über sie haben, denken, was er wollte, ein Urteil fällen und ihr durch Dominanz trotzen. Es ein weiteres Mal aussprechen und zugeben, was so offensichtlich vor ihnen lag, das würde sie nicht. Denn zerrissen war nicht nur ihr Vertrauen, sondern längst schon sie selbst. Ob Adrian das erkannte? Es war schwer, das zu beurteilen. Vielleicht aber auch wollte er es einfach nicht sehen. 

"Was ich aber von Dir fordere ist das Wissen danach, ob Du es bist, der überhaupt hier sein will?"

Bisher war es dem Magier gut gelungen, sich nicht mehr als nötig in die Karten schauen zu lassen. Zu Beginn war Tanuri nichts geblieben, außer an das Wort von Adrians Bruder Verlion zu glauben. Irgendwann aber, hatte sie sich selbst vertraut und war etwas gefolgt, was mehr Illusion als Wirklichkeit war. Ein Fehler? Zumindeset machte es den Anschein, da das darauf folgende Chaos sich sichtbar nicht mehr beherrschen ließ.

Warum sich aber weiterhin mit der Vergangenheit geißeln? Sie waren im Hier und Jetzt und ihre eigene Unachtsamkeit hatte genau das heraufbeschworen, was niemals hätte geschehen dürfen. Freya war in Gefahr und es war an ihnen allen, sie aus dieser zu holen und zurück in den Schutz der Gilde und der schwarzen Gemeinde zu bringen, ganz gleich, welche Schritte dafür notwendig waren. 


Vorerst aber waren sie noch nicht so weit, sondern standen einander gegenüber, im ewigen Kampf gegeneinander, um das Miteinander zu erreichen. 

Tanuri unternahm nicht einmal den Versuch, sich gegen die Hände zu wehren, die sie festhielten und sie in ihrer Freiheit einschränkten. Es hätte keinerlei Sinn, das zu tun, denn sie war es schließlich gewesen, die die Herausforderung aussprach und ob es ihm bewusst war oder nicht: Adrian hatte sie angenommen. 

Würde sie sich nun entwinden, wäre das ein trauriges Eingeständnis von Schwäche gewesen. Flüchten mochten andere, wenn ihnen die Worte oder die Möglichkeiten des Handelns fehlten oder sie zu feige waren, das auszusprechen, was ihnen auf der Seele brannte. Nein, sie hatte gefordert und war bereit sich der darauffolgenden Antwort zu stellen.

"Und wenn ja, warum?" Unbeirrt ob seiner dunklen Schatten, die sich über sie legten und das Licht des Morgens seiner Stärke beraubten, hielt sie der Kälte, die von ihm ausging und sich wie der tiefste Winter anfühlte, stand.
"Beantworte mir diese Frage, ohne Dich hinter der Bestimmung der Prophezeiung oder dem Schutz Freyas zu verstecken."

Auch wenn sie sich nicht entzog, war es ihr Körper, der sich merklich versteifte. Es war menschlich, ein ureigenster Instinkt, darauf getrimmt, in einer Situation die Gefahr bedeutete, sich für eine Richtung zu entscheiden, einen Weg einzuschlagen, der nur zwei Möglichkeiten bot: Tod oder Überleben. Denn es gab nur die Entscheidung für den Kampf oder die Flucht. 

In jenem Moment, als allein sein Blick sie zwang, ihn anzusehen, war es nur das Flüstern eines Gedankens, welches ganz leise und doch sehr klar zu ihr sprach. Es war wie ein sachtes Kitzeln auf ihrer Haut, das sich aber auf ihrem gesamten Körper ausbreitete und sie frösteln ließ.

Erst muss das Chaos alles zugrunde richten, damit Neues entstehen kann.

Worte aus den Lehren des einzigen Meisters, die plötzlich in aller Deutlichkeit ihren Geist durchdrangen. 
War es möglich, dass die Irrwege, falschen Entscheidungen und gegenseitig vorgeworfenen Fehler genau auf diese Weise geschehen hatten müssen?

Trat man von alledem zurück und betrachtete die Vergangenheit und die Gegenwart und daraus resultierender Zukunft frei jeglichem Egoismus und mit purer und unvoreingenommener Objektivität, konnte es dann tatsächlich sein, dass die Zerstörung auch hier ein Teil des Plans seiner dunklen Majestät war?

Waren sie gar nicht hier, um sich auf die Knie zu zwingen und übereinander zu richten, sondern vielmehr, um aufzustehen? Um sich selbst der Frage zu stellen, ob sie bereit waren zu kämpfen oder die Flucht die einzige Möglichkeit war? Und das nicht nur für die Prophezeiung, sondern zunächst ganz allein für sich selbst und das eigene Sein? 


Selbst ihr als Priesterin stand es nicht zu, Ogrimar zu hinterfragen oder an ihm zu zweifeln. Das Gegenteil war für sie eine unumstößliche Regel und jetzt, genau in diesem Moment, als das Flüstern in ihrem Kopf zu einer immer lauteren, fast schon dröhnenden Stimme der Erkenntnis anschwoll, war sie sich der Existenz und seiner steten Anwesenheit umso bewusster.

Er lenkte ihre aller Schicksale, damit der Tag kommen konnte, an welchem er die Welt nach seinen Vorstellungen neu formte. Chaos musste nicht erst über ein ganzes Land wüten, um dort Neues zu gestalten. Nein, selbst auf die kleinste Ebene heruntergebrochen, auf ein einziges Leben, vermochte es etwas zu erschaffen. 


Die Klarheit, mit der plötzlich alles vor ihr lag, nahm ihr fast den Atem und ihre Beine drohten, den festen Halt zu verlieren. Wie unumstößlich sie doch war, die Weisheit und Einzigartigkeit des einzig Wahren. Und sie war im Gegensatz dazu so blind gewesen... 

Das Schweigen hatte sich mittlerweile wie schweres Blei auf sie gelegt, war fast unerträglich, genauso wie die aufgeladene Spannung, die sich greifbar in dem Raum ausbreitete. Alles war eigentlich so einfach und gleichzeitig unendlich kompliziert. Denn die Frage, die trotzdem blieb, war am Ende jene danach, was man bereit war zu tun und zu geben. 

Wesentlich ruhiger und mit gesenkter Stimme, die auf ungewohnte Weise eine Wärme ausstrahlte und in einem harten Kontrast zu dem Geschehen stand, in welchem sie sich beide befanden, blickte Tanuri weiterhin unumwunden zu Adrian auf. Es war nicht nur der Klang ihrer Worte, der sich verändert hatte, viel mehr noch war es sie selbst. "Nicht ich bin es, die eine Entscheidung treffen muss, sondern Du." 

Kampf oder Flucht. Welche Wahl würde er treffen? 


 
~~~
Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
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auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya Chakai ~~ 
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Gesichtsloser Erzaehler
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#850

Beitrag: # 53825Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

~~Lumiel die Schattentochter~~




„Weist du was ich nicht kapier, warum zweifelst du an mir?
Ich stehe dir zur Seite und du erwartest, dass ich dich leite.
Eine liebliche Einladung in diesem Land, da liegt der Betrug doch auf der Hand.
Schau dich um und sein nicht so abartig dumm!“



Freya ließ sich locken und wollte lieber im Warmen hocken.
Etwas Essen und dabei all ihre Ziele vergessen.
Dann auch noch ein Bad, damit sie sich selbst komplett verrat.



„Sah diese alte Frau so aus, als hätte sie viel zu geben? Sowas wirst du hier nicht erleben.
Hier leben nur die verbannten, die seiner Zeit nicht rechtzeitig losrannten.
Alle haben sie nicht viel, aber Vergeltung ist ihr Ziel.
Jeder wird zu seinem Vorteil handeln, dass kannst auch du kleines Mädchen nicht wandeln.“



Das Leben hier war grausam und schwer, daher sehnten sich alle nach mehr.
Niemandem hier ging es wirklich gut und alle waren permanent auf der Hut.
Auch was Lumiel hier tat, glich in den Augen des Weltenherrschers sicher als verrat.
Sie lehnte sich auf, und nahm den Zorn des Herrschers in Kauf.  



„Vielleicht würde sie heute für dich sorgen, dich dafür aber morgen schon ermorden.
Aber offenbar willst du mir ja nicht glauben, entlocken dir meine Worte nur ein bockiges Schnauben.
Wenn du alles besser weißt, ist es wohl besser, wenn du nun alleine weiterreist.“



Die Gnomin war die vielen Zweifel leid, dabei hatte sie doch Freya befreit.
Den Blick voraus auf das Schlachters Haus, bot es zugegeben, ein wenig Graus.
Aber was hatte sie erwartet, dass hier der Heiland auf sie wartet?
Sie wollte nicht stehlen, aber begann Erbsen zu zählen?
Das Dörrfleisch wurde ebenso verschmäht, stattdessen wurde nach was Besserem gespäht.



„Wenn dir die Optionen nicht behagen, schau dort die Auslagen.
An den Maden findest du keinen Faden und kannst an ihnen nagen.
Sie bieten dir außerdem Flüssigkeit und Eiweiß
und mit etwas Fantasie, haben sie die Konsistenz von Milchreis.
Wer kann schon verwehren, ein leckeres Würmchen in Ehren?“



Freya musste sich entscheiden oder sich weiter in ihrem Selbstmitleid weiden.
Ihre Ausgangslage war nicht schön, aber langsam störte ihr Gestöhn.



„Du hast gefragt nach meinem Rat, den gab ich dir in der Tat.
Willst du nun nach höheren streben, wirst du mit den Konsequenzen leben.
Ich bin nicht der Hüter aller Güter.
Du bist deines Glückes Schmied, schreiben musst du es aber selber, deines Lebenslied.“

  





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