Siechtum und Katastrophen

Noch einmal schaute der Knabe auf, gebannte blickte er über den Altar hinaus,
seine Lippen bewegten sich still, von einem Nicken gefolgt,
dann erhob der Jüngling sich.

In der Drehung erstarrte Cian, lies seinen Atem den Lungen entweichen,
mit der einen Hand sich kratzend, dann schenkte er Guinya seinen Gruß.
- Seiner Lordschaft zur Ehr', Guinya, Priesterin des Herrn. -
Rasch holte er nochmals hörbar Luft und vervollständigte seinen Satz.
- Ich bitte um Entschuldigung , das ich Euch nicht zuerst bemerkt. -

Auch wenn sie Priesterin war, er behandelte sie mit Respekt,
wie alle Erwachsenen in der Familie und im unmittelbaren Kreis seiner Selbst.
Sicher hatte die Priesterin nichts dagegen wenn er sich zu ihr auf die Bank setzte,
und wenn doch, Sie würde sicherlich etwas sagen.

Ihm entwich ein Seufzger dann fragte er unvermittelt heraus
- Opa wird doch wiederkommen, oder ? -
Schnell rieb er sich das Nass von den Augen weg,
sollte doch keiner sehen, wie verletzlich er doch war.
- Ich hab doch überall gebetet...für Ihn,
doch habe ich mir überlegt, die stärkste Kraft wird von hier aus
auf ihn treffen - darum bin ich da. -
Beendete er lahm seinen Satz.

Er sah auf als ein Bote ins Kirchenschiff trat,
verfolgte jenen mit seinen Augen und war sofort ruhig
als dieser vor Guinya und ihm stehen blieb.

Verdattert nahm er das Pergament entgegen.

Aufmerksam und schweigend hatte sie Cian beobachtet. Der Blick einer wachsam wachenden Person, die den Jungen beobachtete, ohne ihn zu stören während ihre Gedanken ebenfalls kurz im Gedenk verharrten, bis Cian sie schließlich ansprach und der Anblick ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Dann jedoch schüttelt sie nur leicht den Kopf. Während der Junge bereits Platz neben ihr nahm - sie war ein Stück zur Seite gerutscht, um ihm dies einladend zu ermöglichen - blickte sie kurze Momente lang zum Altar. ''Der Eine mit den Würdigen, junger Rabe. Nein, es ist nicht nötig, dass du mich zuerst bemerkst. Ich habe mich absichtlich leise verhalten, um dich nicht zu stören. Jetzt, da du fertig bist, ist noch genügend Zeit sich zu unterhalten.'' Spricht sie schließlich freundlich, aber bestimmt zu dem Jungen. ''Es ist wichtig, dass wir die Gebete und die Ruhe anderer achten. Gerade an diesem Ort.'' Wird noch angefügt und sie lehnt sich gegen die Lehne der Bank zurück, lässt sich einige Augenblicke lang Zeit. Die schonende oder die weniger schonende Variante? Hm... schließlich, nach einem Blick in Cians Augen, entscheidet sie sich wohl für den Mittelweg, um dem Knaben zu antworten. ''Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, Cian. Aber wir können gemeinsam abwarten. Bisher habe ich zumindest noch keine Nachricht davon bekommen, dass es ihm schlechter geht und das ist doch immerhin schon etwas, meinst du nicht?'' Dann hält sie inne. ''Aber wenn du möchtest können wir ihm einen Brief schreiben... oder du allein...'' Konnte der Junge bereits schreiben? ''... Die Dame, die sich um deinen Opa kümmert, wird ihm diesen mit Sicherheit vorlesen. Und man sagt, dass auch die Worte von nahe stehenden Menschen, ja deren Nähe, können Kranken helfen wieder zu gesunden. Ebenso, wie auch deine Gebete ihn bestimmt auf ihre Weise erreichen...'' Und gerade, als sie Luft holen wollte, um den Jungen nach dem Befinden seiner Eltern zu fragen und ob er ihnen auch fleißig auf der Nase herumtanzte, erschien der Bote im Kirchenschiff und überließ ihnen die Briefe. Mit einem Nicken und einem Lächeln bedankte sie sich bei jenem und ein paar Goldtaler reicher verließ der Bote kurz darauf bereits wieder den Dom, doch er würde sich bereit halten, wieder Antwortbriefe mit zurück zu nehmen, bevor er die Reise erneut antrat. Anschließend erbrach sie das mittlerweile wohlbekannte Siegel jenes Briefes, der an sie adressiert war mit klopfendem Herzen... Zwar waren diese Briefe bereits nichts Neues mehr, doch immer wieder kam die Aufregung, gepaart mit Sorge, was wohl darin stehen mochte. Doch noch im Lesen weiteten sich die Augen etwas und ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, bei der Passage mit dem 'stur' musste sie gar leise in sich hinein lachen - Ja, der gute, alte Jeremias! Wenn er seine Sturheit bereits wiedergefunden hatte, dann war das definitiv ein gutes Zeichen! Anschließend blickte sie zu Cian. ''Deine Gebete wurden erhört, Cian. Dein Großvater ist auf dem Wege der Genesung! Er hat bereits das Bewusstsein wieder erlangt und geht spazieren.''

Seine Beine schwangen hin und her ebenso sein Po,
der auf der Bank keine Ruhe fand, als habe er noch nicht
die richtige Sitzposition gefunden.Ansonsten lauschte Cian
pflichtbewusst und aufmerksam den Worten der Priesterin.

Vargus der die Kerzenstumpen einsammelte, um das Wachs erneut zu schmelzen,
vernahm von dem Jungen zwischendurch ein 'hm'.
Innerlich lobte er Cian, wenngleich er das still sitzen noch üben sollte.

Das Siegel auf dem Pergament fuhr er mit seinem Daumen etliche Male nach,
drehte die Rolle dann in seinen Fingern - saß dann aber einfach nur da
und beobachtete Guinya wie ihr Mund ein Lächeln wieder spiegelte,
ihre Augen glänzten vor Freude.

Nicht sofort nahm er die freudigen Worte der Priesterin wahr,
doch hallte der Klang ihrer Stimme in seinem Ohr wieder.
"Deine Gebete wurden erhört, Cian. Dein Großvater ist auf dem Weg der Genesung!
Er hat bereits das Bewusstsein wieder erlangt und geht spazieren."

Wie von einer Tarantel gestochen stand der kleine Kerl auf,
lief einige Schritte nach links, dann wieder nach rechts und blieb
letztendlich vor der Sitzenden stehen. Sein Gesicht zeichnete riesige Freude dar.

- Ich muss es Mutter und Vater berichten! -
Mehr bekam er nicht über die Lippen, er strahlte als er nur kurz ihren Arm berührte,
hatte dann schon die Bank umrundet, und lief zur Tür.
Dort drehte er abrupt um, rannte obwohl nicht gern gesehen zurück zu Guinya,
sprach erhitzt aus
- Bald bin ich wieder hier-
und fort war Tarot's Jüngster.

Weit kam er nicht, vielleicht zehn, fünfzehn Meter weiter,
fiel ihm siedenheiß ein, das er sich nicht verabschiedet habe.
Zwischen Tür und Angel erklangen seine Worte,
Guinya die bereits aufgestanden war - entgegende ihm mit einem milden Lächeln.
Cian winkte ihr dann war er wahrlich weg.

So schnell ihn seine kleinen Füsse trugen,
rannte er zum Rabenschloß - endlich Heim, die frohe Kunde teilen.
Sein Innerstes schlug Purzelbäume, die Rolle samt Feder fest in der Hand,
wobei er den Federkiel noch nicht einmal bemerkt hatte.

Kein Wunder, das das Portal nicht mehr in seinem normalen Zustand war. Dieser kleine Rabe war kaum zu bändigen, wenn man ihn erst einmal losgelassen hatte.
Mit einem lauten Knall flog das Schlossportal auf und ebenso, Sekunden später, wieder zu. Begleitet von der lieblichen Stimme eines Buben, der es kaum bis gar nicht erwarten konnte das Neueste zu berichten, schoss Cian brabbelnd durch den Korridor bis ins Kaminzimmer in dem Joceline gerade zwischen Bergen von Schnittmustern sass.
''Mutter, eine Nachricht, Großvater!''
Diese gerötete Gesicht, dieser Glanz in den Augen ihres Jüngsten, jene Begeisterung mit der er die Worte sprach - womöglich wird dies wieder so ein Schlüsselerlebnis bleiben was man später seinen Enkeln erzählt. Schimpfen, das er mit seinen dreckigen Fußsohlen auf ihrem Muster sein zusätzliches macht, was soll es.
Sie ließ den Schwall der Freude über sich ergehen und anstecken.
Na, wenn das mal keine guten Neuigkeiten sind.
Cian erzählte wie und woher er das alles wusste, auch das er natürlich noch einmal umgedreht hatte, um sich richtig von Lady Guinya zu verabschieden.
Ich kann doch nicht einfach so wegrennen, Mutter!
Was Joceline schnell dazu veranlasste ihre Hand zu heben und sich übers Gesicht zu fahren.
Natürlich nicht!
Versucht sie ihm ebenso zu antworten, natürlich entlockte der Dreikäsehoch ihr damit ein Schmunzeln.
Doch genauso schnell wie des Kindes Euphorie entstand, so schien sie zu verfliegen.
Einer Mutters Augen entgeht eigentlich kaum etwas, wenn es ihrem Kind an etwas mangelt, zumindest ging es Joceline so. Sollte sie fragen?
Doch Cians Bewegungen die nun verlegen nach links und nach rechts sich wanden, die Hände samt dem Schriftstück auf dem Rücken liegend, verdeutlichte das Ganze noch einmal.
Sein Blick senkte sich auf seine Zehenspitzen und das nicht nur weil sie dreckig waren. Vermutlich bemerkte er auch jetzt nicht das er auf ihren Mustern gar schon Stoffe stand, was uninteressant war, wenn jenes Kind etwas bedrückte.
Gibt es noch etwas das Du mir erzählen möchtest, kleiner Rabe?
Es hatte ganz sicher etwas mit dem Pergament zu tun, obwohl seine kleine Welt zur Zeit arg auf den Kopf gestellt schien.
Ein leises: Würdet ihr mir das Lesen beibringen, Mutter? entlockte ihr das nächste Lächeln.
Schau einmal dort in die Lade und bring mir doch das kleine Geschenk mit heraus, ja?
Vielleicht schaffte sie es ja, so ihrem kleinen Raben wieder dieses bezaubernde Lächeln zu entlocken.

Es waren sich schon Monde vergangen
als Mutter ihm die einzelnen Buchstaben lehrte
und jetzt, es war mittlerweile wieder der Sommer eingekehrt
beherrschte der Dreikäsehoch nicht nur das Lesen
nein, auch Worte gingen ihm von der Hand
wenngleich nicht unbedingt in Schönschrift
aber gut lesbar.

Mit dem Federkiel den ihm sein Opa
Jeremias Rabenherz geschenkt hatte
schrieb er am liebsten.
Trotz des sonnigen Tages hatte er sich zum Tisch begeben
den Ärmel des Schreibhand vorsorglich hoch gekrempelt
die Feder in Tarots Tintenfässchen getaucht
und fing an dem Priester eine Rolle zuschreiben.

Natürlich musste die Begrüßung als Erstes, es ist wie als wenn du
einen Raum betrittst - hatte er Joeline's Worte noch in den Ohren.


	Der Eine mit dem Würdigen! Opa Jeremias ich vermisse Euch sehr und ich möchte behaupten Mutter und sogar mein Herr Vater tut dies ebenso. Sicher würde er es nicht zugeben wollen aber es ist ganz sicher so. Es ist ruhig geworden im Schloss, zu ruhig - selbst ich kann nicht mehr viel ausrichten um Mutter manchesmal ein Lächeln zu entlocken. Ich kann jetzt lesen und stellt Euch vor, sogar schreiben. Letzte Woche habe ich Kanninchen aus Mutter's Garten verjagt und einen Fuchs beobachtet der recht nah bei den Hühnern war. Vater ist viel fort, Mutter meinte er ist vielleicht bei Euch, aber Ihr würdet mir das doch sagen ?! Ich denke auch Guinya mitsamt ihrem Vogel denkt oft an euch. Opa der Vogel fliegt auf meinen Arm wenn ich ihn ausstrecke! Fliegen, hm - Was haltet ihr davon wenn ich Euch besuchen komme? Aber kann ich Mutter denn alleine lassen? Schreibt mir schnell zurück schließlich muss ich wissen wie es Euch geht Der Federkiel ist wunderbar, meinen Dank an Euch Opa. Cian Wenn ihr Vater seht bitte schickt ihn heim.

Das zusammengerollte Papyr versiegelte er mit dem Ring an seinen Finger
übergab es einem Boten und hoffte inständig
das es nicht allzulange dauern würde bis er schließlich
Antwort bekam.

Siechtum und Katastrophen

#51

#52

#53

#54

#55