Shadow Hearts - Gathering God
„Mal rechts mal rechts mal rechts“
„Links, dreh es links“
„Ist mal gute Idee“
Mit einem lauten Poltern fällt der breite Eichenschrank in der Kapitänskajüte zu Boden, gleichsam landen einige Vampire an Bord des Schiffes unsanft auf dem Gesäß. Auch einige Kisten verabschieden sich vom Deck des Schiffes hinein ins Meer, während sich der modrige Kahn alles andere als anmutig zur Seite neigt.
Der Fehler in der Routenplanung ist jedoch schnell korrigiert, als sich eine vierte behaarte Pranke mit den bereits vorhandenen am Ruder vereint, in die andere Richtung steuert und erneut für Rumpeln und Chaos sorgt.
Wie es zu dieser beispielslosen Aufführung der Seemannskunst an Bord der neuen SSFledermaus kommt?
Lustige Geschichte.
Kipa und Cifer, die in manchen Belangen untrennbaren Seelenverwandten und doch mehr als ungleichen Helden der Nacht, waren nicht die einzigen, die in dieser Nacht dem Fluch eines ganz bestimmten Hauses entkommen konnten.
Als der Spuk in den Mauern des bösen Gemäuers nahm, befand sich nämlich eine ganze Hand voll Gestalten in dem Haus:
Neben den beiden Gutsherren selbst war da natürlich noch der Lord des hiesigen Vampirclanes und dessen Anhängsel von Tochter. Eine mysteriöse, bis dato ihnen fast unbekannte blonde Vampirdame.
Und nicht zu vergessen… die treue Dienerschaft, auch liebevoll als die Sonderputzeinheit betitelt.
Und mit dieser Nacht sollte die gesamte Schar ihre Freiheit wiedergefunden haben.
Als erstes spuckte das Haus Grommit hervor. Ein treuer und hart arbeitender Ork, den Cifer einst beim Überfall eines kleinen Staatsgefängnisses mehr oder minder freiwillig in seine Dienste aufgenommen hatte. Breit gebaut und hoch gewachsen eigneten sich seine muskulösen Arme hervorragend zum Schwingen eines mächtigen Besen des Staubteufels +3.
Ja, Grommit und sein treuer Staubteufel waren wahrlich unzertrennlich. Dumm nur, dass der gute Stecken vermutlich mehr Hirnzellen besaß als sein Besitzer. Und dessen fragwürdige Kunst der Grammatik und die Vorliebe für das Wörtchen „mal“ widerlegten diese Vermutung bei weitem nicht.
Nur wenige Sekunden nachdem Grommit hochkant aus einem der Dachfenster des Anwesens katapultiert wurde und voller Eleganz mit den langen, seidig glänzenden Rückenhaaren im nassen Geäst darum landete, folgte auf den Fuß auch schon sein Herz, seine Seele, sein ganzer Lebensinhalt (neben dem Putzen natürlich):
Ronak, leidenschaftlicher Mopwischer.
Etwas kleiner aber dafür umso majestätischer stellte dieser freundliche Minotaure das Hirn der Operation Sauberkeit dar. Schon ein ums andere Mal hatte er unter Beweis gestellt, dass er mindestens so viel Hirn besaß, wie Grommit und Staubteufel zusammen.
Wenn auch nur knapp.
Dieser Tatbestand machte ihn zumeist zu Anführer und letztlich auch Hirn der Operation. Moment, hatten wir das nicht schon?
Egal. Ronak nahm es mit der Wiederholung einiger schlauer Einfälle nicht ganz so ernst. Schon damals, als Kipa ihn bei seinen Streifzügen aus einem heruntergekommenen Wanderzirkus aufklaubte, hatte er dies mit einigen Eskapaden unter Beweis gestellt. Die Beförderung zur exekutiven Gewalt des Sonderputzkommandos kam verdient.
Schließlich handelte es sich bei ihm um das Hirn der Operation.
Kaum hatten die beiden also die Freiheit wiedererlangt, machte man sich auch schon auf den Weg hinaus in die Welt. Egal wie groß die Liebe zu ihren beiden Meistern auch in ihren Herzen pochte – dort hinein würden sie nie wieder gehen.
Viel zu gruselig.
Aber vielleicht hatte es die obere Schicht der Gesellschaft ja sowieso schon lange hinaus in die Welt geschafft? Einen Versuch, dies in Erfahrung zu bringen, war es allemal wert.
„Grommit. Hast du denn ne‘ Idee wo die Meisters sein könnten?“
„Ich mal gehört wie sie gesagt sie mal oft treffen in Ort wo Männer mal hingehen um Spaß zu haben“
„Hmmm“
Nach einiger Wanderschaft findest sich das Duo Infernale in den Straßen Lichthafens wieder. Der süßliche Geruch von Blut strömt ihnen in die Nase – zuordnen können sie ihn jedoch nicht.
In diesem Moment tänzelt die schöne Nathalia vor ihren Augen den Weg entlang. Diese hatte sich gerade an den Fingern des ersten Opfers im Brunnen bedient und befand sich auf dem Weg Richtung Taverne, wo sie letztlich ihre schicksalhafte Begegnung mit Kipa und Cifer machen würde.
Als einziger Mensch – oder so – auf der Straße, bleibt unserem Team an Putzfanatikern in diesem Moment keine Wahl, als ein Gespräch mit der holden Maid einzugehen.
Ich weiß nicht wie es euch geht. Aber auf das genaue Gespräch zwischen einer wandelnden Irren und – plus minus – drei sprachfähigen Gehirnzellen sollte wohl um unser aller Seelenfrieden nicht weiter eingegangen werden.
Belassen wir es dabei zu sagen, dass „ein Ort, an dem sich Männer vergnügen“ nicht zwangsläufig als Taverne interpretiert werden muss.
„Gut also finden wir dieses „Bordell“ Grommit. Sie hat gesagt s‘ is nich‘ besonders weit“
Argumentiert Ronak siegessicher, während er mit seinem Freund die nächtlichen Straßen Lichthafens entlangschlendert.
Es dauert auch wirklich nicht lange, da stehen die beiden auch schon an der Schwelle einer neu eröffneten örtlichen Sensation – leicht abgelegen am Waldrand und daher ideal für den Mann, der seinen Besuch im zwielichtigen Etablissement vor der heimischen Damenwelt geheim halten will.
„Eros & Thantos – Nicht nur unser Namensschild hat Sprachfehler!“ liest das große Schild am Eingang.
Da fühlt man sich als unterbelichtetes Putzpersonal doch gleich doppelt heimisch.
Ohne Bedenken preschen die beiden durch die Eingangstür – und da sie sich wie eh und je nicht einigen können, wer die Ehre des Vortritts denn in Anspruch nehmen darf, wird beim gleichzeitig hineinstürmen zu beiden Seiten auch gleich mit lautem Knacken ein Stück des Türrahmens aus der Wand gerissen.
„Wir mal suchen ein großen Mann mit weißes Haar und mal ein etwas kleinere mit mal schwarzes Haar“
„Süßer, ich will, dass du wirklich weißt, dass wir hier niemanden wegen seines Äußeren diskriminieren, aber bist du sicher, dass du dir da nichts eingefangen hast?“
Mit sichtlichem Abscheu betrachtet die … Rezeption in Form einer kleinen, stattlichen Frau mit wallend roter Perrücke Grommits Gesicht. Viel Zeit für eine intensivere Betrachtung hat sie jedoch nicht – auch wenn sie diesen Umstand bei Grommits makelloser Schönheit sicherlich nicht bedauert – denn der intelligenteste Ork der Welt wird fast zeitgleich mit ihren Worten von Ronak zur Seite geschubst.
Dies war ein Auftrag für das Hirn der Operation.
„Milady entschuldig bitte den Ton von meinem Freund. Ers‘ nich‘ so bewandert mit den Damen. Aber sag‘ wirklich mal, hast du hier die zwei gesehn‘?“
Säuselt Ronak der Frau mit seinem tierischen Charme entgegen. Wer von den zwei Putzmännern hier der Gentleman und Frauenkenner war, dürfte damit wohl geklärt sein.
Merkwürdigerweise scheint die gute Frau Mutter unserem treuen Stierhelden jedoch geraaaade so widerstehen zu können – denn ihre Antwort ist sichtlich kalt und eher irritiert als entzückt.
„Hört mal Jungens, welche von eurem Ufer haben wir hier nicht. Warum macht ihrs euch nicht irgendwo bequem, begnügt euch zu zweit und lasst mich und meine Mädchen mit eurem Kram in Frieden, alles klar?“
„Oh mal vielen Danke mal vielen Danke“
Vergnügt zerrt Grommit seinen behaarten Freund vom Tresen hinaus in die Freiheit – wieder fliegen Spähne bei der Begegnung von Tier und Holztür.
„Grommit was machst du wir sin‘ hier nich‘ fertig“
„Doch du doch mal zugehört. Sie mal gesagt falsches Ufer. Wir also mal wechseln Ufer. Wir mal finden Meister. Mal perfekte Plan“
Vor Dankbarkeit wäre Ronak beinahe zurück in das Bordell gerannt und hätte die Frau mit seiner lieblichen Umarmung zu Tode und allem voran Boden gerissen.
Seine Euphorie kann er jedoch zurück halten – denn es war an der Zeit, hinauszuziehen in die Welt. Ufer bedeutete Wasser, das kannte er noch von ihrem letzten verhängnisvollen Auftrag.
Und wie kam man übers Wasser?
Richtig.
Schwimmen.
Also auf zum Hafen.
Der Weg zum örtlichen Ankerplatz gestaltete sich schwerer als gedacht. Nicht etwa wegen der Menschenmassen, die sich merkwürdigerweise überall tummelten, nein.
Der Orientierungssinn der beiden war schlicht suboptimal.
Stunden der planlosen Wanderschaft ziehen ins Land, bis die zwei Chaoten nicht nur den Hafen, sondern auch ihr Schiff wieder gefunden haben – ja, wirklich. Die beiden besaßen ein Schiff. Vor einigen Monaten mussten sie damit aus dem fernen Nightwood anreisen, um ihren beiden Befehlshabern eine Ladung Bares zu überbringen.
Jetzt würde man den Kahn benutzen können, um sich ein schönes Plätzchen zum Schwimmen zu suchen.
Denn einfach so im Hafen ins Wasser zu springen wäre viel zu sinnvoll.
Nur Minuten waren vergangen, die die Beiden vor dem Ruder des Schiffes zugebracht hatten mit Überlegungen, wie dieses ganze „Fahren“ denn nun funktionierte, da hörten sie auch schon Schreie von draußen gefolgt von dem Poltern das entstand, als sich neue Fahrgäste zu ihnen gesellten.
In schierer Panik eines Angriffs von.. was auch immer… stürzten sich die beiden also ans Ruder.
Und somit wären wir wieder beim aktuellen Stand unserer Geschichte angelangt.
Bis sich Cifer, Kipa oder – Gott bewahre – Nathalia schließlich dazu durchringen würden die Kajüte aufzusuchen, würden die beiden also weiter mit sicherer Hand in Richtung Verderben schippern.
Ein festes Ziel hatten sie nicht. Das würden die Meister schon für sie festlegen, nachdem die Widervereinigung mit vielen Tränen und Liebesbekundungen vollbracht war.
Jetzt gab es nur noch diese tollkühne Crew aus fünf irrenden, verirrten und letztlich auch irren Seelen.
Fern von Althea.
Das Ruder in der Hand, die Sehnsucht im Herzen.
Oder so.
Möge Gott ihrer Seele gnädig sein.