*Namayahs kleine Kammer, wie sie den Raum ständig für sich nannte, war mitlerweile fertig ausgestattet und nach ihren Wünschen eingerichtet worden. An dem alten Schreibtisch, dessen in sich gedrehte Beine die alte aufgemöbelte Tischplatte hielten, hatte sie die letzte Zeit einiges an Schriftkram erledigt. Es war für die Chakaistochter immer ein Segen, wenn sie das Erlebte zu Papier bringen und aus ihrem Kopf streichen konnte. Es war so viel geschehen, dass sie auch jetzt die Stunden nutzen wollte, um ihr eigenes Tagebuch weiter zu füllen.
In feinster Schrift, mit einem Datum versehen schrieb sie darunter:
Der Krieg gegen unser Haus, meiner Familie, hat mich erschüttert, mehr als mein Herz zugeben mag. Eigentlich ist das nicht das, was mich quält, doch es ist ein wahrer Gläubiger, der unseren Glauben anzweifelt und es hat mich aus der Bahn geworfen.
Es ist das Oberhaupt der Versallen, mit der Legion als Rückendeckung. Ich musste es an der Stadtmauer erst mit eigenen Augen lesen, um dem Getuschel der Dienerschaft Einhalt zu gebieten.
Meine Familie steht seid dem in einem Fokus. Ich, die immer gern auf Reisen gegangen ist, verstehe die Welt einfach nicht mehr.
Vor ein paar Tagen stand meine Mutter vor der Tür. Sie zog mich als ihre Erstgeborene ins Vertrauen und wirkte so verloren, dass es mir fast den letzten Rest des Bodens unter den Füßen nahm. Was und vor allem wie sie es berichtete, war kaum zu ertragen und anzusehen. Ich brauchte eine Weile und es kostete mich einige neue Möbel, aber ich brauchte das und mein Mann, Vigiliae ersetzte vieles wortlos.
Es war so verdammt viel Zeit ins Land gegangen, zu viele Stunden schon vorübergezogen. Wir hätten so viel früher reagieren, handeln und reden müssen, aber ich brauchte auch diese Zeit, um erst einmal alles verstehen zu können. Ich brauchte Antworten auf all meine Fragen und glaubt mir, wenn ich schreibe, es hat mich mehr Kraft gekostet als mir lieb gewesen ist. Die Lügen und Märchen, die sich vor mir aufgetan haben, waren zum Zerbersten.
Mein Vater wurde geblendet, umgarnt von einem Weib. Abgeschirmt durch Lysiana, dessen Namen ich mittlerweile nur noch in den Mund nehme, wenn ich muss, die Niemanden mehr in seiner Nähe geduldet hatte. Nicht einmal mehr mich, meine Mutter, meine Geschwister. Nichts und Niemand durfte an Ninian heran. Mittlerweile weiß ich den Grund sogar dafür. Sie nannte es Schutz, ich nenne es Egoismus.
Seis drum, Wir mussten jetzt handeln. Vater war noch zu sehr mit diesem Dunst des Grauens beschäftigt und wir begannen uns um die Nachwehen zu kümmern. Den Müll zu entfernen. So kam es, dass ich die Diplomatie der Familie übernahm, um endlich zu handeln.
Im dunklen Hörsaal begann ich nach Antworten zu suchen. Mein eiserner Wille und die Kraft der Worte meiner Mutter machten mir Mut und gaben meiner Stimme den Halt, den sie benötigte, um das zu erhalten, wonach ich so lange gesucht hatte. Mir wurden die Augen geöffnet und plötzlich verlor der dichte Nebel seine Kraft – sie wurde machtlos über mich.
Ich benötigte all mein Verständnis, mein Einfühlungsvermögen und vielem guten Zureden, doch eines Tages bat Vater mich ihn zu begleiten. Er wollte tatsächlich sich der Situation stellen und trat vor die Priesterin, Tanuri Al Saher nebst ihrem Gatten, dem dunklen General.
Von dem Mann, der angeblich nur in sich gekehrt in einem Sessel wie in Trance sitzen sollte, war an diesem Abend nichts zu erkennen. Er sprach anfangs abgebrochen, unentschlossen, doch je weiter die Stunden schritten, so offener wurde er und legte alle Fakten nieder. Man spürte den Stolz in sich zurückkehren, Wort für Wort trug es ihn weiter – und ja ich war so stolz.
Der Tag, an dem man unseren Gildenbruder Sorag aus dem Hause Carron gefangen nahm und im Kerker in Ketten legte war ein weiterer Schicksalsschlag. Er hatte einen harten Kampf verloren, warum auch immer er mit der Gattin Liams am Strand gestanden hatte, und sie nahmen ihn mit, während Chaya mit einem süffisanten Lächeln davonzog. Aktion = Reaktion!
Wieder war es an uns Schaden zu begrenzen, den Hörsaal aufzusuchen und die Verhandlungen aufzunehmen, während sie sich aus der Affaire zog. Nicht einmal hier hatte sie den Anstand sich zu zeigen! Wir, die ganze Garde, haben mit ihm reden können, selbst ansehen können das es ihm, soweit es die Umstände gestattete, gut geht.
Aber weißt du was mich am meisten trifft, liebes Tagebuch? Mein Sohn, Karagon hat das Wappen der Familie abgelegt. So wie einen Brief hinterlassen, worin er mir zu verstehen gibt, wie entrüstet er ist, dass es eine Einzige Person schaffen kann, Familie, Freunde und Mitstreiter des Einen, jene des wahren Glaubens! – so zu spalten.
Sohn, wenn du diese Zeilen je lesen wirst, deine Mutter ist so stolz auf dich und dankt dir aus vollem Herzen.
Wir kennen alle diese berühmten vier Sätze:
Um sich selbst zu erkennen,
muss man nur Augen haben.
Um seine eigene Dummheit zu erkennen,
muss man diese Augen aufmachen.
Denkt immer daran, diese Worte mögen für den Anfang unscheinbar sein, doch in ihnen steckt so viel mehr, so viel Kraft, wie in jedem von Euch.
Ihr müsst sie nur finden und gut darauf achten, denn der Nebel des Grauens wird immer einen Weg finden, um den seinen zu gehen. *