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Adrian
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#1476

Beitrag: # 55089Beitrag Adrian »

Adrian spürte den dumpfen Aufprall von Naheniels Faust gegen seinen Wangenknochen. Ein harter Schlag, roh und gnadenlos, der seinen Kopf zur Seite riss. Ein scharfer Schmerz, der bis in seine Schläfen nachhallte.

Blut rann warm über seine Lippen, der metallische Geschmack mischte sich mit der eisigen Luft des Tages. Überrascht Adrian taumelte einen Schritt zurück, fing sich jedoch sofort wieder. Tief atmete er ein, ließ den Schmerz durch sich hindurchfluten, nahm ihn an und wandelte ihn in etwas Reines, etwas Gefährliches.

Seine Züge blieben ruhig, nur das sachte Heben einer Braue verriet seine Reaktion, dem ein schiefes fast schon erheitertes Zucken in seinen Mundwinkeln folgte.

Naheniel wollte ihn provozieren und herausfordern?

Mit einer beiläufigen Bewegung wischte er das Blut mit dem Handrücken von der Nase, während seine Zunge es von der Lippe fischte.

Sein verdunkelter Blick blieb jedoch wachsam auf Naheniel gerichtet. Kein Zucken, kein Zeichen von Unsicherheit. Nur eine unerschütterliche Entschlossenheit, tief verwurzelt in der Finsternis, die ihn umgab und deren Aura nicht nur mehr Gewicht nahm, sondern sich regelrecht ausweitete und die Schatten um sie herum verdunkelte.

„Du redest zu viel.“ Seine beherrschte Stimme war von eisiger Kälte getränkt, die bereits seine nächste Reaktion zu erwarten schien.

Ein Angriff, mit dem er rechnete. Naheniels Schatten zogen sich zusammen, ein leises Zischen erfüllte die Luft, als sie sich zu einem tödlichen, magischen Geschoss formten. Manifestierte Dunkelheit, deren Berührung nicht nur schmerzhaft war, sondern das Blut in den Adern gefrieren lassen würde, während sie Leben und Seele verschlang.

Adrian bewegte sich allerdings nicht. Er stand ruhig da, als hätte er alles unter Kontrolle. Nur die Schultern des Magiers zeigten eine Anspannung. Eine Konzentration, mit der er sein gegenüber ganz genau fixiert hielt, um erst im allerletzten Moment seine Hand gebieterisch zu erheben.

Die Finsternis war kalt, doch sie war ihm nicht fremd. Mit einer bedächtigen Bewegung strich sie an seinen Finger entlang. Eine schwarze Leere, die unmittelbar zitternd erstarrte, als wäre sie sich nicht mehr sicher, ob sie ihn überhaupt berühren durfte.

„Ist das alles, alter Freund?“

Beherrscht drehte er seine Hand, während das Echo der Magie im Kampf um die Herrschaft die Luft erfüllte. Eine Finsternis, die wie ein Schatten das Blau seiner Augen überlagerte, ehe er nach ihr griff. Keine hastige, panische Abwehr, sondern eine fordernde Geste. Langsam nur formte Adrian eine Faust.

„Dein Fehler, Naheniel, ist es, dass du deine eigenen nicht erkennst und aus ihnen lernst.“

Die Schatten, die sich um seine Finger geschlungen hatten, bebten unter dem Druck, bevor sie sich unter seinem Willen in feine Rauchschwaden auflösten. Fast beiläufig ließ er die letzten Spuren davon durch seine Finger rieseln, als wären sie nicht mehr als Staub im Wind.

Wie kleine Fäden aus Schatten fielen sie ins Gras. Beinahe unbedeutend, doch jede Berührung hinterließ ein Zeugnis von Vergänglichkeit im Schnee auf dem Gras und dem zuvor kämpferischen Grün, das gnadenlos verwelkte und verging.

„Du überschätzt dich, Naheniel.“ Seine Stimme war ruhig. Keine Spur von Wut, keine unnötige Erregung. Nur eine Kälte, die jedes Licht erstickte. „Du denkst also, du wärst erwählt? Etwas, das du deinen Schöpfungen als Wahrheit verkaufen kannst. Aber nur zu, beweise es mir.“

Er ballte erneut die Faust—diesmal nicht nur als Geste, sondern als Anker für die Macht, die in ihm erwachte. Die Luft begann zu flimmern, ein kaum wahrnehmbares Vibrieren, das sich wie eine Welle ausbreitete. Es war keine Hitze, sondern die Ankündigung von etwas Unvermeidlichem.

„Immerhin war das dann doch sicherlich noch nicht wirklich alles, was du zu bieten hast oder?“

Schatten krochen an seinen Fingern entlang, zogen sich unter seine Haut, pulsierten mit seinem Atem. Doch es war keine fremde Dunkelheit, die er sich nahm—nein, es war seine eigene. Eine Kraft, tief in ihm verwurzelt, geboren aus etwas, das jenseits der menschlichen Vorstellungskraft lag.

„Bringen wir es zu Ende.“ Adrians Augen funkelten, ein dunkles, bodenloses Leuchten, das die Schatten in seiner Hand widerspiegelte. Mit einer fließenden Bewegung schleuderte er seine eigene Finsternis auf Naheniel. Es war kein einfacher Angriff. Es war eine Antwort. Eine Antwort auf alles, was zwischen ihnen stand.
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Syndra
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Beiträge: 139
Registriert: Fr 27. Mär 2020, 20:37

#1477

Beitrag: # 55091Beitrag Syndra »

Taverne von Sturmkante

Naheniel hatte ihr die Entscheidung überlassen, ob sie Stellan vertrauen wollte oder nicht. Doch gerade die Tatsache, dass er sich in dieser Hinsicht – und insbesondere nach seinem eigenen Attentat – weder für noch gegen seinen Vater ausgesprochen hatte, war eine Aussage für sich, die dahingehend wegweisend war.


Syndra hatte daher ihre Wahl vorerst getroffen. Ob sich diese als klug erweisen würde, würde die Zeit zeigen. Nach den Vorkommnissen innerhalb der Legion war es jedoch wohl weit weniger riskant, wenn der Großvater des Halbbluts sich eine Zeit lang ihrer annahm, als wenn sie mitten im Geschehen verweilte. Insbesondere, da sie selbst sich anderen Aufgaben zuwenden musste, nachdem Tanuri zurückgekehrt war. Inwiefern die Priesterin Einspruch erheben würde, lag dabei allerdings nicht in ihrem Einflussbereich, doch sie zweifelte nicht daran, dass Stellan in der Lage war, seine Tochter zu überzeugen, falls es nötig wurde.

Ein kühler, frischer Luftzug wirbelte durch die Taverne und brachte die abgestandene Wärme im Inneren zum Flackern. Eine Mischung aus Alkohol, Schweiß und einem Potpourri von Essensgerüchen, die im selben Atemzug Syndra ungefiltert entgegenschlugen.

Wie einladend es doch war. Kaum merklich kräuselte sich ihre Nase unter der Kapuze, deren dunkler Stoff vom feinen Schimmer frisch gefallener Schneeflocken überzogen war. Ein kaum hörbarer Atemzug verließ ihre Lippen, bevor ihr verborgener Blick über den Schankraum glitt, um jede Einzelheit sorgfältig zu taxieren.

Die Taverne war überschaubar gefüllt. Einfache Bürger, einige raue Gestalten und Wachen des Fürsten. Niemand, der es wert gewesen wäre, ihn auch nur einen Herzschlag länger zu mustern. Nur die Krüge, randvoll mit Met, schienen hier für die meisten von Bedeutung zu sein – wenn man der vielsagenden Akustik einiger Gespräche Glauben schenkte.

Syndra ließ den Blick darüber hinwegfahren, doch weckte nichts ihre Aufmerksamkeit oder ließ jene länger darauf verweilen. Brot und Spiele für die Massen. Ein einfaches Leben, das jenen offenbar genügte. Doch sie war nicht hier, um sich mit Belanglosigkeiten aufzuhalten.

Es waren andere, sie würde es Gründe nennen. Obwohl ihr Gesicht blieben ihre Augen an einer einzelnen Gestalt haften. Ein kaum sichtbares Lächeln spielte um ihre Mundwinkel, als sie den Mann an einem der Tische betrachtete. Eine Hand ruhte auf einem Gehstock – fast wie ein Zeichen der Erkennbarkeit, ein stummer Hinweis auf seine Identität.

Mit eleganten, lautlosen Schritten bewegte sich Syndra durch den Raum, ihre Gestalt kaum mehr als ein flüchtiger Schatten zwischen den Anwesenden. Vielleicht spürte jener ihr Nahen bereits. Dieses Kribbeln, das sich im Nacken legte, ein ungreifbarer Schauer, der über die Haut strich, wenn man sich beobachtet fühlte. Vielleicht aber auch nicht, wie sie feststellte, als sie beobachtete, wie Stellans Hand über der Kerzenflamme ruhte.

„Wenn es nicht existiert, müsst Ihr es auch nicht ignorieren.“ Ihre Worte waren leise, doch sie durchdrangen die Umgebungsgeräusche mühelos. Ein signifikantes Lächeln schwang darin mit, als sie an Stellan vorbei den Tisch umrundete.

Mit einer mühelosen Selbstverständlichkeit legten sich ihre in schwarzes Leder gehüllten Hände auf die Lehne eines Stuhls, während ihr Blick ihn mit kühler, unaufdringlicher Eindringlichkeit musterte und maß, um festzustellen, dass Naheniels Vater sich ausgiebig erholt hatte. Nicht viel deutete auf eine Form von Gebrechlichkeit hin. Im Gegenteil, seine strengen Züge wirkten geklärt und von einer deutlichen Härte, die er kaum zu leugnen an seine Kinder vererbt hatte.

„Verzeiht, ich wollte nicht lauschen.“ Ihre Stimme war eine makellose Balance aus zurückhaltender Höflichkeit und der unüberhörbaren Spur von Selbstgewissheit. Ein angedeutetes Nicken untermalte ihre Worte mit gezielter Präzision, bevor sie den letzten Satz mit geschmeidiger Eleganz hinzufügte: „Lord var Aesir, Ihr erlaubt?“
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Wir können zwar das Blut nicht leugnen, aber es ist an jedem selbst zu entscheiden, wie viel Macht man diesem gewährt, die Gegenwart noch zu beeinflussen. ~
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Stellan
Bauer / Bäuerin
Beiträge: 49
Registriert: Mo 5. Dez 2022, 16:26

#1478

Beitrag: # 55094Beitrag Stellan »

Taverne zu Sturmkante

Er mahnte sich scheltend, nächstesmal noch bedachter zu sein, nicht laut zu reden. Der Geist hörte ihn auch so ohne Stimme. Doch wenn etwas so real schien, so greifbar, dann neigte der genereische Mensch tatsächlich einfach es als Realität anzuerkennen, selbst wenn ihm im nächsten Moment klar wird, dass dem nicht so war. Dann waren oft Worte schon gesprochen. Als er die Magierin erblickte zuckte leicht der Mundwinkel. Von seinem unfreiwilligen Besuch in der Legion war sie eine äußerst angenehme Gesprächspartnerin gewesen. Zumindest in den Vergleichen die er ziehen konnte und sah man davon ab, dass seine Tochter nicht ansprechbar gewesen war. Er hatte sich durch diesen Aufenthalt zum größten Teil bestätigt gefühlt, dass Bauten und Schöpfungen nicht der Sache gerecht werden können. Nicht wenn sie von Menschen und nicht Göttern geschaffen wurden. Vermutlich zierte auch daher kein Wappen außer das der Familie seine Brust. Eine Hand zeigt mit der Handfläche nach oben auf den Stuhl ihm gegenüber, mit einem Nicken bestätigte er die Einladung zusätzlich. "Stimmt. Es wäre einem nicht bewusst, dass es da ist oder? Die Nicht-Existenz. Womit wir bei Gedankenspielen wären die manchen überfordert in diesem Raum." Einfache Handwerker, Bauern und Gesinde wird sich kaum mit hoch philosophischen Themen auseinander setzen. "Ich sehe euch also existiert ihr für mich und ich werde euch nicht ignorieren." Meinte er mit einem leichten zucken des Mundwinkels.

Er hob einen winzigen Moment die Schultern. "Ihr wolltet nicht lauschen, dabei ist die Taverne der perfekte Ort dafür. Für die einen ist es der Ausklang eines arbeitsreichen Tages, aber für mich ist es ein Ort der Information und des Lauschens. Also ihr braucht euch nicht entschuldigen." Er parkte beide Hände wieder auf dem Gehstock und musterte sie aufmerksam. "Wie ist der Stand der Dinge, wenn ich so fragen darf?" Er fragte nicht, wie geht es meinen Kindern? Oder wie läuft in der Legion? Nein er fragte nach ziemlich trockenen Fakten und schien mit seiner Frage auch weniger auf die Kinder als auf den allgemeinen Umstand der Situation abzuzielen.

"Ich gehe nicht davon aus das Freya aufgetaucht ist. Das hätte selbst ich am anderen Ende der Welt vermutlich mitbekommen." Was heißt es hat sich - zumindest für seine Augen - nichts bewegt. Das dies nicht so war ist klar, aber für ihn war schlicht nichts passiert.
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Das Chaos wird entbrennen und aus diesem die ewige Dunkelheit geboren.
Und dann, wenn das Heer des Meisters sich erhebt, wird niemand ihm noch widerstehen können.
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Naheniel
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#1479

Beitrag: # 55095Beitrag Naheniel »

Naheniel beobachtete und hörte.
Nicht auf die Worte, die sein einstiger Kumpan zu sagen hatte, sondern darauf, wie sich der Klang der Schatten ausbreitete. Die Dunkelheit war nicht nur still, sondern sie konnte unterschiedliche Klänge annehmen, entsprechend dem, wofür sie gerufen und benutzt wurde.
Und gerade jetzt war es ein gleichmäßiges Summen, das sich durch kühle Winterluft zog, doch als die Schwärze auf ihn traf, wurde sie mit einem Mal ruhig. 

 
Schwer drängte sie sich an ihn, schob ihn nach hinten, so dass er zurückweichen musste. Mit dunklen Fäden umschlang sie ihn, wurde dichter und dichter, verdrehten und verknoteten sich ineinander und engten ihn spürbar ein.
Zunächst kaum bemerkbar, dann immer stärker fühlte er ein Brennen, nachdem die von Adrian befohlene Finsternis sich durch das Gewebe seiner Kleidung geschlichen hatte. Feine Härchen wuchsen aus den schattenhaften Tentakeln und stachen in seine Haut, um dort ihr Gift zu hinterlassen. 

 
Missgestimmt drang ein tiefes Knurren aus seiner Kehle und er kniff seine Augen zusammen, während er darauf konzentriert war, dem Schmerz keine Macht über sich zu geben. "Wie nett." 
 
Nur kurz gab er sich Zeit, um sich zu sammeln, bevor seine Finger nach den feinen Strängen griffen, die sich von seiner Brust über seine Arme bis hin zu seinem Rücken wanden. Es war riskant, in bereits entfaltete Magie einzugreifen. Sie war unberechenbar, widerspenstig und hungrig nach Zerstörung.
Schneller als einem lieb war, konnte sie alles in sich einverleiben, gleich einem schwarzen Loch. Oder aber in einem unkontrollierten Ausbruch alles um sich herum zu Asche zu verbrennen. 


Mit sichtlicher Anstrengung und zitternder Hand riss er den Schatten von sich und schrie dröhnend auf, als die in seiner Haut verhakten Härchen sich wieder lösten.
"Das tat weh."
Deutlich war der Zynismus in seiner Stimme zu hören, bevor er das schlängelnde Dunkel in seiner Hand achtlos zu Boden warf, wo es in der Erde versickerte. 

 
Langsam hob er dann seine Braue und betrachtete Adrian, der von wabernder Finsternis flankiert wurde. "Beschwer Dich später nicht, dass Du nicht vor dem, worauf Du Dich einlässt, gewarnt wurdest." 
 
Mit einer Bewegung seiner Hand ließ er den nächsten Zauber in seiner Hand entstehen. Doch anstatt ihn direkt gegen seinen Gegner zu richten, zeigte er ein von Selbstgefälligkeit erfreutes Lächeln und schmetterte ihn im nächsten Moment mit einem gezielten Schwung auf seine Schwester.
Ein grünlicher Fluch legte sich wie ein feiner, dampfender Nebel um ihren Körper, fesselte sie in seiner Umklammerung und erstickte jede Spur ihrer heilenden Lichtmagie, bevor sie davon überhaupt etwas wirken konnte, um Adrian damit zu helfen. 

 
"Nun gut." Der Hauch von Belustigung war hörbar in seiner Stimme zu erkennen, als er wieder sprach.
"Jetzt haben wir gleiche Bedingungen. Nur Du und ich."

 
Das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter und das Schwarz, welches seine Augen färbte, tiefer, bevor er seine Arme von sich streckte, zu beiden Seiten in das Nichts fasste und sich aus dieser Schlieren der Schatten holte, um diese in seinen Händen zu formen.
Mit spielerischer Leichtigkeit ließ er die Magie in seinen Fingern tanzen, formte sie nach seinem Willen, bis sie eine greifbare Gestalt annahm. Dann, als er genug finstere Macht gesammelt hatte, riss er sie mit einer ruckartigen Bewegung entzwei und schleuderte den ersten Teil der dunklen Masse auf Adrian.
Nur um unmittelbar danach die zweite folgen zu lassen. 

 
 
 

 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Syndra
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#1480

Beitrag: # 55105Beitrag Syndra »

Taverne von Sturmkante

„Es wäre unhöflich und respektlos, stünde es in meiner - “ Das Lächeln, das ihre Lippen umspielte, war makellos – eine auferlegte Geste, so perfekt wie vielsagend. Immerhin war auch geflüstertes Wissen etwas, das man sich aneignete. Was man daraus machte, war eine ganz andere Frage. Oder nicht? Während sie die Kapuze zurückstrich, entblößte sich das kühle Blau ihrer Augen, das für einen Herzschlag auf Stellan verweilte – ein Blick, in dem sich ein kaum merkliches Funkeln widerspiegelte, während sie ihren Gedanken vollendete „- Absicht.“

Der Einladung folgend zog Syndra den Stuhl zurück, nur um sich mit geschmeidiger Anmut gegenüber von Stellan niederzulassen, ehe ihre Augen kurz zu Iraoul hinaufglitten.

„Ein Glas Wein.“ Die Bestellung kam mit einer Selbstverständlichkeit über ihre Lippen, die keinerlei Raum für Einwände ließ – als wäre es eine schlichte Tatsache, dass ihr Wunsch erfüllt wurde, sodass sie nahtlos die Worte Stellans wieder aufgriff.

„Ihr täuscht Euch nicht. Es ist alles unverändert.“ Ihr Kopf neigte sich leicht von einer Seite zur anderen, während sie eine mühelos elegante, zugleich jedoch gelassene Haltung einnahm. Viel konnte sie ihm nicht erzählen. Stellan war sich vermutlich selbst darüber im Klaren, dass die Legion sie nur das wissen ließ, was sie wissen sollte. Erheiternd, wie sehr jeder darum bemüht war sie auf eine Weise einzubinden, um sie nach den Plänen Naheniels auszufragen, aber man gleichzeitig wie einen Spion beäugte.

Sollte es ihr nahegehen? Bitte nein, sie wären dumm, wäre es anders. Allerdings blieb nicht immer alles so verborgen, wie man es sich gerne wünschte. Immerhin plauderte die fleißige Dienerschaft in den Fluren wesentlich offener und sie wusste ihren weniger streng beäugten Diener, der schließlich nicht das Bett mit Naheniel teilte, in deren Mitte gut platziert.

Einen Moment lang verengten sich ihre Augen leicht, als sie über die anderen Tische hinwegblickte, als prüfe sie die Aufmerksamkeit der anderen Gäste, ehe sie weitersprach.

„Nun ja, bis auf das winzige Detail, dass den Gerüchten nach auch der weiße Priester nach dem Mädchen sucht. Aber ich denke, Eure Tochter wird darauf ein wachsames Auge haben, sofern sie körperlich wie geistig anwesend ist.“ Beinahe beiläufig entledigte die junge Magierin sich ihrer Handschuhe, während sie ihre Worte in einem gesenkten Plauderton äußerte, als wäre es weder von Relevanz noch sonderlich überraschend.

Wo genau Tanuri gewesen war, hatte sie bisher noch nicht erfahren. Aber war es nicht bemerkenswert, wie oft sie einfach verschwand? Untertauchte? Verloren? Verschleppt? So viele Synonyme, für eine brillierende Abwesenheit, wobei sich doch die Frage stellte, welches diese Umstände am treffendsten beschreiben sollte. Es anzumerken war jedoch nicht von Bedeutung, da Stellan selbst darüber bereits einen Kommentar in ihrem Zimmer abgegeben hatte. Unter einem kurzen vielsagenden Lächeln, benetzte Syndra sich kurz ihre Lippen, bevor sie sich entschloss, fortzufahren.

„Naheniel ist noch nicht zurück. Nach dem Vorfall gab es jedoch keine weiteren Anomalien oder Vorkommnisse.“ Bewusst setzte sie eine dezente Pause, nur um den Blick des Hüters zu kreuzen. Ob es bedeutete, dass sich Naheniel darum gekümmert hatte oder nicht, war dabei nicht die Frage.  Genauso wenig wie das Wie. Oder?
Keiner von ihnen hegte daran vermutlich einen Zweifel? Nicht wahr? Musternd taxierte Syndra die Züge des einstigen Hüters, während sie sich eine verirrte dunkle Strähne aus dem Gesicht strich. Auch wenn Naheniel seinem Vater nicht vertraute, gab es hierbei sicherlich auch die Option, dass er dennoch mehr wusste, ohne es vorerst selbst zum Ausdruck zu bringen.

Elegant hob sie eine Augenbraue an, bevor sie mit einer kalkulierten Überzeugung das Gespräch vorerst in eine andere Richtung lenkte. „Nichts, das Euch von Euren Plänen abhalten sollten – und auch kein weiterer Sand.“

Etwas, das nicht existieren sollte und doch nicht zu ignorieren war. Davon gab es mehr als genug, wenn man genau hinsah oder zuhörte.

Syndra wusste, dass der Begriff Unmöglichkeit oder Nicht-Existenz nur eine Grenze beschrieb, die man sich selbst im Denken setzte. Ganz genau wie ein Zufall lediglich einen Umstand darstellte, für den man keine Erklärung fand.

„Ihr würdet es merken. -?“ Ein leiser Unterton in ihrer Stimme – höfliches Interesse, das ebenso gut eine Feststellung sein konnte. Die Möglichkeit, dass er es tatsächlich könnte, war nicht auszuschließen. Dass einige Mächte am Werk waren, die sie noch nicht verstand, war ihr bewusst. Immerhin hatte Freya Naheniel verwundet, ohne in seiner direkten Nähe gewesen zu sein. Andererseits konnte er auch das Getratsche in den Gassen meinen, das durchaus auch immer wieder den Namen der Adeptin flüsterte.

Bisher wusste sie nicht viel über den Vater Naheniels geschweige denn was genau alles mit dem Goldkind in Verbindung stand. Nur, dass einige es händeringend wollten und das Mädchen möglicherweise in Verbindung mit einer unvorstellbaren Macht gebracht wurde. Es war nicht höflich, aber nur ein Tölpel würde bei solchen Gesprächen weghören, insbesondere, wenn so viele darum bemüht schienen, ein Geheimnis zu machen.

„Dann brauche ich Euch also nicht zu informieren, sollte es in der Hinsicht eine Veränderung geben?“ Ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihre Lippen, während ihr Blick sich einen Moment auf Stellans Hand senkte – dieselbe, die zuvor über der Flamme geschwebt hatte. Faszinierend, dass es einige Gemeinsamkeiten zwischen dem Bastard und ihm gab, die nicht nur das Feuer, sondern auch das Flüstern in die Leere betraf.

Für den Bruchteil eines Augenblicks verengten sich ihre Augen minimal. Die kleine Kerzenflamme spiegelte sich schimmernd wie ungebändigt in ihren Augen wider, ehe sie mit bedächtiger Leichtigkeit sprach. „Nymerias Taschen sind gepackt.“

Nur ein Hauch von Bedeutung lag in ihren Worten, während sie sich unter einem eleganten Wimpernschlag wieder auf Stellan konzentrierte. „Habt Ihr bereits ein erstes Ziel vor Augen?“
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-Freya-
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#1481

Beitrag: # 55106Beitrag -Freya- »

Freya fehlten noch immer die Worte. Es fühlte sich an, als würde sie von innen heraus zerbrechen, als wären ihre Gedanken nur noch Scherben eines Ganzen, das es nicht mehr gab. War irgendetwas in ihr noch heil? Oder war sie längst in zahllose Fragmente zersplittert, die sich nie wieder zu einem vollständigen Bild zusammensetzen ließen?

Ihre Augen wanderten über die glänzenden Scherben, die verstreut auf dem Boden lagen. Das Licht, das durch die hohen Fenster fiel, brach sich darin und warf tanzende Reflexionen an die Wände, als wollten die Splitter sie verspotten – kleine, verzerrte Abbilder ihrer Gemächer, ihrer selbst, dieser Welt. Was war wirklich und was nicht? 

Haya plapperte irgendwo im Hintergrund. Ihre Stimme war ein entferntes Echo, das an Freya vorbeizog wie Wind, der durch leere Gassen wehte. Vielleicht sollte sie ihr antworten. Vielleicht erwartete man eine Erklärung von ihr. Aber warum nach Erklärungen suchen, wenn niemand sie hören wollte?

Natürlich würde der Prinz enttäuscht sein. Ganz sicher. Er war großzügig gewesen und sie gedankenlos und unvorsichtig. Wahrscheinlich würde er sie nach dem Fest sowieso für wahnsinnig erklären. Wer konnte es ihm verübeln? Vielleicht war sie es ja wirklich. Sie hörte diese Stimmen, sah die Bilder und es gab niemanden mit dem sie darüber reden oder den sie um Hilfe bitten konnte. Sie war allein.

Ihr Blick fiel auf eine größere Scherbe, in der sich ihr eigenes Gesicht spiegelte – blass, mit dunklen Ringen unter den Augen und farblosen Lippen. Doch es waren ihre Augen, ihr Blick. Tiefblau, so wie immer, und doch verloren. Leer.

Ein Zittern ging durch ihre Finger, als sie sachte über die scharfe Kante strich. Ein schwacher Schmerz, kaum mehr als eine Berührung, aber er war echt. Anders als all die Fragen in ihrem Kopf.

Das Frühstück, das Haya auf den Tisch gestellt und zurückgelassen hatte, beachtete sie kaum. Der Duft von warmem Brot und süßen Früchten hing in der Luft, doch ihr Magen zog sich nur noch mehr zusammen. Hunger? Nein. Ihr Körper verlangte nichts außer Luft, nichts außer diesem einen Moment der Stille, in dem sie sich nicht mit der Realität auseinandersetzen musste.

Vorsichtig legte sie die Scherbe beiseite, nahm das feine Tuch und den Schleier, drapierte ihn so gut es ging – doch war Freya dabei gezwungen in den Spiegel zu sehen, um jedes Haar ordentlich verschwinden zu lassen. 

In jeder kleinen und großen Facette sah sie sich selbst, mehrfach, gebrochen. Als hätte sie sich vervielfältigt, ohne dass eine dieser Versionen wirklich sie war. Immer wieder versuchte sie sich nur auf ihre Handgriffe zu konzentrieren ohne einen Gedanken schweifen zu lassen, dass im nächsten Augenblick wieder eine Stimme die Stille durchbrechen könnte. Nein sie waren nicht da. Niemand war hier, nur sie allein.

Ein leises Seufzen entrang sich ihren Lippen, bevor sie den Blick endlich abwandte. Ihre Finger umschlossen das kleine Bruchstück erneut, diesmal fester, als wolle sie sich an dieser winzigen, greifbaren Realität festhalten.

Langsam und bedacht trat sie hinaus auf den Balkon, nur um sich von dem warmen Wind umspielen zu lassen, unter dem die zarten oberen Lagen ihres bodenlangen Kleides auftanzten.

Die frische Luft strich kühl über ihre Wangen, ließ eine Gänsehaut über ihre Arme wandern. Tief sog sie den Wind ein, als könnte sie sich damit selbst wieder zusammensetzen. Ein Hauch von Freiheit, den sie in sich aufsog. Wer wusste schon, ob dieser jemand, den Haya holte, wirklich helfen konnte oder ob man sie nicht vielleicht doch im nächsten Moment als Wahnsinnige oder Hexe hinter irgendwelchen Mauern einsperren würde. Es war gleich, was sie tat oder nicht, sie schaffte es immer wieder jeden gegen sich aufzubringen und jede Gelegenheit, die vor ihr lag vollständig zu vermasseln.
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Adrian
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#1482

Beitrag: # 55108Beitrag Adrian »

Adrian behielt bei jeder Bewegung Naheniels im Auge. Jede noch so winzige Regung. Sie waren einst Brüder im Kampf gewesen und er wusste sehr genau, dass er ihn in keiner Weise unterschätzen durfte.
Mit einer schnellen Bewegung parierte Adrian unmittelbar die erste Salve und ließ Dunkelheit in seiner Hand aufflammen, als Naheniels Magie gegen seine eigene prallte—zwei Mächte, die sich in der Luft schemenhaft verkeilten und sich zu einer Düsternis zusammenzogen, bevor sie sich gegenseitig auslöschten und zu Rauch zerfielen.

„Ich sagte, du sollst sie daraus halten.“ Die Düsternis seiner Stimme war noch nicht verhallt, als die zweite Salve ihn unbarmherzig traf. Eine verzweigte Masse aus purer Finsternis durchbrach den Moment, als er selbst zum Gegenschlag ausholen wollte. Adrian sah sie kommen, konnte fühlen, wie sie durch die Luft schnitt, ein Riss aus unerbittlicher Schwärze, der er jedoch nicht schnell genug ausweichen konnte.

Mit voller Intensität traf ihn der dunkle Zauber. Der Aufprall ließ ihn nach hinten schleudern, seine Stiefel rutschten über den gefrorenen Boden, während sich der Zauber um ihn legte. Gnadenlos durchdrang er seine Verteidigung und umklammerte ihn mit einer kalten, erbarmungslosen Macht. Wie eine lebendige Masse schlang sich der Schatten um seine Brust, grub sich in seine Haut, brannte wie ätzende Galle, die sich durch sein Fleisch fraß. Ein schneidender Schmerz zog durch seine Glieder, ließ seine Muskeln erbeben.

Ein heiseres Keuchen entkam seinen Lippen, als er in die Knie sackte. Eine düstere Verderbnis krallte sich in seine Haut, versuchte, ihn zu verschlingen. Ein einzelner Moment zwischen Schmerz und brennender Wut, in dem er es spürte - etwas Dunkles, das in ihm lauerte, gierig, ungeduldig. Etwas, das bereit war, entfesselt zu werden.

Adrian atmete tief ein, während etwas in ihm gleichzeitig losließ, als er den Kopf hob. Seine Augen, die zuvor noch von menschlicher Klarheit durchzogen, wurden nun von einem bodenlosen Schwarz verschluckt. Seine Lippen verzogen sich zu einem verzerrten Lächeln—kein Zeichen von Amüsement, sondern ein Ausdruck reiner Finsternis, die durch seine Adern pulsierte. „Na bitte, du hast dazu gelernt. Aber das reicht noch lange nicht, alter Freund.“

Mit einem Beben, das durch die Schatten jagte, zerriss er die Fäden aus Dunkelheit um sich herum mit bloßer Willenskraft. Dunkle Silhouetten stoben in alle Richtungen davon, als hätten sie Angst vor ihm. Doch jene, die sich in seine Haut gebohrt hatten, sickerten tiefer in ihn hinein und ließen sich nicht mehr vertreiben.

Feinste schwarze Zeichnungen breiteten sich über seine Arme aus, wie Spinnweben, die unter der Haut wuchsen. Er spürte das Kribbeln in seinen Fingern und ein Brennen in seinem Inneren, das mehr war, als Schmerz. Ein Hass, der ihn verzehrte.

„Du hast es so gewollt." Adrians Stimme klang tiefer, dunkler. Keine Spur mehr von der Gelassenheit, die er zuvor bewahrt hatte.

Ein einzelner Schritt ließ ihn unmittelbar aus dem Nichts heraus direkt hinter Naheniel auftauchen ließ, als wäre er dessen Schatten. Ohne Vorwarnung riss er ihn herum, während sich unter seinen Fingern die Dunkelheit in Naheniels Fleisch brennen sollte. Eine Finsternis, die sich in ihn hineinfressen, ihn schwächte, ihm das Leben aussaugen sollte.

„Spürst du es jetzt?" Adrians Griff wurde fester, während seine Brauen sich mit gespieltem Bedauern in der Stirn zusammenschoben, nur um das eisige Zucken seiner Mundwinkel umso abschätziger wirken zu lassen.

Sein eigener Schatten begann, sich um ihn zu winden, als würde er leben. Er war nicht mehr nur sein Werkzeug, sondern sein Atem, sein Wille. Er packte Naheniel fester und zog ihn näher, sodass der unheilvolle Unterton in seinem Flüstern unüberhörbar war. „Ich werde dich zerbrechen."

Der Schatten entfesselte sich in einem Druck der Naheniel zurückstoßen sollte. Ein eisiger Herzschlag in dem Adrian gleichzeitig einen Schritt auf ihn zumachte, während sich aus dem Schatten heraus, der ihn begleitete, schemenhaft eine düstere Klinge heraus manifestierte. „Das, mein Freund, ist dein Ende."
 
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Tanuri
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Registriert: Sa 30. Dez 2017, 09:57
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#1483

Beitrag: # 55109Beitrag Tanuri »

Mit Entsetzen riss Tanuri die Augen auf und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Fluch, der in einem dunstigen Nebel auf ihr lag. 
 

"Nein!" schrie sie, doch ihr Schrei erstarb in der dichten Dunkelheit, die sich mittlerweile über alles ausgebreitet hatte. Sie fühlte sich schwach und hilflos, denn die Magie, die immer mehr zunahm, war nichts, über das sie eine Macht besaß. Ihr Licht war stark, doch niemals so stark, um diese Finsternis, die unendlich und unerbittlich sein konnte, zu durchdringen und zu vertreiben. 
 
"Hört auf! Sofort!" Auch wenn der Fluch, den Naheniel um sie gelegt hatte, versuchte, nicht nur das Licht, sondern auch sie zu halten, kämpfte sie dagegen an. Es zehrte an ihrem Körper und forderte sie, sich von den unsichtbaren Fesseln zu befreien.
 
Jeder Schritt, der ihr auf die beiden Männer, die so unterschiedlich und doch so gleich waren, gelang, fühlte sich an, als müsse sie durch eine zähflüssige Masse waten, die sie versuchte, tiefer und tiefer zu ziehen. Hinein in die Dunkelheit, die so finster war, dass kein Licht dort bestehen konnte. Es war, als würden nicht nur Bruchteile von Augenblicken, sondern ganze Minuten vergehen, bis sie Adrian und Naheniel endlich erreichte. 
 
Natürlich war sie sich darüber bewusst, dass sie weder dem einen noch dem anderen etwas entgegensetzen konnte. Ja, sie besaß magische Macht, aber nicht in diesem Umfang, um Naheniel oder Adrian zu stoppen. 
 
Es war ihr nie wichtig gewesen, ihr Wissen und ihre Kunst so weit zu stärken, dass ihre Kräfte über heilende Wirkung hinausgingen. Wozu auch? Sie war eine Priesterin, keine Kämpferin auf dem Schlachtfeld. Doch jetzt, in diesem Moment, wünschte sie sich verzweifelt, dass sie mehr gelernt hätte über die Gabe, die sie von der Erde erhalten hatte. aber selbst wenn, was hätte es verändert? Weder gegen Adrian, noch gegen Naheniel durfte sie ihre Zauber wenden. 
 
Als der Schatten Naheniel zurückgestoßen hatte, trat Tanuri zwischen die Männer und sah Adrians Dunkelheit direkt in die Augen. Ihr Atem ging hastig und ihre Brust hob und senkte sich in schneller Folge, während ihr Herz laut pochte und das Blut durch ihren Körper rasen ließ. Noch nie zuvor hatte sie ihn so gesehen, so kalt und fremd. Und so sehr sie sich dagegen sträubte, regte sich ein Gefühl in ihr. Eines, das sie Adrian gegenüber bisher nicht kannte: Angst. 
 
Vorsichtig schüttelte sie ihren Kopf und senkte ihre Stimme zu einem beschwichtigenden Flüstern. "Er darf nicht sterben." Tonlos formten ihre Lippen Worte, die sie ihren vorherigen anfügte. "Noch nicht." 
 
Wie bitter dies doch auf ihrer Zunge lag und schmeckte. Einst war es ihr eigener Befehl gewesen, Naheniel zu töten. Damals hatte sie geglaubt, dass sie es schnell schaffen würden, dass das Band zwischen ihm und Freya durchtrennt werden könnte, ohne dass die Adeptin Schaden nahm. 
 
Doch ihre Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt. Statt Fortschritte zu machen und Wege zu finden, um ihrem Bruder Einhalt zu gebieten und gegen ihn voranzukommen, schien das Schicksal sich immer wieder mit einer verhöhnenden Fratze gegen sie zu wenden. Aus Tanuris Sicht entglitt ihr die Kontrolle von Tag zu Tag mehr. 
 
Aber es war nicht nur ihr Zwilling, der ihnen stets einen Schritt voraus zu sein schien. Nun gab es auch noch den Prediger, dieses weiße Elend. Wie Etoh sich Freyas Vertrauen erschlichen und eine Verbindung zu ihr aufgebaut hatte, war ihr ein Rätsel, dessen Lösung sie bisher nicht kannte. Aber die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, hatte bisher einfach nicht ausgereicht. 
 
Selbst Adrian kannte bisher nur Bruchstücke der Wahrheit. Und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, hatte sie auch nicht vor, ihn in vollem Umfang einzuweihen. Auch wenn es eigentlich ihre Pflicht war und sie wusste, dass sie irgendwann nicht mehr ausweichen konnte, denn früher oder später würde er ohnehin davon erfahren.

Aber als sie jetzt in seine Augen blickte und auf den Dolch aus reiner Düsternis in seiner Hand, erkannte sie, dass nicht nur sie die Kontrolle verlor. Auch er glitt in etwas ab, das sie nicht begreifen konnte - aber das etwas war, das sie fürchten musste. 
 
Weitere Worte, um Adrian aus der Finsternis zu holen, die ihn nahezu völlig verschlang - oder war es vielmehr er, der diese allein für sich vereinnahmte und unterwarf? - fehlten ihr. Aber eigentlich gab es sowieso nichts wirklich zu sagen, da es nur das Eine gab, was zu tun war. Nicht nur für Freya und um ihrer Pflicht als Hüterin des Schlüssels nachzukommen, sondern auch um das Wenige zu beschützen, was sie liebte.

Sie senkte ihre Lider und drehte sich zu ihrem Bruder herum. Als sie wieder zu ihm aufsah und ihre Augen sich trafen, griff sie durch die Kälte der Schatten, die ihn selbst umhüllten und fasste seinen Arm. Ihre Finger umschlossen ihn fest, aber nicht schmerzhaft, um sich seiner Aufmerksamkeit sicher zu sein und mit sicherer Stimme, die von absoluter Aufrichtigkeit zeugte, sprach sie zu ihm.


"Ich akzeptiere Deine Bedingungen." 
 
Ein Leben für ein Leben. 

 

Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya ~~ 

Anführerin der Legion des Schattens
Frau des Adrian Al Saher 
Mutter der Nymeria Al Saher 
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Adrian
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#1484

Beitrag: # 55110Beitrag Adrian »

Adrians Brust hob und senkte sich schwer und sein Blick war von Dunkelheit durchzogen, während die Magie in seinen Adern kochte. Naheniel war noch nicht am Boden – noch nicht. Aber es war nur eine Frage der Zeit.

Es war nur ein einziger Wimpernschlag, in dem sich jedoch unerwartet Tanuri zwischen sie drängte, und mit ihr ein Hauch von Wärme, der sich wie ein störender Fremdkörper in seine Welt aus Schatten schob. Das Dunkel seiner Augen weitete sich. Überrascht, aber ebenso warnend, als sie vor ihm stand. Ein einziger Augenblick, der so nicht sein sollte. Nicht jetzt.

Adrians Kiefer mahlte, seine Finger zuckten noch von der letzten Entladung seiner Magie, als er ihre Stimme hörte. „Er darf nicht sterben.“

Sein mahnender Blick legte sich in aller Vehemenz auf die Priesterin. Sie, die selbst seinen Tod mehr als alles andere forderte und nun sollte er warten?
„... noch nicht.“ Es klang wie Spott in seinen Ohren. Sanft und doch war es indiskutabel.

Noch nicht - wie oft hatte er diese Worte gehört? Wie oft hatte man von ihm verlangt, sich zurückzuhalten, zu warten, Opfer zu bringen, sich mit halben Siegen zufriedenzugeben, in der vagen Hoffnung, Freya würde einen Weg finden. Immer und immer wieder. Die Worte hallten in seinem Kopf nach und brannten wie Salz in einer offenen Wunde.

Schweigend hielt er ihren Blick gefangen, während ein dunkler Glanz sich über seine Augen legte, als würden die Schatten selbst ein Urteil sprechen. Ein Ausdruck, der keine Worte brauchte, um ihren Einwand abzutun.

Seine Nasenflügel bebten, während er die Wut niederkämpfte, die in ihm aufstieg – oder vielleicht ließ er sie auch einfach zu. Adrians Hand schnellte vor, schloss sich um ihr Handgelenk, nicht grob, aber fest. Unnachgiebig.

„Nein!“ Seine Stimme war leise, aber dennoch schwang in ihr eine klare Dominanz mit, die keinen Raum für Widerspruch ließ.

Nicht dieses Mal.

Natürlich wollte Tanuri ihr Leben geben. Sie war Freyas Hüterin, aber nur, weil Naheniel glaubte, er könnte alles fordern, war er nicht länger willens, irgendeinem seiner krankenhaften Bedingungen zu fügen. In keiner Form würde er es nicht zulassen.

Er hatte Tanuri nicht aus den Fängen der Dunkelheit gerissen, um sie nun unmittelbar dem Mann auszuliefern, der ihm alles genommen hatte. Nein, er hatte sie nicht geschützt, um sie als Opfer für dieses absurde Machtspiel zu geben, das erst enden würde, wenn Naheniel tot war.

Nein, es war an der Zeit, dass sie auf Ogrimar vertrauten. Darauf vertrauten, dass die Zeit gekommen war. Der Moment, in dem sie seinen Platz einnahm und das entfesselte, was in ihr war. Nein, dieses Mal würde er das verdammte Spiel nicht mitspielen, nur um ihm eine weitere Gelegenheit zu bieten, ihnen seinen Willen aufzuzwingen. Er würde immer und immer weitermachen, wenn niemand ihn aufhielt.

Harsch zog er sie zurück. Glaubte sie wirklich, er würde es zulassen? Was die Folgen wären? Für Freya? Für ihn? Tanuri war die Priesterin des dunklen Lords. Die Hüterin des Schlüssels. Sie gehörte an seine Seite. Ein Schwur, den er nicht brechen würde, selbst wenn sie danach verlangte.

„Das wirst du nicht.“ Seine Züge waren kalt und unnachgiebig, während er an Tanuris Augen festhielt. Ein eisiger, konsequenter Blick, der keinerlei Widerspruch erlaubte. Er würde es beenden.

Fordernd zerrte Adrian sie zur Seite, ehe er ihr Handgelenk freiließ. Er wusste, sie meinte jedes Wort ernst, doch umso entschiedener war er jedoch in seiner Überzeugung und seinem Handeln. Er war bereit, vieles zu opfern. Selbst sein Leben - aber ganz sicher nicht das ihre.

„Halt dich daraus, Tanuri.“ Seine Stimme war nicht mehr bittend – sie war ein Befehl. Tanuri sollte beten, dass Freya bereit war. Dieses Mal würde er nicht mehr aufhören. Kein Zögern und keine Zweifel.

Düster flackerte seine Magie noch immer in der Luft bereit, im nächsten Moment zuzuschlagen. Ein bedrohlicher schwarzer Rauch, der sich von seinen Fingern löste und sich für den nächsten Schlag wappnete, während seine Augen trotz der ihnen innewohnenden Dunkelheit für einen Augenblick zärtlich über die Züge der Priesterin strichen. „Dieses Mal nicht.“

Entschlossen wandte Adrian sich Naheniel wieder zu. Ein bedrohliches Glimmen lag in seinen Augen. Ein finsterer Glanz, der keinerlei Gnade kannte. Ein Fakt, aus dem er nicht länger ein Geheimnis machte.
Tanuri einzufordern war keine Option.  
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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Naheniel
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#1485

Beitrag: # 55111Beitrag Naheniel »

Noch bevor Adrian Tanuri Einhalt gebieten konnte, zuckte ein Hauch von Zufriedenheit über Naheniels Lippen und sein sie prüfender Blick durchdrang die Priesterin bis ins Mark.
Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht nur zustimmte, um ihn schnell loszuwerden und dann bei der nächsten passenden Gelegenheit den Handel zu brechen, den sie einging. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
Dass sie aber derart wenig auf ihr eigenes Leben gab und nahezu wehrlos auf den Pakt einließ, überraschte selbst ihn. 

 
Schnell umfasste Naheniel auch ihren Arm und beugte sich ihr ein Stück entgegen. "Besiegelt."

Zu mehr kam es nicht, denn Adrian entriss sie ihm, woraufhin er seine Konzentration wieder auf diesen und das Finstere legte, das sich wie in einem wilden Strom weiter sammelte. 

"Glaubst Du immer noch, dass Du mich aufhalten kannst?" Kehlig begann er zu lachen und mit dem nächsten Augenblick löste er sich in seinen eigenen Schatten auf.
 
Die Dunkelheit verschlang ihn, zog ihn in sich hinein, bis nichts von ihm blieb, außer die zähe Schwärze, die weiterhin langsam aus dem Boden quoll. Zunächst herrschte absolute Stille. Kein Wind, kein Rascheln, nicht einmal ein verräterischer Atemzug durchbrach die scheinbar erstarrte Welt. 
 
"Nein, das kannst Du nicht."
Murmelte seine Stimme aus einer Richtung, nur um sogleich von einer anderen zu erklingen. "Denn ich…" Zuerst kam sie vom Brunnen, dann von den alten Eichen und war zeitgleich überall und doch nirgends. 

"... bin überall." 
 
Erneut war alles still, doch die Stille war trügerisch. Sie lastete genauso schwer, wie auch die Schatten es taten. Lauerte, bedrohte, lud sich auf und wartete darauf, zu explodieren. 
Suchten die Augen seiner Schwester und seines Freundes ihn bereits? Schweiften sie hilflos umher und erhofften, in dem Dunkel, dass sich in immer höheren Wellen auftürmte, etwas zu erkennen? Eine Regung, ein unvorsichtiges Zucken? 
 
"Ich bin hier."
Dröhnte es von einiger Entfernung, nur um sich sogleich direkt neben ihnen zu wiederholen.
"Ich bin hier." 

 
Doch greifen sollten sie ihn nicht können, denn er war eins mit den Schatten, die sich aufteilten und an jedem Ort gleichzeitig zu sein schienen. 
"Du kämpfst gegen das Unvermeidliche an, Adrian." Die Finsternis, die als einzige sein hämisches Lächeln sah, verdichtete sich und Naheniels körperlose Stimme erklang in einem gesenkten, gefährlichen Flüstern plötzlich direkt an Adrians Ohr. 
"Außerdem bin ich es gewohnt zu bekommen, was ich will." 
Der Schatten zerfiel zu einem Nebel, der sich lautlos fallend auf die Erde legte. 
 
Die unbehagliche Ruhe, die darauf folgte, währte nicht lange, denn bereits im nächsten Moment manifestierte sich sein Körper etwas entfernt zwischen zwei massiven Baumstämmen. 
Mit von sich gestreckten Armen sog Naheniel aus der Umgebung die bewegende Dunkelheit, sammelte sie zu tausenden sich ineinander verschlingenden Fäden um seine Arme und Hände, nur um sie gleich darauf auf Adrian zu hetzen. 
Mit jedem Schritt, den er auf das Paar zuging, sausten die lebendigen Gebilde aus kalter Schwärze auf seinen Freund zu und noch während sie flogen, ließ er das Dunkel um sich erneut aufsteigen und Ranken aus Schatten, quollen aus dem Boden. Die Finsternis nahm zu und verschluckte alles Leben, das von ihr berührt wurde. 
 
Die Blätter auf den Bäumen und das Gras unter dem Schnee krümmte sich ruckartig und wurde grau und das teilweise gefrorene Wasser im Brunnen erstarrte zu einer schwarzen, glasigen Oberfläche, auf der keine Reflexion mehr zu sehen war. Die Schatten waren hungrig und gierig, genauso wie jener es war, der sie befehligte.
Sie drangen in jede Ritze, krochen über das Holz der Bäume und ließen ihre Rinde aufreißen und alles Lebendige vor der Anwesenheit Naheniels zurückweichen. 

 
"Du kannst mich nicht aufhalten. Weder Du noch sonst irgendjemand."
In einigem Abstand blieb er stehen und ließ vorerst einzig seine Macht wirken. Dabei spürte er, wie Blutstropfen aus seinem Ohr ronnen und sich einen Weg über seinen Hals suchten. Es war nicht nur seine eigene Magie, die ihm einiges an Kraft abverlangte, sondern auch die Treffer, die Adrian gelungen waren, zeigten nach wie vor ihre nachhaltige Wirkung.
Schatten vermochten es, auch im Inneren auf verheerende Weise vernichtend zu sein.

Trotzdem hob er ruhig, wenn aber auch mit einem sichtbaren Zittern seine Hand und die Ranken wandelten sich zu Klauen, die sich um die Beine der Priesterin legten.

"Ich werde mir alles nehmen. Eure Leben," während er sprach, spürte er, wie die Klauen fester zudrückten und Tanuri ganz langsam ihr Leben entzogen, nur um ihn zu stärken, "den Schlüssel", ihre Energie durchstörmte ihn, pulsierte und loderte wild und ungestüm auf,  "und mit ihm die Herrschaft dieser Welt." 

 
Sich die Kraft eines anderen Wesens zu stehlen, konnte einen Rausch hervorrufen, den er nur zu gerne zuließ.
Es war, als spürte und sah er dabei alles, was der andere gewesen war und gleichzeitig verschwand ihr Sein in ihm, wurde Teil von ihm. 


Naheniel schloss für einen Moment die Augen und ließ sich von dem berauschenden Gefühl durchfluten.
Die Erinnerungen, die Emotionen, alles, was sie war, gehörte für diesen Moment ihm. Er sah Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit, das Licht und die Dunkelheit in ihr, die Wärme und auch die Kälte von Stimmen, die ihren Namen riefen. Und diese für ihn unbegreifliche Zuneigung, die sie nicht nur für seinen einstigen Weggefährten, sondern auch für Freya empfand. Er verstand es nicht, aber das war auch nicht von Bedeutung.
Denn genau diese Gefühle waren es, die sie schwach machten und die ihm das geben würden, nach was er verlangte. Ihren Tod und auf lange Sicht den Schlüssel in seiner Hand.


Ein kaltes Lächeln huschte über seine Lippen, als er von seiner Schwester abließ. Gestärkt durch einen Teil ihres Lebens wurde sein gesamter Körper zu Finsternis und schnell wie ein Blinzeln stand er vor Adrian, streckte seinen Arm aus und legte seine Hand wie eine Kralle auf dessen Brust. 

„Vergiss nicht, wer ich bin. Ich bin die Schatten. Ich bin die Dunkelheit. Ich bin der Schöpfer.“
Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, das sich mit dem Wispern der alles verschlingenden Schwärze vermischte, während sein eigener eisiger Fluch durch das Hemd und durch die Haut Adrians sickerte.
"Ich werde nicht so nachsichtig sein wie Du. Bringen wir es zu Ende." 


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Landru
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#1486

Beitrag: # 55112Beitrag Landru »

Schloss des Clans

Harte Verhandlungen laufen um das Leben der Priesterin, welche er nicht mitbekam. Tatsächlich wäre es ihm lieber sie würde am Leben bleiben. Tote können schlecht bezahlen für ihre Sünden, selbst wenn jene nur geerbt waren. Doch im Moment hatte er keinen großen Einfluss auf die Geschichte. Eine Figur am Rande des Geschehens. Aber noch lange nicht untätig. Pläne verändern sich und je nach Situation gab es dann neue. Doch er weiß das egal was passierte, er sich wie ein Tumor in ihrem Kopf festgesetzt hatte. Schwer ihn rauszuschneiden, dass gelinge wohl nur mit seiner offensichtlichen Vernichtung und auch das wäre schwierig. Sie konnten  ihn natürlich besiegen, auf die Knie zwingen, in die Flucht schlagen, aber vernichten war noch mal eine andere Hausnummer. Selbst Dunkelheit konnte ihm Schmerzen zufügen, aber nicht töten. Er war bereits tot. Es gibt nichts was in die Finsternis gerissen werden könnte. Kein Leben, kein Licht. In der Summe hatte Adrian ihm viel von sich gezeigt. Mit nur einer Handlung. Er war nicht das Ziel, aber durchaus ein Hindernis. Wie bindet man einen ungestümen Mann, der überzeugt war die Kontrolle zu haben. Wie so viele Männer waren sie so inbrünstig darin ihre Unnachgiebigkeit zu präsentieren. Vielleicht war es genau der Stolz wo man ihn packen konnte? Männer die gerne kontrollieren können nicht gut damit umgehen wenn sie jene Kontrolle verlieren. Nur wie? Seine Mittel waren beschränkt was Magie anging. Selbst wenn es ihm gelinge einen Zauber oder Fluch zu wirken, der Adrian in eine unbequeme Situation brachte, war diese Art Zauber nicht sehr stark. Leicht zu brechen. Vielleicht ein Artefakt? Dafür benötigte er jedoch irgendwas von ihm. Er seufzte leise.

Die Figuren auf dem Feld haben sich geringfügig geändert. Kenna fiel raus, sie hat sich selbst aus dem Spiel genommen. Blieben noch andere. Die Priesterin hatte ein Kind. Welch' Schmerz wäre es für eine Mutter es zu verlieren? Wobei es war Tanuri, da waren Muttergefühle vielleicht gar nicht so hoch im Kurs. Nein, mit der üblichen ich töte deine Familie und lasse dich zusehen kam er nicht weit. Was also als nächstes? Er musste sich mehr mit Flüchen befassen und bevor er seinen nächsten Schritt gen Tanuri ausholt, Adrian zumindest eine Weile ruhig stellen.

Er drehte sich ab und schritt gen Bibliothek des Schlosses.
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Sohn seiner Lordschaft Kain und der Lady Enoia Vykos
"Es widerspricht meiner Moral, mich an eure zu halten!"
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Stellan
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#1487

Beitrag: # 55113Beitrag Stellan »

Taverne zu Sturmkante

Er schmunzelte. Doch es lag in seiner Absicht zu mindest und er glaubte es lag durchaus auch in ihrer. Manche Orte waren dafür bestimmt. Es verurteilt niemand. Wenn jemand Geheimnisse in einer Taverne preisgab war er nahe zu selbst schuld. Er nickte also gönnerhaft, als würde er glauben, dass sie das ernst meinte. Kein Widerspruch.

Als sie sich setzte und bestätigte was er vermutete nickte er erneut.  Sie war die Freundin, sie war die Geliebte und natürlich wa res ein zweischneidiges Schwert. Denn sie wollen Informationen haben und zwar so intrim wie möglich. Er vermutete das nur deshalb sie überhaupt geduldet war. Sie war kein Mitglied, kein Gast, sie war der geduldete Spion in den Reihen um davon zu profitieren und sie wissen alle, dass sie genau das weiß. Er fand es schon irgendwie amüsant. Jeder lauerte, jeder setzte seine Pferdchen. Doch dann überraschte sie ihn ein wenig.

Stellan selbst hat den weißen Priester noch nicht gesprochen, noch gesehen aber wohl von ihm gehört. Nichts genaues. Warum sollte es ein Baum scheren ob sich die Ziege an ihm reibt. Nein, er gab dem anderen 'Anhängern' so wenig Raum wie möglich, ihre Saat zu pflanzen. So wenig Aufmerksamkeit wie möglich, so viel wie nötig um nich am Ende überrascht zu werden. "Natürlich sucht er nach ihr." Für ihn erschien es logisch. Weiß wie auch Schwarz wollen den Schlüssel erhalten. Das lag auf der Hand. Nur die weißen Anhänger hatten sich erstaunlich lange zurück gehalten. Das schien sich geändert oder sie haben es vorher gut vertuscht.

Tatsächlich schien sich Naheniels Schöpfung wieder stabilisiert zu haben. Die heftige Störung ist nicht wieder aufgetreten. Es schien entspannt. Naheniel hat es in den Griff bekommen, so schaut es aus, zumindest vorerst. Er wiegte den Kopf. "Wenn etwas so gewaltig schief läuft, ja. Aber ich gehe davon aus, dass es nicht wieder passieren wird." Eine solche Erschütterung, dass sogar die komplette Blutlinie es zu spüren bekam, war inakzeptabel. Es durfte nicht passieren. Er ging aber davon aus, dass selbst Naheniel davon überrascht gewesen war, auch wenn er es nicht offen gezeigt hatte. Ja, so war er auch. Überraschungen nicht offen zu zeigen. Allgemein mit Reaktionen bedeckt zu halten, weil sie dafür sorgen, dass andere in einem Lesen wie bei einer Partie Poker. Man weiß nie ob der andere blufft, außer er verrät sich. Man weiß nie ob sein Blatt so gut ist, wie man denkt. Er hatte einige Male schmerzhaft erfahren müssen, dass Sturheit und Beharren auf seiner Meinung manchmal sehr konträr gehen. Er versuchte sich daher auch in Diplomatie mit einem Unterschied zu vielen. Er log für seine Ziele.

Er strich ein letztes Mal mit der Hand über die Kerze und zog sie dann auf den Gehstock zurück. "Ich kenne eine Geschichte. Die heißt der Vater und das Kind. Vielleicht versteht ihr dann worauf ich hinaus will. Nymeria ist jung, sie soll lernen und reisen. Sehen und fühlen, sie soll die Welt erkunden. Nicht in einem Haus wo jeder mit irgendwas beschäftigt ist, nur nicht mit ihr. Ich will ihnen nicht vorwerfen, dass sie was zu tun haben. Oh nein. So ist es eben. Aber ich habe Zeit und kann helfen." Helfen klang wie das falsche Wort. Er will nicht helfen, nicht in dem Sinne, dass er der - seiner Meinung nach - überforderten Mutter, welche bekanntlich öfter verschwindet als Schurke im Schatten, unterstützung zukommen ließe. Sicher geht es auch hier um ein wenig Kontrolle. Durchaus. Das Mädchen war noch jung und klein, es wird sich an ihn gewöhnen. "In der Geschichte geht es um die Bindung eines Vaters der mit seinem Kind auf einmal alleine war und wie es sich entwickelt. Ich war kein guter Vater zu meinen Kindern. Ich dachte ich tue das Richtige, wenn ich sie fortgebe. Manchmal sind die Dinge um einen herum so groß, dass man selbst wie eine Ameise wirkt. Dann soll man Entscheidungen treffen und manchmal sind diese Entscheidungen nicht einfach. Das alles wäre nie soweit gekommen, hätte ich damals eine andere Entscheidung getroffen." Er nickte behutsam. Es gäbe vieles nicht. Vieles wäre anders gelaufen, aber Naheniel wäre da wo er hingehörte. "Ich dachte ich versuche mal den anderen Weg." Für ihn wird das sicher auch eine Offenbarung. Kindererziehung war nicht unbedingt seine Paradedisziplin.

Ziele, es gab viele Ziele wohin sie gehen konnten. Nur weit weg von dem Krieg der hier herrschte. Er war für die großen Schlachten zu alt und Nymeria zu jung. "Als erstes Rabenfels. Sie soll das Schloss sehen und verschiedene Arten von Mensch. Ich denke die Königsstadt kann ihr gut aufzeigen wie verschieden Menschen sind. Arm, reich.. verschlafen, eifrig." Es gab daneben noch einen Grund warum er dort hin wollte, aber den sprach er nicht aus. "Ich werde danach gehen wie das Kind reagiert und was passend erscheint. Gibt es Ziele die ihr für sie wünscht? Dann berücksichtige ich das." Er nickte bestimmt.
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Das Chaos wird entbrennen und aus diesem die ewige Dunkelheit geboren.
Und dann, wenn das Heer des Meisters sich erhebt, wird niemand ihm noch widerstehen können.
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1488

Beitrag: # 55114Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Ardyn - Der Spiegelmacher

   
Ardyn war seit jeher ein Kunsthandwerker. Ein Spiegelmacher, wie sein Vater zuvor und dessen Vater davor, der wiederum dieses Talent von seinem eigenen Vater gelernt hatte. Es brauchte Geschick – eine ruhige Hand, ein präzises Auge – und vielleicht auch eine klitzekleine Spur von Magie, um einen Spiegel vollkommen zu machen.

Viele der Reichen und Schönen waren seine Kunden. Die Magie von Spiegeln war sehr weitreichend. So waren seine Werke stets besonders, da sie, obwohl sie die Wahrheit zu zeigten, bisher nie den Betrachter enttäuscht hatten. Selbst in Anbetracht dessen, dass Spiegel eines nie taten – lügen.

Sowohl Kunst wie Magie, die man ihm zusprach und weshalb er auch immer wieder ein geladener Gast am Hofe des Herrschers der Wüste war.

Bei dem Empfang für die Kaiserin war der Prinz bisher jedoch noch nicht aufgetaucht. Ein nahezu rauschendes Fest, auch wenn Ardyn selbst bedauerlicherweise nur kurz einen Blick auf die purpurne Erbin hatte werfen können, ohne jedoch ein Wort mit ihr zu wechseln. Zu schnell war sie wieder verschwunden.

Entspannt hatte er an der Wasserpfeife gezogen und beobachtete, wie die Leibgarde der erlauchten purpurnen Majestät noch immer ohne ihre Kaiserin vor Ort waren. Sehr merkwürdig. Aber wer würde schon den Hochadel hinterfragen. Sehen, beobachten, lauschen.

Genüsslich hatte er den Wasserdampf ausgeblasen, als Haya plötzlich neben ihm niedergekniete und ihn leise darum bat, ihr in einer dringenden Angelegenheit zu folgen.

Es hatte außer Frage gestanden, dass er ihrer Bitte nachkam. Warum? Das spielte jetzt erstmal keine Rolle. Allerdings war Haya eine der wenigen, die vieles am Hofe wusste und auch an viele Orte kam. Möglich, dass es um die kaiserliche Hoheit ging oder, so wie es tatsächlich der Fall war, um das Mädchen, über das einige hier hinter vorgehaltener Hand plauderten.

Über jene Fremde hatte er einiges auf dem Fest gehört. Ein junges Mädchen, das den Prinzen mit ihrer angeblichen Herkunft in seinen Bann gezogen hatte, während andere behaupteten, dass sie ein nicht mehr Sklavenmädchen der Gräfin gewesen sei, und wieder andere, dass man sich hüten sollte, da sie eine wahnsinnige Hexe wäre. Gerüchte. Sie waren so zahlreich wie die Menschen bei Hofe.  Nichtsdestotrotz musste irgendetwas an ihr besonders sein. Das stand außer Frage. Prinz Yasin begeisterte sich nicht für Gewöhnliches.
  


  
Ardyn betrat das Zimmer mit der lautlosen Eleganz eines Schattens. Im Inneren hatte niemand auf sein Klopfen reagiert, weshalb sein Blick kurz den von Haya streifte, die ihn antrieb, schnell hineinzugehen, bevor man sie hier sehen würde.

Kurz legte er seine Stirn in Falten, als er Hayas antreibenden funkelnden Blick streifte. Regeln und Gesetze. Ja ja. Ihm war auch klar, dass sie vorsichtig sein mussten. Beschwichtigend hob er die Hände. Yasin würde ihn vermutlich köpfen, wenn er ihn allein mit einem Mädchen, das er womöglich für sich beanspruchte, erwischen würde. Aber um eventuell ein Treffen mit der Kaiserin zu erhalten, war es ihm dieses kleine Risiko unter anderem wert.

Ohne darauf zu achten, ob Haya ihm folgen würde, betrat er den Raum. Seine braunen Augen strichen über das unangetastete Frühstück hinweg, während er langsam durch das Gastgemach schritt. Vielleicht war das Mädchen unterwegs oder möglicherweise auf dem Balkon. Seine sonnengebräunten Züge wanderten weiter und musterten das Zimmer.

Die Sonne, die durch das halb geöffnete Fenster fiel, warf goldene Reflexe auf den Boden – auf die gebrochenen Fragmente eines Spiegels, der einst in makelloser Schönheit in seinem Rahmen gestanden hatte und nun in vielen kleinen Splittern um den Rahmen herum verteilt lag. Da hatte aber jemand ganze Arbeit geleistet. Ein Riss, ein glatter Bruch. Auch wenn es viel Geschick erforderte, war es kein Problem. Allerdings was derart zerbrochen war, würde nie wieder vollständig zu einem Ganzen werden. Leicht nur verengte er die Augen und betrachtete das Desaster, das sich ihm offenbarte.

Ardyns Blick glitt über die Scherben, ehe ein leises Seufzen ihn aufsehen ließ und er das Mädchen auf dem Balkon entdeckte. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, und doch wirkte sie zierlich. Ihr feines, leichtes Kleid bewegte sich kaum im Wind, doch umschmiegte es ihre kindliche Silhouette.

Das war also das verwirrte, fremde Mädchen, über das man tuschelte? Zweifellos musste etwas an ihr selten, wenn nicht sogar einmalig sein, wenn Yasin sie mit derartig großzügiger Gastfreundschaft umgab. Nicht nur, weil er sich selten mit einfachen Dingen zufriedengab, sondern weil er sie wie eine hochrangige Adlige einquartierte und scheinbar auch die Kaiserin ein Interesse an ihr hatte.

Offenbar hatte sie ihn nicht gehört oder aber ihre Gedanken waren woanders. Ihre Schultern bebten – so leicht, dass es nur jemandem auffallen konnte, der gewohnt war, auf Details zu achten. War es Wut? Angst? Oder etwas Tieferes, das sie in sich begraben hielt?

Er ließ sich Zeit. Betrachtete die Szene. Ließ sie auf sich wirken, bevor er die Stille mit einer Stimme durchbrach, so weich und kalt wie Seide, die über Stahl gestrichen wurde.

„Verzeiht.“ Kein Spott lag in seinen Worten. Kein Mitgefühl. Nur dieses sanfte, unaufdringliche Interesse, das ihn immer begleitete, während er sich verbeugte, ohne dass Freya es vermutlich zur Kenntnis nehmen würde.

Höflichkeit und Respekt hatten jedoch immer einen Vorteil. In jeder Kaste, in jedem Stand. Ganz gleich, welches der Gerüchte um das Mädchen einen Funken Wahrheit in sich tragen sollte und in welchem Bezug sie zu dem Prinzen stand. Ob Sklavin, Hexe, Wahnsinnige oder vielleicht von allem auch ein bisschen. Dennoch war sie ebenso am Ende auch noch immer ein Mädchen.

„Ich wollte Euch nicht erschrecken. Mein Name ist Ardyn. Haya bat mich darum, mir diesen kleinen Unfall anzusehen.“
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Syndra
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#1489

Beitrag: # 55115Beitrag Syndra »

Taverne von Sturmkante


Sicherlich überraschte es Stellan wenig bis gar nicht. Es war nur ein leichtes Zucken in Syndras Mundwinkeln, das kommentieren sollte, wie unnötig ihre Äußerung diesbezüglich wohl sein mochte. Zusammen mit dem Nicken glich es beinahe einer Entschuldigung für ihre möglicherweise einfältige Bemerkung.

Der Augenaufschlag, der ihn hinsichtlich dessen jedoch streifte, als er es als ‚natürlich‘ bezeichnete, strahlte vielmehr jedoch einen entgegengesetzten Ausdruck aus. Das Schimmern in ihren Augen war nicht nur hinterfragend, sondern ebenso vielsagend in Bezug darauf, dass sie mehr wusste.

Eine Mimik, die jedoch in ein hauchdünnes, höflich auferlegtes Lächeln überging, als Iraoul den Wein brachte, bevor ihr Blick sich Stellan wieder intensiv zuwandte. Tatsächlich wusste sie nichts über ihn. Es war ihre Entscheidung gewesen, die am Ende der Kausalität sie beide nun gegenübersitzen ließ. Ein Mann, den sie ebenso gut seinem Schicksal hätte überlassen können, als er dem Tode nahe war. Doch nun waren sie beide hier.

„Ihr habt Euch aus einer Überzeugung entschieden. Reue oder Gedankenspiele sind im Hinblick darauf Zeitverschwendung.“ Jeder Schritt, jedes Zögern oder Handeln hatte einen Effekt. Die Möglichkeiten, die sich daher aus einer einzigen anderen Entscheidung heraus entwickelt hätten, waren daher ebenso unvorhersehbar, wie sich jene derzeitige Situation selbst unübersehbar zeigte.

Allerdings dies zu bedauern oder mit Eventualitäten zu jonglieren waren dahingehend aus ihrer Sicht heraus eigentlich ein falscher Ansatz.

„Schließlich kann Euch niemand sagen, wohin ein anderer Weg geführt hätte. Aber seien wir ehrlich, Eure Tochter ist Priesterin und Naheniel hat den Schlüssel.“ Kurz nur senkte sie ihre Lider und blickte auf die Flamme. Sie beide wussten, dass Naheniel nicht nur hohe Ambitionen hatte, sondern auch die Entschlossenheit besaß, diese unerbittlich umzusetzen.  Auch wenn sie nicht abstreiten konnte, dass jener deutlich angespannter wirkte als zuvor und in mancher Hinsicht unberechenbar war. Anerkennend hob sie eine Braue, während sie die Lage von ihrem Standpunkt aus resümierte, die Stellan durchaus hätte schlimmer treffen können. Oder etwa nicht? „Es hätte bedeutend anders kommen und Euch weit mehr Kopfzerbrechen machen können.“

Es gab für alles ein Für und ein Wider. Hätte sie selbst seinerzeit auf ihre Mutter gehört, wäre sie allerdings nun vermutlich ein Eheweib – oder eine tote Frau. Vielleicht wäre ihre Magie noch immer gebannt oder ihre Mutter am Leben. Was immer geschehen wäre, wusste niemand.

Sicher wäre jedoch, dass sie dann noch immer in den Nordlanden säße und nie von dem Halbblut erfahren hätte, geschweige denn, dass sie in diesem Moment mit dem Vater Naheniels über Kausalzusammenhänge diskutieren würde. Doch das war es eben – zwischen einer einzigen Entscheidung und der Gegenwart lagen zahllose Einflüsse. Manche sichtbar, manche unsichtbar. Und dann war da noch der Wille der Götter. Ob Zufall oder nicht – alles kam zusammen, wie es kommen sollte.

Ein kaum merkliches Kräuseln überflog ihrer Lippen, während ihre Finger sich um den Stiel des Weinglases schlossen.

„Ihr lebt und wollt Eure zweite Chance nutzen. Es gibt Väter und Großväter, die sie nicht einmal bemerken – geschweige denn ergreifen.“ Ihre Brauen hoben sich nachdenklich, während ihre Augen seiner Hand erneut folgten. Dieses Mal jedoch vielmehr in einem eigenen Gedanken, als durch sein Handeln, während sie schweigsam den Wein an ihre Lippen führte. Eine kurze Stille, in der sie einen Schluck daraus nippte, nur um das Gespräch beiläufig auf einen Punkt zurückzuführen, der zuletzt unvollendet zwischen ihnen im Raum geschwebt hatte.

Stellan nahm gewiss nicht an, dass sie leichtgläubig, kurzsichtig oder gar vergesslich war. Es wäre eine gefährliche Unterschätzung, würde es auch nur ansatzweise vermuten. Verspielt verengte sie ihre Augen, bevor sich ihr Blick unter einem bedachten Wimpernschlag auf ihn legte.

„Wie ich bei unserem letzten Glas Wein erwähnte, stehe ich dem keinesfalls im Wege. Sollte es schließlich etwas geben, das Ihr mir sagen möchtet oder ich wissen sollte, kann ich doch sicherlich davon ausgehen, dass Ihr es auszusprechen würdet. Immerhin sind wir unter uns und nicht zulertzt vertraue ich Euch auch etwas an, oder Lord var Aesir?“

Nicht nur, dass er ihr noch eine Antwort schuldete. Zudem beobachtete Syndra ihn auch in diesem Augenblick sehr genau, während sie das Glas lautlos auf den Tisch zurückführte. Sowohl seine Mimik als auch das Spiel mit der Kerzenflamme. Auch wenn es sich am Ende als unbedeutend entpuppen sollte, lag es durchaus in ihrer Absicht, ihm diese Gelegenheit in Form einer Bemerkung anzudeuten, bevor sie sich seiner Frage zuwandte.

„Silberstreif, durchaus ein Ort, an dem man viel sehen und lernen kann.“ Ein sanfter Ton, doch dahinter lag eine unausgesprochene Wahrheit. Eine Ahnung, die durchaus mit dem wenigen in Zusammenhang stand, was sie über ihn erfahren hatte, aber dem sie sich nicht entgegenstellte. Stellan war von der Prophezeiung überzeugt und bereit, das zu tun, was es verlangte, damit sie eintrat. Ob oder welche Rolle Nymeria einnahm, wusste er im Hinblick darauf sicherlich besser als sie.

„Es ist Eure Zeit mit ihr. Wie ihr sie miteinander verbringt, überlasse ich Euch.“

Inwiefern seine Ansichten ihr gegenüber ehrlicher Natur waren, konnte sie nicht abschätzen, nur Vermutungen dazu anstellen. Spekulationen, die sich entweder bestätigen oder sie überraschen würden. Nichtsdestoweniger war es eine Entscheidung, die sie getroffen hatte und die ebenso nun einen Verlauf nehmen würde. Eine, deren Entwicklung unvorhersehbar war.
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Wir können zwar das Blut nicht leugnen, aber es ist an jedem selbst zu entscheiden, wie viel Macht man diesem gewährt, die Gegenwart noch zu beeinflussen. ~
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Adrian
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#1490

Beitrag: # 55116Beitrag Adrian »

Adrian spürte, wie die Schatten um ihn herum dichter wurden, als Naheniel sich in die Finsternis zurückzog. Die bedrohliche Stille wurde nur von Naheniels höhnischer Stimme durchbrochen, die aus verschiedenen Richtungen erklang  "Ich bin überall."

Die Dunkelheit verschlang alles. Sowohl Naheniels Schatten als auch Adrians Finsternis breiteten sich aus und nahmen allem, was sie berührten, das Leben, bis nur noch zähe Schwärze und Totenstille zurückblieben. Kein Wind, kein Rascheln, nicht einmal ein verräterischer Atemzug durchbrach die scheinbar erstarrte Welt.

Ein unbarmherziger Schmerz durchfuhr Adrian jäh in dem Moment, als Naheniel unvorhergesehen aus den Schatten heraus vor ihm auftauchte. Der unmittelbare Griff an Adrians Brust entfachte ein stechendes Brennen in ihm, das sich wie ein Fluch durch seine Adern zog. Eine eisige Dunkelheit, die ihn qualvoll brechen und in die Knie zwingen wollte.

„Du vergisst, wer ich bin, Naheniel.“ Sein Freund wusste, welche Macht er bereits kontrollierte und er war Zeuge dessen geworden, wonach Adrian gegriffen hatte. Schwärze zeichnete sich in seinen Augen ab. Eine unbarmherzige Entschlossenheit, die sich wie der Schmerz selbst durch seinen Körper bahnte. Er trotzte der lähmenden Kraft, indem sie sich die Magie, die sich gegen ihn richtete, nicht nur bekämpfte, sondern sich zu eigen machte.

„Du hättest es beenden sollen. Nun zahlst du den Preis für deine Nachsicht. ”

Ein Glanz, der nicht länger warnend, sondern unmittelbar die Macht offenbarte, die in ihm toste. Eine ungebändigte Finsternis, die keine Gnade kannte, wenn er sie entfesseln würde oder die Kontrolle verlor.

„Es ist vorbei.“ Seine Stimme senkte sich zu einem unheilvollen Flüstern, das von den Schatten selbst getragen nur seinem Freund gebührte. Seine Augen flammten in Dunkelheit auf, während Naheniels Zauber sich durch seine Adern fraß und die dunklen Venen wie ein schwarzes Geflecht unter seiner Haut hervortraten.

Anstatt ihn fortzustoßen, packte seine linke Hand ihn am Mantel und zog ihn näher an sich heran. Seine Augen funkelten vor Zorn, während die Schatten um sie beide erzitterten, als wären sie einem Kampf ausgesetzt, wem sie folgen sollten. Ein Spiegelbild dessen, was Adrian in seinem Inneren austrug.

„Deine Titel? Ich lasse sie dir zu gern in deinen Grabstein meißeln.“ Ein leises Lächeln zuckte spöttisch über seine Mundwinkel, während er ihm direkt in die Augen sah. „Direkt unter Häretiker.“

Düster schimmerte seine Klinge auf, die unter einem kaum wahrnehmbaren Zittern in seinen Fingern lag. Der Schmerz rang ihm einiges ab. Nicht nur an Selbstbeherrschung, sondern auch an Kontrolle, denn gleichzeitig schürte er umso mehr das Verlangen, es zu Ende zu bringen. Eine Finsternis, die es vollenden wollte und sich langsam vom Boden hinauf gnadenlos um seinen alten Freund legen sollte.

Nein, Naheniel würde Tanuri nicht noch einmal anfassen, geschweige denn ihr Leben das Leben nehmen . Dafür würde er Sorge tragen. Kompromisslos holte seine rechte Hand aus. Im Gegenteil, er würde ihm in einem Atemzug alles nehmen. Adrian würde ihm gewiss nicht die Priesterin überlassen. Weder sie noch – Freya.

Ein Funken des Gewissens durchbrach die Dunkelheit wie ein schwaches Beben in der Stille der Schatten. Ein strenger Wille, der nach ihnen griff und ihnen Einhalt gebot.

Ein kurzer Moment, in dem das Blau seiner Augen verräterisch unter den Schatten vortrat und er im letzten Augenblick, als er zum tödlichen Schlag ausholte, innehielt. Freya. Vor seinem inneren Auge erschien das Bild der jungen Adeptin. So wie er das Mädchen in Erinnerung hatte.

Das Blau ihrer Augen, das sich weitete, während er den hilflosen und zugleich anklagenden Blick sah. Ihre Hände, die sich voller Unverständnis um einen Dolch legten und Blut, das aus ihrer Brust sickerte, um das weiße Gewand in ein mahnendes dunkles Rot zu tauchen.

Was würde mit ihr geschehen, wenn er diesen Weg bis zum bitteren Ende beschritt? Wenn er ihr Schicksal besiegelte? Sie war der Schlüssel, und ihre Bestimmung hing an einem seidenen Faden.

Unbewusst formte Adrian lautlos ihren Namen. Ein Zwiespalt, der ihn innerlich zerriss, da er wusste, dass er die Priesterin ebenso um jeden Preis schützen und zuletzt Naheniel aufhalten musste. Mit zitternder Hand hielt er die Waffe. Er konnte es hier und jetzt beenden. Seine Augen fixierten Naheniel mit ungebrochener Entschlossenheit, doch anstatt zuzustoßen, löste sich die Waffe zwischen seinen Fingern in Rauch auf. Zu einer Faust geballt vollendete Adrian den Schlag, der gnadenlos auf Naheniels Gesicht zielte.
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
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-Freya-
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#1491

Beitrag: # 55118Beitrag -Freya- »

Freya ließ ihren Blick über die Stadt wandern. Die engen, gewundenen Gassen, die von ockerfarbenen Mauern gesäumt wurden, die geschäftigen Märkte, auf denen Händler ihre Waren lautstark anpriesen, die fernen Sanddünen, die in der Hitze des Tages zu flirren schienen.

Unten, auf den Straßen, liefen Frauen mit schweren Körben, Kinder tollten durch den Staub, alte Männer saßen in den Schatten der Baldachine, Pfeifenrauch in der Luft.
All das lag vor ihr wie eine ganze Welt. Wunderschön und riesig, doch war es nicht die ihre.

Trotz der scheinbar unendlichen Weite, von der man annehmen mochte, dass irgendwo ein Platz für sie sein sollte, fühlte sie sich wie ein Fremdkörper, gefangen in einem Leben, das nicht zu ihr passte.

Wahrscheinlich hätte sie sich jemanden genauso beäugt, wie die hohen Damen es taten. Sie war aus dem Nichts gekommen. Ein Niemand in ihren Augen, dem der Prinz sich ohne ersichtlichen Grund zuwandte. Weder kannte sie die Regeln noch irgendetwas über ihre Gebräuche, geschweige denn ihren Glauben.

So wunderschön es war – sie musste hier weg. Zurück nach Hause. Mit der Hilfe des Prinzen oder ohne.
Mit jedem Tag, der hier verstrich, verlor sie sich ein wenig mehr.

Ganz gleich ob sie sich anpasste. Je größer ihr Wille dazu war, desto heftiger schlugen die Bilder auf sie ein, genau wie es ihr im Umkehrfall immer wieder vor Augen führte, dass das diejenige, die sie gewesen war, in dieser Welt nicht überleben konnte.

Ihre Finger strichen über die kühle, glatte Oberfläche der Scherbe, die sie in ihrer Hand hielt. Ihr Spiegelbild war darin verzerrt, gebrochen in scharfe Kanten, die nur einen Teil ihrer Züge einfingen.
Schweigend betrachtete sie ihre eigenen Augen in dem Bruchstück. Das tiefe Blau, das sonst wie ruhiges Wasser schimmerte, war starr und leer. Wie lange noch, bis sie sich selbst nicht mehr erkannte?

Warum nur sah sie immer wieder diese Bilder? Sicherlich durfte sie nicht vergessen, wer sie war. Aber weshalb musste es so schmerzhaft sein? Waren es Ängste, die sich in ihre Träume stahlen? Oder Erinnerungen, die nicht ihre eigenen waren? Warum in Ogrimars Namen war es immer Naheniel, der zu ihr sprach? Weil er der Einzige gewesen war, der ihr zugehört und sie verstanden hatte? Nein, es war absurd.

Ruhig holte Freya Luft und schloss die Augen, während ein warmer Windhauch über ihr Gesicht hinwegstrich. Für einen Moment fühlte es sich beruhigend an, als würde eine unsichtbare Hand sanft über ihre Wange fahren.
„Erinnert euch daran, wer ihr seid! Erinnert euch daran, wer ER ist! Sonst wird der dunkle Lord selbst es tun, und glaubt mir, Gnade ist ganz gewiss nicht das, was er euch zugedacht hat.“

Langsam hob Freya die Lider. Der Duft von Jasmin kitzelte in ihrer Nase, süß und schwer, ebenso wie die Worte Tanuris, in ihren Erinnerungen.

Wer war sie? Ein zitterndes Häufchen Elend, das sich in den Scherben seines eigenen Spiegelbilds verloren hatte? War das die Haltung einer Dienerin Ogrimars? Die Würde einer Adeptin oder gar eines prophezeiten Schlüssels? Ein Mädchen, das sich vor dem fürchtete, was von ihr verlangt wurde. Vor der Verantwortung und all den Fehlern, die sie machen könnte.

Ja sie fürchtete sich davor. Immer und immer wieder, weil sie nicht wusste, was man von ihr erwartete. Was Ogrimar von ihr erwartete. Ein leises Lächeln zog über ihre Lippen. War das der Fehler? Ihr Fehler? Ihre Angst? Ihre Zweifel?

Wie lange sie dort gestanden hatte, wusste sie nicht. Doch als eine Stimme hinter ihr erklang, zuckte sie leicht zusammen.

Haya. - Freya hatte beinahe vergessen, dass sie jemanden holen wollte. Klärend blinzelte sie einige Male, während sie tief Luft holte, um sich zu fassen. Stand er schon länger dort? Ruhig senkte sie ihre Lider und blickte auf die Scherbe in ihren Händen, deren Winkel sie suchen hin und her neigte, bis sie den Mann darin erkennen konnte. Ein Bild, das sie erhaschte, während sie gleichzeitig das Licht samit ins Innere lenkte. Die schimmernde Oberfläche spiegelte einen Teil seines Gesichts wider – eine unvollständige Reflexion, brüchig und unklar, aber genug, um zu sehen, dass er alleine war.

„Ihr habt mich nicht erschreckt, Ardyn“  bemerkte sie leise, ohne sich jedoch umzudrehen. Ihr Herz stolperte für einen Moment und ihre Augen hatten sich verräterisch geweitet. Er musste nicht unmittelbar sehen, das sie nun auch noch flunkerte. Es genügten bereits die Gerüchte, die vermutlich zur Genüge um sie kursierten. Nein, sie würde ruhig bleiben, was immer auf dem Fest geschehen war und auch, was sie im Spiegel gesehen hatte. Es war ein Unfall, so wie er es sagte. „Haya sagte, Ihr wärt ein Spiegelmacher gewesen und könnt helfen.“

Ihre Stimme klang ruhig, fast tonlos, während sie die Scherbe sanft drehte, um seine Bewegungen aufzufangen und zu beobachten, wie er sich dem zerstörten Spiegel zuwandte. 

„Könnt Ihr ihn reparieren... oder ersetzen?“ Eine Frage, die trotz der Sanftheit ihrer Stimme mit einer Erwartung einherging. Sie hatte schon für genug Aufsehen gesorgt. Wie viel brauchte es, um den Prinzen gegen sich zu lenken? Das war eine Frage, deren Antwort sie nicht auf den Grund gehen wollte, indem sie seine Gunst weiter herausforderte.
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Naheniel
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#1492

Beitrag: # 55120Beitrag Naheniel »

Größenwahn. Faszinierend und verhängnisvoll zugleich. Ein Fluch für die Schwachen, eine umso stärkere Waffe für jene, die wussten, wie man sie führte.
Auf welcher Seite Naheniel sich sah, sollte mittlerweile jedem klar sein, der ihm begegnete.  

Weder akzeptierte er ein "Nein", noch einen Zweifel an ihm und seinen Plänen. Dabei waren es nicht nur Pläne, die ihn antrieben, sondern ein Schicksal, das für ihn bestimmt worden war. Warum sich also einem Mann beugen, der das große Ganze nicht sehen konnte oder sehen wollte? Geblendet von der Überzeugung, dass die Welt und das Gefüge der Götter immer gleich blieb. Aber es war Veränderung, die nötig war, um Ziele zu erreichen.

Und das Ziel, was sie einst und auch heute verband, war das selbe: Das Chaos sollte herrschen und die Welten dadurch neu geordnet werden. Die Macht, die diese Veränderung antreiben konnte, blieb gleich.
Ogrimar war nur ein Name, ein Symbol, an dem man sich festhalten konnte, da das, was dahinter stand, für das menschliche Auge unsichtbar blieb. Was letztendlich tatsächlich zählte, war der Glaube an diese einzigartig göttliche Macht.
An diese glaubte er, mit all seinem Sein. War er also ein Häretiker? Oder war er vielmehr jemand, der verstanden hatte, dass ein Name nur ein Name war, während das, was wirklich zählte, viel mehr umfasste? 

 
Naheniel stolperte seitwärts, als die Faust Adrians ihn erneut traf und zog dabei seine Hand zurück. Verärgert strich er sich über seine aufgeplatzte Lippe und seinen Kieferknochen.
Er war noch ganz, doch spürte er durchaus den pochenden Schmerz, den Adrians Schlag hinterlassen hatte.
"Primitiv."

Er spuckte das Blut aus seinem Mund vor Adrians Füße und schüttelte leicht seinen Kopf. 

"So nutzt Du also Deine Chance? Ich habe mehr von Dir erwartet."
Abfällig rümpfte er seine Nase und trat einige Schritte zurück. Wenn er etwas verabscheute, dann war es Schwäche. Und sein einstiger Freund präsentierte ihm diese gerade in seiner vollkommensten Form.
Nur ein gezielter Stich und eine gekonnte Drehung mit der Klinge wäre nötig gewesen, um Naheniel erheblich bis tödlich zu verletzen. Aber nichts davon geschah. Warum? Hatte Adrian etwa plötzlich Skrupel?
Oder verstand er mittlerweile doch, dass es kein Zurück mehr vor der neuen Zukunft gab? Es gab nichts, was Naheniel aufhalten konnte, nicht einmal der Tod. 


Hämisch huschte ein Lächeln über seine Lippen und die Schwärze schluckte endgültig auch den letzten Funken Tageslicht. "Du machst es mir viel zu einfach. Das ist fast schon langweilig." 

Mit beiden Händen packte er nach der Magie, die die Luft um ihn herum zum Vibrieren auflud, sog tief die Dunkelheit ein, um sich von dieser durchströmen zu lassen und fühlte sie mit jeder Faser. Ein gewöhnlicher schneller Tod wäre nicht angemessen, nicht nach alledem, was sie einst verband und was sie nun zu Feinden machte.
Das Nehmen von Adrians Seele, sie aus seinem Körper stehlen, Geist und Fleisch voneinander entzweien und beides einzeln sterben zu lassen, war da doch das Mindeste, was er ihm als seine spezielle Form der Ehrerbietung geben konnte. 


"Der simple Tod würde Dir nicht gerecht werden, General."
Weich und schmeichelnd klang seine raue Stimme, die sich scharf gegen die Kälte und Brachialität der Szene abhob. "Nach allem, was Du verraten hast." Naheniels Finger zuckten kaum merklich, doch es genügte, um die Kraft, die er hielt, mit einem lautlosen Befehl zu entlassen.
Die Schatten zogen sich um Adrians Körper zusammen und verdichteten sich zu einem wirbelnden, gierig lechzenden und nach Leben hungrigen Strudel. 


"Ich werde Dich spalten."
Die Dunkelheit erzitterte, als sie seine Worte hörte und war bereit, die Seele ihres Opfers zu packen, um sie dem Leib, mit dem sie verwachsen war, zu entreißen. Nur ein Ruck wäre von Nöten, um Geist und Körper unter starken, brennenden Schmerzen voneinander unwiederbringlich zu lösen. 

Ein Moment verging. Dann noch einer. Und es geschah… nichts.

Naheniels Kiefermuskeln spannten sich, während er die immer stärker vibrierende Magie, die nur darauf wartete, sich vollends zu entfalten, aufrecht hielt. Sein Blick traf auf jenen seines einstigen Weggefährten und Erinnerungen, Worte und vergangene Begebenheiten nahmen ihn ein.
Genauso wie die Stimme seiner Schwester, die in seinem Kopf widerhallte. Laut und nicht ignorierbar.
"Warum stellst Du Dich gegen das Einzige, was Dir etwas bedeutet?" 


Ein zorniger Ausdruck zog über sein Gesicht. Doch ausnahmsweise galt die Wut nicht Adrian oder Tanuri, sondern ihm allein.

Mit einer ungeduldigen Geste ließ Naheniel darauf die unsichtbaren Fäden, die sich um Adrians Seele gewoben hatten, fallen. 

"Idiot." Fluchte er leise, ließ jedoch dabei offen, ob er erneut Adrian meinte oder diesmal sich selbst.
 
Ohne die beiden, die vor ihm standen, nochmals anzusehen, wandte er sich ab und mit jedem Schritt, den er tat, wurde sein Körper mehr und mehr zu seinem Schatten. Doch bevor er endgültig in diesem verschwand, hielt er nochmals inne, sah über seine Schulter und seine Augen, die nun wieder das unverkennbare Blau angenommen hatten, streiften kühl über die Gestalten von Adrian und Tanuri. 
"Drei Tage. Dann ist meine Schwester tot." 
 
Er verschwand. Und mit ihm das Dunkel, so dass das Tageslicht zurückkehren konnte. 


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1493

Beitrag: # 55121Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Ardyn - Der Spiegelmacher

   
Das Mädchen verharrte auf dem Balkon, das Kinn leicht gesenkt und die Augen offenbar auf das goldene Licht gerichtet, das in weichen Wellen über die Dächer der Stadt floss. Die purpurne Kaiserin war nicht mehr hier. Das Mädchen war allein und bewegte sich nicht oder zumindest kaum. Ein stilles Zeichen, das Ardyn durchaus respektierte. Und doch – sie beobachtete ihn, oder?

Auf ihre eigene, leise Weise.

Ein wissendes Schmunzeln huschte über seine Lippen, während er sie mit einem kaum merklichen Nicken bedachte.
Er konnte es nicht nur spüren. Er sah es auch.

Ein kleines Licht huschte aufgeregt um ihn herum und warf einen tanzenden Punkt durch das Gemach. Ein flüchtiges Irrlicht, das suchend durch den Raum sprang. Sie verfolgte ihn mit diesem winzigen Fragment des Spiegels, einem Überbleibsel dessen, was einmal eine perfekte Oberfläche gewesen war. Neugier.

„Passt auf, sie ist sicherlich scharf.“ Seine Stimme war weich und geschmeidig wie Samt, doch darunter lag ein kaum greifbarer Unterton. Eine Spur von Erheiterung.

Die Scherbe kippte leicht zur Seite, als hätte sie verstanden.

Ardyns Blick verweilte darauf einen Moment länger als nötig, bevor er sich von dem Lichtfunken wieder dem Mädchen zuwandte. 

„Ihr sprecht mit dem Spiegelmacher, Milady.“ Es war keine Angeberei, kein leeres Prahlen – nur eine Tatsache. Ein Stolz, den er noch immer für die Werke zeigte, die er in der Vergangenheit geschaffen hatte. Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich, feine Linien zeichneten sich an den Rändern seiner Augen ab. Spuren eines Lächelns, das ebenso vergänglich war wie seine Kunst.

Er war noch immer der Spiegelmacher und das würde er bleiben, bis seine Linie mit ihm zusammen endete. Allerdings verkaufte er seine Werke nur noch. Das war alles. Seit Jahren fertigte er keine neuen mehr an. Und – fast noch wichtiger – er sah nicht mehr in sie hinein. Denn was er dort finden würde … Oder vielmehr, was ihn immer wieder heimsuchen würde …

Ihre schlichte Frage, ob der Spiegel zu retten sei, ließ seine Fingerkuppen über einen der Risse in der verbliebenen Oberfläche gleiten und für den Bruchteil eines Moments schien er zu verblassen. Ardyn mied es der Spur mit seinem Blick zu folgen. Ein Pfad, der ein feines Vibrieren auf der Oberfläche auslöste. Ein Flüstern, das von ihm ausging. Ungewollt folgten seine Augen dem Ruf und streiften über das Braun seines Ebenbildes, das er seit Jahren nicht gesehen hatte. Ein Anblick, der ihn für einen Augenblick erstarren ließ, als er nicht länger nur sich und das gesplitterte Glas vor Augen hatte. 

Zwischen den Bruchlinien schimmerte ein dunkles Rot, verborgen im Chaos der zersplitterten Reflektion. Es schob sich wie ein feiner Schleier vor sein eigenes Abbild. Ein Muster, das nicht zufällig entstehen konnte – selbst wenn einige Teile fehlten, verlorene Fragmente, verstreut auf dem Boden. Ein Symbol. Ein Zeichen, das ihm nur allzu bekannt war. 

Sein Kiefer spannte sich unmerklich an. Behutsam strichen seine Fingerspitzen über eine der Bruchstellen, berührten das verborgene Zeichen. Ardyn zeichnete es mit einer leichten Bewegung nach, folgte den Linien wie einem alten, vergessenen Weg. Dann hielt er inne. Die Linie schien für einen Herzschlag zu pulsieren, als würde sie seinen Atem erwidern.

Ein leises Summen lag in der Luft. Unmöglich. Nein, es war sein Fehler. Er hätte nicht hineinsehen oder sich verleiten lassen dürfen.
Und doch …

Ein Schatten huschte über die verbliebene Spiegelfläche, während zeitgleich ein kaum merklicher Luftzug die Vorhänge erzittern ließ, als hätte jemand durch den Raum geatmet. Eine Täuschung.
Ein trügerisches Flüstern der Vergangenheit.

Eilig zog Ardyn die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Eine schnelle Bewegung, ehe er langsam ausatmete. Es war nicht wirklich. Nicht existent. Niemand konnte nicht wissen, dass er hier war und in den Spiegel sah. 

„Reparieren?“   Was zerbrochen war, blieb es auch. Selbst wenn man die Risse oberflächlich versiegelte, arbeiteten sie im Verborgenen weiter. Schwächten die Struktur. Bis sie erneut brachen – schlimmer als zuvor, sodass am Ende nichts als Splitter von ihnen übrigblieben. 

Sein Blick wanderte erneut über die Oberfläche. Doch dieses Mal war da nur er. Ein Anblick, den er lange Zeit nicht gesehen hatte. Nur er und die tanzenden Vorhänge im Wind. Beim Schöpfer, er war alt geworden. Ein grauer Ansatz und Falten an seinen Augen. Was würde er nur dafür machen, noch einmal jung zu sein und die Dinge ändern zu können. 

„Zerbrochen ist zerbrochen.“ Er schob den Gedanken beiseite und zeigte ein charmantes Lächeln, das sowohl entschuldigend, als auch bedingt ehrlich der jungen Dame gegenüber war. Hatte das Mädchen es vielleicht auch gesehen und sich erschrocken? Ein Unfall war es gewiss nicht. Kurz musterte Ardyn ihre Gestalt.


„Ich kann ihn nur ersetzen, kleine Lady. Ein neuer, hübscher Spiegel.“ Seine Stimme war wieder leicht, unaufdringlich, als wäre nichts geschehen. Die Scherben wieder zusammenzusetzen wäre eine lange Arbeit mit einem nur oberflächlichen Erfolg. Eine beiläufige Geste, ein Angebot, das so selbstverständlich klang, als hinge nicht mehr daran als ein Stück poliertes Glas. Es war nicht nur zweckmäßiger, ihn auszutauschen, sondern das einzige, was er für sie tun konnte. Noch einen Blick hinein würde er nicht werfen, um das zu sehen, was er verloren hatte. Und wenn das Mädchen möglicherweise darin gesehen hatte, war es  sowieso das einzig richtige, wenn jeder Splitter davon unmittelbar verschwand.

„Zwar habe ich nicht mehr viele, aber für Freunde des Prinzen und der Kaiserin…“ Er ließ die Worte für einen Moment in der Luft schweben, als koste er die Spannung aus, bevor sein Blick erneut auf ihrer in goldenes Licht getauchten Silhouette ruhte.

„Denke ich, kann ich eines meiner Werke erübrigen.“ So klang es. Ein einfacher Handel. Und doch wusste Ardyn besser als jeder andere – Spiegel waren nie nur Spiegel. Nie gewesen. Nie sein werden. Sie zeigten stets die Wahrheit, so tief sie auch verborgen war. Ein Gesetz dafür, was daher für ihn jedoch umso mehr Fragen aufwarf. „Ihr solltet damit  jedoch vorsichtiger umgehen.“
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#1494

Beitrag: # 55147Beitrag -Freya- »

Mit einem zwiegespaltenen Lächeln verfolgte Freya seine Schritte. Ardyn hatte sie ertappt, das spürte sie – doch anstatt sich ertappt zu fühlen, schalte sie sich innerlich für ihre eigene Unachtsamkeit. - Du bist unvorsichtig. 

Doch er schien es ihr nicht übel zu nehmen. Vielleicht kümmerte es ihn auch einfach nicht, ob er beobachtet wurde oder er war es gewohnt. Sein Gang war ruhig und gelassen und seine Bewegungen fließend, als wüsste er genau, was er tat und wer er war. Spiegelmacher. Freyas Augen folgten seinem Handeln, seiner Musterung der Scherben und der zerborstenen Oberfläche, die im Rahmen verblieben war. Seine Finger glitten über die Bruchstücke des Spiegels mit der Sorgfalt eines Künstlers, als wäre Glas für ihn mehr als nur ein Material – als könne er darin etwas lesen, das anderen verborgen blieb.

Möglicherweise... war er ein Weg. Eine Möglichkeit. Eine Fügung. 
Spiegel. Ihre Lider senkten sich kurz, als ihr Blick auf die glänzende Scherbe in ihrer Hand fiel.


„Es war kein Unfall“, bemerkte sie leise. Ihre Stimme klang fester, als sie es erwartet hatte, doch ein Hauch von Furcht lag darin – nicht wegen des zerbrochenen Spiegels, sondern wegen des Blutes. Wegen dem, was sie gesehen hatte. Eine Schwäche, die sie sich nicht anmerken lassen wollte. „Nicht ganz.“

Ihre Worte verhallten im Raum, während draußen ein leises Windspiel ertönte. Die Töne waren sanft, fast melancholisch, als streifte der Wind ein längst vergessenes Lied. Eine Melodie unter der ein leises Summen verborgen lag.

Noch immer beobachtete Freya Ardyn forschend. Seine Finger fuhren über die scharfkantige Oberfläche, als würde er den Schaden begutachten – doch seine Bewegungen wirkten mehr wie das Nachzeichnen von Linien auf Pergament. Ein flüchtiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. Ein Schreck? Eine Ernsthaftigkeit oder ein Unglaube? Es war kaum greifbar, aber sein Blick ruhte für einige stille Atemzüge gebannt auf dem Spiegel, bevor er diesen ebenso wie seine Hand abrupt davon losriss.

Hatte er etwas gesehen? Etwas, das ihn verstörte?

Freya spürte, wie sich ein kühler Schauer über ihre Haut legte. Es war nur ein Moment gewesen, kaum wahrnehmbar – aber sie hatte ihn gesehen. Einen kurzen Anflug von Argwohn. Von... Zwiespalt. Oder hatte sie sich getäuscht? Sie wollte nicht daran zweifeln, was sie mit eigenen Augen gesehen hatte – und doch, wusste sie nicht, ob sie ihnen womöglich noch länger trauen konnte.

Beiläufig senkte Freya das kleine Bruchstück, das sie in einer kleinen Tasche verschwinden ließ. Nein, es bot sich eine weitere Möglichkeit und dieses Mal durfte sie diese nicht verstreichen lassen. Sie zwang sich dazu, den inneren Aufruhr zu unterdrücken, und trat langsam wieder ins Innere ohne jedoch Ardyn direkt anzusehen. Ihre Schritte waren leise auf dem kühlen Steinboden, während sie sich dem Frühstück zuwandte, das Haya zurückgelassen hatte.

Vorsichtig griff sie nach der silbern schimmernden Kanne mit frischem Tee. Der metallene Glanz spiegelte das Licht der aufgehenden Sonne wider, verzerrte Farben tanzten über die Oberfläche. Sie hob die Kanne an, um nicht nur für sich, sondern in einer wortlosen Einladung auch für Ardyn einen Becher einzuschenken.

Ein kurzer Wimpernschlag, unter dem sie ungewollt sich selbst in der Reflexion der Kanne erblickte. Ein Gesicht, das ihr gehören sollte. Und doch, war es wirklich noch immer sie? Freya stockte, ihre Finger umklammerten den Griff fester. Sie zwang sich, die Bewegung fortzusetzen, ließ den heißen Tee langsam in die Tasse gleiten, bis der feine Dampf aufstieg und den Raum mit einem seichten Duft von Minze belegte.

„Ich hatte gehofft, es gäbe einen Weg, diesen Unfall vielleicht ungeschehen zu machen“, murmelte sie, mit einem Anflug einer ihr unbekannten Autorität, während sie die Kanne senkte. „Äußerlich.“

Ein Wunsch, der jedoch vielmehr eine Erwartung widerspiegelte, als sie nach einem der Becher griff und ihre Worte mit einem Anflug von Reue weiter untermalte.

„Wenn der Prinz davon erfährt oder es bemerkt, wird er enttäuscht sein.“ Unter Umständen war es möglich. Es war ein Geschenk. Geschenke behandelte man mit gebührendem Respekt. Andererseits hatte er genug Reichtümer und anderer Prioritäten, sodass er sie möglicherweise für ihre vermeintliche Sorge oder die Gründe, die dazu geführt hatten, belächeln würde. 
Eine Einbildung - oder war es doch am Ende wirklich? Kurz hielt Freya inne.

Auch Haya hatte kurz gestockt, ebenso wie Ardyn gerade eben. Sahen sie selbst etwas darin? Vielleicht dasselbe wie sie? Was, wenn es mehr war als nur ein zerbrochenes Stück Glas war? Kein bloßer Zufall war? 
Ein Spiegel, der mehr konnte, als nur zu reflektieren. Ein Spiegel, der etwas zeigte, das nicht hier sein sollte. Wenn jemand eine Antwort darauf kennen musste, dann gewiss er. Ardyn war ein Spiegelmacher. Wer, wenn nicht er, könnte mehr darüber wissen?

Doch ihn direkt zu fragen? Ihr Blick strich über die von Rissen durchzogene Oberfläche, in der sie ihr eigenes Profil erkannte. Ein seitlicher Blick auf ihr eigenes Abbild. Seicht wehten die dünnen Stofflagen im Wind auf, doch Freyas Augen ruhten erneut auf etwa anderem. Etwas, das sich noch immer wie ein Schatten über ihr Spiegelbild legte. 

Ein leises Zittern durchfuhr sie. Ihre Finger umklammerten den Becher fester, als wäre er der einzige Anker, der sie in der Realität hielt. War der rote Schleier wirklich dort? Ein Zeichen. Blutrot. Fremd und doch vertraut. Es war noch immer dort. Sie kannte seine Bedeutung nicht, auch wenn sie es jeden Tag mit eigenen Augen sah. Oder war es nur ein Spuk in ihrem Geist? Sie musste es wissen. Wissen, ob es real war. Sowohl, das, was sie sah, sowie auch das was sich wie eine entfernte Hoffnung in ihren Gedanken fantasievoll formte. Scherben. Ihr Weg hierher und ein möglicher Weg zurück. Doch die richtigen Worte zu finden war nicht einfach, erst recht nicht, wenn sie nicht wusste, was Ardyn womöglich mit dem Wissen anstellen würde. Aber diese Gelegenheit verstreichen zu lassen, wäre noch dümmer.

Sanft, beinahe beiläufig, begann sie zu sprechen. „Vermutlich kennt Ihr selbst die Geschichten über Spiegel. Wie sie die Wahrheit zeigen. Ganz gleich, wie schön oder hässlich sie ist. So als würden sie nicht nur das Äußere auffangen, sondern nach dem greifen, was in unseren Seelen verborgen liegt. Gefühle, Ängste und manchmal mehr.“

Ihre Stimme war ruhig, wie eine Erzählerin, die aus einem alten Buch vorlas. Geschichten, die sich in bunten Einbänden in ihren Gemächern verteilten. Ein Funke von Neugier untermalte jedoch in ihre Worte. Ein Unterton, der danach forschte und subtil hinterfragte, was Wahrheit oder Märchen war.

„Mythen sprechen sogar davon, dass sie einem wie ein Fenster dienen können, mit denen man an weit entlegene Orte sehen kann, während Legenden besagen, dass sie sogar als Tore zu anderen Welten dienen können. Manche sagen, man könne durch sie hindurchtreten – an Orte, die sonst unerreichbar wären.“

Sie ließ eine kurze Pause entstehen, gab ihm die Möglichkeit zu reagieren. Dann hob sie ihren Blick, fing seinen ein. Ganz gleich, was die Regeln bei Hofe sagten – sie wollte seine Reaktion sehen, nicht nur erahnen.

„Manchmal hat man das Gefühl, dass diese Geschichten wahr sein könnten.“ In einer langsamen, bewussten Bewegung wandte sie sich ihm zu. Nicht in einer Haltung der Bittstellerin. Nicht als jemand, der auf sein Wohlwollen angewiesen war. Sondern als jemand, der Antworten suchte.

Langsam hob Freya ihren Blick, sodass ihre Augen seinen Blick kreuzten, ganz gleich, was die Regeln bei Hofe darüber sagte. Sie wollte die Reaktion sehen und nicht nur erhaschen. Wusste er etwas über diese Magie? „Könntet Ihr nur, oder werdet Ihr mir denn helfen, Ardyn?“
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#1495

Beitrag: # 55149Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Ardyn - Der Spiegelmacher

   
Auch wenn sie sich nichts anmerken lassen wollte, glaubte Ardyn eine leichte Verunsicherung in ihr zu spüren. Das seichte Zittern, die Art, wie sie auf dem Balkon Distanz wahrte und nicht zuletzt die Zurückhaltung in ihren Worten.

Kein Wunder. Sie war jung, erzählte man sich. Zu jung vielleicht, um sich mühelos durch die goldenen Hallen dieses gewaltigen Palastes, umgeben von Etikette, Rangordnungen und stillen Erwartungen, zurechtzufinden. Selbst oder gerade wenn man auf eine Weise besonders war. 

Als Freya sich unerwartet umdrehte und das Innere betrat, hob er kurz den Blick. Neugier ließ ihn sich ihr zuwenden, bevor Ungläubigkeit ihn blinzeln ließ. Einmal. Dann noch einmal.
Hexerei? Hatten die hohen Damen recht? Oder hatte ihm jemand etwas in die Pfeife gemischt?

Seine braunen Augen ruhten aufmerksam auf dem Mädchen und taxierten das wenige und doch offenbarende, was er erkennen konnte. Selbst wenn ein Teil ihrer Züge im Schatten verborgen lag, ihre Bewegungen, ihr Blick – selbst der sanfte Klang ihrer Stimme …

Beim Schöpfer. Sie sah ihr ähnlich. Erschreckend ähnlich.

Ardyn griff nach dem Becher mit Tee, nur um ihre Züge aus der Nähe genauer betrachten zu können. 

Suchte sie ihn wieder heim? Nach all den Jahren? Es war nur ein kurzer Blick gewesen. 

Er durfte sich nicht davon einfangen lassen. Es war eine Täuschung, ein Trugbild seiner Erinnerungen. Bei genauer Betrachtung waren ihre Augen größer, die Farbe darin klarer. Und doch …
Sein Griff um den Becher lockerte sich kaum merklich, während er an ihren Blick festhielt und sich der Herausforderung stellte, die ihm so präsent gegenüber stand.

Ja, Spiegel konnten mehr. Damit hatte sie recht. Viel mehr. Aber diese Magie zu erkunden oder ihre Grenzen zu durchbrechen, war gefährlich. Zu gefährlich. Nichts, womit man unwissend herumspielte.
Mit einem beiläufigen Lächeln streifte er das, was er geglaubt hatte zu sehen von sich ab, bevor er sich mit einem Blinzeln auf den dampfenden Becher sah. „Danke für den Tee …“

Sein Blick glitt weiter zu den tanzenden Reflexionen auf den verbliebenen Fragmenten des Spiegels. Licht und Schatten, die umhertanzten wie verlorene Erinnerungen. Und dazwischen – das schimmernde Rot, das ganz gleich, wie oft er wegsah oder blinzelte, nicht schwand.

„Es gibt viele Geschichten.“ Seine Stimme war sanft, doch in ihr lag ein Hauch von Bedacht. Und vielleicht eine leise Warnung. Schnell konnte man sich in den Dingen verlieren, die man sah, die man hervorrufen oder in denen man sich verlieren konnte, sodass nichts als Scherben des Geistes zurückblieben.

„Ihr wolltet also den Mythen auf den Grund gehen?“ Für einen Moment ließ er seine Vermutungen in der Luft hängen, wie den aufsteigenden Dampf des Tees. Ein frischer Geruch, den er einatmete, bevor er den Blick leicht anhob.

Mit forschender Neugier beobachtete er sie. Was hatte sie gesehen oder versucht zu tun? Eine Frage, die ihn beschäftigte, bevor er den Becher leicht hob und die Wärme darin genoss. Niemand sollte mit Mächten spielen, die er nicht verstand. 

„Nichts davon ist es wert, den Fluch auf sich zu ziehen, den ein zerbrochener Spiegel mit sich bringen kann.“ Auch wenn der Fluch eines Spiegels eine bittere Wahrheit werden konnte, sollte es nicht mehr als eine Mahnung sein – nicht noch einmal so fahrlässig zu handeln und sein Glück herauszufordern. War eine Seele erst mal zersplittert, konnte niemand sie wieder zusammensetzen. 

Ardyn ließ sich Zeit, während sich Unsicherheit und Neugier in ihrem Blick mischten, ehe er sich ihrer Frage widmete. Er sollte besser umdrehen und gehen. Die Zeichen sprachen für sich. Behutsam blies er den Dampf über den Becher fort. Sein Blick glitt beiläufig über das blutige Symbol und dessen Rinnsale, die sich über die Oberfläche schlängelten, wie alte Narben, die wieder aufbrachen. Was vergangen war, konnte man nicht ändern. Sie war fort und er hatte sich geschworen, nie wieder in seinem Leben einen Spiegel zu erschaffen oder in einen hineinzusehen. Er war ein Idiot gewesen, nach all der Zeit seinen Eid zu brechen und einen Blick hinein zu riskieren. Ein Anblick, der ihm nicht gefiel, aber ebensowenig ignorieren konnte. 

Unter einem einzelnen Lidschlag schob die Erinnerungen beiseite und ließ sie nicht in seine Gedanken sickern.  

„Natürlich werde ich Euch helfen.“ Ein Hauch von Belustigung schlich sich aufmunternd in seine Züge, während er eine Braue hob. Mit einer Gelassenheit, die so mühelos wirkte, dass es fast glaubhaft sein konnte, suchte er abermals ihren Blick. Wer war sie? Damit meinte er nicht ihren Namen. Jener kursierte überall wo Gerüchte im Palast umherwanderten. Vieles, was er Neid und Eifersucht zugeschrieben hatte, die sich bei Hofe überall wie unsichtbares Gift ausbreiteten und doch war nicht nur seine Neugier, sondern auch seine Vorsicht geweckt. 

„Aber zuerst …“ Ein sanftes Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, kaum mehr als ein Hauch von Charme, der in seiner Stimme mitschwang, um behutsam den Geschehnissen und ihrer Bedeutung auf den Grund zu gehen. „… verratet mir doch, wie ich Euch ansprechen soll.“ 
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#1496

Beitrag: # 55150Beitrag -Freya- »

Ardyns Blick war durchdringend, als würde er nach etwas suchen, das sie selbst nicht benennen konnte. Freya zwang sich jedoch, seinem Blick standzuhalten, auch wenn in ihr alles danach drängte, Hayas Worten zu folgen und ihm auszuweichen.

„Nennt mich einfach Freya.“ Ihre Stimme klang ruhig, kontrolliert. Oder zumindest hoffte sie, dass es so wirkte, denn innerlich war sie vollkommen aufgewühlt. Die Geschehnisse bei dem Fest, die Bilder im Spiegel. Es war, als würde sie den Halt verlieren.  Umso fester umschlossen ihre Finger unbewusst den Becher in ihrer Hand. Etwas, das sie fühlen und greifen konnte.

Nachdenklich ließ sie ihre Lippen übereinanderfahren und spürte die leichte Trockenheit, die sie leicht benetzte. Eine Trockenheit, die auch in ihrem Mund allgegenwärtig schien. Eine Beklommenheit, die sie nicht offen zeigen durfte.

„Sind es denn Mythen?“ Die Frage hing zwischen ihnen, während sie den Blick auf den Tee in ihrer Tasse senkte. Der feine Dampf stieg träge auf, kräuselte sich in der warmen Luft, ehe er sich auflöste. Es war kein Mythos. Sie wusste es und tatsächlich zweifelte Freya nicht daran, dass es bei ihm anders war. Die Frage war daher nicht, ob es ein Mythos war, sondern wie diese Magie funktionierte.

Ihre Finger umschlossen das Porzellan fester, während sie einen flüchtigen Blick über die Scherben hinweg warf, um dann in den Spiegel zu sehen.

Es war absurd – und doch spielte ihr Verstand mit dem Gedanken, was geschehen würde. Was, wenn sie einfach darauf treten würde? Wenn sie die Scherben unter ihren Füßen zermahlen würde – würde sich erneut ein Weg öffnen? Natürlich nicht.  Und doch war es das einzige, woran sie sich erinnerte. Scherben. Und ihre unbedachte, unendliche Wut. Eine Verzweiflung, niemals genug zu sein.

Freya spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte, und zwang sich, ruhig einzuatmen. Sie wollte nicht weiterdenken. Nicht an das Blut, das ihr Ebenbild noch immer in ein Rot tauchte. Nicht an das Echo ihres eigenen Schreis, der in ihren Ohren noch immer nachhallte.

Vielleicht hatte Ardyn recht. Möglicherweise war es ein Fluch, der sie hergebracht hatte. Ein Fluch, der sie von einem Leben in ein anderes gestoßen hatte. Ein dumpfes Ziehen machte sich in ihrer Brust breit, als sie sich zwang, den Gedanken nicht weiterzuverfolgen. Leise holte sie Luft. Tief und kontrolliert, um nicht den Halt zu verlieren, während sie unter einem Wimpernschlag ihren Blick zurück auf den dampfenden Becher in ihren Händen legte.

„Jeder sieht etwas anderes“, sagte sie schließlich. Leise Worte, die fast nur ein Flüstern waren. „Und manchmal erschrickt man vor dem, was er zeigt. “ Ihre Hände lagen still um den Becher, als sie den Kopf leicht hob und Ardyn direkt ansah. „Vor dem, was wir sind, andere in uns sehen könnten oder…“

Ihre Stimme verblasste unter ihren Worten, während ihre Augen unumwunden an seinem Blick festhielten. Seine Haltung war unverändert – gelassen, vielleicht sogar amüsiert –, doch da war etwas in seinen braunen Augen, das sie nicht deuten konnte. Ein Glanz. Als ob er selbst etwas sah oder wusste. Oder er ahnte es zumindest. Nicht ohne Grund hatte Ardyn zuvor seine Hand abrupt weggezogen. Nein, da war etwas. Doch was genau?

„Verratet mir, was seht Ihr, wenn Ihr in den Spiegel schaut?“ Es war eine einfache Frage. Und doch - vielleicht auch nicht.
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#1497

Beitrag: # 55154Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Ardyn - Der Spiegelmacher

   
Was er sah? Vieles von dem, was er so lange verdrängt hatte. Ein Bild aus der Vergangenheit, das sich nun wie ein Blitz in sein Bewusstsein bohrte und ihn mit der Wucht eines Donners erschütterte. Es war, als stünde er ihr gegenüber – doch er wusste, dass es nicht so war. Sie war es nicht. In Freyas Augen fand er nicht den kalten Hass auf den Schöpfer, den er so brennend in Erinnerung hatte. Nein, sie war weit fort. Körperlich wie geistig. Ein Geist, der in den Spiegeln gefangen war, der sich nicht loslassen wollte.

Ardyn hielt den Blick für einen Moment, seine Hand um den Becher schloss sich fester, als versuchte er, das Gefühl, das ihn ergriff, einfach mit ihm abzugeben. Er wusste, dass das Mädchen all das nicht hören wollte, aber mehr davon ahnte, als er es sich eingestehen wollte. Ganz gleich, was sie gesehen hatte, sie sollte es besser vergessen und stattdessen ihre Möglichkeiten nutzen, die sich ihr boten. Ein Leben voller Annehmlichkeiten, wenn sie geschickt genug war, die richtigen Fäden zu ziehen. 

„Was ich sehe, Freya?“ Ein charmantes Lächeln spielte auf seinen Lippen, so flüchtig wie ein Gedanke, der sich aus den Schatten der Vergangenheit zurückzog. Doch hinter diesem Lächeln lag etwas anderes – ein Wissen, das zu tief war, um einfach abgelegt zu werden.

„Ein junges Mädchen, in einem riesigen Palast, das mit Dingen spielt, von denen sie besser die Finger lassen sollte.“ Seine dunkle Stimme war ruhig, beinahe sanft, doch der mahnende Unterton, der darin mitschwang, war eindeutig und unüberhörbar. Es war keine bloße Bemerkung, sondern eine Warnung. Sie war nicht die erste, die versuchte, mit der Macht der Spiegel zu spielen, und sie würde sicherlich nicht die letzte sein, die dabei zugrunde ging.

„Ihr wollt den Prinzen beeindrucken?“ Ein leises, fast amüsiertes Schmunzeln schlich sich in seine Stimme, ein Schimmer von Belustigung, der die Schwere des Moments durchbrach. Doch der Blick in seinen Augen verriet eine andere Wahrheit. „Dann sucht einen anderen Weg. Der Prinz weiß, dass der Schöpfer uns Grenzen auferlegt hat. Grenzen, die keine seiner Schöpfungen brechen kann.“

Für einen Moment hafteten seine Augen auf ihrem Gesicht, als versuche er, jedes Detail in ihr zu entziffern. Ein sanftes Stirnrunzeln legte sich auf seine Züge, als würde er sich mit einer Frage auseinandersetzen, die ihm nicht gefiel. Und doch blieb seine Haltung gelassen. Charismatisch, aber oberflächlich. Ganz sicher würde er sie nicht auch noch ermutigen.
 
„Was immer Ihr versucht habt,“ sagte er mit einer leichten Betonung, ich rate Euch, es nicht noch einmal zu tun. Ihr werdet keinen Erfolg haben. Und am Ende wird es Euch ebenso zerbrechen, wie die Oberfläche selbst. Schlagt es Euch aus dem Kopf.“ Seine Stimme wurde leiser, fast eindringlicher, als er den Blick wieder auf die Risse in der verbleibenden Spiegelfläche richtete. „Es ist unmöglich.“

Der Raum war für einen Moment still. Die Schwere seiner Worte lastete in der Luft, während er im Augenwinkel das schimmernde Licht der Splitter auffing. Ein kurzer Atemzug, ehe er sich mit einem Blinzeln sich wieder ihr zuwandte. Sein Lächeln kehrte zurück in den vertrauten Charme gekleidet, als hätte das Gespräch nie stattgefunden. Als hätte ihre Frage oder ihr Handeln keine Bedeutung mehr.

„Ich werde Euch den Spiegel bringen.“ Seine Worte kamen mit einer fast mühelosen Selbstverständlichkeit. Doch selbst in dieser Leichtigkeit schwang etwas mit – ein unbestimmtes Etwas, das Ardyn in diesem Moment nicht vollständig ignorieren konnte. Ein Schatten, der sich wie ein Déjà-vu über ihn legte, um ihn an das zu erinnern, was längst verloren war. „Vergesst es einfach und niemand wird davon je erfahren.“

Auch er wollte es vergessen, so schnell wie möglich. Das, was er gesehen hatte. Den Schatten, die Zeichen. Es war eine Verheißung, die er ignorieren wollte. 

Ohne noch etwas hinzuzufügen, wandte Ardyn sich der Tür zu. Keine Zeit verschwenden. Immerhin hatte er sehr genau im Hinterkopf, was der Prinz mit ihm machen würde, wenn er ihn hier vorfand. Andererseits konnte es am Ende auch ein Versuch vom Prinz sein, ihm auf diese Weise eine Antwort zu entlocken, nach der er berets seit Jahren suchte. Er wäre so gewievt und ehrgeizig, wenn es um seine Ziele ging. Ganz egal wie die Zusammenhänge waren. Das Mädchen sollte ihre Nase lieber in andere Dinge stecken. 
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#1498

Beitrag: # 55164Beitrag -Freya- »

Ardyns Blick war ruhig, doch in den Tiefen seiner Augen lag eine Frage, die Freya ihm ebenso wenig beantworten konnte, wie er sich selbst. Sein mahnender Blick schien nach etwas zu suchen – einem verborgenen Detail, einem unausgesprochenen Wort, einer Wahrheit, die sie nicht begreifen konnte. Doch der Glanz war eindeutig vorhanden. Nur für einen kurzen Augenblick, ehe er in seiner Haltung plötzlich und vollkommen umschwenkte.

Die kühle Ernsthaftigkeit, die sie warnte und gleichzeitig musterte, wich einer fast beiläufigen Gleichgültigkeit, bevor er sich abwandte, als wollte er sie mit ihrer Frage einfach stehen lassen. War es das, was er wollte? Sie abspeisen? Sie stehen lassen, wie ein kleines Mädchen, vor dem man sich nicht erklären musste?

Einen Moment lang fühlte es sich an, als würde ihr Brustkorb sich enger ziehen.

Unwillkürlich weiteten sich ihre Augen, während ihre Unsicherheit von einer inneren Wut überwältigt wurde. Ihre Finger krallten sich fester um den Becher in ihren Händen, als wäre er der einzige Halt in diesem Moment. Die Wärme der Keramik war kaum mehr spürbar gegen die plötzliche Kälte in ihrem Inneren. War ihre Frage falsch gewesen? Oder wollte er ihr lediglich vormachen, dass er nichts gesehen hatte? - Nein.

„Es geht!“ widersprach sie, energischer als beabsichtigt, und doch bebte keine Unsicherheit in ihrer Stimme – nur Überzeugung. Eine Gewissheit, die tief in ihr verankert war - eine Wahrheit, die sie spürte, ohne dass sie jene erklären konnte.

Sie kämpfte mit sich selbst, mit den Zweifeln und dem Gefühl, dass sie vielleicht eine Wahrheit aussprach, die niemand besser hören sollte. Doch sie würde den Spiegelmacher nicht so einfach gehen lassen. Nicht, indem er sie ohne eine Antwort stehen ließ. Etwas hatte ihn zurückschrecken lassen. Er hatte etwas in ihren Augen gesucht. Sie war nicht verrückt, er hatte auch etwas gesehen. Was beim dunklen Meister wusste er?

Freya sog die Luft ein, den dezenten Duft von Jasmin und Gewürzen, der in der warmen Stille des Raumes hing, doch er wirkte wie ein ferner Nachhall – bedeutungslos gegen das drängende Gefühl in ihr.

„Ich will ihn nicht beeindrucken.“ Freyas Stimme blieb ruhig, doch die Entschiedenheit in ihren Worten durchschnitt die Stille. Ihr Blick bohrte sich in seinen Rücken, während er sich entfernte, als wäre sie nicht mehr als ein weiteres hoffnungsloses Mädchen, das in den Hallen eines Palastes verloren ging.

Sicher, es mochte für andere wie ein Traum erscheinen – ein Waisenmädchen, das unter goldenen Dächern wandelte, Gast eines Prinzen. Ein Schicksal, von dem andere vielleicht träumten. Ja, viele würden sich in einer solchen Gunst sonnen und in Zufriedenheit und Stolz versinken. Aber nicht sie. Warum glaubte jeder, es würde ihr um irgendeinen Platz oder Status gehen? War das wirklich alles, wofür man sie hielt? Was sie suchte, war etwas anderes. Etwas Tieferes. Ihre Lippen verzogen sich für einen Moment – ein kaum wahrnehmbares Zittern –, doch sie zwang sich, die Kontrolle zu behalten.

Sie wollte kein neues Leben anfangen. Sie hatte eines. Ein Bewusstsein, das jeden Zweifel aus ihrer Stimme verbannte.  Ardyn wollte ihr nicht glauben? 


„Ich weiß es." Eine unerschütterliche Gewissheit schwang in ihren Worten mit. Eine Vehemenz, die sich in ihren Augen widerspiegelte, während ihr Blick der ihr abgewandten  Gestalt folgte, als würde jener allein genügen, um ihn aufzuhalten.


„Ich weiß es, weil ich durch einen solchen hierherkam.“ Ihre Stimme wurde ruhiger, aber nicht weniger bestimmt. Ihre Augen brannten fast vor der Erinnerung daran. Die Tempel in Lichthafen, in Silberstreif, auf Steinbergen. Die stillen Hallen, in denen der Wind durch die alten Steinwände kroch und die Flammen tanzen ließ, um die Schatten mit Leben zu erfüllen. Chaos und Finsternis. Flammen und Blut. Die Momente, in denen sie nur im Angesicht Ogrimars in sich gesehen hatte, um sich selbst zu erkennen. Ihren Weg, der sie vor seine Tore geführt hatte. Die Wärme in Tanuris Blick, als sie ihr den Ring reichte. Die Worte, die so viel mehr bedeuteten als nur eine Geste. Das Gefühl, eine Tochter des Glaubens zu sein und einer Bestimmung zu folgen. Es war kein Traum. Kein Fantasiegebilde. Die Scherben. Der Spiegel. Alles, was sie in dieser fremden Welt kannte, begann an jenem ersten Moment in den Spiegeln.

Es reichte tiefer, als sie es zu begreifen in der Lage war. Sie musste sich erinnern, wer sie war, wer sie sein wollte. Auf sich selbst vertrauen und nicht auf andere. Vor dem Prinzen hatte sie sich gefürchtet, es auszusprechen, auch wenn er ihr glaubte. Doch zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie nicht das Gefühl wahnsinnig zu werden. 

Es war ein zarter Wimpernschlag, während sie nur leise dem Wind lauschte und ihren Blick klärte.

„Ihr habt auch etwas gesehen, nicht wahr Ardyn?“ Ihr Blick blieb fest auf seinem Rücken, unbeirrt, fordernd. Ein leiser Hauch von Unsicherheit regte sich in ihr – wenn sie sich irrte, wenn er wirklich nichts wusste? – doch sie konnte nicht anders. Sie musste es wissen.

„Wenn Ihr etwas wisst, sagt es.“ Ihre Stimme wurde leiser, aber nicht weniger drängend. „Bei Ogrimar, alles was ich will, ist nach Hause.“
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#1499

Beitrag: # 55172Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Ardyn - Der Spiegelmacher

   
Ardyn hatte sich bereits zur Tür gewandt. Die Bewegung war ruhig, kontrolliert, auch wenn die Worte des Mädchens in seinem Hinterkopf nachhallten. Eine innere Überzeugung, die den Raum zwischen ihnen füllte und dafür sorgte, dass sein Körper sich anspannte. 

Er hatte genug gesehen. Genug gehört. Zu viel. Dinge, die er längst begraben geglaubt hatte, um weiterzumachen. Doch jetzt waren sie zurück, als wären sie nie verschwunden. Wie Geister aus einer Vergangenheit, die er sich mühsam aus dem Gedächtnis gerissen hatte. Gespenster, die ihn erneut heimsuchten.

Das leise Summen einer vergessenen Melodie, die von dem Spiegel ausging. Der Schatten. Das Symbol. Und dann war da noch Freya – das Mädchen mit den Augen, die ihn in einer Weise berührten, die er nicht zulassen durfte. Ihre Präsenz schmerzte. Sie erinnerte ihn an längst überwundenen Schmerz – an eine Zeit, in der er selbst noch geglaubt hatte, unantastbar zu sein. 

Freya stand da, kaum eine Armlänge vom Spiegel entfernt. Sie rührte sich nicht. Ihr Blick war fest auf ihn gerichtet. Zu ruhig. Zu wachsam. Ardyn konnte es fühlen – diese stille Herausforderung, die sich erwartungsvoll in seinen Rücken bohrte. Sie wusste mehr, als sie zugab. Und das war gefährlich. Sie war gefährlich. 

Ardyns Hand streckte sich aus, um nach einem Tuch, das ordentlich in Reichweite für das Mädchen drapiert lag, zu greifen. Der Stoff fühlte sich kühl an, als seine Finger ihn berührten – ein Moment der Ruhe, der nicht zu ihm passte. Als er das Tuch aufnahm, schloss er die Finger fester darum als nötig, um sich nicht von den aufkommenden Gedanken überwältigen zu lassen. 

Mit einer fließenden Bewegung breitete er den weichen Stoff aus. Das Tuch wehte auf und tanzte unter seiner Führung, ehe es sich über die schimmernde und reflektierende Oberfläche und die glitzernden Scherben legte. Fast schon schwebend senkte sich das Tuch unter einem leisen Rascheln über den Spiegel hinweg, bis am Ende nur noch der dunkle Umriss des Rahmens erkennbar war. 

Seine Schultern zuckten nur leicht, als er den Atem anhielt, während sich eine erdrückende Stille aufbaute. Eine Spannung die sich über en Raum hinweglegte – aber er konnte es sich nicht leisten, sich von der Vergangenheit einholen zu lassen. 

Langsam wandte er sich Freya zu, ohne zu eilen, während seine Züge einen Wandel durchlebten. Ein einnehmendes Lächeln, das sich charismatisch über sein Gesicht legte und kleine Fältchen um seine Augen legte.  „Ich habe nichts gesehen. Ebenso wenig wie Ihr.“

Seine Stimme blieb ruhig und höflich, doch beiläufig schwang ein Unterton mit. Eine Klarstellung. Eine Forderung. Eine Suggestion. Ardyn war sich bewusst, dass es nicht nur eine Lüge war, sondern auch eine Warnung. Die Leichtigkeit in seiner Stimme täuschte – es war eine beabsichtigte Maske. Er wusste, was sie dachte – und genau das war das Problem. Sie dachte. Und das könnte für sie beide gefährlich werden.

Ihre Haltung, ihre Silhouette – sie erinnerte ihn an etwas, das er längst hinter sich zu lassen geglaubt hatte. Diese stille Entschlossenheit in ihrer Körperhaltung, diese scheinbare Ruhe. Ein weiterer Blick in ihre Augen machte ihm klar, dass es nicht das war, was sie hören wollte. „Spiegel zeigen Euch die Wahrheit. Doch was Ihr glaubt zu sehen, sind Träume, Illusionen, Fantasien. Unerreichbar für jeden von uns.“ 

Er drehte sich weg. Seine Augen glitten über den Raum, suchten nach einem verräterischen Schimmern, das er möglicherweise übersehen hatte. Ein einzelner Splitter, eine Scherbe, die etwas aus diesem Raum weiterhin einfangen könnte. 

„Ihr seid nicht die Erste, die glaubt, sie könne sich dem Willen des Schöpfers widersetzen. Aber das ist ein Irrtum. Ihr verliert euch am Ende an etwas, das nicht existiert.“ Seine Stimme klang fast wie ein leiser Ratschlag. Doch der scharfe Unterton war unmissverständlich. Er hatte die Konsequenzen dieses Irrtums selbst erlebt. Er wusste, was passieren würde, wenn man weiterging, weiter in die Tiefen der Wahrheit blickte, bis man nicht mehr zurückkehrte. Wie selbstzerstörerisch es sein konnte. 

Ardyn trat einen Schritt zurück bevor er sich herumdrehte, ohne sie nochmal anzusehen. Die Bewegung war schnell, fast reflexartig.

„Fasst nichts an. Zu Eurem eigenen Schutz.“ Er wollte sie nicht mehr sehen. Nicht ihre Augen, die ihn in dieser merkwürdigen Hoffnung erwartungsvoll ansahen. Doch es gab keinen Weg. Weder für Herrscher, noch für Gelehrte. Auch nicht für ihn. Es war Gesetz. „Und sucht Euch ein anderes Spielzeug, Freya. Ich werde mich um den Unfall kümmern und all das wird nie geschehen sein.

Das Knarren der Dielen unter seinen Stiefeln war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Dann fiel die Tür ins Schloss. 

Draußen bat er Haya, die Scherben einzusammeln. Mit einer sanften Strenge legte er ihr nahe, auf jeden noch so feinen Splitter zu achten, keinen zu übersehen und sie zu ihm zu bringen, während er den Spiegel austauschen lassen würde. Alles, was Ardyn dabei hoffen konnte, war, dass das Mädchen auf ihn hörte. Eine leise Hoffnung, dass er sich darin täuschte, was er gesehen hatte und die Vergangenheit sich nicht wiederholen würde.
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Beitrag: # 55173Beitrag -Freya- »

Beinahe lautlos fiel die Tür hinter Ardyn ins Schloss, der Klang des Einrastens ein kleiner, fast unmerklicher Laut in der ansonsten stillen Luft. Doch diese Stille, die sich plötzlich über den Raum legte, fühlte sich schwer an, fast erdrückend. Sie war nicht leer, sondern gefüllt mit einer brodelnden Energie, die von Freya selbst auszugehen schien.

Wie erstarrt stand sie da, den Blick auf den leeren Platz gerichtet, an dem Ardyn noch einen Moment zuvor gestanden hatte. Ungläubig und wütend zugleich verfolgten ihre Augen den Hauch des letzten Lächelns, das er ihr zugeworfen hatte – ein Lächeln, das im zarten Wind verflog, bevor es sie erreichen konnte. Ein anderes Spielzeug? Es war kein Spiel. Hatte er ihr nicht zugehört? Schon, aber hatte er es nicht verstanden, um was es ihr ging?

Ihre Finger umklammerten immer noch den Becher, als wäre er das Einzige, das möglicherweise real war. Doch der Tee war längst kalt, seine Wärme längst verflogen, und nun blieb nur noch der Becher in ihren Händen. Sie fühlte sich leer, zugleich aber auch so aufgewühlt wie eine Welle, die in alle Richtungen schlägt, ohne jemals zur Ruhe zu kommen.

„Nichts gesehen“, hatte Ardyn gesagt, mit dieser glatten, fast gleichgültigen Stimme. Worte, die wie leere Hüllen an ihr abprallten, doch der Unterton war unmissverständlich. Freya spürte es in jeder Faser ihres Körpers, als er die Worte ausgesprochen hatte – eine Lüge. Eine Lüge, die so offensichtlich war, dass sie sie fast schmecken konnte. Das Zurückzucken seiner Finger, als hätte er sich verbrannt und der kurze, kaum bemerkbare Ruck, den seine Hand gemacht hatte, als er das Tuch fester gepackt hatte, hatte es verraten. Er wusste mehr, als er zugab. Viel mehr.

Warum hatte er nichts gesagt? Warum versteckte er sich hinter einer Maske aus Charme und halbherzigen Warnungen? Warum diese Andeutungen und flüchtigen Blicke, anstatt ihr einfach die Wahrheit zu sagen?

„Fasst nichts an. Zu Eurem eigenen Schutz.“ Der Befehl in seinen Worten war unüberhörbar gewesen – eine Anweisung, verpackt in freundliche Höflichkeit, aber unmissverständlich. Aber warum? Was fürchtete er so sehr? Was war es, das sich hinter dem spiegelnden Glas verbarg, das er so behutsam behandelt hatte, als könnte der bloße Blick darauf etwas Unheilvolles entfesseln?

Ihre Augen wanderten zu dem verhüllten Spiegel, unter dem die Scherben jetzt verborgen lagen. Das Tuch, das Ardyn über das Glas gelegt hatte, war glatt und unauffällig, doch es konnte nicht auslöschen, was sie gesehen hatte. Das Blutrote – der Schatten, der sich über ihr Spiegelbild gelegt hatte. Ein Zeichen, das sie kannte, ohne zu wissen, was es bedeutete. Ihre Lippen pressten sich zusammen, der bittere Geschmack von Enttäuschung und Wut mischte sich in ihrem Mund. Er hatte es gesehen. Das war sie sich sicher. Und trotzdem war er gegangen, hatte geschwiegen.

Ein Zittern lief durch ihre Hände, als sie den Becher hastig auf den Tisch stellte, zu hastig, sodass der Tee über den Rand schwappte und auf das Holz fiel. Der Tropfen, der sich auf dem Tisch ausbreitete, schien in diesem Moment wie ein Symbol für all das, was noch ungelöst in ihr war. Die Dunkelheit, die sich langsam ausbreitete, und die Wut, die in ihrem Inneren pochte. Doch als sie auf die kleine Pfütze starrte, spürte sie, wie sich etwas anderes regte – ein Funken Trotz, der sich gegen die Unsicherheit stemmte, gegen das Gefühl, dass sie nicht weiterkam. Wenn Ardyn glaubte, dass sie aufgeben würde, dann irrte er sich.

Langsam, fast zögerlich, trat sie näher an den verhüllten Spiegel heran, als könnte der Boden unter ihr jeden Moment nachgeben. Ihre Schritte hallten leise durch den Raum, begleitet nur vom Wind, der durch die Balkontüren pfiff und die Vorhänge sacht hin und her bewegte. Ihre Finger hoben sich, zitternd, und schwebten nur einen Atemzug entfernt über dem Stoff. Er wirkte plötzlich schwerer als zuvor, wie ein Schleier aus Blei. Nicht der Stoff hielt sie zurück – es war das Wissen, dass sich dahinter etwas befand, das vielleicht nicht mehr rückgängig zu machen war.

Doch die Worte von Ardyn hallten in ihr nach, wie ein leises Flüstern, das sich weigert, aus ihrem Kopf zu verschwinden. „Ihr verliert euch am Ende an etwas, das nicht existiert.“ War das, was er meinte? Dass sie sich in Illusionen verlor, in Träumen, die sie selbst erschaffen hatte? War das, was sie gesehen hatte, überhaupt real oder verbarg sich dahinter eine Wahrheit, die er nicht auszusprechen wagte?

Er hatte etwas gesehen. Vielleicht dasselbe wie sie. Möglicherweise etwas ganz anderes. Vermutlich würde sie es jedoch nie erfahren.  

Freya senkte ihre Lider und strich den Gedanken fort, den Tee über die Scherben zu schütten und auf ihnen herum zu trampeln. Es wäre zu leicht, würde es auf die Weise funktionieren und wenn doch? Wer konnte ihr sahen, dass sie dort landen würde, wo sie es wollte? Wenn überhaupt? Was also konnte passieren? Jemand würde eintreten und man würde sie für verrückt erklären oder aber sie könnte in irgendein Höllenloch fallen, das vielleicht noch schlimmer war, als das Verlies des Bischofs.

Als ihr Blick sich hob, sah sie über die Silhouette des Rahmens hinweg, die sich unter dem Tuch abzeichnete. Zögernd hielt ihre Hand inne. Nicht aus Angst.  Etwas verbarg sich dort, jenseits des Schleiers. Etwas, vor dem sich Ardyn fürchtete, sodass er nur flüchtig seinen Blick darauf gerichtet hatte, bevor er es unter dem Stoff verhüllt hatte. Sie senkte die Hand.

Man wollte sie glauben lassen, dass sie sich das alles einbildete. Ihre Herkunft, ihre Visionen, ihre Vergangenheit, ebenso wie das, was vor ihren Augen geschah. Aber das tat sie nicht. Nicht wahr? Die Reaktion des Spiegelmachers war ein Beweis dafür.

Verflixt, warum redete nur niemand mit ihr? Wobei nein. Das war falsch. Man redete schon, doch niemand schien ihre Fragen beantworteten zu wollen. Nein, man enthielt ihr Antworten vor. Bewusst oder auch nicht, das spielte keine Rolle. Kaum konnte sie in einem kindischen Eifer die Szenerie nachstellen, die sie hergebracht hatte. Allerdings, Spiegel sagen immer die Wahrheit. Hm.

Langsam trat Freya zurück, den Blick noch immer auf den verhüllten Spiegel gerichtet, während sie ein leises Knirschen unter ihren Schuhen hörte. „Bei Ogrimar, ich werde nicht zerbrechen“, flüsterte sie – nicht trotzig, sondern überzeugt, während sie das Tuch zurückzog. 

Schimmernd offenbarte sich die zerborstene Oberfläche. Freyas Augen wanderten über die Risse hinweg. Das Blut war fort. Das Symbol. Blinzend betrachtete sie sich selbst. Ihr überraschtes Gesicht, das sie in diesem Moment ansah. Ein stilles Glitzern der Scherben, die sich im Sonnenlicht schimmernd auflösten, während die Risse vor ihren Augen verschwanden und sich die Oberfläche wieder zusammenfügte, als würde sie sich selbst heilen. Eine Illusion? Erneut?

Suchend wanderten Freyas Augen über die Oberfläche hinweg. Nein. Das war kein Hirngespinst. Instinktiv fuhr ihre eine Hand in die kleine Tasche in ihrer Tunika. Sie war noch da, die Scherbe. Deutlich spürte sie die scharfe Kante an ihren Fingerspitzen. Aber was geschah dann hier?

Ihr Blick erfasste die winzigen, kaum sichtbaren Spuren, denen sich ihre andere Hand schwebend entgegen hob, um diese nachzuzeichnen. Nur feine Schatten, die wie zarte Narben, lediglich im Licht zu erkennen waren. Unsichtbare Linien und - eine Lücke am Rand, wo ein einzelner Splitter fehlte.
Bild

Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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