Doch jene Magie fiel wieder kraftlos in sich zusammen, erstarb, als jenes Tier seine kleinen feinen Tentakel in die Haut ihres Nackens versenkte. Ihre Arme fielen schlaf an ihrem Oberkörper hinab und ihr Kinn sank auf ihren Brustkorb. Noch kurz zuvor so voller abweisender Kälte, war der Ausdruck auf ihren halb geschlossenen Augen plötzlich leer und fast schon Nichtssagend.
Alles um sie herum war ein einziger dicker Schleier, Nebel, der ihren Geist einfing und es nicht zuließ, von Wirklichkeit und Trug zu unterscheiden. Sie war noch immer da, sie spürte sich und doch war es, als hätte sie für diesen kleinen Moment ihren Körper verlassen und wäre nur ein Zuschauer ihrer selbst.
Angenehm still, war es in ihrem Kopf geworden. Hatte sie doch sonst immer und immer wieder diese unsägliche Aufgabe, allen entgegen treten zu müssen, die richtigen Worte zu wählen, nicht angreifbar zu werden. Stets diese Maske der Unnahbarkeit, Gefühlskälte und Gleichgültigkeit, gegenüber all jenen, die ihr vielleicht tatsächlich etwas bedeuteten, aufzusetzen.
Aber jetzt, jetzt war da nichts. Einfach nur eine allumfassende Ruhe. Sie hätte sich daran gewöhnen, sich ihr hingeben und sich von ihr leiten lassen können. Es war schon fast zu reizvoll, als dass sie sich dem widersetzen wollte.
Vergessen war der Schmerz, der sich ihres Körpers in der letzten Zeit ständig bemächtigt hatte und ihr nach und nach die Macht über sich selbst raubte.
Vergessen, wer sie war und wer ihr hier gegenüberstand und warum er sie aufgesucht hatte.
Sie nahm ihn nicht mehr wahr, sondern fühlte einzig und allein die feinen Schlingen, die sich trügerisch angenehm um ihren Geist schlangen. Dünne feine Linien, die ihn einnahmen und sich ihren Weg dorthin suchten, wo sie sich verborgen und unentdeckt niederlassen konnten bis zu jenem Tag, an dem sie ihren Zweck erfüllen sollten.
Vielleicht wäre es ein Leichtes für sie gewesen, sich dagegen zu wehren. Sie hätte nur ihre Hand erheben müssen, an ihren Nacken greifen und dieses Ding mit einem Ruck von sich schleudern. Und doch… sie konnte es nicht. Denn sie begann zu hören, welche süßen Worte es in ihren Geist flüsterte, kleine undeutliche Versprechen.
Es gab ihr für jenen Moment das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Versprechen, welche so verlockend wie auch gefährlich waren.
Wir sind eins.
Vielleicht lag es auch einfach daran, dass das, was in ihrem Körper wohnte, ihr zu viel der Stärke geraubt hatte. Zu viel der physischen, als auch der psychischen Kraft, mit derer sie sich eigentlich gegen alles und jeden zu wehren versuchte. Oder es war doch einfach nur diese warme Stille, die ihr versprochen wurde und welche sie nur allzu dankbar annehmen wollte.
Was auch immer es war, was sie daran hinderte, gegen dieses Ding aufzubegehren, es überlagerte ihre Vernunft und jeglichen klaren Gedanken.
Was für ein tröstlicher Gedanke.
Und dann lichtete sich der Nebel. Tanuri begann verwirrt zu blinzeln, fand wieder zurück in das hier und jetzt. Sie sah hinab zu ihren Händen, fühlte wie das Leben in sie zurückkehrte. Wie die wärmende und schützende Ruhe von ihr wich und der berechnenden Kälte in ihrem Geist Platz machte.
Vergessen waren die Worte, die Landru, kurz bevor er das Tier nach ihr warf, gesprochen hatte.
Vergessen war das Gefühl, welches sich nur wenige Augenblicke zuvor in ihr breit gemacht hatte. Wie ausgelöscht und doch pochte etwas in ihrem Unterbewusstsein, was sie daran zu erinnern versuchte, dass etwas nicht stimmte, dass etwas geschehen war. Doch was war es? Sie versuchte danach zu fassen, es einzufangen, aber immer wieder griff sie ins Leere. Hatte sie nicht gerade noch zum Fenster in die Nacht hinausgeblickt?
Wieso stand sie nun wieder Landru gegenüber? Sie wollte sich ihre Verwirrung nicht anmerken lassen und schon gleich gar nicht diese plötzlich aufkeimende Angst, dass sie langsam aber sicher die Kontrolle, über das was mit ihr geschah, verlor.
So schluckte sie alle Unsicherheit hinunter und heftete ihre Augen wieder fest auf Landru. Ihre Arme verschränkte sie vor der Brust und bedachte ihn mit einem abweisenden Blick. Leicht erhob sie eine ihrer Augenbrauen und sprach frostig: „Nun, sollte Euch mein Angebot zusagen, so werde ich darüber nachdenken, ob ich Euch gewähren lasse… oder eben nicht.“ Ein höhnisches Lächeln blitzte abschließend zu ihren Worten auf ihren Mundwinkeln auf.