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Syndra
Dorfältester / Dorfälteste
Beiträge: 139
Registriert: Fr 27. Mär 2020, 20:37

#1526

Beitrag: # 55236Beitrag Syndra »

In den Hallen der Legion


… Am späten Vormittag …


Sonnenlicht – golden und trügerisch – ergoss sich über die dunklen Holzböden, tauchte alles in eine unwirkliche Stille, als sie ihre Gemächer betreten hatte. Noch bevor ihre Sinne die Gefahr greifen konnten, formte sich eine Silhouette in der Mitte des Zimmers.

„Adrian?“ Ihre Stimme war ruhig gewesen – makellos beherrscht, wie es ihre Natur verlangte.

Er stand einfach da – nicht hastig, nicht aggressiv und doch füllte seine bloße Anwesenheit jede Faser der Luft mit einer so undurchdringlichen Bedrohung, dass sie unmittelbar stehen blieb.

„Syndra“, durchdrang Adrians Stimme die Luft – warm, dunkel, mit einer Schwere, als stände sie ihrem Richter gegenüber. Nur ihr Name – und doch haftete daran eine unausgesprochene Drohung, die sich warnend um ihre Gedanken legte.

„Dir ist bewusst, dass dies mein Zimmer ist?“ Ein höflicher Hinweis, nichts weiter. Ein Versuch, die Kontrolle zu wahren, bevor ein einziger Laut ihr das Wort abschnitt. Ein präzises Schnippen unter dem die Tür ins Schloss gefallen war.

Eine Schwere legte sich über den Raum. Etwas Unvermeidliches.

Sein Lächeln war kaum mehr als ein angedeuteter Zug um die Mundwinkel – eine kalte, selbstgewisse Andeutung von Kontrolle. Langsam nur hatte er sich von der Kante ihres Schreibtisches erhoben und die Pergamente, die er in den Händen gehalten hatte, unachtsam zurück auf die Tischplatte geworfen.

Die Luft um sie herum wurde dichter, schwerer, während die Silhouette des Magiers sich mit ihm zusammen erhob. Eine Dunkelheit, die sich mit jedem seiner Schritte ausdehnte. Nicht einfach ein Schatten. Etwas Lebendiges, Kaltes, Uraltes, das wie ein Raubtier den Geruch der Furcht witterte und vor dem das Licht beim bloßen Streifen zurückwich.

„Adrian, was soll das?“ Die Worte verließen ihre Lippen, scharf und stolz – doch kaum hörbar gegen das Vibrieren der dunklen Macht. Kalte Schlingen – Schatten, die sie innerhalb eines Wimpernschlags erbarmungslos gegen die Wand schleuderten.

Die Kälte, die sich in ihre Haut fraß, war mehr als körperlich. Es war die Gewissheit: Er könnte sie in diesem Moment vernichten. Nicht, weil er musste. Sondern weil er es wollte.

Adrian stand nur wenige Schritte von ihr entfernt. Das helle Blau seiner Augen hielt sie fixiert. Eine Kälte, die nicht nur mit Zorn und Hass getränkt war, sondern etwas wesentlich Ernüchternden. Mit Überlegenheit.  Einer demütigenden Gewissheit, dass er sie zerbrechen konnte, wenn er es wollte. Mühelos und unbeeindruckt.

Sein Finger hob sich, legte sich in einer unmissverständlichen Geste auf seine Lippen, als er nähertrat.

„Ich stelle die Fragen.“ Seine Stimme war ein dunkles Versprechen – und eine Verkündung von Schmerz zugleich. Wie eine Kostprobe dessen, welche Alternative er ihr bot, zogen die Schatten sich enger um sie, wie Schlingen, die sie nicht nur gefangen hielten und sich in ihre Haut drückten, sondern ihr die Kehle zuschnürten und ihr die Luft zum Atmen raubten. „Und du wirst lediglich antworten.“

Sie hatte sich gezwungen ihm in die Augen zu sehen, auch wenn sie wusste, dass der darin aufglimmende Stolz nicht über ihren verräterischen Herzschlag hinwegtäuschen konnte. Dennoch wollte sie ihm diese Genugtuung nicht geben.

„Wusstest du von Naheniels Ultimatum?“ Die Worte trafen sie härter als jede körperliche Attacke. Wovon sprach er? Was erwartete er? Wovon sollte sie wissen? Ihre Finger zuckten vergeblich gegen die eisernen Fesseln der Dunkelheit an, doch auch wenn sie körperlos zu sein schienen, schnitten sie sich bei jeder Bewegung gnadenloser in ihre Haut, als geschmiedetes Eisen.  

Adrians Lächeln war erbarmungslos. „Oder willst du mir wirklich erzählen, du hättest keine Ahnung von Naheniels Plänen?“

Syndras Herz hämmerte in ihrer Brust, doch sie zwang sich zur Ruhe, zwang sich seinem durchdringenden Blick standzuhalten. Ein kleines, beinahe verächtliches Nicken war alles, was sie zustande brachte – oder zuließ. Tadelnd schnalzte Adrian mit der Zunge, ein ungläubiges Geräusch, das man einem törichten Kind schenkte, wenn man es bei einer Dummheit erwischt hatte, bevor ein Luftzug an ihrem Kopf vorbeischnellte und seine Hand in einem dumpfen Schlag die Mauer traf.

„Dir sollte bewusst sein, dass Tanuri dein einziger Schutz ist.“ Adrian trat noch näher. Eine elegante Bewegung unter der die Finsternis sich demütig krümmte wie eine lebendige Kreatur, ehe sein Atem sie fast streifte. Ihre Gedanken gerieten ins Taumeln. Doch zwang sie sich dazu in seine Augen zu sehen. Was war mit Tanuri?


„Wie du meinst.“ Sein Ton war leise – gefährlicher als jede Drohung. Er glaubte ihr nicht. Oder vielleicht doch? Die Schatten flüsterten an ihren Ohren vorbei, krochen unter ihre Haut und schrieben ihr finstere Male ins Fleisch, deren Schmerz wie ein Vorbote zurückblieb. ~Sag es. Gib es zu. Er sieht es dir an.~
 „Richte Naheniel aus, dass ich es sehr genau nehme. Sag ihm, ich werde es tun, doch er kann sicher sein, dass ich ihm dafür etwas nehmen werde. Stück für Stück.“

Eine Kälte durchfuhr sie am ganzen Körper. Überall dort, wo die Dunkelheit an ihr haftete. Eine eisige Berührung, die fast zärtlich über ihre Haut strich, wie ein Versprechen von Schmerz, der noch nicht gekommen war.

 „Haben wir uns verstanden?“ Keine Frage, sondern ein Befehl, unterstrichen von der unbarmherzigen Präsenz seiner Magie, die er von einem Moment auf den anderen zurückriss, sodass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Fast wäre sie gestürzt, doch fing sie sich im letzten Moment, indem sie Halt an der Wand fand.

Adrian stand einen Herzschlag lang still – ließ sie seine Überlegenheit schmecken wie Asche auf ihrer Zunge, ehe er sich abwandte.
Nur die Schatten auf ihrer Haut blieben zurück.
  



 
… einige Zeit später…

   

Die Erinnerung an Adrians Augen, die in der Dunkelheit gefährlich schimmerten, ließ Syndra innehalten, während ihre Finger den zarten Stoff des Seidenschals auseinanderfalteten und ihn in einer gekonnten Bewegung umlegte.
Er wusste, wem ihre Loyalität galt.


Langsam atmete sie aus und warf einen Blick in den Spiegel.
Ihre Haltung hatte sich gestrafft – makellos, unerschütterlich –, doch das Funkeln in ihren Augen verriet noch immer die unbändige Intensität ihrer Gedanken.

Ihre Fingerspitzen fuhren vorsichtig über die bläulichen Male, verborgen unter dem feinen Stoff – Male, die nicht einfach nur Verletzungen waren. Ganz wunderbar.

Sie zuckte leicht zusammen, als Schmerz unter ihrer Haut pulsierte. Ein letzter stummer Nachhall der Dunkelheit, die Adrian hinterlassen hatte.
Wie überaus naiv und kurzsichtig von ihr.

Behutsam drapierte sie den Schal um ihren Hals so, dass die letzten Schatten darunter verschwanden – als hätte es sie nie gegeben.

Auch wenn sie nicht wusste, was Adrian derart hatte die Kontrolle verlieren lassen, verstand sie nun jedoch Naheniels Warnung vor ihm umso deutlicher. Die Gründe, warum sie sich von dem General fernhalten sollte, ebenso wie die Worte, die sie damals als übertriebene Vorsicht abgetan hatte. „Von nun an bist Du in meiner Nähe nicht mehr sicher. - Meine Nähe zu Dir wird nicht nur Zweifel von vielen anderen Seiten wachsen lassen, sondern noch dazu Aufmerksamkeit auf Dich lenken..“

Sie hätte vorsichtiger sein müssen. Bedauerlich, dass sie sich nicht auf ihre Instinkte verlassen hatte. 
Aber auch wenn die Finsternis und Präsenz Adrians noch immer bedrohlich in ihr nachhallte, durfte sie sich nicht davon einschüchtern lassen. Nein, sie musste wachsamer sein. Das war der Preis, den sie für Leichtsinn zahlen musste.

Ein kaltes Glitzern huschte über ihre Augen, während sie ihr Spiegelbild musterte, um keinen Makel außer Acht zu lassen und den letzten Hauch der Blessuren unter den dunklen Strähnen ihres Haars verschwinden zu lassen. Weder würde sie sich weder in ihren Entscheidungen abweichen noch zu einem furchtsamen Ballast oder einem Druckmittel erniedrigen lassen. Niemals.
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Wir können zwar das Blut nicht leugnen, aber es ist an jedem selbst zu entscheiden, wie viel Macht man diesem gewährt, die Gegenwart noch zu beeinflussen. ~
❖Niemand kann sehen, was verborgen liegt. Niemand vermag es zu stehlen, was dir gehört.❖
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Tanuri
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#1527

Beitrag: # 55244Beitrag Tanuri »

Mit einer nahezu meditativen Bewegung teilte Rosalind den Vorhang und trat gleich darauf aus dem Beichtstuhl heraus. Ihre zierliche Gestalt war gänzlich in einen Umhang aus tiefschwarzer Wolle gehüllt, dessen rauer Stoff bei jeder ihrer Bewegungen leise raschelte. 
 

Tief saß die Kapuze in ihrem Gesicht, verbarg die Konturen ihrer Züge und legte diese in geheimnisvolle Schatten. Ohne ein Zögern oder Furcht zu zeigen, wandte sich die Frau mit einer anmutigen, federleichten Drehung Tanuri zu und fing ihren Blick herausfordernd auf. "Nennt mich eine Hure, wenn Euch danach ist." 

Mit einer fließenden, fast bedächtigen Bewegung glitt der Stoff der Kapuze von Rosalinds Haupt und gab goldene Locken frei, die im spärlichen Licht beinahe wie flüssiges Sonnenlicht schimmerten. Sie waren lose zu einem Zopf geflochten, der sich wie ein sanft über ihren Rücken legte. Doch einige widerspenstige Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr schmales, feingeschnittenes Gesicht - ein scheinbares Chaos, doch schien alles daran einer natürlichen Perfektion zu folgen, die sich auf wundersame Weise an Rosalind schmiegte. 
 
Und obwohl dieser Ort, der heilige Dom und all das, was ihr darin Halt und Sicherheit gab, ihre Stätte war, überkam Tanuri in der Gegenwart dieser Frau ein Gefühl der Kleinheit, der Unscheinbarkeit, ja fast schon der bäuerlichen Plumpheit - ganz als wäre sie wieder das junge Mädchen, welches nach den Angriffen des Wächters zu einer Farmersfamilie gebracht worden war.

Aber, betrachtete sie es mit absoluter Ehrlichkeit, hatte sich seitdem etwas an ihr geändert? Weder besaß sie jene vollkommene Grazie in Bewegung, noch die betörende Schönheit. Wohl hatte sie gelernt, diese nagenden Empfindungen hinter einer eisigen Maske und wohl gesetzten, oft schneidenden Worten zu verbergen, doch nun, in diesem Augenblick, traten sie mit erdrückender Kraft hervor.

Jene schwere Last aus Hass, Abneigung und dem steten Gefühl der Unzulänglichkeit, die sie seit frühester Kindheit begleiteten und sich - entgegen vieler Annahmen - nicht gegen andere, sondern stets gegen sie selbst gerichtet waren. 
Das, was sie so oft zu betäuben und ersticken suchte, damit sie es nicht unaufhörlich sehen musste, drang unaufhaltsam hervor: dass sie niemals genug war, gleich, wer sie versuchte zu sein. 
 
Erst Rosalinds Stimme riss sie wieder aus ihrer eigenen eisigen Starre. "Ich bin hier, weil einer der Magier aus Euren Gewölben an mich herangetreten ist. Er hätte auch - jemand - ganz anderen ansprechen können." 
 
Kurz senkte die blonde Frau ihre langen, dunklen Wimpern, bevor sie unter dem nächsten Lidschlag, den stechenden Blick der Priesterin aufgriff. "Wenn Ihr denkt, "er" schickt mich, nur zu, sprecht ihn an und enttarnt Euch womöglich selbst mit dem, was Ihr vorzuhaben scheint. Wenn Ihr aber wirklich nach dem sucht, wonach Ihr bei den Magiern gesucht habt, dann fragt mich jetzt. Ein weiteres Mal wird es nicht geben." 
 
 

 
Einige Stunden später -
Zeit 
des Abschieds

 
Wie ein Wasserfall aus schwarzem Gold, durchzogen mit Strähnen aus purem Silber, floss das lange Haar Tanuris ihren Körper hinab und schmiegte sich gemeinsam mit ihrer weißen Robe an ihre Silhouette. Auf ihrer Stirn und entlang ihrer Wangenknochen waren in dunkler Farbe Zeichen gemalt, verschlungene Symbole, Zeugnisse ihres Glaubens, Lehren der Doktrin, Weisungen der Priester.

Einen Schritt hinter ihr und leicht zur Seite versetzt stand Vargus, ebenfalls eingekleidet in ein weißes Gewand, das den steinernen Boden berührte und ähnlich, jedoch nicht gleich bemalt. 
 
Mittlerweile waren sie allein im Felsendom, die Gäste, die Betenden, die Suchenden und die Wanderer und auch Rosalind waren weitergezogen, um ihren eigenen Aufgaben nachzugehen. 
 
Fackeln waren nicht nötig, um den Felsendom zu erhellen, denn die Sonne, die bereits tief am Himmel stand, warf ihre Strahlen durch die bunten Mosaikscheiben der hohen Fenster, so dass sich ein spielerisches Licht auf die Wände, den Boden und die Einrichtung warf. Der Geruch von Weihrauch, der aus einem verborgenen Becken aufstieg, hüllte das Kirchenschiff in einen angenehm duftenden Nebel, der an den Sinnen der beiden Gottesdiener kitzelte. 
 
Längere Zeit war nichts zu hören, weder ein Laut, noch ein Mucks. Doch als Tanuri langsam ihre Hände hob, die Handflächen nach oben geöffnet, als würde sie eine unsichtbare Gabe empfangen und ihre Lippen sich kaum merklich bewegten, hörte man es, die flüsternden Worte, einem Gebet oder einer vielmehr einer Anrufung gleich, die sich in der ruhigen Luft ausbreitete.  
 
"Ogrimar, der König der Götter, ist ewig und mächtig. Er war es, der diese und alle anderen Welten erschuf und er ist der Herr über uns alle." 
 
Als sie ihre Worte wiederholte und Vargus sich diesen anschloss, gewann die Stimme der Priesterin mehr und mehr an Kraft, wurde zu einem monotonen, dennoch wohlklingenden Geräusch, das den gesamten Dom erfüllte. 
 
"Der König der Götter ist ewig und mächtig, er erschuf diese und alle anderen Welten. Der König der Götter ist der Herr über uns alle." 
 
Konzentriert blickte sie auf den Altar, auf dem sie für Ogrimar Opfergaben dargebracht hatte, um nicht nur das Gelöbnis ihrer ewigen Treue, Aufopferung  und tiefem, unerschütterlichen Glauben zu erneuern, sondern ihn auch um Vergebung dafür zu bitten, dass sie selbst darüber entscheiden musste, wann ihr Leben endete. 
 
"Wenn die Prophezeiung sich erfüllt und Du, mein ewiger Herrscher, Dich erhebst, wird das Alter der Erde vergehen und alles wird unter Deiner Hand neu geschaffen. Du, der Meister über Chaos und Neubeginn, wirst die Welt aus dem Nichts neu formen. 
 
Von reicher Pracht werden die Sonnenstrahlen die Lebewesen nähren und der Himmel wird neu erstrahlen in einem Meer aus Sternen, die die Nacht durchbrechen. Wie der stete Fluss des Lebens, der von Dir gelenkt wird, wird das Wasser fließen und sich seinen Weg durch die von Chaos zerstörten Täler bahnen. 
 
Durch Dich, mein Lord, mein Meister, mein Herrscher, wird vernichtet und wiedergeboren werden." In diesem Moment waren ihre Augen nicht länger von dem kühlen und abweisenden Blau, welches sowohl ihre Freunde wie auch Feinde zu gut kannten, sondern schienen von einem inneren Feuer erleuchtet. 
 
"Die Götter und ihre Priester beobachten die Welt. Und wir sehen, dass sie verkommen ist und deshalb sterben muss. Die Menschen, die wirklich an Dich glauben, sind stark und mutig. Es sind Deine Krieger und Deine Schwerter, die durch Dich geformt und geschmiedet wurden und sie sind hier und bereit, um für Dich zu kämpfen." 
 
Sie selbst verstummte vorerst, drehte sich zu Vargus herum, dessen eigene, tiefe und sonore Stimme nun anschwoll. "König der Götter, ewig und mächtig, hör mein Wort und glaube an mein Versprechen. Ich kenne das Geheimnis des neuen Lichts und weiß es in diesen Mauern zu schützen. Sie wird erstrahlen, sobald ihre Zeit gekommen ist. Bis dahin werde ich sie anleiten und ihr die Führung durch Dein Wort und Deinen Willen geben." 
 
Wie von einem unsichtbaren Band verbunden, ließen Vargus und Tanuri sich gleichzeitig auf ihre Knie und in seinen aufeinander gelegten Händen öffnete er mit seinen Daumen eine hölzerne kleine Schatulle. Ein stilles Lächeln huschte über seine Züge, als die Priesterin nach einem tiefen Atemzug kaum merklich nickte und sie beide ihre Stimme in die aufgekommene Stille des Felsendoms sprachen. 
 
"Dunkler Gebieter, schwarzer Vater, lass unser Rufen zu Dir gelangen und erhöre uns. Diese verderbte Welt kann einzig durch Deine Macht und das verschollene Licht gerettet werden. Die Worte der Prophezeiung und Deine Bestimmung, rufen nach einer Erfüllung, und wir sind hier, um diesem Ruf Folge zu leisten." 
 
Ohne einen Blick auf ihre Hände zu richten, zog Tanuri den Priesterring von ihrem Finger und bettete ihn lautlos in die Schatulle. "Ein Schicksal muss enden, damit ein anderes beginnen kann." Als Vargus das Kästchen schloss, erlosch der letzte blutrote Streifen des Sonnenlichts, der durch die hohen Fenster gefallen war und das Innere des Felsendoms wurde von einer tiefen, fast greifbaren Dunkelheit verschlungen. 
 



 
Währenddessen hatte ein schwarzer Rabe, der kurz nach Rosalinds Besuch aus dem Felsendom entsendet worden war, sein Ziel gefunden. 
 
 

"Lord Al Saher, 
 
Es liegt mir fern, mich in die privaten Angelegenheiten derer zu mischen, die die Hallen seiner Lordschaft betreten und ihm die Treue schworen. Als Diener des Dunklen Vaters bin ich einzig ihm und seinen heiligen Stätten verpflichtet.
Dies aber schließt die Priesterschaft ein, an deren Seite ich nunmehr viele Jahrzehnte in unerschütterlicher Überzeugung stehe. Und eben deshalb erreichen Euch diese Zeilen. Es eilt, weshalb ich auf Ausführlichkeit verzichte. Das werdet Ihr bestimmt verstehen. 
 
Soeben erst verließ eine junge Frau die Beichte - dies allein hat selbstverständlich weder Euch noch mich zu interessieren. Jedoch wurde kurz darauf ein Blutschwur geleistet - nicht irgendeiner, sondern vor dem Angesicht des ewigen Herrschers selbst. Solch ein Eid, das wisst Ihr, können nicht einfach so gebrochen und müssen unweigerlich vollzogen werden. 
 
Auch dies allein würde meine Aufmerksamkeit kaum fordern. Doch war es der Inhalt, der mich dazu bewog, zum ersten Mal meine Zurückhaltung zu vergessen und den Beschluss zu verfolgen, dass gehandelt werden muss. 
 
Die Frau, die ich noch aus jenen Tagen kenne, da sie als schweigende Schwester dem Glauben diente, schwor der Priesterin, ihr in dem von ihr gewünschten Todeswunsch beizustehen und die Tat dafür zu vollziehen. 



 

Warum Khoron sich ausgerechnet an Adrian wendete und nicht an jemanden anderen aus der Gilde der Legion des Schattens, wurde vorerst nicht erwähnt. Jedoch konnte man vielleicht an der Wortwahl erahnen, dass ihm nur wenig von dem, was sich die letzten Jahre ereignet hatte, entgangen war. 
 
 
Ihr wärt gut beraten, das zu verhindern. 
 
Im Dienste seiner dunklen Majestät,
Khoron

 

Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


Bild
~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya ~~ 

Anführerin der Legion des Schattens
Frau des Adrian Al Saher 
Mutter der Nymeria Al Saher 
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Adrian
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#1528

Beitrag: # 55245Beitrag Adrian »

Die Stille in seinen Gemächern war kein Trost, sondern ein trügerisches Gefängnis. Nur das leise Rascheln des Pergaments, das der Rabe gebracht hatte, durchbrach die erdrückende Ruhe. Khorons Worte, in makelloser Tinte niedergeschrieben, lagen wie ein Fluch auf dem Schreibtisch. Jedes Zeichen war ein Dolchstoß in seine Seele.

Ein Blutschwur. Tanuri. Rosalind. Der Felsendom. Und die unbarmherzige Wahrheit, dass die Stunden, die ihm blieben, schneller zerrannen als Blut aus einer offenen Wunde.

Khoron hatte nicht aus Eigennutz geschrieben. Seine Loyalität gehörte Ogrimar, den heiligen Stätten sowie der Priesterschaft – nicht Adrian. Und doch hatte er den Raben gesandt, diese Warnung, als wüsste er, dass nur er womöglich die Macht hatte, Tanuris Wahnsinn zu stoppen. Eine schweigende Schwester also. Wie viele waren von ihnen außerhalb der Klostermauern je gesehen worden? Die Antwort darauf lag ziemlich auf der Hand, was Adrian jedoch umso mehr missfiel.

Die Schatten selbst tanzten im schummrigen Licht des Kamins, das ihnen im Angesicht der einziehenden Nacht immer mehr an Leben einhauchte. Eine chaotische und bedrohliche Finsternis, die jedoch in seiner Nähe fast greifbar wirkte.

Warum ausgerechnet ein Bluteid? Was hatte Rosalind zu einer derartigen Dummheit bewogen? Ein solcher Schwur vor Ogrimar war unumstößlich, ein Wort, das nicht gebrochen werden konnte, ohne den dunklen Lord selbst herauszufordern. Khorons Drängen war kein Verrat, sondern ein Akt der Pflicht, und das machte die Botschaft umso schwerer. ​

Sein Blick glitt über das Pergament, die Tinte wie ein Spiegel seiner eigenen Dunkelheit. Rosalind, da war er sich sicher. Jedoch war es kein kluger Schachzug. Weder von Tanuri noch von Rosalind selbst. Sie beide wussten, wie dumm dieser Schwur war und wozu er sie verdammte, wenn sie ihn nicht hielt. ​Hatte Tanuri sich wirklich ausgerechnet an sie gewandt, um die Klinge zu führen oder war es, um ihn zu manipulieren? Selbst wenn es eine andere Schwester war, war es mehr als ein törichtes Vorhaben.

„Später“, murmelte seine Stimme wie ein dunkles Versprechen. Im Augenblick spielten die Gründe vorerst keine Rolle. Einmal ausgesprochen, musste er diese unerwartete Wendung in sein Handeln einbeziehen und sehr präzise vorgehen.

Sie würde ihm früh genug dafür noch Rede und Antwort stehen. Freundschaft, oder wie auch immer man ihr Verhältnis titulieren mochte, hin oder her, es würde Konsequenzen haben, wenn sie es war, die sich hinter jener Umschreibung verbarg. Oder glaubte sie, er würde nie davon erfahren. In der Hinsicht sollte sie ihn besser kennen. Aber noch würde Rosalind warten müssen. Dafür hatte Adrian keine Zeit. Weder um den Sachverhalt aufzuklären noch zu urteilen. Nicht, solange Tanuris Leben an einem Faden hing, den er mit bloßen Händen zusammenhalten würde, wenn es nötig war. ​

Regungslos stand er da. Die Hände auf die Kante des Tisches gestemmt, die Finger so fest um das Holz geklammert, dass es knirschte. Das Licht der sinkenden Sonne malte blutige Streifen auf den Boden, doch es vermochte nicht, die Kälte zu vertreiben, die sich in seine Brust festgesetzt hatte. Das helle Blau seiner Augen war von einer Finsternis getrübt. Ein dunkles Feuer, das sich lebendig und hungrig in ihm regte, als spürte es den Verrat, der in der Luft lag. ​

„Ein Schicksal muss enden, damit ein anderes beginnen kann“, hatte Tanuri gesagt, wie Khoron schrieb. Die Worte waren eine Klinge, die sich in sein Herz bohrte, ihre Stimme ein Echo, das ihn zugleich großen Respekt ihr gegenüber fühlen ließ und ihn in Raserei versetzte. Seine Faust schlug auf den Tisch, ein dumpfer Schlag, der die Schatten im Raum erzittern ließ. ​

„Du verfluchte Närrin“, flüsterte er, die Worte an Tanuri gerichtet, obwohl sie weit entfernt war. Konnte sie nicht einmal ihre Sturheit sein lassen? „Du glaubst, dein Tod rettet Freya. Aber du spielst sein Spiel – eines, bei dem nur er gewinnen wird.“

Seine Gedanken wanderten zu Syndra, zu den Malen, die er auf ihrer Haut hinterlassen hatte, zu der Botschaft, die er Naheniel gesandt hatte. „Stück für Stück.“ Die Worte waren kein leeres Versprechen, sondern ein Schwur, den er, wenn die Zeit gekommen war, ebenso unerbittlich einhalten würde wie jenen, den er Tanuri gegeben hatte.

Naheniel würde fallen, dafür würde er sorgen. Keine Gnade. Doch nicht, bevor Adrian Freya in Sicherheit wusste und Tanuri aus den Klauen ihres eigenen Wahnsinns gerissen hatte. Weder würde er Adeptin aufgeben, noch die Priesterin riskieren. Auch wenn sie ihn bei ihrer Entscheidung ausgeschlossen hatte. Das war ihr Fehler – einer, den er sie lehren würde, niemals zu wiederholen.

Er griff nach dem Pergament und führte es an die Kerzenflamme herab, als wolle er es dem Feuer übergeben, doch seine Hand verharrte, während die Flamme sich unmittelbar danach ausstreckte und gierte. Ein aufloderndes Züngeln, das sich in seinen Augen widerspiegelte.

Tanuri mochte genau wie Naheniel glauben, sie habe die Kontrolle. Ein Trugschluss, über den er sie beide nacheinander eines Besseren belehren würde. Angefangen mit der Priesterin. Sie meinte also, sie könnte ihn täuschen. Ein Fehler. Allerdings musste er nun unverzüglich handeln, bevor sie unter Umständen noch weitere ‚Verbündete‘ rekrutierte und damit noch mehr aufs Spiel setzte.

Anscheinend hatte Tanuri noch immer nicht ihren Stellenwert und ihre Bedeutung begriffen. Sie war kein Bauer in diesem Spiel, kein Opfer, das er Naheniel überlassen würde. Sie war -sein-.

„Du wirst nicht fallen“, flüsterte er, die Worte ein dunkles Gelübde, das die Schatten selbst zu bezeugen schienen. Ein Eid, den er ihr selbst gegenüber geschworen hatte und halten würde. „Aber ab jetzt wirst du meinen Weg gehen, Tanuri.“
 
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1529

Beitrag: # 55246Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Das Fremde - Das Bekannte - 
Ich - Du - der Schlüssel  

 Ungläubig zuckte sie zusammen, als sie die Worte ihres Spiegelbilds vernahm. Hastig suchten ihre Augen den Unterschlupf ab, in der Hoffnung, das Echo der Stimme nochmals zu vernehmen, das sich zwischen den Wänden warf und es nochmal zu hören, was gesagt worden war. 

"Aber der Schlüssel ist verloren." 

Sie wandte sich ab, wanderte umher, ging hierhin und dorthin und wieder zurück, wie ein rastloses Tier, welches sein halbes Leben in einem kleinen Käfig zugebracht hatte. 

"Ist es das, weshalb die Dunkelheit kam?" Ein Schauer kroch über ihre Haut, eine sichtbare Kälte, die die Narben ihres zerstörten Körpers nur umso mehr zum Vorschein brachte.

Immer noch flüsterten sie in den Ecken und hallten nach, die Schatten, die gemeinsam mit dem ihr unbekannten Eis versucht hatten, einen der zerbrochenen Spiegel zu flicken. Bisher war es ihr gelungen, diese so gut sie konnte zu ignorieren. Doch nun schien alles langsam einen Sinn zu machen. Zumindest in ihrem Kopf begannen die unterschiedlichen Puzzleteile, die bisher nicht zusammenpassen wollten, sich zu einem Bild zu fügen. 

"Glaubt er auch, dass Du der Schlüssel bist?" Aufgeregt beschleunigte sich ihr Atem, während sie ihre ziellose Wanderung wieder aufnahm und ihren Weg fortsetzte. Plötzlich aber erstarrte sie und fixierte ihr Ebenbild mit ihren hellen Augen, als würde es allein mit ihrem Blick gelingen, dieses zu durchdringen und die gesamte Wahrheit zu erfahren. 

"Natürlich denkt er das. Und nun will er mich holen." Sie wartete einige Augenblicke, gewährte dem Bild, das ihr entgegensah aber keine Antwort, sondern ging einfach wieder weiter. 

"Hat sie nie aufgehört? Die Jagd nach dem Schlüssel? Die Gier nach der Macht? Dabei bin ich doch gegangen, um es zu verhindern. Um den Bruch aufzuhalten, der alles entzweite." Es war ein verworrenes Murmeln, kaum verständlich und nachzuvollziehen für fremde Ohren. Aber schließlich hörte nur sie sich und wusste ziemlich genau, was in der Vergangenheit geschehen war.

"Wenn der Schöpfer es weiß, müssen wir es abwenden und verhindern, dass sie kommen um Dich zu holen. Die Schatten und ein eisiger Frost haben mich bereits berührt und er wird es wieder versuchen, jetzt, da er verstanden hat, wie." 


Mit einem verzweifelten Schütteln ihres Kopfes sah sie zu ihren Füßen hinab und bemerkte erst jetzt, dass sie in tausenden feinen Scherben stand. Gebrochenes Glas von jenem Spiegelportal das mit der Magie aus Wasser, Eis, Dunkelheit und Blut hatte geöffnet werden sollen. 

Und als ob sie völlig vergaß, dass sie nach wie vor von ihrem Ebenbild beobachtet wurde und als ob niemand außer ihr hier war, richtete sie ihren Blick auf die gebrochene Oberfläche und sah durch sich hindurch. "Ich werde sie alle zerstören. Du darfst mich nicht holen. Hörst Du? Adrian! Bleib fort!" 

 
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-Freya-
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#1530

Beitrag: # 55252Beitrag -Freya- »

Freya war wie benommen, als die Bruchstücke und Wortfetzen aus ihren Erinnerungen ein Bild woben, das sie bis ins Mark erschütterte. Ein Zweifel, kalt und scharf, ließ sie erzittern.

„Naheniel…“, flüsterte sie leise, auch wenn der Name kaum mehr als ein Hauch auf ihren Lippen war, während ihr Kopf abwehrend von einer Seite zur anderen wankte, als könnte ihr Wille die Wahrheit hinter der Erkenntnis vor ihren Augen bannen.

Hatten alle recht gehabt? War sie blind gewesen? Ihr Blick verlor sich in einer tiefen Leere, ein Abgrund, der alles, was sie geglaubt hatte, verschlang.
  

~Hat sie nie aufgehört? Die Jagd nach dem Schlüssel? Die Gier nach der Macht? Dabei bin ich gegangen, um den Bruch zu verhindern, der alles entzweite.~
~Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem sie das in Dir sehen, was ich in Dir sehe.~
   
Seine Stimme hallte in ihr nach, die sie einst geleitet hatte. Das blinde Vertrauen, das sie für ihn empfunden hatte, weil sie an seiner Seite sie selbst sein konnte, ohne Erwartungen erfüllen zu müssen. Hatte er sie wirklich nur manipuliert? War nichts davon auch nur ansatzweise echt gewesen?  

Die Worte, die sie Tanuri und Adrian entgegengeschleudert hatte, brannten nun in ihrer Seele. Es war unverzeihlich, wenn diese sie nur vor einer unsichtbaren Gefahr hatten schützen wollen – einer Gefahr, die sie nicht hatte sehen wollen. War ihre Freundschaft mit Naheniel eine Lüge?
  

~Warum sollte er Interesse an einem kleinen Mädchen wie dir haben?~
  
„Nein!“, rief sie, ihre Stimme erhob sich zu einer kalten Forderung, während ihre Brauen sich verzweifelt zusammenzogen. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust und ein dicker Kloß in ihrem Hals schnürte ihr die Luft ab. Sie wusste, dass Worte nichts ändern konnten, doch sie musste es versuchen. Alles war so vollkommen falsch.

„Ich muss nach Hause!“, stieß sie hervor, ihre Augen klärten sich unter einem entschlossenen Blinzeln, als sie sich ihrem Ebenbild zuwandte. Kleine Funken tanzten um ihre Fingerspitzen. Ein Schimmern, das wie zarte Sterne zu Boden regnete.
Was wollte der Schöpfer von ihr? Was wollte Naheniel? Waren ihre Visionen keine Gabe, sondern eine Warnung? War es das, was Yasin von ihr begehrte – eine Macht, die sie selbst kaum begreifen konnte?

Schatten und Frost. Was bedeutete das? Eigentlich war es gleichgültig. Suchte jemand nach ihr? Aber wer? Ihr Atem stockte, als ein Name in ihr aufblitzte. Ein Name, der wie ein Echo in ihren Gedanken widerhallte, während die Zeit stillzustehen schien. 

„Adrian?“, flüsterte sie, das Blau ihrer Augen weitete sich, ein fragender Schimmer lag darin, als sie einen Schritt auf ihr Ebenbild im Spiegel zutrat. Warum ausgerechnet er? Eigentlich war auch das egal, denn viel wichtiger war, dass man sie offenbar weder vergessen noch aufgegeben hatte. Verdient hätte sie es sicherlich.

„Was hat er verstanden? Wo ist er?“ Ihre Worte klangen bestimmend, doch ein Zittern in ihrem Blick verriet ihre Angst. Erkannten die Augen, die sie aus dem Spiegel heraus betrachteten, nicht, in welcher Gefahr sie schwebte? Warum wollte ausgerechnet ihr Ebenbild verhindern, dass man sie fand? Wenn sie recht hatte, war dies der letzte Ort, an dem sie sein sollte.

„Hör mir zu“, forderte sie, auch wenn ihre Stimme  bei dem Gedanken, dass jemand ihre Heimkehr verhindern wollte, immer wieder brüchig wurde. Fast verzweifelt hob sie ihre Arme und legte ihre Handflächen an die schimmernde Oberfläche zu legen. „Du musst mir sagen, wie ich hier rauskomme.Du musst Adrian sagen, wo ich bin.“
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Nymeria
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#1531

Beitrag: # 55255Beitrag Nymeria »

Am Abend in den Hallen der Legion


Ein leises Klopfen hallte durch den großen Raum, der Nymeria fremd und doch seltsam vertraut war. Sie stand an der Hand von Mila, der Haushälterin, die sie oft umsorgte, und blickte in die Gemächer, die sie nur selten betrat.

Die Tür öffnete sich weiter, und Nymeria trat langsam ein, ihre Schritte bedacht, fast zögerlich, als spürte sie, dass dieser Moment anders war. Ihre rabenschwarzen Locken fielen weich über ihre Schultern, während ihre großen blauen Augen neugierig, fast suchend, durch den Raum wanderten. Alles war so still, nur das Knistern des Feuers im Kamin durchbrach die Ruhe. Sie wusste nicht, warum sie hier war, nur dass Mila sie zu ihrer Mutter bringen sollte.

Ihr Blick schweifte über die Schatten, die sich im Licht des Feuers bewegten, und über die zarten Fäden und Schleier, die nur sie sah – ein Flimmern aus Licht und Dunkelheit, das wie ein leises Flüstern in ihrem Geist tanzte. Sie wusste nicht, was diese Schatten bedeuteten, doch sie waren immer da, begleiteten sie, flüsterten Worte, die sie nicht verstand. Als Mila sie sanft anschob, zuckte Nymeria kurz zusammen, blinzelte und ging dann weiter, bis sie vor der Priesterin zum Stehen kam.

„Mutter“, flüsterte Nymeria, wobei ihre Stimme zart wie ein Windhauch, kaum lauter als das Knistern des Feuers war. Sie wusste nicht, warum sie dieses Wort sagte, doch es fühlte sich richtig an, als sie in die kühlen Augen ihrer Mutter blickte, die sie musterten.

„Danke Mila.“ Mit einem knappen Nicken deutete die Priesterin der Magd, dass sie gehen konnte. Die Tür verschloss sich und Tochter und Mutter waren allein. Etwas, das sich bisher selten zugetragen hatte, seitdem Nymeria auf der Welt war.

 „Nymeria“ Sollte vorerst alles sein, was Tanuri als Antwort gab. Für einen Moment schwebte eine Unsicherheit über ihnen beiden. Einige Augenblicke, in denen das Kaminfeuer knisterte und sie einander ansahen, als wäre es das erste Mal, dass Mutter und Tochter aufeinandertrafen. Es war etwas Natürliches, so sollte es normalerweise sein. Und doch blieben beide zurückhaltend. Doch Nymeria wusste es nicht besser. Sie kannte die Bedeutung von Mutter oder Vater ebenso wenig, wie das, was womöglich jene für ihre Kinder empfanden. Doch niemand vermisste etwas, das er nicht kannte.  

Leicht nur blinzelte das Mädchen, während ihre Augen auf die Frau gerichtet waren, die so groß und fern wirkte. Sie wusste nicht, dass Tanuri vielleicht selbst unsicher war und mit der Nähe ihrer Tochter rang, bis sich ihr plötzlich eine Hand entgegenstreckte. „Komm, ich möchte dir etwas zeigen.“

Nymeria sah nur hinauf, während sie folgsam ihre Hand in die von Tanuri legte. Die Finger ihrer Mutter waren kühl, doch nicht unangenehm, und Nymeria spürte ein leises Kribbeln, als sie sich führen ließ. Etwas Warmes und vertrautes, das sie nicht wirklich bei einem Namen nennen konnte.

Tanuri führte ihre Tochter zum Kamin, wo ein sanftes Feuer die Winterkälte vertrieb. Dass sie einst ihr Kind dort brennen gesehen hatte wusste das Mädchen nicht. Nymeria mochte das Feuer – es tanzte wie die unsichtbaren Fäden, die sie sah, und es war warm, anders als die Kälte draußen.

Verspielt brannten einige kleine Scheite vor sich hin und strahlten eine behagliche Wärme aus, während davor auf einem weichen Fell platziert eine schmucklose Holzkiste stand, deren eingebrannte Symbole im Licht der Flammen hervortraten.

Nymeria wusste nicht, was sie bedeutete, doch sie spürte, dass sie wichtig war. Das leise Rascheln der Robe, ließ das Mädchen jedoch wieder zu ihrer Mutter sehen, die sich langsam auf die Felle niederließ.

Nymeria setzte sich neben sie, ihre Augen wanderten zwischen den Flammen und den unsichtbaren Sphären, die nur sie sah. „Wir sehen sie“, flüsterte sie, ohne zu wissen, warum. Ihre Stimme war leise, fragend, und sie blickte zu ihrer Mutter auf. „Sieht sie sie auch?“

Tanuri lächelte, ein Lächeln, das Nymeria selten gesehen hatte. „Ich? Nein, ich sehe nichts“, sagte sie. „Als Kind, vielleicht. Doch heute? Weißt du, Erwachsene werden oft blind mit dem Alter und verschließen sich vor der Welt, die euch Kindern zugänglich ist.“ Sie beugte sich näher, ihre Stimme wurde leiser, wie ein Geheimnis. „Bewahre dir, was du sehen kannst. Auch wenn es dir nicht immer das Gute und das Schöne zeigt. Aber nur, weil man die Augen schließt, bedeutet es nicht, dass das, was man nicht sehen will, fort ist.

Nymeria verstand die Worte nicht ganz, doch sie spürte, dass sie wichtig waren. Sie blinzelte, ihre Augen folgten den tanzenden Schatten, die sich mit den Flammen vermischten. Dann fühlte sie, wie Tanuri sie vorsichtig auf ihren Schoß hob. Es war ungewohnt, so nah bei ihr zu sein, und doch kitzelte es, als wäre es richtig. Sie wusste nicht, dass Tanuri diese Nähe ebenso fremd fand. Für Nymeria war es nur ein warmes Gefühl, das sie tief in sich spürte, als sie die Hände ihrer Mutter sah, die sich auf ihre Beine legten. Ohne nachzudenken, legte sie ihre eigenen Hände darauf, als wäre es selbstverständlich.

 „Hat sie Angst?“ Eine Frage, die wie von selbst kam, als könnte sie etwas in ihrer Mutter spüren, was sie nicht verstand. Prüfend sah das Mädchen in die Augen ihrer Mutter, als jene zusammenzuckte. Eine Regung, die Nymeria bemerkte ohne zu wissen, warum.

„Nicht mehr“, antwortete Tanuri, doch ihre Stimme klang anders, als würde sie etwas verbergen. Nymeria wusste nicht, dass Tanuri nicht ganz ehrlich war, dass sie Ängste trug, die sie ihrer Tochter nicht zeigen wollte.

Nymeria rutschte ein wenig auf Tanuris Schoß, suchte die richtige Position, ohne zu fallen. Sie spürte den Herzschlag ihrer Mutter, einen Klang, der ihr vertraut war, auch wenn sie nicht wusste, warum. Ihre Augen wanderten über Tanuris Gesicht, so nah, dass sie die strengen Brauen, die Wangen und die zarten Fäden sehen konnte, die wie ein Flimmern in der Luft schwebten. Sie wusste nicht, was diese Fäden waren, doch sie folgten ihr immer. „Was will sie uns zeigen?“ flüsterte sie, während ihre Augen sich unter einem Schimmern wieder auf Tanuri richteten.

Tanuri schien einen Moment still zu werden, dann deutete sie auf die Holzkiste und zog sie näher, um den Deckel anzuheben. „Was ist das?“ fragte sie, ihre Stimme voller Staunen, als sie in die Dunkelheit der Kiste blickte, die sich im Feuerschein nur langsam lichtete. Neugierig beugte sich das Mädchen ein klitzekleines bisschen vor, als könnte sie dadurch einen Blick erhaschen.

„Ein bisschen von allem“, sagte Tanuri. „Ein Stück Vergangenheit, ein klein wenig Gegenwart und eine kleine Prise Zukunft.“ Sie strich Nymeria zärtlich über das Haar, und Nymeria spürte die Wärme dieser Berührung, die sie selten erlebt hatte. „Und ein klitzekleines bisschen Familie, wenn du sie vermissen wirst.“

Nymeria wusste nicht, was „Familie vermissen“ bedeutete, doch die Worte klangen wichtig. Sehr wichtig sogar, während sie ihren Kopf an die Schulter ihrer Mutter lehnte. Sie genoss die Berührung, die Wärme, die sie umgab, und ihre Augen leuchteten vor Neugier. „Zeigt sie es uns?“ fragte sie, ihre Locken hüpften, als sie den Kopf neigte.

Tanuri lächelte, ein Lächeln, das die Sorgen in ihrem Gesicht für einen Moment vertrieb. „Sieh an“, sagte sie. „Du kennst also Neugier.“ Sie zog ein Buch aus der Kiste, gebunden in helles Leder, das neu und unberührt aussah.
 

„Das ist alles, was ich über unsere Familie weiß. Nicht jene der Al Saher, sondern var Aesir. Es ist nicht viel, und das, was bereits darin steht, ist lückenhaft. Aber wenn du groß bist, wirst du es mit dem füllen, was darin herumspukt.“

Tanuri berührte ihre Stirn, und Nymeria krauste die Nase, zuckte aber nicht zurück. Was war denn da drin? Fragend hob sie ihre kleine Hand und strich vorsichtig über Tanuris Stirn, als wollte sie die Berührung erwidern oder die zarte Falte wegstreichen, die sich auf jener zeigte, als würde auch darin etwas herumspuken.

„Liest sie uns vor?“ fragte sie, ihre Augen auf die Seiten des Buches gerichtet. Ihre Mutter jedoch legte das Buch zur Seite, als hätte sie etwas anderes angedacht.

„Es ist ziemlich langweilig“, sagte sie. „Keine Märchen von Rittern, Helden, einem wunderbaren Land mit sprechenden Katzen, Pfeife rauchenden Raupen und einer Königin. Es ist etwas, das du irgendwann selbst lesen sollst.“

Nymeria blickte auf das Buch, dann auf Tanuris Hand, die erneut in die Kiste griff. So einfach wollte sie nicht nachgeben. „Liest sie uns morgen oder später vor?“ fragte sie mit ungebrochener Neugier.

„Vielleicht“, sagte Tanuri, und Nymeria spürte, dass die Antwort etwas verbarg, ohne zu wissen, was. Eine unbestimmte Antwort der Priesterin, doch als Eltern lernte man früh, seine Kinder anzulügen. Nicht deshalb, um ihnen etwas Schlechtes zu tun, sondern sie davor zu schützen oder ihnen solange wie möglich das kindliche Gemüt und den Glauben, der damit einherging, zu bewahren.

„Du hast nun etwas, was Deine Zukunft sein wird. Aber ich habe Dir ja auch Gegenwart und Vergangenheit versprochen.“ Ein verspielter ernster Ausdruck legte sich auf das Gesicht ihrer Mutter, als sich ihre Blicke erneut trafen und jene sie bedeutungsvoll betrachtete. „Und was ich so von Dir weiß, begreifst Du manchmal mehr, als mir lieb sein sollte. Also zeige ich Dir lieber gleich alles, bevor mich noch eine kleine Flamme von Dir trifft.“

Leise wiederholte das kleine Mädchen das Wort, „Vielleicht“, und ließ ihre Augen über die Kiste wandern, als Tanuri ein Glas herauszog, dessen Deckel mit feinen Schlitzen versehen war. Das Glas schimmerte im Feuerschein, und Nymeria folgte den tanzenden Schatten, die es warf. „Syndra sagt, wir dürfen nicht mit Feuer im Haus spielen, sonst nimmt sie es uns weg“, sagte sie leise, als die Flammen ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen.

„Deine Schwester hat recht, und es ist gut, wenn du auf sie hörst“, antwortete Tanuri. Nymeria wusste nicht, dass Tanuris Gedanken dazu weiterwanderten, wie lange dies noch so bleiben würde. Spätestens wenn sie fort war, musste auch Syndra sich für eine Seite entscheiden. Das aber konnte sie ihrer Tochter nicht sagen, war Syndra doch das Einzige, was ihr von der väterlichen Seite geblieben war.

„Was ich so weiß, haben viele Kinder Angst im Dunkeln“, fuhr Tanuri fort und rückte Nymeria auf ihrem Schoß zurecht. Nymeria spürte das Gewicht ihrer eigenen Beine, doch es störte sie nicht. „Aber das muss dich nicht bekümmern. Ich hatte auch ganz oft Angst, weißt du? Manchmal ist die Dunkelheit nämlich ziemlich schwarz.“

Nymeria hörte zu, während ihre Augen Tanuris Hand folgten, die den Deckel des Glases öffnete. Plötzlich lösten sich glitzernde Sterne aus Tanuris Fingern, die wie kleine Tierchen in das Glas fielen und darin herumflogen, als wären sie lebendiges Licht.  

Nymeria konnte ihren Blick nicht von den Sternen lösen. Ein Schimmern und Funkeln, das sich in den Augen des Mädchens widerspiegelte, die fasziniert aufleuchteten, während sie ihre kleine Hand danach ausstreckte, als wolle sie das Licht berühren. Ihre Finger berührten die Funken, und sie kribbelten warm an ihrer Haut. Sie krauste die Nase und kicherte leise. „Es kitzelt uns…“

Sie griff sanft nach Nymerias Handgelenk und zog es zurück. „Funken können nicht nur kitzeln, sondern auch verbrennen. Das solltest du mittlerweile wissen!“

Nymeria blinzelte und sah zu ihrer Mutter auf, dann zu einem Funken, der vor ihrer Nase schwebte.

„Schau hinauf zu den Sternen“, sagte Tanuri, als sie das Glas wieder verschloss und nach oben hielt. Durch die Schlitze drang Licht, das ein Muster aus hunderten Sternen an die Decke warf.  „Für dich werden sie immer leuchten und auf dich schauen. Mein Licht wird dich beschützen und für dich da sein, wenn du dich fürchtest. Nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft und nicht nur in der Dunkelheit. Es wird immer da sein, so wie die Sterne, die du am richtigen Nachthimmel sehen kannst.“

Dunkelheit, Nymeria konnte sie sehen. Ein Schatten, der um sie herumtanzte. Sie wusste nicht, ob er zu ihr gehörte oder zu ihrer Mutter. Sie hob die Hand, hielt aber inne, als der Funken ihre Nasenspitze berührte. Ein leichtes Zwicken unter dem sie zusammenzuckte und sich das Gesicht rieb.

 „Hat sie noch immer Angst?“ fragte sie, ihre Stimme verträumt, als sie durch das Leuchten hindurchsah, zu den Schatten, die sich immer wieder zeigten. „Dann braucht sie auch Licht.“

„Jeder hat einmal Angst“, sagte Tanuri und blickte zur Decke. „Angst ist auch nicht immer schlecht, solange man ihr nicht erlaubt, stärker zu sein als alles andere.“

Tanuri hielt das Glas fest und setzte Nymeria sicherer auf ihren Schoß. Sie strich eine Locke aus Nymerias Gesicht, und Nymeria spürte die sanfte Berührung, die sie beruhigte. „Keine Sorge, davon habe ich mehr als genug“, sagte Tanuri. „Aber eigentlich braucht man auch gar nicht viel davon, es reicht bereits ein winzig kleiner Schein, um in den Schatten seinen Weg zu finden.“

„Woher kommt denn die Dunkelheit?“ fragte sie, als wäre es die selbstverständlichste Frage der Welt.

Doch als Nymeria von der Dunkelheit sprach, hielt Tanuri inne, ihre Stirn krauste sich. „Von welcher Dunkelheit sprichst du?“ fragte sie.

Nymeria blinzelte verwirrt. Der Schatten war fort, verschwunden, als hätte er sich versteckt. Sie sah sich um, ihre Augen suchend, doch da waren nur die zarten Fäden, die im Licht schimmerten. Einige - wie viele konnte sie jedoch nicht sagen. Noch nicht. Nur, dass einer von ihnen auch zwischen ihnen beiden schwebte. Doch ihre Aufmerksamkeit ruhte auf dem Schatten. Wo war er hin?

„Er versteckt sich…“, flüsterte sie, fast vorwurfsvoll, als tadelte sie den Schatten dafür, dass er nicht blieb. Sie streckte die Hand aus, wollte die Fäden berühren, hielt aber inne. Der Schatten war hinter ihr gewesen, da war sie sicher. Ihre Augen leuchteten, als sie eine Idee hatte. Sie griff nach dem Glas, umklammerte es mit beiden Händen und sah hinein. Doch in ihren Augen spiegelte sich nur ein dunkler Schemen, eine Gestalt wie ein Seraph, die sie selbst nicht wahrnahm.

Tanuri sah sie verwirrt an. „Wer versteckt sich, Nymeria?“ fragte sie und drehte sich um, als suchte sie etwas. Nymeria wusste nicht, dass Tanuri nichts sah, dass sie für einen Moment erschrak, als sie in die Augen ihrer Tochter blickte. Tanuri schüttelte den Kopf, legte die Hände um Nymeria und setzte sie zurecht. „Das sind Kobolde und Geister, die du denkst zu sehen“, sagte sie, doch ihre Stimme klang, als wollte sie sich selbst überzeugen.

„Kein Kobold“, widersprach Nymeria leise und schüttelte den Kopf. Tanuri schien sie zurückhalten zu wollen, doch Nymeria war schneller. Sie glitt ein wenig ungelenk vom Schoß ihrer Mutter, bevor sie dennoch sicher auf ihren Füßen landete.

Zielstrebig drehte sie sich um sich selbst und suchte weiter den Schatten. Doch er war fort. Unwirsch krauste das Mädchen die Nase und griff erneut nach dem mit Sternen gefüllten Glas. Sie wandte sich Tanuri zu, das funkelnde Licht fiel auf ihr Gesicht, und ihre Brauen zogen sich zusammen, als wollte sie etwas beweisen. Sie wusste nicht, wie sie es zeigen sollte, doch wollte sie es nun unbedingt.

„Du kannst die Dunkelheit nicht suchen“, sagte sie und streckte die Hand aus, als wollte sie das Glas nehmen. Missmutig, dass er sich nicht zeigte, sah Nymeria wieder zu ihrer Mutter. Vielleicht, wenn sie etwas warteten, würde der Schatten zurückkommen. „Er ist ein Wächter“, sagte sie leise, ihre Worte wie ein Gedanke, der durch den Raum schwebte.

Tanuri richtete sich auf, ihre Stimme wurde streng. Doch dann hielt sie inne, ihre Augen weiteten sich. „Was hast du gesagt?“ fragte sie und wich zurück.

Nymeria sah sie an, ruhig, ihre Augen voller Nachdruck. Sie verstand die Strenge nicht, die Angst in Tanuris Blick. „Ein Wächter“, wiederholte sie, leise, ohne zu zögern. In ihren Augen schimmerte erneut ein dunkler Schemen, doch sie bemerkte ihn nicht, ihre Aufmerksamkeit lag auf ihrer Mutter.

Entschlossen streckte Tanuri die Arme aus, zog Nymeria zurück. „Wächter gibt es nicht mehr. Wenn jemand sagt er sei ein Wächter, dann vertraue ihm nicht. Niemals.“ Etwas schien sich in diesem Moment umgeben von Feuerlicht und Sternen zu verändern. Nymeria konnte es hören. Das Pochen an ihrem Ohr, während ihre Mutter sie sanft aber dennoch fest an sich drückte. Eine Nähe, in die Nymeria eintauchte und sich an sie schmiegte, während sie ihre Arme ebenfalls fest um sie legte.



… Stunden später …


Umgeben von weichen Kissen und eingehüllt von Sternenlicht lag Nymeria auf Tanuris Bett behütet in den Armen ihrer Mutter. Ein seltener, vielleicht sogar übrraschender Anblick und doch am Ende etwas vollkommen natürliches.

Das dritte Geschenk. Es war etwas ganz Besonderes. Ein Stoffbär. Ein Hüter, der einst Tanuri beschützt hatte und von nun an über Nymeria wachen sollte, wenn ihre Mutter nicht in ihrer Nähe sein konnte. Ein Halt und ein Freund, wenn sie sich einsam fühlte. Auch wenn er, wie ihre Mutter sagte, ein großer Beschützer war, hatte Nymeria etwas an dem Tonfall nicht gefallen. Eine Regung, die Tanuri in den Augen des Kindes oder auch an ihrer Nasenspitze hatte ablesen können, selbst wenn das Mädchen es nicht ahnte. Doch rang sie dem Kind das Versprechen ab, fortan genauso gut auf ihn aufzupassen, so wie auch er sie behüten würde.

Ganz nah an ihre Mutter geschmiegt lauschte Nymeria mit geschlossenen Augen noch immer dem leisen und regelmäßigen Herzschlag Tanuris. Ein hypnotisches Pochen, das eine beruhigende Wirkung hatte. Ihre kleine Hand lag um den Bauch der Priesterin, während sie gleichzeitig den flauschigen Bären mit ihrem Arm umschlungen hielt.

Eine Wärme und Nähe, die sie zum ersten Mal wahrhaft spürte, ohne zu ahnen, dass es vielleicht auch das letzte Mal sein könnte und sie einen Freund vielleicht bald mehr als dringend brauchte.
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⚜ Tochter der Priesterin und Hüterin Tanuri Al Saher- Enkelin des Hütervaters Stellan var Aesir ⚜
⚜ Kleines Halbblut ihrer Schwester Syndra ⚜ Stieftochter von Adrian Al Saher ⚜

~ Alle doof, außer Mutter!~
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Naheniel
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#1532

Beitrag: # 55256Beitrag Naheniel »

Der nächste Morgen
 
Hin und wieder folgte er ihr. Beobachtete sie aus den Schatten, kontrollierte ihre Begegnungen, Worte und Blicke. Nicht immer und nicht seit Anfang an. Allerdings je näher sie einander kamen, desto häufiger. Auch an diesem frühen Morgen war er ihr sehr nah, als sie sich mit der Inquisitorin traf. Für ihn war es nicht mehr als ein Spiel, sich zu erkennen zu geben und aus der Dunkelheit zu treten.
Gerade weil er davon ausgehen musste, dass zumindest Lorena bereits im Bilde über die von ihm gesetzte Frist war und auch sie, wie alle anderen, rein gar nichts gegen ihn tun konnte.
Es befriedigte und amüsierte ihn innerlich zutiefst, sich diese Hilflosigkeit vorzustellen und darüber nachzudenken, was überlegt und geplant wurde, um das Unvermeidliche aufzuhalten.
Er war tatsächlich neugierig darauf schon bald zu erfahren, wofür sie sich entschieden. Das Leben des Mädchens oder jenes der Priesterin. 

 
Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war der ungestüme Angriff auf Syndra, eine Provokation, die Lorena mit ihren wohlgesetzten Worten genüsslich aufzeigte.
Eine durchtriebene List, die er nicht einkalkuliert hatte und ihm deshalb umso mehr missfiel. Angesichts dessen schien es durchaus denkbar, dass dieses Zusammentreffen zwischen der Inquisitorin und Syndra mehr als bloßer Zufall war und Letztere innerhalb der Gilde weit genauer beobachtet wurde, als ihr und auch ihm bewusst war.

Hatte man etwa darauf gesetzt, dass er auftauchte, nur um ihm zu unterbreiten, was mit Syndra geschehen war? Ihn damit aus der Ruhe bringen und zu einem Fehler bewegen?

 
Ein abgekartetes Spiel zwischen denen, die versuchten, ihm seine Freude zu verderben? Seine Erfahrung lehrte ihn, dass derlei Intrigen durchaus üblich waren. Doch damit war es nun vorbei.
 
Syndra war sein Eigentum und er war nicht dazu bereit, auch nur irgendjemandem zu gestatten, diesen für eigene Zwecke zu benutzen oder sich an ihr zu vergreifen.
Ein Anspruch, den er sie unmissverständlich spüren ließ, als sein Blick sie taxierte und seine Berührung warnend ihre Hüfte entlangzog, hinauf zu ihrem Arm, den seine Finger sogleich umschlossen. 

Nicht grob, aber fest genug, um ihr zu zeigen, dass er äußerst unzufrieden war mit dem, was er gerade erfuhr.
 
"Entgegen meinem bisherigen Urteil über Euch, war Eure besorgte Anmerkung äußerst höflich und zuvorkommend. Deshalb möchte ich mich bei Euch aufrichtig dafür bedanken, dass Ihr mich auf die Verletzungen hingewiesen habt, die Syndra sich zuzog."
Bedankte er sich bei ihr mit tiefer und melodischer Stimme, in welcher jedoch eine unterschwellige Härte mitschwang, von der er sicher war, dass die Frauen sie genau heraus hörten.


"Vielleicht sollte sich aber Eure nächste Anklage, werte Inquisitorin, gegen denjenigen richten, der Eurer Gildenschwester das antat. Wilde Leidenschaft war es schließlich kaum." Er neigte sich ein wenig zu Syndra hinab und flüsterte, jedoch auch für Lorena hörbar, während der diese aus seinen Augenwinkeln beobachtete. "Das hoffe ich doch zumindest."
Als sein Blick für einen Atemzug wieder jenen Syndras traf, konnte sie darin die stumme Botschaft lesen, die er für sie hatte: Das wirst Du mir erklären.


Dass sein Gedanke keine Bitte war, sollte die Frau neben ihm spüren, als die Umklammerung um ihren Arm sich versteifte und das tiefe Blau seiner Augen bedrohlich aufleuchtete.
Zu seiner Genugtuung blieb die Wirkung seines Tuns nicht aus, denn er nahm die leichte Anspannung wahr, die Syndras Körper durchzog. 

 
"Natürlich werde ich meine Ermittlungen fortsetzen, wenn ich weiß, wer unter Verdacht steht."
Es war die gewohnte, eisige Ablehnung, die Lorena ihm mit ihren Worten zeigte und eine Ahnung beschlich ihn, dass sie sehr genau wusste, wer seine "Aufmerksamkeit" auf Syndra gerichtet hatte. 
"Mhm. Aber sicher werdet Ihr das tun." 

Ein kaum hörbares Raunen entwich seiner Kehle und er lockerte dabei die Finger, woraufhin Syndra sich aus seinem Griff wand und ihn mit kühler Distanz zwischen den beiden umhersah.


"Wie überaus heroisch von Euch beiden." Der Klang ihrer Stimme unterstrich den Stolz, den sie immer noch in sich trug und langsam gewann sie sichtbar wieder ihre Sicherheit zurück. In einer geschmeidigen Drehung und mit kritisch erhobener Braue wandte sich die Eismagierin sich ab. 
Zwar waren ihre Schritte von einer anmutigen Ruhe geprägt, als sie zur Tür schritt, dennoch war es für ihn nicht zu übersehen, dass sie etwas beschäftigte, gar in subtile Furcht versetzte. Und es war nicht Naheniels Gegenwart. 
"Ihr entschuldigt? Ich benötige nur einen kurzen Moment." Ruhig und bittend legte sich das Blau ihrer Augen auf Naheniel und flüsternd und beschwichtigend richtete sich nochmal an ihn, bevor sie nach draußen trat: "Ich brauche nur einen kurzen Moment, Naheniel. Ich bin gleich hier draußen."   
 

 


Kurz darauf, vor der Tür
 

"Adrian. Er hat Dich also angefasst? Wieso hast Du ihm das erlaubt?"
Der Ausdruck in seinem Gesicht nahm eine bedrohliche und sie durchdringende Schärfe an, die keinen Widerspruch und keine fadenscheinige Entschuldigung duldete. 

Unsanft zog er sie an ihrem zarten Handgelenk zu sich, jedoch blieb seine Stimme völlig ruhig, nahezu sanft.
"Sieh mich an! Genießt Du es etwa, wenn er sich Dir auf diese Weise nähert? Hat es Dir womöglich sogar gefallen und verlangst Du nun nach mehr von ihm? Von ihm, dem dunklen Mann, der die Frauen verführt." 

 Ein abfälliges Zucken umspielte seine Lippen und ein wenig lockerte er seinen harschen Griff, mit dem er sie bei sich gefangen hielt.
"Richte ihm meine …. besten Wünsche aus.Verspürt er Wut, soll er diese an meiner Schwester auslassen und nicht an meinem Besitz."

 


"Was fällt Dir ein, Naheniel?" In ihrem Blick flackerte ein subtiles Aufbäumen auf, ein innerer Sturm, der in diesem tobte. Es war eine Widerspenstigkeit, die ihm keineswegs fremd war, aber doch eine für ihn unbekannte Intensität besaß. 
Der unnachgiebige Stolz einer Frau, der in ihr gegen seine Mutmaßung rebellierte. "Du glaubst wirklich, ich habe es genossen?" Das eisige Glitzern in ihren Augen war eine deutliche Herausforderung.
Sie warf es ihm förmlich entgegen, auch wenn ihre Stimme dabei ruhig blieb. Eine Beherrschung, die jedoch schneidend war und einen Hauch ungläubiger Arroganz in sich trug.

"Soll ich ihm das wirklich ausrichten? Hast Du sonst noch einen Wunsch, mein Herz?" 

 


Tadelnd schüttelte er seinen Kopf, drehte ihr Handgelenk unbarmherzig zur Seite und packte mit der anderen Hand in ihren Nacken. "Vorsicht, Syndra. Nur weil Du für mich mehr bist als die unbedeutenden Weiber, die sonst auf dieser Welt umherstreifen, bedeutet das nicht, dass Du Dich derart auflehnen kannst. Eigentlich dachte ich, unsere letzte Begegnung wäre dahingehend eindeutig genug für Dich gewesen." 
 


"Nur zu." Ihre Worte waren nur ein Hauch im Wind, der jedoch durch das Heben ihrer Wimpern deutlich untermalt wurde, unter denen sich das Blau ihrer Augen herausfordernd weitete. Ein kalter Glanz, in dem sich Stolz und Trotz spiegelten und dennoch hinter den Schatten der eisigen Barriere, die sie umgab, das Flimmern einer Angst nicht verbergen konnte. 
Sowohl ihr zittriger Atem, als auch die verräterischen Schläge ihres Pulses unter seinen Fingern waren ein unüberhörbares Zeugnis ihrer inneren Anspannung. 

"Noch ein winziges Stück, nicht wahr?" Ihre Stimme war ein bitteres Flüstern, ein leises Echo der Bedrohung, die sie spürte. Sie konnte das drohende Bersten ihres Handgelenksknochen fast schon körperlich fühlen, das Kirschen, das bevorstand. "Ich bin nicht wie die gewöhnlichen Weiber? Weiber, die Du dennoch mit mehr Respekt behandelst als mich!" 
 
 

Langsam, nur sehr langsam, löste er die beunruhigend Berührung in ihrem Nacken und fuhr mit seinen Fingerspitzen grob an ihrem Hals entlang. "Du wünscht Dir also den gleichen Respekt, so wie Du es nennst, den ich anderen Frauen zukommen lasse?" 
Ohne sonderlich darauf zu achten, ob er ihr weh tat oder sie in Gefahr brachte, drückten seine Finger zu und nahmen ihr für einige kritische Momente die wichtige Atemluft.
"Das ist es, was ich mit ihnen tue, wenn ich denke, dass sie nicht dem folgen, was ich will." 

Naheniel beugte sich zu ihr herab und flüsterte gefährlich leise an ihr Ohr.
"Ich töte sie."
Kurz verharrte er, ließ den Griff seiner Hand, die ihren Hals umschloss, auf sie wirken, bevor ein verschmitztes und fast jungenhaftes Lächeln über seine Lippen flog und er seine Finger ein bisschen lockerte. "Überlege Dir besser gut, was Du von mir denkst und Dir vielleicht sogar insgeheim wünscht." 



 
Instinktiv schnellte eine Hand Syndras nach oben und ihre Finger krallten sich krampfhaft in seinen Arm. Auch wenn ihr Versuch, ihn wegzuziehen, sinnlos und vergeblich war, hinterließ sie sichtbare Spuren. "Was hält Dich ab?"
 


Ohne eine Spur von Reue für das zu zeigen, was er ihr antat, streifte er mit einem Kuss jenen Bereich ihres zarten Halses, an der er seinen Daumen zuvor fest in ihre Haut gedrückt hatte. "Was mich davon abhält, Dich zu töten? So einiges." 
Spielerisch glitten seine Fingerkuppen über die Verletzungen, die Adrian Syndra zugefügt hatte. Doch als sie versuchte, sich seinem Kuss zu entziehen, flammte ein dunkler Glanz in seinem Blick auf und färbte das sonst strahlend helle Blau seiner Augen nahezu schwarz.
"Du hast es immer noch nicht verstanden?" Tief und rau drang seine Stimme an ihr Ohr, besaß aber nichts Warmes oder Sanftes mehr, sondern verdeutlichte ihr auf unmissverständliche Weise, dass er ihre Versuche, sich ihm zu entziehen, sei es mit Worten oder körperlichen Regungen, nicht weiter dulden würde. 
"Ich werde seine Finsternis dafür vernichten, dass er es wagte, sie gegen Dich zu richten. Er wird Dich nie wieder verletzen und berühren."

Schmerzhaft drehte er erneut ihre Hand und hob diese auf die Höhe seines Gesichts, so dass ihre Handinnenfläche seine weichen Lippen berührte.
"Mitkommen." 

 
Ohne sich im Geringsten darum zu kümmern, ob ihre Abwesenheit bemerkt wurde oder man sie vermisste, zog er sie mit sich in das Zwielicht und an einem anderen, unbestimmten Ort wieder hinaus, nahm ihren Schatten an sich und sorgte dafür, dass sie so leicht nicht mehr zu finden war. 
 
 



Später
 
Syndra war in ihrem neuen "zu Hause" und so konnte er sich die Zeit nehmen, Adrian seine Form der Antwort für die von ihm begangene Tat und die Nachricht, die er ihm zukommen hatte lassen, zu geben.  
 
"Alter Freund, Du willst also meine Forderung bezüglich meiner Schwester nach meinen Vorgaben erfüllen?
Doch warum versuchst Du dann meine Geduld auf die Probe zu stellen? Dachtest Du, Du könntest damit das Spiel bestimmen, das ich eröffnet habe? Ein Fehler und das so knapp vor dem gewollten Ziel."

Leise lachte er in sich hinein, während er mit einer einfachen Geste ein Pergament an die Stadtmauer heftete. Adrian hatte ihn provozieren wollen und genau das war ihm gelungen.


"Monate sind vergangen, seit das Mädchen in meine Welt trat und verschwand. Wochen, seit man mir den Krieg erklärte und das Tribunal gegen mich in sich zusammenfiel. Noch dazu haben Stimmen sich erhoben und sind wieder verklungen.

Freya wird schrecklich vermisst. So sagen sie.
Man braucht sie. So behaupten sie.

Und in all der Sehnsucht wurde angeblich eifrig in jeder Ecke nach ihr gesucht. Aber offenbar nicht in den richtigen. Denn das Ergebnis ist: Sie ist immer noch fort.

Es hat etwas Amüsantes, euch zuzusehen. Wie ihr euch im Kreis bewegt, wieder und wieder. Dieselben Pfade, dieselben Fehler, dieselben leeren Hände. Ihr wollt vorankommen und doch bleibt ihr genau da, wo ihr begonnen habt.

Untätigkeit ist eine Sünde, die ihr euch selbst vorhalten könnt. Doch selbst die wenigen unter euch, die den Mut hatten, mir nahe zu kommen, fanden keinen Erfolg.

Und ich? Ich warte. Ich warte darauf, dass einer von euch versteht, was vor euren Nasen passiert.

Außerdem genieße ich es, wenn sich jemand an meinem Spiel beteiligt, die Herausforderung erkennt und sich ihr stellt.
Doch niemand von euch will die Regeln akzeptieren, die ich aufgestellt habe, um nur keine Schwäche preiszugeben.

Deshalb gilt für nun folgendes: Ihr hattet eure Chance. Jetzt ändere ich die Regeln. 
Natürlich zu meinen Gunsten."




 
Mehrmals wurde ich mittlerweile verdächtigt, das Chakai-Kind geraubt zu haben.
Vielleicht habe ich das. Vielleicht auch nicht.

Doch ich frage mich, wer von euch hat den Mut, die Wahrheit herauszufinden?
 
Ich bin ein Spieler und beziehe zu gern auch die mit ein, die bisher schwiegen oder sich lieber hinter ihren verschlossenen Türen versteckt hielten und zwischenzeitlich nicht mehr beizutragen hatten, außer Bekundungen, die aufgrund der darauf folgenden Bequemlichkeit nicht nur wirkungs-, sondern wertlos waren. 
 
Die Legion des Schattens kennt mein Angebot und die Frist, die damit verbunden ist. Doch offenbar wird beides nicht ernst genommen.
Eine törichte Entscheidung.
Denn diejenigen, die mich kennen, wissen:
Meine Worte sind Versprechen und Versprechen breche ich nicht.

Großzügig wie ich bin, lasse ich deshalb von nun an alle an diesem Geschäft teilhaben, nicht nur diejenigen, die mit kriegerischen Handlungen gegen mich vorgehen oder die sich durch aufgesetzte Empörung versuchten bei mir einen Namen zu machen, sondern auch jene, die womöglich so viel Verstand besitzen, um zu erkennen, welche einmalige Chance ich biete und diese nun ergreifen, bevor es zu spät ist.

Mein Angebot lautet: 

Liefert mir meine Schwester aus, tot versteht sich. Dafür bringe ich Freya zurück. 


Es sei gesagt, dass der Sand im Stundenglas bereits fällt und ich nur noch zwei Tage gewähre.
Mein Vorschlag deshalb für euch:

Nutzt diese weise.
Denn ich verhandle nicht.
 
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Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1533

Beitrag: # 55257Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Der Schrei und das Flehen ihres Ebenbilds war kaum noch wahrnehmbar. Womöglich geschah es auch gar nicht wirklich, sondern war nur erdacht. Ein weiterer Trug ihres Geistes, etwas, das unecht war, aber von dem sich innerlich zutiefst gewünscht wurde, echt zu sein. Denn dann wäre es real, wäre es greifbar, der Gedanke daran, nicht mehr länger allein mit all dem zu sein, was sie sehen und spüren konnte und dem sie sich zu stellen hatte. 

"Ich muss ihn aufhalten. Er darf mich nicht erreichen." Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie sich fort und sah sich mit zuckenden Augen um. "Ich muss es verhindern, dass er mich findet."

Sie erstarrte, ihre Brust hob und senkte sich in hastigen Zügen und sie richtete ihren Blick wieder vernichtend auf ihr Ebenbild. "Du bist Schuld! Wegen Dir sucht er mich." 

Sie hob ihre Hände auf die Höhe ihrer Augen, betrachtete die Schnittwunden und das Blut, welches dort mittlerweile trocknete, und zog verzweifelt ihre Brauen zusammen. "Er ist schon fast hier…" 

Die Dunkelheit, die zuvor zurückgeblieben war, wurde für sie immer greifbarer und hüllte sie ein, obwohl schon längst nichts mehr davon zu sehen war. Für andere war sie nicht echt, eine bloße Einbildung, sie aber spürte sie mit jeder Faser ihres fröstelnden Körpers. 

"Bleib mir fern!" Ihr ganzer Ausdruck sowie auch ihr Tun wurde von Sekunde zu Sekunde wirrer und schien kaum noch einer Logik zu folgen. 

Wieder schlang sie ihre Arme um sich und stellte sich dabei wohl vor, es wäre nicht sie selbst, die sie festhielt, sondern etwas, das sie schon vor langer Zeit zurückgelassen und verloren hatte. 

"Wenn Du hier bist, nimmst Du mich mit? Du kennst den Weg hinein. Und doch findest Du mich erst jetzt?" 

Als wäre jemand direkt bei ihr, begann sie mit ihrem eigenen Schatten zu sprechen, der sich schemenhaft auf die spiegelnde Oberfläche warf. Ihre Stimme nahm etwas Liebevolles und Zärtliches an und langsam löste sie ihre Umarmung, um ihre Hand zu heben und mit ihrer Hand über das zu streicheln, was sie dachte, in dem Schatten zu erkennen. 

"Der Weg hinaus führt über mich, das hast Du herausgefunden, nicht wahr? Deshalb bist Du hier. Du willst mich nach Hause bringen." Sie lächelte sich selbst an und schüttelte entschuldigend ihren Kopf. "Du zwingst mich dazu, es zu verhindern." Sprach sie zu sich und zu dem Dunkel, von dem sie dachte, es wäre bei ihr.

Ohne Vorwarnung oder ein weiteres Wort hob sie plötzlich auch ihren zweiten Arm und gab dem Spiegel vor sich einen starken Stoß, so dass dieser mit einem lauten Krachen umfiel. 


 



Für den Bruchteil eines Augenblicks war alles still und die Welt schien zu stehen. Dann, wie aus dem Nichts, erklang hinter Freya eine vorsichtige Stimme, die fragend ihren Namen ausprach. 

 
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-Freya-
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#1534

Beitrag: # 55262Beitrag -Freya- »

Freya schüttelte den Kopf. Nein, ihre Augen bohrten sich in das Ebenbild, das sich immer weiter zurückzog, als wollte es im Glas verblassen. Sie durfte nicht gehen - nicht jetzt und nicht ohne eine Antwort.

„Spiegel müssen die Wahrheit sagen“, stieß sie hervor. Ihre Stimme schwang zwischen einer Forderung und einem Flehen, während ihre Handflächen sich an die kühle Oberfläche pressten.
„Wo ist Adrian? Beim dunklen Lord, wie komme ich hier raus? Du musst es mir sagen!“


Ihre Worte wurden schärfer, fordernder. Ihre Finger drückten sich nahezu in die feinen Risse, als könnte sie es dadurch festhalten, doch wich das Spiegelbild immer weiter zurück. Warum wollte sie es verhindern? Verhindern, dass man sie fand – dass sie beide vielleicht nach Hause zurückkehren konnten.  

Mit glasigen Augen sah Freya zu, wie das Spiegelbild immer mehr verschwamm. Sie traute sich nicht zu blinzeln, die Tränen, die sich ungewollt in ihren Augen gesammelt hatten, zu verdrängen. Ein Wimpernschlag konnte ausreichen und sie wäre fort.  Das durfte sie nicht zulassen. Alles, was zählte, waren Antworten, nicht Befindlichkeiten. Sie brauchte sie.

„Du darfst mich nicht aufhalten!“ Warum sollte es sie zurückhalten? Ihr Herz hämmerte schmerzhaft, ein wildes Pochen, das ihren Verstand zu zersplittern drohte. Schmerzhaft weiteten sich ihre Augen, als im nächsten Atemzug sich ein Arm im Spiegel anhob. Dunkelheit flimmerte vor ihren eigenen Augen auf. Ein Schatten, so dunkel, dass Freya im ersten Moment glaubte, sie hätte geblinzelt, doch dann sah sie für einen Herzschlag das stechend helle Blau, das sie förmlich durchdrang.

Ein jähes Krachen zerriss im selben Augenblick die Stille. Der Spiegel zerbarst von innen, als hätte eine unsichtbare Faust ihn zertrümmert, als wäre er zu Boden gefallen. Scherben platzten hinaus und streiften ihre Haut. Kleine Splitter, die um sie herum hinabregneten und im Sonnenlicht wie fallende Sterne funkelten.

„Nein!“ Freya erstarrte, die Augen weit aufgerissen, bevor sie reflexartig ihre Hände zurückzog und sie schützend vor ihr Gesicht legte, während sie sich wegdrehte. Das Klirren hallte in ihren Ohren wider. Ein Geräusch, unter dem sich alles in ihrem Magen zusammenzog und sie die Stimme, die ihren Namen leise flüsterte, nicht wahrnahm. Alles, was in ihr regierte, war der Unglaube und Verzweiflung, dass jede Hoffnung sich in tausende kleine Scherben ergossen hatte.

„Nein, nein, nein!“ Ihr Atem kam in keuchenden Stößen. Das konnte nicht sein. Sie durfte nicht gehen. Nicht ohne Antworten. In einer eiligen Drehung wandte Freya sich herum und starrte mit weitaufgerissenen Augen auf den leeren Rahmen. „Wieso?“

Wieso zerfiel jede Hoffnung zu Staub. Warum wandte sich ihr eigenes Spiegelbild gegen sie? Jene, die zu ihr gesprochen hatte. Verzweifelt wanderte ihr Blick über die in der Sonne schimmernden, scharfkantigen Bruchstücke, die um sie herumlagen.

„Nicht jetzt“, flüsterte Freya in ihren Gedanken, unwissend, ob sie diese ausgesprochen hatte oder die Worte nur in ihrem Geist immer wieder aufflammten, um gegen das anzukämpfen, was sich unvermeidlich offenbarte. In einer fließenden Bewegung beugte sich das Mädchen hinab. Zitternd streckten sich ihre Hände nach den Scherben aus, aber jedes Bruchstück in das sie sah, zeigte nur ihr Gesicht – allein und verloren.

„Du kannst nicht weg sein“ Ihre Stimme brach unter der Erkenntnis, dass sie fort war. Immer wieder blinzelte Freya, als könnte sie das verlorene damit zurückholen, während ihre Augen über die unzähligen Facetten ihres eigenen Spiegelbildes hinwegfuhren, die um sie verstreut lagen.

„Bei Ogrimar, antworte mir!“ Ein Stechen durchfuhr ihren Körper. Ein Schmerz, den Freya ebenso ignorierte wie jene pulsierende Wärme, die sich in ihren Händen ausbreitete, während das Blau ihrer Augen nach einem Bruchstück suchte, das vielleicht noch immer ‚sie‘ zeigte. All die unzähligen Scherben sahen sie jedoch mit derselben Verzweiflung an, die sie in ihrem Inneren spürte. Eine Angst, erneut alles zu verlieren, obwohl es zum Greifen nah war.

Ihre Finger glitten über das Leuchten in der Sonne. Die Reflektion, die sich überall im Raum widerspiegelte und das Rot zeigte, das sich über jene verteilte, während Freya unermüdlich nach etwas suchte, was sie selbst nicht verstand. „Du kannst nicht einfach gehen.“

Das Pochen in ihrer Brust wurde immer drängender. Ein Hämmern, das hinter ihren Schläfen ebenso pulsierte. Nein. Es gab einen Weg und egal, wie – sie musste ihn finden. Keine Zweifel, keine Hoffnung, von der sie sich weitertragen lassen würde, nur damit sie weiter unter all dem zerbrach. Sie durfte sich nicht länger davon leiten lassen. Es gab einen Weg, davon war sie überzeugt und sie würde sich ihn nicht nehmen lassen. Eisig flammte die Entschlossenheit in ihren Augen auf. „Ich werde dich finden.“

Wo war der Spiegelmacher? Er konnte es richten. Ganz bestimmt konnte er es. Sie musste ihn finden. Irgendwie! Ardyn konnte die Scherben zusammenfügen oder nicht? Das war doch seine verdammte Aufgabe! Und wenn er es nicht konnte, so wusste er trotzdem, dass da etwas war. Etwas Unerklärliches. Mehr als nur ein stummes Ebenbild. Er musste sie zu dem bringen, was zu ihr gesprochen hatte. Es konnte nicht verloren sein. Das Wissen, die Stimme, die Antworten auf all ihre Fragen.

Ihre Finger umschlossen eine der größeren Scherben, in die sie blickte. Ein Wimpernschlag in dem erneut das kühle Blau vor ihr aufflammte, das ihren Atem panisch beschleunigte.
~Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst. Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?~


Zwanghaft schloss Freya ihre Finger fester um die Scherbe, die sie aufgehoben hatte. Spürbar schnitten sich die scharfen Kanten in ihre Haut. Ein Schmerz, der jedoch so echt und greifbar war, als sie ihren Blick losriss. Ein einzelner Moment, der sie im nächsten Atemzug auf die tanzende Reflexion an der Wand sehen ließ. 
~Furcht habe keine. Nur die Sorge, dass Du Deine Macht gegen mich verwenden wirst.~

Ein Schatten, kaum wahrnehmbar in ein sanftes Rot getaucht, welches das Symbol aus dem Spiegel, jenes Zeichen, das sie von Geburt an auf ihrer Haut trug, vor sich schweben zu sehen
~Du und alles was Du bist gehört mir, mir allein.~


Die Worte durchdrangen sie, wie die Splitter ihre Haut. Ein scharfes Brennen, unter dem sie ihre Hand dennoch unerbittlicher um das größere Bruchstück schloss. War Naheniel wirklich der Schöpfer?
~Du denkst, ich würde es Dir erlauben, Dich gegen mich zu wenden, Freya? ~


Sie gehörte niemandem. Niemandem, außer Ogrimar. Keiner, außer ihm, bestimmte über ihr Schicksal. Der stechende Schmerz riss sie in die Wirklichkeit. Eine Erinnerung, dass sie handeln musste, sodass sie sich in einer anmutigen aber dennoch eiligen Bewegung aufrichtete und der Tür zuwandte. Eine einzige flüchtige Bewegung, als sie erneut die sanfte und vorsichtige Stimme hörte, die ihren Namen aussprach.

War es eine Einbildung? Etwas, das sie erneut abhalten wollte, zu gehen? Eine Stimme, die erneut Zweifel wecken und sie aufhalten wollte? Mit einem Blinzeln sah Freya zur Tür, während gleichzeitig die Scherbe in ihrer Hand tanzende Lichter an die Wand zeichnete. Ein Farbenspiel unter dem die scharfen Kanten jedoch flimmernd hervorhoben. Ein Blick, unter dem sich auf ihren zarten kindlichen Zügen eine klare und unnachgiebige Entschlossenheit widerspiegelte. Niemand würde sich ihr in den Weg stellen. Auch nicht der Schöpfer selbst.
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Tanuri
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#1535

Beitrag: # 55268Beitrag Tanuri »

Früh am nächsten Morgen
 
Ihre Tochter lag, ihren Bären fest im Arm haltend und gleichmäßig atmend unter einer dicken Decke in dem großen Bett der Priesterin und wirkte darin fast etwas verloren. Viel Schlaf hatte Tanuri aber nicht gefunden. Es waren wirre und belastende Träume, die sie heimgesucht hatten und nachdem sie mitten in der Nacht aufgewacht war, war es ihr nicht gelungen, nochmals einzuschlafen.

Stattdessen hatte sie das zarte Gesicht Nymerias betrachtet, ihr eine der dunklen Strähnen aus dem Gesicht gestrichen und einfach nur ihrem Atmen gelauscht. Doch auch wenn sie bemüht darum war, zu verdrängen, gelang es ihr von Stunde zu Stunde weniger und so hatte sie sich irgendwann leise erhoben, um das Kind nicht zu wecken und war unbemerkt in ihr Arbeitszimmer geschlichen, um dort zu sortieren, was nicht wirklich zu sortieren war. 
 
Auch wenn der Besuch der bildschönen Frau mittlerweile einige Stunden zurücklag, gelang es Tanuri nicht, die Gedanken an sie abzuschütteln. Ja, sie hatte einen Schwur geleistet. Einen, der der Priesterin genau das geben würde, wonach sie suchte. Dennoch blieb der bittere Beigeschmack der Vergangenheit in ihr zurück. Zitternd legte sie ihre Hände flach auf die Tischplatte vor sich und ihre Finger krallten sich in das Holz, während sie versuchte, ihren Herzschlag, ihren Atem und vor allem sich selbst unter Kontrolle zu bringen.

Eigentlich musste sie Adrian dankbar dafür sein, dass er ausgerechnet sie zu ihr schickte. Aber warum dieser Zug? Warum musste er ihr erneut ihre Schwäche vor Augen führen? Sollte es sie an etwas erinnern? Woran? Daran, dass er ihre Absichten kannte? Dass er sie durchschaut hatte und die Magier auf seiner Seite wusste? Dass er sie mithilfe von "ihr" stets im Blick behielt? Es waren wirre Gedanken, die keinerlei Sinn ergaben. Genauso wenig wie die plötzliche Erkenntnis, dass die Hure womöglich zugestimmt hatte, weil die Priesterin dann nicht länger im Weg stünde. Ein Weg, in dem sie schon für eine andere stand. 
Tanuri kniff ihre Augen zusammen und holte tief Atem. Ganz gleich, was die richtige Antwort war, es würde ihren Geist nicht mehr quälen, sobald getan worden war, was zu tun war. Denn weder Angst, noch Sorge oder das gequälte Herz konnte man mit in sein Grab nehmen. 
Obwohl das Blut laut in ihren Ohren rauschte, vernahm sie das leise Klopfen an der Tür, der sie den Rücken zugewandt hatte. Auch ohne eine Stimme zu hören oder ihn zu sehen, wusste sie, wer dort stand. "Komm herein." 
 

 
Seine eigenen Gedanken verbarg Adrian hinter einer kühlen, beherrschten Maske. Es nagte an ihm, dass Tanuri ihm nicht nur misstraute, sondern sich sogar eine Sicherheit verschafft hatte. Rosalind würde er unverzüglich zur Rede stellen und sie die Konsequenzen spüren lassen. Doch bei der Priesterin verhielt es sich anders.
Sich zur Zurückhaltung mahnend, trat er ein und richtete seinen Blick sofort auf sie.


"Brauchst du noch einen Moment, Tanuri?"

Vorerst blieb er im Türrahmen stehen, flüchtig den Raum musternd, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Dennoch suchte er nach etwas. 
 
 

 
 
Die Wut, die sie überkam, war überwältigend. Doch in Wahrheit richtete sie sich nicht gegen ihn, sondern gegen sie selbst. Gegen ihre Unvollkommenheit, ihre verlorene Jugend, gegen ihr mangelndes Feuer und ihre Gewöhnlichkeit. Sie hatte es gespürt, diesen Zauber, der Rosalind umgab und das Geheimnisvolle und Exotische, was sie an sich trug. Und vor allem voran eine Leichtigkeit, die Tanuri niemals besitzen würde. Wo war nur das Gefühl der Gefühllosigkeit geblieben, das ihr über die Jahre hinweg ein treuer Begleiter gewesen war und sie nun so grausam im Stich ließ?

"Ich sagte…", presste sie zwischen ihren Lippen hervor, da sie spürte, dass er den Raum nicht weiter betrat, sondern im Türrahmen verharrte.

"Komm herein." 


 

 
 
 
Er trat über die Schwelle und schloss die Tür lautlos hinter sich. Ihm entging nicht die latente Anspannung, mit der sie die Worte hervorbrachte.
"So fordernd?"

Ruhig durchquerte er den Raum, um hinter die Priesterin zu treten, die ihm den Rücken zugewandt verharrte. Auch wenn die Anspannung und die Schwere ihrer Entscheidung für sie noch schwerer wogen als für ihn, legte er seine Hände an ihre Arme, drückte sie behutsam.Dass sie nach einer Alternative suchte, zeigte ihm deutlich, dass sie überzeugt schien, dass Naheniel sein Wort halten würde und dass sie gehen wollte. Warm strich sein Atem über ihre Schulter und streifte ihr Ohr.
 
"Du hast mir versprochen, dass wir diese wenigen Stunden nicht auf diese Art vergeuden."
 
 
 

 

 
Die Berührung seiner Hände war für Tanuri überwältigend, ein Höhepunkt ihrer Ängste, Sorgen und der Dringlichkeit, Freya nach Hause zu holen. Es war die unerträgliche Kluft zwischen ihrem Verlangen, bei ihm zu sein, und der Unmöglichkeit dessen und die verpasste Chance, ihm ihr wahres Selbst zu zeigen. Es war zu viel davon, sich erneut gedemütigt und verraten zu fühlen. Unkontrolliert wirbelte sie herum, riss sich los aus seiner intensiven Berührung und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Wange. "Deine Hure?!" schleuderte sie ihm entgegen.

 


 
Adrians anfängliche Überraschung wich einer dunklen Intensität in seinen eisblauen Augen. Er ignorierte den aufblitzenden Schmerz und fuhr sich beiläufig durchs Haar, um seine Fassung zu wahren. Sein Blick auf Tanuri war jedoch schneidend und herausfordernd.

"Meine Hure, was?"

Seine leise Stimme forderte unmissverständlich eine Erklärung. "Was habe ich mit deinem Treffen mit Rosalind zu tun?" Sein Raunen war gedämpft, die Frage weniger eine Einladung zur Antwort als ein Angriff, eine Forderung nach Erklärungen, die er kaum erwartete oder dulden würde, falls sie ihm nicht passten.
 
 

 
 
Das Wort "meine" traf Tanuri unvorbereitet, ließ sie zurückweichen, die Tischkante schmerzhaft in ihren Rücken. Ob Adrian mit diesem Wort Besitz über Rosalind ausdrücken wollte oder nicht, war in diesem Moment irrelevant. Seine eisige Stimme durchfuhr ihren Körper und raubte ihr kurz den Atem. Dennoch bemühte sie sich, ihre tiefe Verletzung zu verbergen, denn sie durfte ihm nichts zeigen, keine Schwäche offenbaren, die verbliebene Machtlosigkeit ihrer Gefühle für ihn.

"Was Du damit zu tun hast? Frag Dich das doch selbst!"

Alles in ihr schrie danach, ihn von sich zu stoßen, physisch und psychisch. Doch sie wusste, dass sie ihm unterlegen war, in jeder Hinsicht.


 

 
 
Auf gleicher Höhe verharrte Adrian, sein Blick von unnachgiebiger Intensität ruhte nicht nur auf Tanuri, sondern schien sie förmlich zu umklammern.
"Wofür war die Ohrfeige?"

Seine Stimme war ruhig, doch ein scharfer Unterton schwang mit, als wäre seine Geduld ein dünner, leicht zu zerreißender Faden. Beinahe wäre er amüsiert gewesen, doch er fuhr sich nur nachdenklich über die Lippen.

"Wir haben keine Zeit für solche Spielereien, Tanuri."

Obwohl er keine Geste machte, schien sein Schatten wie eine greifbare Präsenz über ihre Züge zu gleiten, eine kalte, eindringliche Berührung, die keinen physischen Kontakt benötigte, um ihre Wirkung zu entfalten. In seiner vollen Größe stand er nun vor ihr, eine fast übermächtige Gestalt, deren Nähe ein unausgesprochenes Gewicht in den Raum brachte. "Was habe ich womit zu tun?" 
 
 


 
Mühsam versuchte Tanuri zunächst seinem Blick standzuhalten, doch bald erkannte sie, dass es unmöglich war, sich ihm zu entziehen. Er hielt sie gefangen, ja, förmlich gefesselt, ohne ihre Zustimmung. Als würden unsichtbare Schatten nicht nur auf sie geworfen, sondern ihren gesamten Körper durchdringen, spürte sie einen inneren Zwang, ihn anzusehen.

"Glaubst Du, ich wüsste nicht, dass Du sie mir geschickt hast?" Sie versuchte, sich aus der kühlen Umklammerung seines Schattens zu befreien, legte ihre Hand auf seine Brust und stieß ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, von sich. "Du redest von Spielereien! Dabei bist Du es doch, der sich dieser bedient. Dachtest Du, ich würde davon abrücken, wenn ich sie vor mir habe? Dass ich eingeschüchtert wäre, wenn ich weiß, dass die Magier aus dem Keller bei Dir waren? Ja?" 


 


 
 
"Ich soll sie geschickt haben?"

Ein dunkler Schatten huschte über Adrians Augen, ein flüchtiger Ausdruck tieferer Geheimnisse. Seine Lippen verpressten sich zu stummer Beherrschung, als Tanuri ihn wegzustoßen versuchte, doch er blieb unbewegt."Hörst du dich selbst reden?" Seine ruhige Stimme barg eine wachsende bedrohliche Tiefe. Er wehrte einen weiteren Schlag ab, fixierte ihr Handgelenk in einem unnachgiebigen Griff und zog sie ruckartig zu sich.

Seine Augen funkelten, seine Kontrolle war spürbar.

"Vorsichtig, meine Priesterin. Ich habe niemanden geschickt, während du was ganz genau getan hast?" 
 


 
In Tanuris blauen Augen flammte ein helles Licht auf, Ausdruck ihres wachsenden Gefühls des Verrats. Er weigerte sich, das Offensichtliche zuzugeben. "Willst Du mir etwa weismachen, es wäre ein Zufall gewesen?" Als seine Hand nach ihr griff, zuckte sie zurück. "Nichts habe ich getan! Zumindest nichts, was Dich zu interessieren hat!" Eisige Angst kroch ihre Glieder hinauf. "Lass mich los!"

 

 
 
"Glaubst du wirklich, ich würde jemanden vorschicken, um dich umzubringen?" Seine Worte waren kalt und verständnislos, geprägt von Abschätzigkeit. Ein freudloses Lächeln huschte über seine Züge. "Ist es das, was du von mir denkst und hälst, Tanuri?" Seine blauen Augen flackerten auf und weiteten sich bedrohlich. Er suchte in ihren Zügen nach einer Antwort oder einer Lüge. "Oder ist es wieder einmal dein Versuch, mich wegzustoßen?"

Seine Stimme gewann an Schärfe, bevor er sie ruckartig am Handgelenk zu sich zog. "Indem du mir etwas unterstellst, was ich nie getan habe? Ein weiterer Vorwand, um mich auf Abstand zu halten?" Sein Blick hielt ihren gefangen, seine Emotionen schwankten gefährlich zwischen Frustration und etwas Tieferem.

"Was verlangst du, damit ich dich lieben darf?"
 


 
Ihre Gedanken waren wirr und dumm. Klar denkend wüsste sie, dass ihre Vorwürfe haltlos waren. Aber sie konnte nicht klar denken, nicht in seiner Nähe. Sie wollte ihn so sehr bei sich haben, dass sie nur sah, wie sie ihn verlor. "Ich stoße Dich weg? Ich?" Statt ihre Stimme zu erheben, sank sie, als er sie an sich zog und sie den Schmerz in ihrem Handgelenk spürte. Ein Schmerz, der mit brachialer Intensität die Erinnerung ihrer Vergangenheit weckte. An jenen Mann, der sie einst zerbrach. 
 
Ein finsterer Schatten, begleitet vom Fackelschein, legte sich auf Adrians Gesicht und ließ es für einen Moment verschwimmen. Ein Zittern ergriff sie, als seine Worte für sie undeutlich wurden und er für diesen Augenblick nicht der war, der er war. Und plötzlich war sie wieder das junge Mädchen von einst, welches dieser Übermacht eines Menschen gegenüberstand, der nur eins von ihr wollte: Den Schlüssel.

Nun standen sie alle gemeinsam einer anderen Macht gegenüber, jener ihres Bruders. Doch er war nicht weniger entschlossen und nicht weniger grausam in seinem Tun. Und genauso bereit dafür, alles erdenkliche zu tun, um an den Schlüssel zu kommen und diesen für sich zu benutzen. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass Naheniel aber genau wusste, wer der Schlüssel war. 
 
"Verstehe mich doch! Ich muss das tun, für sie. Für Deine Tochter. Es darf ihr nichts geschehen. Nicht nur, weil sie der Schlüssel ist, sondern auch, weil sie sie ist." Der Gedanke, dass Naheniel Freya für seine Zwecke missbrauchen würde, war kaum noch zu ertragen. "Adrian, bitte. Lass mich los und lass mich gehen..." Die Panik, die noch kurz davor ihr ganzes Auftreten bestimmt hatte, war einer seltsamen und doch einnehmenden Ruhe gewichen, die sich auf den ganzen Raum ausbreitete.

"Ich habe dafür gesorgt, dass Naheniels Angebot sich nach seinem Wunsch erfüllen wird. Es wird das getan, was ich verlange, damit Du das erfüllen kannst, was die Prophezeiung vorhersagt. Wenn er sie zurückgebracht hat, musst Du meinen Platz einnehmen und sie beschützen. Mit Deinem Leben. Mehr musst Du nicht wissen." Es zerriss sie innerlich, dass sie es ihm verschwieg. Erneut stand ein Geheimnis und nicht ausgesprochene Worte zwischen ihnen - wie schon so oft zuvor. 
 
 
 



 
"Du hast mir Dein Wort gegeben." Die kühle Dunkelheit in seinen Augen verstärkte sich. Es war keine Drohung, sondern eine Erinnerung, die er dennoch tiefgreifend hervorrief. Auch wenn er sie nicht zu einer Antwort zwang, ließ er keinen Zweifel daran, dass er sie an ihr Versprechen binden würde.

"Du hast Erwartungen? Sehr gut." Die letzten Worte blieben in der Luft hängen, schwer und unausweichlich. Entschlossen zog er sie an sich, als ein dunkler Nebel sich um sie herum immer deutlicher erhob und sie in zarten Schwaden umgab. Sein Blick hielt an ihrem fest, fast so, als wollte er durch ihre Abwehr dringen und die Wahrheit dahinter freilegen. Denn ja, er würde sie führen, bis zu ihrem letzten Atemzug. Aber das bedeutete nicht, dass er sie loslassen würde. Sie zweifelte, er nicht.

Als die Finsternis sie umfing, war es nur noch sein warmes Flüstern, das sie neben ihrem Herzschlag hören sollte, ehe sich alles um sie herum verlor.

"Ich auch." 
 

Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya ~~ 

Anführerin der Legion des Schattens
Frau des Adrian Al Saher 
Mutter der Nymeria Al Saher 
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#1536

Beitrag: # 55269Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

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Hohepriester Ogrimars

 
 

Als der wabernde Nebel kurz drauf wich, machte er wandernden Flammen Platz, die erhellend und lodernd umherwanderten, einen Kreis zogen, der sich um die Anwesenden dieser Szene schloss. Beisammen standen Adrian Al Saher, auch der dunkle General genannt, neben Tanuri var Aesir und einem dunklen Hohepriester Ogrimars, frei von Titeln oder Zierde seines Namens. 
 
An einem Ort, der die Macht Ogrimars förmlich in sich aufgesaugt hatte und an welchem die chaotische Präsenz allgegenwärtig war, hallten die Worte des Priesters eindringlich wider. "Ihr tretet hier vor Ogrimar. Fernab all der weltlichen Belange, Laster und Zweifel. Hier an dieser Stelle gelten nur sein Wort und die Stärke seines Glaubens. Ist der Glaube stark, ist der Allmächtige es ebenso. Also? Wer seid ihr?" 
 
Kühl und entschlossen richtete Adrians Blick sich auf den Hohepriester. "Wir sind die Einen, wir sind die Reinen! Wir sind das Schwert Ogrimars, das Jene, die nicht glauben, zerschmettern wird." Gefolgt wurde seine Stimme von jener der Priesterin, die das wiederholte, was die treuen Jünger bereits in ihrer Wiege lernten. "Wir sind die Einen, wir sind die Reinen! Wir sind das Schwert Ogrimars, das Jene, die nicht glauben, zerschmettern wird."

Unter ihren Worten glühten die Runen am Altar auf, ein düsteres Zeichen der Bestätigung über die Anwesenheit und Zufriedenheit der einzigen Lordschaft. "Mit uns ist der dunkle Meister und mit ihm sind wir. Er, der die Dunkelheit beherrscht. Jener Eine, der über das Chaos und die Finsternis regiert. Der einzig Wahre, der den Ursprung von allem verkörpert, die Seelen bindet aber auch entzweit. Kommt zu mir, ihr, die ihr schwören wollt, für immer im Dunkel zu wandern. Vor ihm seid ihr und er wird Euren Schwur entweihen oder bestätigen."
 
Kaum mochte Tanuri glauben, wo sie waren und was geschah. Die Worte des Priesters waren ihr wohl bekannt, hatte sie diese doch selbst - so oder so ähnlich - oft genug gesprochen, wenn Paare vor sie traten, um den ehelichen Segen Ogrimars zu erbitten. Fragend blickte sie zu Adrian, dieser aber gab ihr in diesem Moment keine verbale Antwort. Stattdessen nahm er ohne Zögern entschlossen ihre Hand, um gemeinsam mit ihr dem namenlosen Priester entgegen zu treten, bereit dafür, nach der Zeit der Entbehrung, des Wartens und der Verleugnung, das zu schwören, wofür das Schicksal sie beide geboren hatte. "Das ist meine Erwartung." 

 
"Ihr seid hier, um eure Leben und eure Seelen zu einen - sie zu verschmelzen, in seiner Feuersglut. Es ist einer der mächtigsten Eide, die in seinem Angesicht vollzogen werden kann. Dies ist die Vereinigung, die keine Zeit kennt. Kein Morgen, kein Abend - kein Ende im Leben, wie im Tod. Nur die Dunkelheit, die euch umhüllt. Er sieht die Wahrheit hinter euren Worten und erkennt den Mut oder die Feigheit in euren Taten. Nichts bleibt ihm verborgen, sodass jedes Wort, das ihr in seiner Gegenwart sprecht, bindend ist. Schwache Worte sind verschwendete Luft. So wählt sie weise - eure Gelübde. Bringt euren Schwur und bekennt euch zu dem, was Ogrimar für euch bestimmt hat, damit Er eure Verbindung bezeugen kann und sie mit seinem Segen untrennbar vereint." 
 
 

Adrian
 
Langsam drehte er sich zu Tanuri. Sein Schatten legte sich wie eine einnehmende Aura über sie hinweg, während er ihren Blick für sich einforderte. Die Dunkelheit ließ den Moment beinahe stillstehen, als er nach ihrer anderen Hand griff, um sie beide in den seinen zu halten. Nichts schien mehr um ihn herum. Nur der stetig vibrierende Klang, der fast hypnotisch seinem Herzschlag folgte.

Durchdringend und intensiv griff das helle Blau seiner Augen nach ihrem Blick, während die Feuer sich im dunklen Zentrum dieser widerspiegelten. Ein kurzes Lächeln zuckte über seine Mundwinkel, bevor seine Züge einen beherrschten Ernst annahmen.
"Ich sah dich und dein Licht. Jener Schein in der Tiefe deiner Seele und deines Herzens, der die Finsternis mit Schatten und Leben erfüllt. Einen Willen und eine Hingabe, welche ich mit niemand anderem außer dem Lord selbst teilen will. Ich habe dir geschworen, dich niemals loszulassen und ich schwöre es auch jetzt. Vor dir und vor ihm.

Du gehörst mir und dafür gebe ich dir meine Stärke und meinen Schatten, mein Leben und meine Seele über den Tod hinaus. Nur durch dich kann ich sein."


Der dünne Reif, aus kühler Finsternis, der ihren Finger umtänzelte, schien zum Leben erwacht, nur um sich neu zu formen. Ein filigranes Muster, das sich in seiner neu gefundenen Form wie ein Ring wieder um ihren Finger legte, während ein kühles Pulsieren wie ein kleiner Stein in dessen Mitte prangte. "Daher gebe ich dir hier, vor ihm, einen Teil meiner selbst.

Ein Stück meiner Seele, die ewig an dich gebunden ist."


 
Tanuri
 
"Heute bin ich hier, nicht als Priesterin, sondern als Frau, um seine dunkle Majestät zu rufen und ihn darum zu bitten, diese Verbindung, nach der ich frage, mit seinem Segen zu stärken. Der einzig Wahre soll hören, was ich zu sagen habe und urteilen, ob meinen Worten Glauben zu schenken ist. Sieht er sie als wahr an, wird er erkennen, warum ich meine Bitte an ihn richte. Bei allem was ich bin und bei allem was ich sein kann.

Nichts, weder der Zerfall von Zeit und Raum oder der Bruch dieser Welt, wird meine Hingabe zu Dir lösen können. Im Namen seiner Lordschaft und unter seinen stets wachsamen Augen, vereine ich mich mit Dir - Seele zu Seele, Schatten zu Schatten. Von heute an mögen unsere Wege eins sein, sowohl in der Dunkelheit, wie auch im Licht. Bis zu jenem Tag, an dem die Macht des einen uns trennt."


Einen Moment hielt sie ein, ließ die Worte wirken, doch nachdenken über die weiteren musste sie nicht. Diese lebten in ihr, als wären sie immer da gewesen. So einfach auszusprechen, so schwer sie auch wogen. "Versprechen gibt es viele und Schwüre auch. Ich könnte Dir Liebe, Treue und Demut schwören. Alles davon habe ich schon gehört und brechen sehen.

Was ich Dir deshalb schwöre ist: Ewigkeit.

Auf ewig werde ich an Deiner Seite wandeln, mit jedem Atemzug Deine Stimme mit mir tragen, mit jedem Herzschlag Deinen Namen für mich bewahren."
Vorerst verstummt sah sie hinab zu seiner Hand und spürte dabei die Wärme und die Vertrautheit, die von ihm ausging. Etwas, das sie lange vermissen musste und nun hier war, um nur für sie zu sein. Aus dem Boden lösten sich kleine, tanzende Perlen aus Licht, umschmiegten die Körper der beiden, nur um sich sogleich wie ein weißer Schleier aus glitzernden Sternen um die Hände, die einander festhielten, zu legen. "Dein ist mein Leben, Dein ist mein Licht." 



 
Hohepriester 
 
Der Namenlose führte das Ritual, welches alt und dennoch jedes Mal völlig neu war, fort. Von beiden forderte er nicht nur Blut, um den Bund zu besiegeln, sondern auch den Schwur, der Treue, der Hingabe und der Liebe. Als er zufrieden war, mit den Worten, die gesprochen und mit Ehrlichkeit die Fragen beantwortet worden waren, flocht er ein schwarzes Band um die Hände der beiden, senkte sein Haupt und sprach die fordernde Bitte, die nur dem Einen galt. "Dunkler Lord, segne das Blut, welches sie vereinen soll mit Deiner Finsternis. Gewähre ihnen Stärke, Eins zu werden. Vereine, was Du füreinander bestimmt hast." 
 
Sein Schatten legte sich wie eine schützende Decke über Adrian und Tanuri, als er mit einem Finger, getaucht in ihr Blut, ein Zeichen zunächst auf die Stirn des Mannes und dann jene der Frau zu malen. Seine Stimme, tief und resonierend, schien in jenem Moment alles einzunehmen. "Avidar, das Zeichen des Chaos und der Finsternis. Der Anfang und das Ende. Leben und Tod, über welche hinaus nicht nur Stärke und Glaube, sondern das wachsen soll, was euch vereint."

Daraufhin tunkte er erneut seinen Finger in das Blut und berührte damit nacheinander die Lippen der beiden. "Uru'Dah - Das Zeichen des Feuers. Die Geburtsstätte, die nicht nur Zerstörung verkörpert, sondern auch die Wiedergeburt. Die Flammen der Leidenschaft, aber auch die des Zorns, die aus zwei Seelen eine schmieden soll."

Ein letztes Mal benetzte er seine Fingerspitze, um zuerst auf Adrians Brust, danach auf jener Tanuris etwas zu zeichnen. Zwei ineinander verschlungene Linien, die die Unendlichkeit symbolisieren sollten. 
 
"Kaldra, das Zeichen der Verschmelzung. Der Glaube steht über allem. Er ist mehr als nur Worte oder Taten. Glaube bedeutet Leben. Glaube bedeutet sterben. Eine ewige Bindung und ein unendlicher Fluss, der eure Seelen immer wieder zusammenführt. Ogrimar, segne diesen Bund. Sende deine Dunkelheit, dass ihre Seelen in deinen Händen ruhen und ihre Wege immer von deiner finsteren Macht begleitet werden."




Mit seinen Augen auf den beiden ruhend, führte er den Kelch an Adrians Lippen, welcher davon trank, jedoch ohne seinen Blick von seiner Partnerin zu wenden.
"Dein Leben ist das meine." Es war nur das leise Flüstern seiner Stimme, das alleine ihr zu gelten schien.

Nachdem auch sie getrunken hatte, sprach sie ähnlich leise und mit ungewohnter Wärme und Zärtlichkeit in ihren Worten:
"Mit Deinem Blut, mit Deinem Schwur und mit meinem Versprechen, nehme ich Dich, meinen Freund, meinen Geliebten, meinen Retter, den Einen, der Du für mich immer warst, zu meinem Mann. Vor der Dunkelheit, die Dich umgibt, vor meinem Licht, dass Du mir zurückgegeben hast, vor den Mächten, die uns leiten und vor dem einen Gott, der über unser Schicksal bestimmt, gelobe ich: Ich bin Dein, für immer - in diesem Leben und in allen, die für uns folgen mögen."
 
Dunkle Schatten schienen zu flimmern und die beiden, vereint durch Blut und Magie sollten mehr als deutlich die Anwesenheit von etwas Altem und Mächtigem spüren. Ein Atem, der heiß wie die Flammen selbst über sie hinweigstrich, während die Runen auf ihrer Haut aufglühten und der ferne Klang von Trommeln sich in einem absoluten Einklang vereinte. "Das Blut des einen fließt im Leib des anderen. So wie das Element des einen die Hand des anderen ziert. Nun erhebt euch." 
 
Geschmeidig erhoben sich Adrian und Tanuri, ihre Hände noch fest verbunden. Mit einem kurzen, präzisen Schnitt durchtrennte der Hohepriester das schwarze Tuch, welches die Hände aneinander band.  "Ogirmar, in Deinem Namen sie sind verbunden. Ehre sei Dir, Herrscher des Chaos. Sie sind Dein und durch Dich sollen sie alle Dunkelheit überdauern. Vor seinem Angesicht und in seinem Namen bestätige ich den Ehebund, den ihr geschlossen habt. Von nun an seid ihr Mann und Frau." 
 

 
Hört Hört! - Volk von Althea.
Im Angesichte Ogrimars schmiedete der dunkle Lord durch die Hand seines Hohepriesters das Band zwischen Tanuri var Aesir und Adrian Al Saher.
Vereint im Leben wie im Tod wird sein dunkler Segen sie begleiten.

 
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Naheniel
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#1537

Beitrag: # 55271Beitrag Naheniel »

Die Kunde dieser… Feierlichkeit hallte wider und erreichte selbst die entlegensten Winkel der Inseln. 
 
Zugegeben, damit hatte er nicht gerechnet. Eine Zusammenkunft der Familie sozusagen, und er war nicht eingeladen? Was für ein Mangel an Höflichkeit. Kühl zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab und ließ das Grübchen unter seinem blonden Bart zum Vorschein kommen. 
 
Aber Naheniel wusste, dass es seine persönliche Anwesenheit nicht brauchte, um seinem Freund und einstigen Weggefährten eine Botschaft zukommen zu lassen.
Flüsternde Schatten gab es schließlich überall. 

 
"Sieh an, sieh an. Hin und wieder gelingt es Dir doch, mich zu überraschen. Der alten Zeiten wegen und als Geste meines Entgegenkommens erhältst Du von mir natürlich ein Hochzeitsgeschenk. 
 
Beim ersten Mal nahm ich Dir Deine Braut, kurz nachdem ihr euch das Ja-Wort gabt.
Diesmal, ich gebe schließlich gern, gewähre ich Dir die Hochzeitsnacht. Genieße sie. Die Nacht und meine Schwester, versteht sich."
Leise und überaus amüsiert lachte er in sich hinein, bevor er sich nochmals an die Schatten, die seine Nachricht übermitteln würden, richtete.

 
"Vergiss aber aufgrund der ganzen Glückseligkeit eines nicht: Mit Anbruch des Morgengrauens beginnt der letzte Tag.
Die Zeit läuft ab." 




 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Rosalind
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#1538

Beitrag: # 55288Beitrag Rosalind »

In Silberstreif


Ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie sich ein Glas Wein eingoss, ohne eine Form von Hektik oder Aufruhr zu offenbaren. Eine gewisse Furcht jedoch konnte sie nicht unterdrücken. Nicht vor ihm. „Offenbar bist du dir nicht bewusst, was es mit dir macht.“ Leicht hob Rosalind eine Augenbraue an, als sie sich zu dem Dunkelmagier herumwandte. Ein nahezu sinnliches Lächeln auf ihren Zügen, während sich dennoch eine verräterisch anmutende Falte auf ihrer Stirn bildete. „Hast  du vergessen, wie nah du damals am Abgrund gewesen bist?“


 
„Waren meine Worte so missverständlich?“ Ohne die Züge seines Gesichts zu verändern, folgte Adrians Blick der zierlichen Frau mit einer kalten Präzision. Die Strenge in seinen Augen war tief und unergründlich. Eine stumme Warnung, die keinen Widerstand duldete, geschweige denn auf ihre Mahnungen einging, um sich auf eine Diskussion einzulassen oder einen Zweifel zu erlauben.
 
„Ich wiederhole mich ungern.“ Seine Stimme war leise und ruhig und doch von einer Autorität durchdrungen, die den Raum erfüllte und jeden Zweifel erstickte.


„Es ist auch nicht notwendig.“ Ein heller Glanz ließ das Grün ihrer Augen wissend aufschimmern, während sie sich fast unbeschwert an die Tischkante lehnte und das Glas bis kurz vor ihre Lippen hob, um es dort einen Moment schweben zu lassen.
„Ich habe es durchaus beim ersten Mal verstanden. Allerdings bin ich immer noch der Kirche gegenüber verpflichtet und halte es für einen Fehler.“ Ein gewaltiger Fehler, wenn sie die Schatten betrachtete, die ihn umgaben„Was, wenn die Finsternis dich verschlingt? Hm? Wer holt sie dann zurück? Was soll aus ihrer Adeptin werden? Wofür hast du all die Jahre gerungen, wenn du dich nun doch selbst in den Abgrund stürzt. Hast du dir darüber Gedanken gemacht?“ Ihre Stimme war gesenkt und beinahe so leicht, wie ein Plauderton, doch schwang ein unverkennbarer Tadel mit. Ihre Augenbraue strafte ihn zusätzlich einer Mahnung, als ihre schlanken Finger das Glas an ihre Lippen senkte und sie einen Schluck vom Rotwein kostete.

 
Adrians Blick blieb weiterhin steinern, als würden ihre Mahnungen an ihm abprallen. Sie interessierten ihn nicht annähernd. Rosalind hatte seinen Befehl missachtet und sich eigenmächtig in Belange eingemischt, aus denen sie die Finger lassen sollte.
„Du hättest mich umgehend informieren müssen.“ Seine Worte waren eine eisige Erwartung, die spürbar zu einer enttäuschenden Erkenntnis geführt hatte. „Stattdessen leistest du einen idiotischen Schwur.“


„Du wirfst mir Idiotie vor?“ Ohne seinem Blick auszuweichen, kniff Rosalind mahnend die Augen zusammen.  Mit einem aufgelegten Lächeln fischte sie die Spuren des Weins von ihren Lippen. Glaubte er wirklich noch immer, er könnte die Welt alleine retten? Ihr Blick wanderte unter einem beiläufigen Wimpernschlag auf den Ring an seinem Finger, bevor sie nur leicht ihren Kopf abwehrend von einer Seite zur anderen bewegte, um die Gedanken in ihrem Kopf zu zerstreuen. Und wenn es dich innerlich zerreißt, was dann? Ein ernster Glanz trat in ihre Augen. Ein Blick, der selten ihre Züge mit einer Härte zeichnete, die fremd an ihr wirkte.

 
„Lass das meine Sorge sein, Rosalind.“ Worte unter denen er sich vom Fenster löste und langsam auf sie zuging, bis sein Schatten sie überragte. Bestimmend griff er nach ihrem Kinn und zog ihren Blick fordernd auf sich, während er das stolze Funkeln ihrer grünen Augen durchdringend festhielt. „Du wirst dich fern von der Priesterin halten.“ Es ging ihm nicht darum zu sehen, irgendwelche Erklärungen für ihr Handeln darin zu finden oder sich selbst vor ihr in irgendeiner Form zu rechtfertigen, sondern schlicht darum, dass sie sehr genau verstand, was die Konsequenzen sein würden, wenn sie ein weiteres Mal seiner Forderung nicht nachkommen würde. „- und etwas Anderes für mich tun.“

Seine Finger hielten ihr Kinn fest umschlossen, während Rosalind die Kälte seiner Aura immer intensiver spüren konnte. Natürlich war er wenig begeistert über ihr Eingreifen. Dennoch konnte sich Rosalind nicht gegen ihren eigenen Stolz erwehren und hielt mit einem kühnen Maß an Überheblichkeit seinem Blick stand, auch wenn sie wusste, dass jedes seiner Worte eine Warnung war.
„Das wird deiner Frau nicht gefallen.“ Bemerkte sie auf eine vielsagende Art, während ihre Augen sich beinahe verspielt verengten. Offenbar sah Adrian eine Provokation darin – einen Scherz, unter dem Rosalind den Druck seiner Finger und die daran anhaftende Kälte zunehmend spüren konnte. Doch jedes Wort war ebenso eine Warnung sowie die Wahrheit. Entsprechend stellte sie das Weinglas auf die Tischplatte. Es tut mir leid, Adrian. Es war meine Pflicht. Ogrimar gegenüber – und dir. Du liebst sie und du weißt, dass du sie nicht aufhalten kannst. Ich kenne Tanuri zwar kaum, aber selbst ich habe die Entschlossenheit in ihren Augen gesehen. Jene Bürde, die sie mit sich trägt.“

 
„Deine Pflicht, Liebes, wäre es gewesen, direkt damit zu mir zu kommen und mir zu sagen, was Tanuri hinter meinem Rücken plant und macht. Nichts anderes.“ Adrian lockerte seinen Griff ein wenig, doch hielt sein Blick sie unerbittlich weiter fest, während seine Stimme einen dunklen, beinahe samtigen Tonfall folgte, der in seiner Ruhe jedoch umso bedrohlicher war. Rosalind musste ihm nicht sagen, wie ausweglos die Situation wirkte oder was möglicherweise auf dem Spiel stand oder die Konsequenzen aus seinem Handeln sein würden. Adrian war sich dessen bewusst. Sowohl der Risikien, als auch das, was ihn mit Tanuri verband. Gründe, die ihn jedoch gleich in mehrfacher Form umso entschlossener machten.
Für einige Herzschläge ließ er die Worte schweigend im Raum schweben, bevor das helle Blau seiner Augen  warnend aufschimmerte.
„Du hast eine andere Aufgabe. Du wirst jemanden finden… Und dieses Mal, keine Spiele.“
Eine spürbare, fast schon pragmatische Kälte sowie ein Kalkül lag in dem dunklen Timbre seiner Stimme begraben, als er seine Hand von ihr löste
Du bist hiermit von deinem Schwur Tanuri gegenüber entbunden und ich nehme deinen Platz ein.“

 
~
Das Gespräch war an der Stelle noch nicht beendet gewesen, aber rückblickend führte es dennoch an einen bestimmten Punkt.
~


Stunden später stand Rosalind allein vor einer Feuerschale, deren Flammen unruhig flackerten. Ihnen war klar, dass vieles wesentlich komplizierter war, als es die Worte durchscheinen ließen.

Die zarte Seide, die sonst mehr als schmeichelhaft ihren Körper umspielte, hatte Rosalind inzwischen gegen ein einfaches schlichtes Kleid aus Leinen getauscht. Nichts, was ihre Vorzüge besonders zur Geltung brachte oder unterstrich, sondern in seiner Schlichtheit ihr einen Hauch von Gewöhnlichkeit verlieh, in Kombination mit dem grob geflochtenen Zopf, der ihre blonden Locken zusammenhielt.

Grauer Rauch stieg in dichten Schwaden auf und umhüllte auf ihre Gestalt. Ein grauer Nebel, in dessen Zentrum jedoch das Bild einer jungen Frau aufschimmerte, die sich durch Straßen und Gassen bewegte. Rosalind lächelte schwach. Ein flüchtiger Blick an einen anderen Ort. Es hatte funktioniert, jedoch – das Grün ihrer Augen schimmerte in den Flammen auf. „Du bist nicht allein.“ Flüsterte sie leise, wobei ihr Blick sich auf den Mann legte. Nachdenklich verengten sich ihre Augen, ehe sie den blank schimmernden Knochensplitter, von dem sie das getrocknete Blut für den Zauber genommen hatte, in einen kleinen ledernen Beutel fallen ließ, wobei ein leises Geräusch verriet, dass scheinbar noch weitere darin verborgen waren.

Woher sie stammten? Sie hatte es nicht weiter hinterfragt und würde es auch nicht, wenn sich ihr die Gelegenheit bot. Manche Geheimnisse waren besser ungelüftet, und der erste Splitter hatte bereits seinen Zweck erfüllt.

„Ungünstig...“  bemerkte sie gedämpft, konnte sie sich denken, wer derjenige sein mochte. Wenn sie sich nicht täuschte, musste sie nicht nur aufmerksam und vorsichtig, sondern äußerst wachsam sein.
Rosalind griff nach dem einfachen, grünen Wollumhang, den sie in einer anmutigen Bewegung um sich legte, bevor ihre Finger die Kapuze über das blonde Haar hinweg anhoben und die Locken darunter verschwinden ließen


Mit einem entschlossenen Atemzug nahm sie den kleinen Dolch von ihrem Gürtel. Ein silbriger Schimmer, in dem sich das Feuer selbst widerspiegelte, als sie die Klinge an ihre Handfläche legte. Der Lord forderte und sie gehorchten. Keine Fragen, keine Zweifel. Entschlossen zog sie den Dolch an sich heran und durchschnitt dabei die Haut in der Innenfläche, um diese über das züngelnde Feuer zu führen. Das Blut tropfte in die Glut und löste ein scharfes Zischen aus, das den Raum erfüllte, bevor die Flammen bedrohlich aufloderten. Der Rauch verdichtete sich mit jedem Herzschlag zu einem undurchdringlicheren Nebel.

Rosalinds Züge verhärteten sich. Ein Anblick voller Konzentration, der jede Leichtigkeit aus ihrer Erscheinung strich, als sie den Blick ins Feuer richtete. Ein leises Summen ertönte. Ein melodischer Zauber, der sich zunächst nur auf ihren Lippen formte, bevor er die Luft mit vibrierender Magie erfüllte.

Der Rauch zog sich immer weiter zu einem schimmernden Bogen zusammen, durchzogen von roten und grauen Fäden, die wie pulsierende Adern glühten, während die Silhouette, die sie in den Flammen sah, kleiner wurde. Rosalind holte Luft und senkte ihre Lider, jetzt oder nie. Unter einem letzten Atemzug trat sie durch das Portal, das im selben Herzschlag sie mit sich nahm, während der Wirbel aus Rauch und Blut über dem Feuer in sich zusammenfiel.
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※ Bereue nur jene Sünden, die du nie begangen hast ※ 
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Adrian
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#1539

Beitrag: # 55297Beitrag Adrian »

Die Schatten hatten geflüstert, Worte, die Adrian jedem Herzschlag in ihrer Brust bewusst lauschen ließen. Sacht strich er der schlafenden Frau neben sich eine dunkle Strähne mit einem Finger vorsichtig aus dem Gesicht und legte sie behutsam hinter ihr Ohr, ohne sie zu wecken. Jeder Atemzug, den sie auf so friedliche und zugleich verletzliche Weise im Schlaf tat, führte unaufhaltsam zu dem Moment, an dem Stille einkehren würde.

Gedankenversunken verfolgten seine Augen dem Pfad seiner Hand, während ein Zucken seine Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln verzog. Er sollte sie in diesem Zustand des Schlafes lassen und weit fortbringen, sie vor ihrem Bruder und vor sich selbst schützen, bis er Freya gefunden und Naheniel unschädlich gemacht hätte

Seufzend strich Adrian über ihre Wange hinweg, wobei das zarte Krausen ihrer Nase ihn unbemerkt lächeln ließ. Ein flüchtiger Riss in seiner düsteren Fassade.

So oft hatte er sie scheinheilig genannt und doch war es eine tiefe Bewunderung, die er für sie empfand. Sie war nicht nur stärker und mutiger als all die anderen Frauen, die er kennengelernt hatte, sondern tatsächlich einzigartig.
Vorsichtig löste er sich von ihr und ließ ihren Kopf behutsam in die Kissen sinken, bevor er sich aus dem Bett erhob. An Schlaf war nicht zu denken, weder bei den Träumen, die ihn immer wieder mit Bildern von Freya zusammen mit dem Prinzen oder der Gräfin folterten, noch bei jenen Erinnerungen, die unbarmherzig in der Finsternis aufflammten, begleitet von einer leisen Stimme, die ihn wie ein flehendes Rauschen im Hintergrund verfolgte. „Adrian … mein Bruder ... mein Mann… hast Du mich aufgegeben und vergessen?“
 
Eine weite Robe zierte ihren Körper, während das lange schwarze Haar strähnig und schweißgebadet an ihr klebte. Qualvoll wandte die junge Frau sich auf dem steinernen Tisch, und schrie aus tiefster Seele heraus. Tränen liefen an ihren Wangen hinab, während die Verzweiflung in ihren Augen geschrieben stand. Ein Flehen, sie zu erlösen. Das Schicksal zu vollenden und dem Schmerz und der Qual ein Ende zu setzen. Es war nur ein Lidschlag, unter dem sich ihr Körper vor Schmerzen aufbäumte, als der Dolch ihren Bauch öffnete. Ein Schnitt, der durch ihr Fleisch hindurchglitt, bevor sowohl das Blut als auch das Leben aus der jungen Frau herausquoll. Ein Moment, da auch für ihn die Zeit stillgestanden hatte. Weit aufgerissen starrten ihre tiefblauen Augen ihn leblos an. Ein Blick voller Gewissheit und einer Forderung. Einem Schwur, dem er verpflichtet war. - „Beschütze sie..."

Lautlos schritt er durch den Raum, der bis auf den nur schummrigen Schein des heruntergebrannten Kamins in Dunkelheit gehüllt war. Tanuri würde ihn jedoch vermutlich eher umbringen, als zuzulassen, dass man sie retten würde. Nachdenklich hob er eine Augenbraue an, während ein kleines Zucken seine Lippen überflog und er sich einen Becher mit Wasser füllte, ehe er seinen Blick wieder seiner träumenden Frau zuwandte.

Zumindest würde sie es versuchen, um einzig und allein Freya zu retten. Sie würde sich mit Händen und Füßen wehren. Ganz gleich, ob er recht haben würde. Ihre Entscheidung war gefallen. Doch die Fehler der Vergangenheit würde er dennoch nicht zulassen. Ganz gleich, was der Preis dafür sein würde.

Er hatte Alyssa nicht retten können, auch wenn sie ihr Leben an ihn gebunden und er ihr geschworen hatte sie zu schützen. Ebenso wenig wie er Freya vor ihrem Schicksal hatte bewahren können. Es waren die Entscheidungen, die sie getroffen hatten, vor denen er sie nicht hatte bewahren können. Nichts, was er bereuen konnte oder würde, sondern schlichtweg gelernt hatte. Ein Fehler, der ihm allerdings kein weiteres Mal unterlaufen würde.

 
 „Und so gebe ich Dir nicht nur mein Herz, sondern auch meine Seele, damit sie sich mit Deinen Schatten verbindet“
Ein fast weißer Schleier aus glitzernden Sternen legte sich um die Hände, die einander festhielten und schlang sich darum, wie ein Band, welches sogleich hell aufleuchtete.
„Dein ist mein Leben, Dein ist mein Licht.“

Unerbittlich kreisten seine Gedanken darum, was er unvermeidbar tun musste.
 
„Ich schwöre Dir, dich niemals loszulassen. Vor dir und vor ihm.“
 



Später…

Zeit, ein kostbarer Schatz. Ein flüchtiger Reichtum, der sich nicht festhalten lässt. Wie Sand rinnt sie durch die Finger hindurch, Korn für Korn, bis am Ende das letzte fällt. Ein Augenblick, von dem jeder weiß, dass er kommen wird, doch niemand sagen kann, wann er naht – es sei denn, man wählt, dieses Geschenk selbst zu opfern.


Die Dunkelheit legte sich wie ein schützender Schleier um Tanuri. Eine sanfte, beruhigende Finsternis, die die Welt um sie herum ausblendete. In diesem Moment gab es nur sie und Adrian – ein Augenblick, eingefroren in Zeit und Raum, als würde die Welt selbst den Atem anhalten. Seine Hand ruhte fest, doch behutsam an ihrem Rücken, hielt sie so nah, als wäre sie das Zentrum seiner Existenz. Mit einer Zärtlichkeit, die im vollkommenen Gegensatz zu der alles verschlingenden Finsternis stand, die ihn umgab, glitt seine andere Hand über ihre Wange. Sanft zeichneten seine Finger ihre Konturen nach, als wolle er jeden Moment ihrer Nähe in seine Seele einbrennen. Adrian wusste, was sie bereit war zu opfern, ebenso wie sie das Wissen hatte, was sie von ihm verlangte.

Langsam beugte er sich zu ihr hinab, sein Atem hauchzart, von Ehrfurcht durchzogen, als er über ihre Lippen strich. Der Kuss, der folgte, war intensiv, leidenschaftlich, eine stumme Offenbarung voller Liebe, Demut und Schmerz, die jedes Wort überflüssig machte.

Doch während ihre Lippen sich berührten, löste sich seine Hand leise von ihrem Gesicht, wie ein letzter, zärtlicher Abschied strichen seine Fingerknöchel an ihrer Silhouette entlang. Es gab weder einen perfekten Augenblick, noch eine Wahl.

Das kalte Metall, das sich in ihren Körper bohrte, war wie ein Verrat an sich selbst und der Welt. Dennoch tat Adrian es mit einer Entschlossenheit, die keinen Zweifel zuließ. Sein Griff hielt sie fester, als könnte er sie durch reine Willenskraft vor dem Unvermeidlichen bewahren, während er ihren Blick an sich band. Ein kühles, eisiges Schimmern, in welchem sich ‚ihr‘ Licht widerspiegelte.

„Egal, was geschieht, Tanuri,“ flüsterte er mit rauer und von dunkler Emotion erfüllter Stimme an ihre Lippen heran, während das warme Blut durch den Stoff ihrer Robe sickerte. „ich lasse dich nicht los.“ Die Worte hingen wie ein Schwur in der Luft, während sein Blick ihren mit gnadenloser Intensität festhielt. Es war eine Forderung, ein Versprechen, ein Eid, den auch sie geschworen hatte. Im Leben, im Tod und darüber hinaus. „Ich liebe dich.“
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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-Freya-
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#1540

Beitrag: # 55298Beitrag -Freya- »

Freya stand noch immer vor dem zersplitterten Rahmen, die scharfkantige Scherbe fest in ihrer Hand, deren Schmerz sie an die Wirklichkeit band, während ihre Augen vom Schein der Sonne erfasst zur Tür sahen. Der Spiegelmacher stand im Raum, während Licht und Farben an den Wänden entlang tanzten. Hatte er sie angesprochen? Ihren Namen gesagt? Sein Gesicht zeichnete eine Sorge, eine Furcht, deren Herkunft sie nicht deuten konnte.

Er wollte ihr einen neuen Spiegel bringen oder hatte sie ihn falsch verstanden? Aber warum kam er mit leeren Händen zurück?

Ihr eigener Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, während Freya versuchte die Stimmen und Bilder abzuschütteln. Mit geweiteten Augen sah sie zu Ardyn hinauf, bemüht darum, sich auf ihn zu konzentrieren, doch ließ das Flüstern sie nicht los.
  

„Wenn der Schöpfer es weiß, müssen wir es abwenden und verhindern, dass sie kommen, um Dich zu holen.“
  

Sein Mantel raschelte sanft, als er die Tür hinter sich schloss. Wachsam folgten ihre Augen haargenau jeder seiner Bewegungen, als sein Blick über die Scherben am Boden glitt. Er wusste etwas, oder? Sie hatte es in seinen Augen sehen können. Er hatte das Symbol gesehen und da war noch mehr. Wer war er und warum verheimlichte er sein Wissen.

Wo ist sie?“ stieß Freya hervor, als ihre Blicke sich kreuzten.

„Die Frau im Spiegel – Ihr kennt sie.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Die Scherbe in ihrer Faust glitzerte im schwachen Licht, während ihre Hand sich so fest um die scharfen Kanten schloss, dass ihr Blut auf den Boden tropfte, doch sie spürte den Schmerz nicht. „...wer ist sie? Wo finde ich sie? Ihr müsst es mir sagen!“

Der Spiegelmacher schüttelte langsam den Kopf, seine Lippen ein schmaler Strich. „Sie steht vor mir.“, sagte er leise, fast väterlich, doch mit einer Endgültigkeit, die sie rasend machte. „Das alles ist eine Illusion. Du gehörst hier her.“

Überall um sie herum erhob sich ein Flüstern. Kaum wahrnehmbar, und doch konnte sie die Stimme des Spiegelbildes hören, welche aus den Scherben zu ihren Füßen drang und wie ein Echo an ihre Ohren dröhnte. Er log. Das wussten sie beide. Zitternd vor Verzweiflung und Entschlossenheit stand Freya inmitten der funkelnden Splitter.

„Nein!“ Ihre Stimme brach, ein Aufschrei aus tiefster Seele, bevor sie die Wimpern senkte. „Das ist nicht wahr und das wisst Ihr!“ Leise flüsternd versuchte das Mädchen zu begreifen, was um sie herum geschah. Wieso man ihr immer wieder den Weg versperrte und jede Hoffnung um sie herum in tausend Splitter zerbarst.

Ihre freie Hand ballte sich zur Faust, die Nägel gruben sich in ihre Haut, doch der Spiegelmacher schwieg weiterhin, während er sie mit einem mitleidigen Blick ansah, der sie um den Verstand brachte. „Sie suchen nach mir.“

 
„Ich werde sie alle zerstören.“
„Sie dürfen dich nicht finden. Wir müssen verhindern, dass sie dich finden.“
 
„Du gehörst hier her. Du bleibst bei ihm."


Blaue Augen, die sie fixierten, egal wohin sie sah. Ein Blick, der nicht der ihre war und sie von allen Seiten gefangen hielt, während die Worte unerbittlich widerhallten, sodass sie immer mehr ineinander verschwammen. 
 
„Sie hat es gesagt, dass er kommt Adrian. Schatten und Eis.“ Sie drehte sich im Kreis, doch wurde es nicht leiser um sie herum, sondern durchdringender. Intensiver, wie die Farbe und der Blick, der sie aus den vielen schimmernden Facetten ansah.
 
„Du kennst ihn nicht und doch weißt du genau, wer er ist.“
„Du hast seinen Namen doch bereits genannt.“
„Du weißt es doch …“ ... „Du weißt es doch …“ .... „Du weißt es doch …“ „Dummerchen …“
  
Ein helles stechendes Blau, das wie ein Dolch durch Freyas Herz fuhr, als sie stumm seinen Namen erneut lautlos mit ihren Lippen formte: Naheniel.

Ihr Atem stockte, während ihre Augen sich weiteten. Der Schöpfer. Eine Erkenntnis, die sich immer mehr wie ein einschnürender Knoten um ihre Brust legte. Es war, als hätte die Welt selbst sie verraten, als hätte dieses eine Wort all ihre Hoffnung in Asche verwandelt.

„Niemand wird kommen. Auch Adrian wird dich nicht finden.“  Das Blau ihrer Augen glänzte, als sie zu Ardyn aufsah. Der Spiegelmacher war an sie herangetreten, ohne, dass Freya es bemerkt hatte und stand unmittelbar vor ihr. Ein Blick wie durch einen Tunnel hindurch, der nur auf ihn fixiert war. Eine kalte, erstickende Finsternis, die alles ausblendete außer sie und den Spiegelmacher. „Atme - ganz ruhig.“

Eine Dunkelheit legte sich wie ein schützender Schleier um Freya. In diesem Moment gab es nur sie beide – ein Augenblick, eingefroren in Zorn und Schmerz, als würde die Welt den Atem anhalten. Ardyn hatte sie an den Armen gepackt und hielt sie fest. Freya spürte die warme Berührung, die sie beruhigen wollte. Fest und bestimmend, während seine Stimme sich warm und einnehmend erhob „Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.“

Worte, die sie wie ein Schlag trafen, obwohl Freya seiner Bitte folgte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Das konnte er nicht gesagt haben. Nein. Instinktiv senkten sich ihre Lider, nur um in der Dunkelheit in das eiskalte Blau eines Augenpaares zu blicken. „Nein! Nein!“ Ihre Stimme war nur noch ein gebrochenes Flüstern. „Ihr müsst es mir sagen."

Ihre Hand, die die Scherbe hielt, zitterte nicht mehr, sondern ruhte fest, doch behutsam in ihrer Entschlossenheit, als wäre er das Zentrum ihrer Raserei. Ihre andere Hand fuhr nach vorne, streifte seinen Mantel, als wolle sie ihm ein letztes Mal die Gelegenheit geben, ihr zu antworten, als sie seinen Kragen packte. „Ihr wisst, wo sie ist!“

Doch Ardyn schüttelte abermals mit dem Kopf. Irgendetwas sagte er. Verneinend, ablehnend. Worte, die jedoch in einem Rauschen in ihren Ohren untergingen, während seine Hände sich von ihr lösten.

Verstand er es nicht? Er musste es ihr sagen, sie brauchte seine Antworten. Das Wie war egal. Der Zweck heiligt die Mittel, dann musste sie ihn dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Es war eine schnelle Bewegung. Ein Zurückreißen an seinem Ärmel, mit einer intensiven Kraft, aus voller Verzweiflung heraus.

Eine stumme Offenbarung voller Wut und Schmerz, die jedes Wort überflüssig machte. Das kalte spitze Glas, das sich in seinen Körper bohrte, war wie ein Verrat an sich selbst und der Welt. Die Scherbe, scharf wie ein Dolch, drang tief in seinen Leib, und dennoch tat Freya es mit einer Entschlossenheit, die keinen Zweifel zuließ. Ihr Griff hielt ihn fester, als könnte sie ihn durch reine Willenskraft zwingen, die Wahrheit preiszugeben, während sie seinen Blick an sich band. Ein kühles, eisiges Schimmern, in welchem sich ihr Licht widerspiegelte. „Ihr lasst mir keine Wahl.“

Der Spiegelmacher keuchte, seine Augen weiteten sich erschrocken, doch kein Wort kam über seine Lippen, während er sie ansah und in das glitzernde Blau ihrer Augen blickte, in denen das Licht sich in einem goldenen Schimmern widerspiegelte. Bittere Tränen, die sich in ihnen sammelten.

„Sagt es mir. Ihr habt sie gesehen.“, flüsterte sie mit rauer, von dunkler Emotion erfüllter Stimme an sein Ohr, als ihre Hand die scharfkantige Scherbe immer tiefer in seine Brust drückte, sodass das Blut warm und hitzig über ihren eigenen Handrücken floss.

„Ihr kennt sie. Ich weiß es. Wo ist sie?“ Die Worte hingen wie ein Schwur in der Luft, als ihr Blick seinen mit gnadenloser Intensität festhielt, die Scherbe noch immer in ihrer blutigen Hand. Es war eine Forderung, ein Versprechen, eine Drohung, während das Blut sich um sie herum verteilte. „Sagt es mir oder nicht einmal der Schöpfer wird Euch helfen können.“
 
Ardyns Hand legte sich auf ihre. Kraftlos und zitternd legten seine Finger sich um ihren Handrücken, ehe sein Körper langsam gegen sie sackte. Eine Schwere die Freya nicht halten konnte, sodass sie ihn mitsamt der Scherbe in seiner Brust zu Boden gleiten ließ.

Alles, was Freya sah war verborgen hinter einem roten Schleier. Ihre Hände zitterten, während ihr Atem stoßweise ihre Lippen verließ und ihr Blick sich panisch von ihren blutigen Handflächen auf den Spiegelmacher wandte, der vor ihr am Boden röchelnd versuchte seine Finger ihr entgegenzustrecken.

„Kehre an den Anfang der Welt zurück, dort wo alles enden soll. Niemand soll sie finden. Er darf dich nicht find... “  Seine Worte erstarben, während sein Blick gleichzeitig erstarrte - verloren in den Scherben und dem See aus Rot.

„Sprecht... Bitte..“  Eilig beugte Freya sich hinab, doch er antwortete nicht mehr. „Ihr müsst es mir sagen. Wo ist der Anfang, das Ende?“  Verzweifelt legte sie ihre Hände auf seine Brust, versuchte das Blut aufzuhalten, doch das Herz darin hatte längst aufgehört zu schlagen. Tränen der Angst, Wut und Verzweiflung rannen über ihre Wangen, als niemand ihr antwortete. Nur ein Schweigen um sie herum, welches ihr fast panisch die Luft abschnürte, während kleine Funken unter ihren Handflächen aufschimmerten. Ein Zauber, der versuchte zu retten, was zu retten war. Doch die Magie selbst, so hell sie auch funkelte, war ebenso verloren, wie das Leben Ardyns.  „Nein ... nein ... nein... - bei Ogrimar...“
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Tanuri
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#1541

Beitrag: # 55300Beitrag Tanuri »

 Das Gedenken an die Jahre, die uns sind vergangen,
beständ’gen Segen läßt es mich empfangen.
Nicht für das, was auch zu segnen wär in meiner Rede,
die Freude, Freiheit und der schlichte Kinderglaube,
der wie eine eben flügge Taube
noch flattert in der Kinderseele.
Nicht dafür hub ich an zu dieser Ode,
dem Dank gewidmet und dem Lobe.
 
Nein, jenen widerspenst’gen Fragen bin ich zugewandt,
was durch die Sinne von der Außenwelt bekannt,
was wir verloren, was entschwand, –
den schieren Ängsten einer Kreatur,
in Welten sich bewegend, die sie nicht erfassen kann, –
den erhabenen Instinkten, die unsre sterbliche Natur
erzittern lassen wie den auf der frischer Tat ertappten Mann.
 
Nein, jenen allerersten Stimmungen
ich spüre nach, den Schemen der Erinnerungen,
die, was auch immer sie an sich sein mögen,
ein Lichtquell doch uns sind auf allen Wegen,
ein Leitlicht auch für alles, was wir sehen,
die aufrecht halten uns und uns umhegen,
die Kraft auch haben, daß die lauten Jahre, die uns eigen,
Momente scheinen in der Stille einer Ewigkeit,
die doch als Wahrheit wach am Leben bleiben,
die nie ganz tilgt der Lauf der Zeit,
die weder blinder Eifer, auch nicht Teilnahmslosigkeit,
noch alles, was als Feind der Freude ficht uns an,
ganz löschen und zerstören kann.




 
Lautlos schritt Adrian durch den Raum, der bis auf den nur schummrigen Schein des heruntergebrannten Kamins in Dunkelheit gehüllt war.
Tanuri würde ihn jedoch vermutlich eher umbringen, als zuzulassen, dass man sie retten würde. Nachdenklich hob er eine Augenbraue an, während ein kleines Zucken seine Lippen überflog und er sich einen Becher mit Wasser füllte, ehe er seinen Blick wieder seiner träumenden Frau zuwandte.
 
 
 
 
 
Ein Traum, so mächtig, dass er sie fest umschloss, wie ein schützender Arm, der ihr in diesen letzten Stunden womöglich einen trügerischen Frieden und ein Gefühl von Glück schenkte. Tanuri saß auf einer Wiese, gebadet im hellen Frühlingslicht, nur hier und da von tanzenden Schatten durchbrochen, die von rauschenden Laubbäumen geworfen wurden.

Ein Bild voller Friedlichkeit und geprägt von innerer Ruhe bot sich ihr vor ihren Augen. Ihre Tochter, immer noch ein Kind, doch an diesem Tag mit einem ungewohnt zarten Ausdruck im Gesicht, hielt eine Pusteblume in ihren Händen. Verzweifelt versuchte sie, mit kräftigem Pusten die feinen Flugschirme in die Lüfte zu senden. Ihre Wangen waren schon rot vor Anstrengung, und mit tiefem Stirnrunzeln und strafendem Blick musterte sie die Blume, die sich ihrem Willen einfach nicht beugen wollte. 
 
Lachend ließ sich Freya, mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen und ins frühe Jugendalter gereift, im Schneidersitz neben Nymeria ins hohe Gras sinken und strich ihr mitfühlend über den Kopf. "Was für ein widerspenstiges Ding." Murmelte sie leise und mit tiefer Zuneigung zu dem kleinen Mädchen. 
 
Nymerias Gesicht verkrampfte sich daraufhin nur umso mehr. Erneut holte sie tief Luft und pustete, so stark sie konnte, doch es wollte ihr nicht gelingen, genug Wind aus ihren aufgeblähten Backen zu pressen. Mit großen Augen starrte sie erst die Blume, dann Freya an und rümpfte wütend ihre kleine Nase. Ein liebevolles Lächeln zeigte sich auf den Lippen der Älteren, als sie der Kleinen die Blume vorsichtig aus der Hand nahm und diese heftig schüttelte.

Ein wirbelnder Sturm aus kleinen weißen Schirmchen verteilte sich daraufhin über die Wiese und legte sich wie ein leichter Schleier auf Nymerias und Freyas schwarzes Haar. Begeistert erhob sich die Priesterstochter vom Boden, rupfte weitere Pusteblumen aus und begann, so schnell ihre noch kurzen Beine sie trugen, wild wedelnd mit den Armen über die Wiese zu rennen und bald schon versank alles in einem tanzenden Gestöber aus weißen, fliegenden Samen.

 
"Wäre doch alles so einfach zu lösen."

Es war Adrians Stimme, getragen von einem hörbaren Lächeln, die plötzlich über der Priesterin erklang. Kühl fühlte sie seinen Schatten, der sich beschützend auf sie legte und sein kitzelnder Atem traf warm auf ihre Haut, als er sich zu ihr hinabbeugte, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. 
 
Gleich darauf widmete er sich einem kleinen Bündel, das sie, eingeschlagen in eine bestickte Decke, fest in ihrem Arm hielt.

"Stell dir nur vor, was geschehen wäre, wenn ich dich losgelassen hätte. All das wäre uns verwehrt geblieben."  

Mit seinem Daumen strich er über das blonde, flaumige Haar des Neugeborenen, das ihm mit großen blauen Augen entgegenblickte. Für einen Moment, schneller als ein Herzschlag und flüchtiger als ein Augenblick, spürte Tanuri es mit einer nahezu kaum fassbaren Heftigkeit: Das Gefühl des vollkommenen Glücks. 
 
Doch schon stockte ihr der Atem, und ihr Leib verkrampfte sich schmerzhaft. "Nein! Das ist alles falsch! So gehört es nicht!" Sie wusste, was das Schicksal für sie bestimmt hatte, und das Kind in ihrem Arm konnte nicht sein – SIE durfte überhaupt nicht mehr sein. Mit diesem Gedanken hielt plötzlich alles inne, und die Stimme ihres Bruders begann dicht an ihrem Ohr zu flüstern.



 

 
"Aber, aber, süße Schwester. Waren meine Forderungen nicht deutlich genug? Habe ich mich etwa so unklar ausgedrückt? Ich wüsste nich, dass ich Dir das hier gestattet hätte.
Nun,"
nachdenklich wog Naheniel seinen Kopf hin und her, und sein eisiger Blick flammte neben ihr auf. "Ich werde es korrigieren."
Er hob seine Hand an Tanuris Körper entlang, und ein Schatten aus Feuer fegte über sie hinweg.

Noch bevor sie richtig verstehen konnte, was passierte, zerfiel das Kind in ihrem Arm, und der Mann, dem ihr ganzes Herz und ihre Seele gehörte, verbrannte in einem Ball aus lodernden Flammen. 
 
"Wie traurig, nicht wahr? Jahrelang hast Du dafür gekämpft, dass er endlich bei dir ist, und jetzt? Ein einziges Schnippen mit meinen Fingern und er ist unwiederbringlich fort." Von Düsternis geprägt war der Ausdruck ihres Bruders, als er zu ihr sah und seine flache Hand auf ihren Brustkorb legte. "Ich kann es fühlen, wie Dein Herz gerade zerbricht. Doch ich will mehr."
Nachdem er jede Silbe ausgiebig betont hatte, brandeten mit einer knappen, wegwerfenden Geste die nächsten Schatten auf und vernichteten alles Leben, das sich auf der bunten Frühlingswiese ausgebreitet hatte. 
 
 

 
In rasender Geschwindigkeit erreichten die brennenden Schatten Freya und Nymeria und schlossen sie in eine glühende Finsternis ein. Ein lautes Kreischen ertönte, gefolgt von einem noch lauteren, von Verzweiflung geprägten Schrei, der Tanuris Lippen entwich.
 
"Ich habe Dich gewarnt. Widersetze Dich niemals meinem Wort. Dein Egoismus und Dein unbedingter Wunsch, geliebt zu werden, haben Dich genau hierher geführt, Hüterin. Dabei habe ich es Dir so leicht gemacht, Freya zu retten. Stattdessen hast Du Dich für Dich entschieden." Bedauernd schnalzte Naheniel mit der Zunge und hüllte sie mit seiner Nähe ein. "Es gibt nur eine Rolle für Dich, die Du auszufüllen hast. Vergiss das nicht."

Seine Hand berührte ihre Wange und ihre Lippen, und ein eisiges Lächeln breitete sich unter seinem blonden Bart aus."Aber einen Vorteil hat Deine falsche Entscheidung.
Nun kann ich erfüllen, was ich einst versprach:
Ich nehme Dir alles."
 
 
Panisch riss Tanuri die Augen auf, und der Traum verklang, genauso wie die schmerzerfüllten Stimmen Freyas und Nymerias.
 
 

 
 
Später 
 
 
Weich und zart, süß und warm, so trafen ihre Lippen aufeinander, gierig und doch voller Vorsicht, denn beide wussten bereits, dass dieser eine Kuss das Ende aller Dinge bedeuten würde. Suchend strichen zeitgleich seine Finger langsam an ihr hinab, um das pulsierende Leben in ihrem Leib nochmals zu spüren. Es war ein sehnsuchtsvoller Abschied von dem, was sie hätten sein können, wären sie nur als andere geboren worden.

Als der Dolch lautlos durch ihre Haut und ihr Fleisch glitt, war es trotz der Erwartung, die sie die letzten Tage - ob wach, ob schlafend - begleitet hatte, ein Moment jäher Überraschung, der sie überwältigte. Ein kurzes Zucken durchfuhr ihren Leib, während ein helles Flackern über das Blau ihrer Augen zog. Heiß und salzig löste sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel, wanderte gleich einem bittersüßen Spiel über ihre Wangen, um sich auf ihren Lippen zu fangen – jenen Lippen, die gerade noch die seinen geküsst hatten und noch immer nach ihm schmeckten.

"Danke." Flüsterte sie, kaum mehr als der Hauch ihrer brechenden Stimme, während ihre Hand im gleichen Atemzug nach jenem seiner Handgelenke griff, das die Klinge führte.

So fest sie konnte hielt sie ihn, damit er den Dolch nicht doch noch zurückziehen konnte, bevor es vollendet war. Doch lange würde sie ihn nicht halten können, denn sie spürte bereits, wie warmes Blut durch ihre Robe sickerte und ihre Beine schwächer wurden, genauso wie ihr Herzschlag mehr und mehr verstummte. Wie durch einen immer dichter werdenden Schleier hörte sie Adrians Worte, und mit dem Gefühl der absoluten und ehrlichsten Form der Hingabe und Leidenschaft zu ihm, fuhren ihre mit Tränen benetzten Lippen ein letztes Mal über die seinen. "Ich weiß…."

Vorsichtig strichen ihre Finger über sein Handgelenk, liebkosten seine Haut für einen kurzen Moment, bevor sie so fest zupackte, wie es ihr noch möglich war. Mit der letzten Kraft, die sie noch besaß, drehte sie seine Hand, so dass der eiskalte Dolch in ihrem Leib dieser Bewegung folgte.

"Ich weiß." Wiederholte sie, ihre Stimme ganz leise geworden, ehe ihre Hand gleich darauf leblos von seiner glitt.
 
 
 
Auch wenn das Licht, das mal so strahlend war,
für immer nun ist unsichtbar,
auch wenn mir nichts kann wiederbringen jene Zeit,
wo auf den Gräsern und den Blumen lag der Glanz der Herrlichkeit,
 
so wollen wir vergessen jetzt die Kümmernis
und finden eher Kraft in dem, was bleibt und ist:
Im Mitgefühl, dem Grundvertrauen,
erfahren mal, auf die Erfahrung ist zu bauen, –
in tröstenden Gedanken, die in uns quellen,
sobald wir Leid und Not uns müssen stellen, –
im Glauben, dessen Blick die Wand des Todes kann durchdringen, –
und in den Jahren, die uns Weisheit bringen.
(Gedicht: William Wordsworth, Ode)
 
 
Ein letzter Atemzug, ein letzter Schein ihres Lichts, dann legte sich die Dunkelheit wie ein schützender Mantel um sie. Keine Angst fand sich dort, keine Kälte, nur das, was Adrian ihr gab und womit er sie in eine Finsternis führte, die ihr so vertraut und doch diesmal völlig neu war. Natürlich wusste sie um das, was sie von ihrem Mann verlangt hatte, aber sie war sich gewiss, dass er verstand. 
 
Irgendwann, wenn der ferne Tag kam, an dem der Dunkle Vater beschloss, auch ihn aus dem Leben ziehen zu lassen, würden sie einander wiedersehen. Und dann, endlich, wären sie für immer vereint und keine Macht könnte sie nochmals entzweien.
 

Ja, mein Herr und Meister, ich bin Deine Dienerin!
Lege Deine Finger auf meine Lippen und berühre mit Deiner Hand meine Zunge
auf dass ich Deinen Willen und Dein Wort verkünde!


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~~ Priesterin der dunklen Kirche und Mentorin ihrer Adeptin Freya ~~ 

Anführerin der Legion des Schattens
Frau des Adrian Al Saher 
Mutter der Nymeria Al Saher 
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Adrian
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#1542

Beitrag: # 55306Beitrag Adrian »

Wir kämpfen, um zu siegen, doch der Preis des Triumphs ist Verlust.
Wir stürzen, brechen, verlieren – wieder und wieder.
Entschlossenheit und Überzeugung, die einem einzigen Willen folgen.
Wir opfern alles für das, woran wir glauben.
 
Wir kämpfen und wir fallen, scheitern, verlieren – bis wir bereit sind, die Schuld für unser eigenes Versagen zu erkennen.
Nur wer seine eigenen Schwäche annehmen kann, ist fähig zu wachsen - Nur wer seine Fehler erkennt, wird sie zu einer Erfahrung wandeln.
Vertrauen und Glaube bestimmen den Weg, selbst wenn das Chaos uns in Stücke reißt und die Seele in der Dunkelheit versinkt.
Erleide den Schmerz. Bestehe die Prüfung.
Diene Ihm treu und durchschreite deine eigene Finsternis, um dich seiner als würdig zu erweisen.
Er und nur Er wird dich entlohnen. 



Ein letzter Atemzug, ein letzter Schimmer von Licht, bevor die Dunkelheit Tanuri wie ein schützender Mantel umfing. Keine Angst, keine Kälte – nur die Dunkelheit, die Adrian ihr schenkte, vertraut und doch neu. Eine Finsternis, der sie sich verschworen hatte.

Mit jedem verblassenden Herzschlag verdunkelte sich das Blau seiner Augen. Ein schattenhaftes Flackern, das alle Farbe darin verschlang, während der letzte Atemzug verstummte. Er hielt sie, fing sie auf, als er den Dolch aus ihrer Brust zog und sich das Weiß ihrer Robe immer weiter in ein tiefes Rot einfärbte.

„…ich lasse dich nicht los.“ Flüsterte Adrian und verlieh seinen Worten die Tragweite des Schwures, der sein Wesen durchdrang. Das Gelöbnis der Priesterin vor Ogrimar, das in seiner Seele widerhallte, als fordere er den Schwur nicht nur von ihr, sondern von dem dunklen Lord selbst ein.

Tanuris Eid, der sie vor Ogrimar gesprochen, unzertrennlich an ihn band. „Ich gebe dir mein Herz, meine Seele, damit sie sich mit deinen Schatten vereint. Dein ist mein Leben, dein ist mein Licht.“

Eine Magie, die der Finsternis selbst entstieg, welche die blutgetränkte Klinge im Dunkel aufschimmern ließ. Ein düsterer Glanz, der jeden Funken Lichts verschlang. Nur Ogrimar selbst wusste, wie tief der Dolch das Herz des Dunkelmagiers selbst durchbohrt hatte. Ein Schmerz, der tief bis in seine Seele schnitt. Ein Gefühl, das ihn auf die Knie zwang, während er seine Frau noch immer in seinen Armen hielt.

„Anfang und Ende sind ein Gedanke, der zur Tat wird. Du hast sie erwählt, du hast das Feuer ihrer Leidenschaft gesehen. Sie kann sie einen. Die Dunkelheit zusammenführen, aus der das Chaos entfesselt wird. Bedingungslos folgte sie deinem Willen, verbreitete dein Wort. Ohne zu zögern opferte sie sich in deinem Namen, dunkler Fürst. Nun halte sie, wie ich sie halte – im Leben wie im Tod, Ogrimar.“

Der Dunkelmagier senkte seine Lider, während sein Flüstern in bedeutungsschwerer Stille verhallte. Ein Schweigen auf seine Worte und jene stumme Forderung, die ihnen innewohnte, unter dem sich die Finsternis um ihn herum in immer tiefere Schwärze hüllte, je weiter das Licht der Priesterin sich von ihm entfernte.

Ein Atemzug, in dem sich die dunkle Glut im Zwielicht erhob. Ein geisterhafter Windhauch, unter dem die Schatten aufstoben wie glühende Asche und über die Priesterin und den Magier hinweg streiften. Tanzende Funken, die sich erhoben und unscheinbar um ihre Gestalt wehten, ehe eine einzige ersterbende Glut sich entzündete und das Licht einer einzelnen Kerze im nächsten Moment entflammte.

Ein schwaches Licht in der Düsternis, unter dem die Schatten auf Adrians unbewegten Zügen zum Leben erwachten. Als er die Lider hob, glitt der dunkle Abgrund seiner Augen über Tanuris Antlitz. Sie war sein. Im Leben, wie im Tod und darüber hinaus.

Schweigend schob Adrian seinen Arm unter ihre Kniekehlen, um sie anzuheben, während unter den Ascheflocken der finstere Schimmer das Priestersiegel an ihrem Finger aufglänzte, als wäre es ein Zeichen des dunklen Fürsten selbst.

Ein Wirbel aus glühenden Funken begleitete die Finsternis, welche seine Gestalt umhüllte, um sie eins werden zu lassen mit den Schatten.  Düsterer Nebel, der sich erhob und Adrian zusammen mit der Priesterin in seinen körperlosen Dunst umschloss, der sie durch das Zwielicht hindurchführte, um Naheniel gegenüberzutreten.

Langsam trat Adrian aus den Schatten hervor, seine Schritte bedacht und leise, während seine Präsenz die Umgebung schwer wie Blei erfüllte.

Die Dunkelheit glitt von ihm ab wie ein lebendiges Wesen, das widerwillig von seinem Meister wich. Schwarzer Rauch löste sich in zähen Schwaden von seiner Gestalt und dem zarten, leblosen Körper in seinen Armen. Es war ein Bild der Widersprüchlichkeit – Schutz und Verderben, Licht und Finsternis, in einem einzigen Augenblick verschmolzen.

Behutsam legte er Tanuri auf den steinernen Tisch, jede Bewegung von einer Sanftheit geprägt, die nicht mit der Dunkelheit um ihn herum in Einklang zu stehen schien. Seine Hand, die zuvor ihre Kniekehlen umschlossen hatte, glitt an ihre erkaltete Wange, und für einen Moment schien er die Zeit selbst anhalten zu wollen.

Sein Blick richtete sich auf Naheniel, eisig und unnachgiebig.

„Du hast, was du wolltest, var Aesir.“ Seine Stimme war hauchdünn, so fragil, dass die Kälte darin die Luft zu zerschneiden schien. Seine Augen, in denen keine Farbe mehr erkennbar war, nur eine alles verschlingende Dunkelheit, fixierten Naheniel mit einer Intensität, die jeden Funken Wärme auslöschte.

„Sie hat ihr Leben gegeben. Das ist es doch, was du wolltest.“ Die Härte in seiner Stimme verbarg kaum den Schmerz, der tief hinter einer Maske aus Stolz und eiserner Selbstbeherrschung loderte.

Die Finsternis um ihn herum war lebendig, eine unbändige, bedrohliche Präsenz, die ihn schützend umgab und zugleich wie ein verschlingender Abgrund lauerte.

Seine Hand ruhte noch einen Moment auf Tanuris Wange, als wolle er sich von ihr verabschieden. Er konnte die Kälte ihrer Haut unter seinen Fingerkuppen spüren, als er sanft die Konturen ihrer Züge nachzeichnete.

„Sie hat alles getan. Alles geopfert. Nun bist du am Zug.“ Ein Hauch von tiefer Ehrfurcht mischte sich in seinen Zorn. Für ihn war die Bedeutung dessen, was Tanuri gegeben hatte, spürbar. Eine Stärke und Größe, die vielen im Laufe der Zeit verloren gegangen war. Für einige mit Sicherheit ein gefundenes Fressen, um aus innerem Geltungsdrang Gerüchte zu schüren und hinter vorgehaltener Hand scheinheilig zu urteilen.

Für andere war es womöglich ein Weckruf, der mehr als notwendig war. Für jeden würde der Tag der Buße kommen. Der Augenblick, an dem Gottesfurcht oder Scheinfrömmigkeit sich offenbarten würden. Gnade und Grausamkeit, unter der die Gemeinde entweder auferstehen oder fallen würde.

Für Adrian ging es jedoch bereits über all das hinaus. Unter einer bedrohlichen Schwere, die genau das zum Ausdruck brachte, erhob sich seine Stimme.

„Hol Freya. Sofort!“ Die Worte hallten mit einer Dominanz, wie ein unbarmherziger Befehl. Unter einem unheilvollen Lidschlag richtete er seinen Blick wieder auf Naheniel, die Dunkelheit in seinen Augen pulsierend, ein Ausdruck von Verlust und unauslöschlicher Wut.

„Bring mir meine Tochter - unversehrt!“ Es war keine Bitte, sondern eine Forderung, ein düsteres Flüstern, das weder Raum für Widerspruch noch Verhandlungen ließ.
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
Gnade oder Mitleid haben noch nie einen Feind besiegt. ❖
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-Freya-
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#1543

Beitrag: # 55312Beitrag -Freya- »

Sein Atem erlosch, und mit ihm erstarben die Worte auf seinen Lippen. Freya starrte ungläubig in Ardyns leere Augen, ein Abgrund ohne Antworten. „Nein, Ihr dürft nicht sterben. Nein!“ Ihre Stimme zersplitterte in einem verzweifelten Schrei, während sie nach der Magie in sich griff, doch ihre zitternden Hände fanden nur Leere, ebenso wie ihre Worte. „Ich befehle es Euch!“

Was hatte sie getan? Immer wieder schüttelte sie den Kopf, während ihre blutbenetzten Hände versuchten, nach etwas zu greifen, was sie ihm unwiederbringlich genommen hatte. Eine Erkenntnis, die ihr immer bewusster wurde.

Er würde ihr nicht mehr antworten, egal wie laut sie ihn anschrie oder wie fordernd ihre Worte waren – er war tot. Sie hatte ihn umgebracht. Glasig sahen ihre Augen umher. Was wollte sie nun tun? Man würde ihn entdecken, sie als Mörderin anklagen - und dann würde man ihren Kopf fordern.
 
Hektisch sah sie sich um. Jeden Moment konnte jemand durch die Tür kommen. Haya, der Prinz.  Und dann? Weder konnte sie Ardyn verstecken noch fortschaffen. Und überall, überall war Blut. Am Boden, auf ihrer Tunika und an ihren Händen. Ihre Augen strichen über das Rot, das ihre Handflächen zeichnete.

Panik, Angst, Ratlosigkeit – ein erstickendes Tuch legte sich um ihren Verstand, drohte sie zu verschlingen.

„Er darf dich nicht finden.“  Leise wiederholte Freya die letzten Worte des Spiegelmachers. Ein Flüstern, das eine Warnung und eine Mahnung zugleich war. Worte, die in ihrem Geist widerhalten.

Sie musste weg, jetzt. Ihr Atem kam in keuchenden Stößen, als sie sich aufrappelte. Doch so konnte sie sich unmöglich durch den Palast bewegen. Der helle Stoff ihrer Tunika war gesäumt und besprenkelt von Blut, und dort draußen waren überall Menschen. Hetzende Weiber und aufmerksame Wachen, denen nichts entgehen würde - und doch blieb Freya kaum Zeit, sich ein neues Gewand anzulegen.

Nein - es musste schnell gehen. Eilig trat Freya an die Stapel feiner Stoffe und zerrte für sich ein dunkelblaues Tuch aus dem Stapel hervor. Ohne großartige Kunst warf sie es um sich herum, hüllte ihre Gestalt sowie auch ihre Züge in die Schatten des Stoffes, bevor sie mit unruhiger Hand versuchte es an der Brust mit einer feinen Brosche zusammenzuhalten. „Verflixt, geh zu! Bitte! Nun mach schon! Verdammt …“


Weg, sie musste fliehen, solange sie die Möglichkeit dazu hatte – und sie musste die Frau finden, koste es, was es wolle. Alles hing an einem hauchdünnen Faden. Nicht nur der Weg nach Hause, sondern auch ihr eigenes Leben.

„Endlich!“ Als die kleine Nadel endlich verschlossen war, glitt das Blau ihrer Augen aufgeregt durch den Raum - hinweg über das Blut, welches aus dem Spiegelmacher sickerte und sich über die Fliesen hinweg wie ein im Sonnenlicht schimmernder roter See ergoss. Der Duft von Jasmin und Gewürzen wurde überschattet von dem metallischen Geruch, von dem Freya das Gefühl hatte, er würde sich immer weiter ausbreiten.

Wie sollte sie die Fremde finden? Den Anfang, das Ende? Der Spiegel war zerstört. Mit hastigen, fahrigen Bewegungen schnappte sie eine größere Scherbe vom Boden, deren scharfe Kanten im schwachen Licht glitzerten. Vielleicht würde sie wiederkommen, wenn sie hineinsah.  Aber zuerst musste aus dem Palast hinaus. Raus aus der Stadt.

Lautlos öffnete Freya die Tür, um ihren Blick über die sonnendurchfluteten Gänge gleiten zu lassen. Da war niemand. Nichts. Doch das konnte sich mit jeder Sekunde, die verstrich, unmittelbar ändern. Jetzt oder nie. Es war eine einzige geschmeidige Bewegung unter der sie auf die langen offenen Flure trat.

Leise schlich sie durch die Gänge des Palastes.  Jeder Schritt glich einem bedrohlichen Echo in der Stille, jeder Schatten war ein Feind. Ein Blick auf sie konnte womöglich alles verraten und ein Wort, eine Frage zu einem gnadenlosen Urteil führen. Sie durfte nicht auffallen. Weder durch Eile noch durch Hektik oder eine falsche Bewegung durfte sie Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Aufgeregt schlug ihr Herz. Freya hörte den Trommelschlag in ihrer Brust, während ihre Augen aus den Schatten heraus ihr Umfeld wachsam erkundeten.

Einige Damen schienen auf der anderen Seite des Atrium-gleichen Mittelteils, der mit Blumen und kleinen Flussläufen Friedlichkeit ausstrahlte, in ein Gespräch versunken. Doch sie schenkten ihr keine Beachtung. Vielleicht waren sie abgelenkt oder auch zu weit entfernt, um von ihr Notiz zu nehmen.  Leise und bedacht mahnte Freya sich dennoch immer wieder ruhig einen Fuß vor den anderen zu setzen und ihren Blick, verborgen vom Schatten des Tuches, bedeckt oder gesenkt zu halten.

Irgendwo musste es einen Ausgang geben und sie würde ihn finden.

Hastige Schritte näherten sich. Unbewusst zuckte Freya zusammen, während ihre linke Hand instinktiv den Stoff enger zusammenhielt und die Finger ihrer anderen Hand sich gleichzeitig nach Halt suchend fester um die Scherbe schloss. Man durfte sie nicht entdecken. Eilig wandte sie sich einer Abzweigung zu und flüchtete in einen Seitengang – doch es war zu spät ...
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Naheniel
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#1544

Beitrag: # 55313Beitrag Naheniel »

Naheniel hatte geduldig gewartet, aus Neugier, ob es tatsächlich geschah. Ein Treffpunkt zu vereinbaren war überflüssig gewesen, denn Adrian wusste genau, wo er ihn finden würde: dort, wo einst die Al Sahers residierten.
Welch Dramatik die ganze Geschichte doch besaß.
Hier, wo Adrian einst die eigene Schwester ehelichte, müsste er schon bald nach der angemessenen Zeit der Aufbahrung seine zweite Frau begraben. 


Mit angewinkeltem Bein saß der Bruder der Toten nun lässig auf der Kante des steinernen Tisches, als sein einstiger Gefährte aus den dichten Schatten trat, die Priesterin in seinen Armen.
Leicht und dennoch anerkennend hob sich eine Braue, bevor er sich vom Tisch abstieß, um dem General Platz zu machen. 
Abschätzend glitt dabei Naheniels Blick dabei über seine Schwester. Ihre Robe war blutgetränkt und ihr Gesicht hatte bereits jede Farbe verloren.
Der Tod war eben unerbittlich, er ließ keine Schönheit zurück. Nur die Hülle blieb, in die eine Seele bei ihrer Geburt gezwängt wird, die sich schon bald zerfallen und zersetzen würde.


"Du hast Dich also entschieden." Langsam schritt er um den Tisch herum, während seine Augen prüfend zwischen Tanuri und Adrian hin und her wanderten. "Zugegeben, ich hatte da so meine Zweifel."
Naheniel streckte seine Finger nach ihrem Körper aus und strich während seiner Wanderung über ihren Hals, ihre Brust und die Wunde an ihrem Bauch. Das Blut fühlte sich auf seinen Fingerkuppen noch warm an, während der Leib kälter und kälter wurde. So nah waren Tod und Leben immer wieder beieinander. 


Als ihm jedoch während der Beschau Tanuris das lang gehütete Geheimnis Adrians offenbart wurde, hielt er jäh inne. "Freya ist dein Kind?"
Ein leises, nachdenkliches Raunen drang über seine Lippen und er zog er bedacht langsam die Hand von seiner Schwester zurück.  "Das ist es also, was Dich die ganze Zeit angetrieben hat.
Gratuliere, General, das habe ich nicht kommen sehen. So handelt dann wohl ein wahrer Vater."
 

Ein einfaches Lächeln hob seine Worte unterstreichend seinen Mund. "Wie schön, dass sich nicht alles geändert hat. Wie damals in früheren Zeiten, hast Du mir heute nicht nur bewiesen, dass Du immer noch Dein Wort halten, sondern mich trotz all der gemeinsamen Jahre immer noch überraschen kannst."

Ganz im Gegensatz zu anderen. Schließlich war da auch das Treffen mit Etoh gewesen, der nicht abgeneigt gewesen war, das Leben der Priesterin zu beenden, wenn er dafür als Zahlung, wie von Naheniel an der Stadtmauer angeboten, Freya erhielt. Ein erhoffter Handel seitens des Predigers, der anscheinend nur wieder irgendeine Halbherzigkeit aus einer der vielen Launen heraus war, denn geschehen war daraufhin nichts. Am Ende wäre es Naheniel vollkommen egal gewesen, wer die Priesterin tötete.
Bei Adrian allerdings bereitete es ihm eine ganz besondere Freude, das Leid zu beobachten, das er fühlen musste, nun da er bereits die zweite Frau durch des Schöpfers Willen verlor. Aber trotz der Feindschaft, die zwischen den einstigen Freunden herrschte, kam Naheniel nicht umhin, ein gewisses Maß an Bewunderung für den jetzigen Witwer zu empfinden.


"Nun verstehe ich, warum Du bereit bist, alles für das Mädchen zu tun und jede Grenze überschreitest."
Einer respektvollen Geste gleichkommend senkte er seinen Kopf und deutete zugleich ein zufriedenes Lächeln an, bevor seine warme, einnehmende Stimme erklang. "Mit dem Tod meiner Schwester hast Du deinen Teil des Geschäfts eingelöst. Du hast recht, somit bin ich am Zug. Du sollst deine Tochter bekommen."

Ein letzzer Blick traf auf das friedlich wirkende Gesicht Tanuris und trat kurz darauf bedächtig einige Schritte rückwärts. Hell glommen seine Augen auf, als die Schatten, die ihm gehorchten und Teil der Dunkelheit waren, die er beherrschte, ihn einholten und er mit ihnen verschwand.



 



Etwas später


Ruhig lehnte Naheniel gegen die Stadtmauer zu Lichthafen, mit seinen Armen locker ineinander verschränkt, während sein Blick über die Pergamente streifte, die vor langer oder auch vor weniger langer Zeit angebracht worden waren.
Das Licht des Mondes, blass und kalt, warf sein Licht auf ihn, doch reichte es nicht aus, um die Schatten, die seine Züge umspielten, ausreichend aufzuhellen. Ein Teil der Dunkelheit blieb auf seinem Gesicht liegen, was jedoch die Nachdenklichkeit, die in seinen Augen schimmerte, umso stärker betonte. 

 
"Gut gespielt, alter Freund." Seine Stimme war nur ein leises Murmeln, das sich kaum von der Stille der Nacht abhob. "Wie konnte mir das nur entgehen? All die Jahre, all die kleinen Hinweise." Kaum zu sehen, war der Hauch eines Lächelns, als er seinen Kopf ein klein wenig zur Seite neigte, um das Abwägen seiner Worte noch mehr zu unterstreichen.
 
"Er war immer verschwiegen. Aber das…" Der Ausdruck auf seinen Lippen wurde breiter, als gleichzeitig eine seiner Augenbrauen ein wenig nach oben wanderte, so dass sich leichte Falten auf seiner Stirn bildeten.
"... wahrlich eine Meisterleistung. Sein Kind."
Für einen Moment ließ er die Worte hängen, bevor er sich von der Mauer abstieß und seine Aufmerksamkeit auf das Pergament legte, welches zuletzt von Adrian verfasst worden war. "Die Frau geopfert, um das Mädchen zu retten. Einige würden es wohl als kalt betiteln. Ich für meinen Teil zolle dieser Tat tatsächlich Respekt." 
 
Leise und rau erklang sein Lachen. Es zeugte nicht von Vergnügen, sondern von seiner ganz speziellen Form der Anerkennung. Eine Anerkennung, die einzig Adrian galt, während die mitschwingende Erheiterung ganz anderen gewidmet war.
Man hatte sich bemüht, das war nicht zu leugnen. Allerdings konnte man Bemühungen schon immer großzügig definieren. Weder waren Lysianas eindeutige „Annäherungsversuche" und ihre offensichtliche Zutraulichkeit ihm, dem eigentlichen Feind, gegenüber, zielführend gewesen, noch besaß der Wunsch des Predigers, Freya für sich zu haben, irgendeine tragende Relevanz, wie sich herausstellte.
 
Wenigstens wusste Naheniel nun mit Sicherheit, wer es wert war, beachtet zu werden und wen er weiterhin zurecht einfach nur belächeln konnte. 
 
Lautlos glitt seine Hand in die tiefe Falte seines Mantels und förderte ein Stück Pergament zutage, welches noch unbeschrieben war. Mit einem stummen Zauber brachte er es über dem bereits angebrachten Schriftstück an. Jenem, auf dem sein Angebot stand und direkt neben Adrians Worten. Ein Schatten flackerte in seinen Augen auf, als sein Blick noch einmal über die Zeilen seines einstigen Freundes strich. Doch dann hob er die Hand und aus der Dunkelheit, die sich um ihn verdichtete, entstand eine Feder, die in aller Langsamkeit von dieser freigeben wurde. 
 
Tiefschwarz glänzte der Federkiel im hellen Licht des Mondes, als er sich nach vorne beugte, um diesen über das Pergament zu führen und mit fließendem Schwung niederzuschreiben, was kurz davor geschehen war. 
 
 

Meine Schwester, die Priesterin, ist tot.
Ihr Leben endete durch die Hand ihres Mannes.
Damit wurde die von mir aufgestellte Bedingung des Handels erfüllt und ich erkläre die Abmachung hiermit als gültig. 


Bild
 
 
 
Nachdem auch der letzte Buchstabe seines Namens das Pergament zierte, erstarb sein Lächeln und seine Augen leuchteten in einem kalten, gefährlichen Blau auf, als er sich von der Mauer fortdrehte. 
 
"Deine Tochter…Hm." Sein Blick glitt hinab zu seiner Hand, die gerade noch die Feder geführt hatte.
"Da ich nun die Wahrheit kenne, wird unser Spiel eine ganz neue Wendung nehmen."
Doch anstatt der kohlrabenschwarzen Feder befand sich zwischen seinen Fingern nun ein schmales Schmuckstück. Zwar ein wenig in Mitleidenschaft gezogen durch eine Reise an der Hand eines Kindes und eine Wanderung in dem Maul eines Tieres, aber immer noch als das zu erkennen, was er an dem Abend der Zeremonie symbolisieren sollte. 

 
Er warf den Adeptenring in die Höhe, beobachtete wie dieser für den Bruchteil eines Herzschlags mit den Schatten eins wurde und fing ihn, ohne ihn nochmal anzusehen, wieder auf.
"Komm Haedinn."
Sprach er befehlend, während die Finsternis anfing, sich um ihn zu schließen. "Ich glaube, dass eine Prinzessin bei der Erfüllung von meinem Teil des Handels nützlicher sein könnte, als ich dachte." 
 
Verspielt fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen, während Freyas Ring in seiner Faust verschwand. "Aber alles zu seiner Zeit. Zuvor wird sie etwas anderes für mich tun müssen."
Nachdem ihn die Dunkelheit verschlungen hatte und er sich auf der Ebene des Zwielichts befand, auf der er zu wandern pflegte, erklang sanft und in einem lockenden Singsang wieder seine Stimme.
Sie erstreckte sich in keine bestimmte Richtung, sondern nahm sofort alles ein.
"Liadan."

Er wartete kurz und versuchte dabei zu spüren, ob sie ihn hören würde. Nicht über jede seiner Kreaturen besaß er die gleiche Macht. Doch dass die Kaisertochter sich ihm bereits freiwillig unterworfen hatte, um Adrians Leben zu retten, schuf eine gewisse Verbindung, derer sie sich nur durch den eigenen Tod entziehen konnte.

"Liadan." Süß klingend wiederholte er ihren Namen.
"Komm zu mir."


 
Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.
Bist es immer noch Du? Oder bin es nun ich?


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Spürst Du den Hunger nach der Dunkelheit, schreit er bereits in Dir? 
Sag, mache ich Dir Angst oder fühlst Du Dich erst lebendig wegen mir?
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1545

Beitrag: # 55314Beitrag Gesichtsloser Erzaehler »

„Wen haben wir denn da?“ Bedrohlich erhob sich der Schatten über das Mädchen hinweg, kalt und unbarmherzig, wie die Stimme, die ihn begleitete. Die Frau mit der Hakennase stand vor Freya, eine Erscheinung wie aus kaltem Stein gemeißelt, deren Gesicht von spöttischer Grausamkeit gezeichnet war. Es war dieselbe, die sie zuvor mit giftigen Worten und vernichtenden Blicken gepeinigt hatte.

Ein eisiges Lächeln umspielte ihre dünnen Lippen, während sie Freya mit der Gier eines Raubvogels musterte, der seine Beute taxiert. Keine Spur von Wärme lag in ihrem Blick, nur unverhohlene Süffisanz, die wie ein giftiger Nebel aus ihren Augen quoll und ihre Worte tränkte.

„Suchst du etwa heimlich den Prinzen, kleines Vögelchen?“ Ihre Stimme troff vor Hohn, als sie den Kopf leicht neigte, als wolle sie Freyas Geheimnisse aus ihr herausreißen. „Oder willst du schon wieder fliehen? Nach Hause, in die weite, unbekannte Ferne – dorthin, wo die Hexen hausen?“

Unbarmherzig und nur von einem gespielten Bedauern getränkt durchschnitt ihre Stimme die Stille.

In ihrem Blick loderte ein Verlangen, Freya brennen zu sehen – nicht aus einem tieferen Grund, sondern aus purem, bösartigem Vergnügen. „Keines von Yasins Juwelen stiehlt sich einfach davon“, säuselte sie süßlich, als wäre es ihr ein Vergnügen Freya, über ihre Naivität zu glauben, dass sie frei wäre, belehren zu können. „Du hattest doch nicht wirklich vor, in diesem armseligen Aufzug den Prinzen aufzusuchen?“

Durchdringend taxierten ihre Augen das Mädchen, als würden sie präzise jeden einzelnen Makel erfassen. Das Tuch, welches nicht besonders kleidend und zudem nur halbherzig um sie geschlungen war. Nein, es war weder hübsch noch in irgendeiner Form angemessen. Im Gegenteil. Sie schien sich nicht einmal ordentlich anziehen zu können. Schlampig und peinlich für jemanden, dem Yasin so viel Aufmerksamkeit schenkte, wie sie feststellen musste, als sie um sie herumschritt, als hätte sie Freya auf frischer Tat ertappt.


„Hat es dir schon wieder die Sprache verschlagen?“ fragte sie, eine Braue hochgezogen, als erwarte sie, dass Freya erneut vor ihr in Tränen zusammenbrechen würde, ein Schauspiel, das ihr krankes Herz erfreuen könnte. Erst recht, da niemand wie die Kaiserin ihr nun zu Hilfe eilen würde. So bedauerlich. Doch sie bekam immer was, sie wollte und wenn ein Juwel ihr missfiel, konnte es noch so hübsch glänzen. Freya hatte doch schließlich nicht etwa wirklich daran geglaubt, sie würde einen Platz am kaiserlichen Hof finden?

Erneut zierte ein abschätziges Grinsen ihre Lippen, als sie ihren Kreis um Freya herum fast vollendet hatte, als ein Windhauch den Stoff des Umhangs des Mädchens erfasste. Leicht nur wehte er auf und doch reichte jener kurze Luftstrom aus, um einen kurzen Blick auf das, was sich darunter verbarg, zu werfen. Ihre Augen verengten sich, als sie über die im Sonnenlicht aufschimmernde scharfkantige Scherbe glitten, die roten Flecken an Freyas Händen und ihrem Gewand. Ein Anblick, der ein unheilvolles Glitzern in ihren Augen hinterließ. „Was haben wir denn da?“ zischte sie, während ein hämisches Lächeln ihre Lippen weiter verzerrte. „Was hattest du vor? Du wolltest doch nicht etwa den Prinzen töten.“

Ein diabolisches Vergnügen der alleinigen Unterstellung spiegelte sich in der Durchtriebenheit ihrer Züge wider, als sie tadelnd ein Kopfschütteln andeutete. Ein Lächeln, das zu deutlich den kalten Genuss der Vorfreude zeigte, Freya ans Messer zu liefern, während ihre Stimme spielender Leichtigkeit die Anklage vorbrachte. „Hexe!“


Ein Wort, das sie erkennbar nächsten Atemzug für jeden vernehmbar verlauten lassen würde, nur um zu sehen, wie Freya in Ketten gelegt im Dreck landen würde.
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Liadan Al Saher
Bauer / Bäuerin
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#1546

Beitrag: # 55315Beitrag Liadan Al Saher »

Liadan bekam nichts von dem mit, was gerade bei Freya geschah. Sie saß gemeinsam mit dem Prinzen, der von seiner Jagd zurückgekehrt war, in einem großen Raum, der mit unsagbar viel Prunk verziert war. Gold schimmerte an der Decke, Edelsteine glänzten an den Wänden. Es war ein Reichtum, der für jemanden, der nicht aus dieser Schicht stammte, kaum vorstellbar war. Irgendwie, das musste auch Liadan sich eingestehen, war es schon beeindruckend. Obwohl sie nie viel Wert auf Besitz gelegt hatte, war das, was sie sah, wahrhaft schön. Vielleicht bezeichnete es jemand als Protz, ihr jedoch schien es eher, als würde der Prinz gerne zeigen, worin er die wahre Schönheit erkannte: Nicht im Diamanten an sich, sondern in dem Licht, das er warf, wenn die Sonne darauf schien. Nicht im Gold, sondern im warmen Glanz, den es verströmen konnte. Er schien ein Auge für Details und für eine Schönheit zu haben, die vielen verborgen blieb. Gut denkbar, dass dies einen Teil seines Charmes ausmachte, von dem er überraschenderweise ziemlich viel besaß.

Sie unterhielten sich bereits seit einigen Stunden über ein neues Bündnis zwischen seinem Königreich und ihrem Kaiserreich, als plötzlich ein dumpfer Druck auf ihren Kopf wirkte. Zunächst dachte sie, dass es vielleicht eine Nachwirkung der Sonne war, die hier ganz anders schien als bei ihr zu Hause. Auch die Wärme war sie auf diese Weise nicht gewohnt. Aber irgendwie war es anders. Es schloss ihr gesamtes Denkvermögen ein und verhinderte, dass sie dem Prinzen noch folgen konnte. Irgendetwas begann ihre Aufmerksamkeit zu lenken und brach jegliche Verbindung zu der greifbaren Welt ab.

Dann, mit einem Schrecken, der sie zusammenfahren ließ, hörte sie es. Oder besser gesagt, ihn. Als ob er direkt vor ihr stünde, seine groben Hände auf ihr Gesicht legen würde und ihr mit seinen eiskalten Augen tief in die ihren blickte. "Liadan." Was denn jetzt schon wieder? Und überhaupt, warum? Er hatte ihr befohlen, beim Prinzen zu sein und sich ihm, falls nötig, anzubieten. Sie war seine. Sie gehorchte. Auch wenn sich alles in ihr widersetzte und sie viel lieber dafür gesorgt hätte, Freya in Sicherheit zu bringen. Doch um nicht noch weiter aufzufallen, war sie widerwillig dem gefolgt, was Naheniel ihr gesagt hatte.

Als sie nicht antwortete, wurde der Druck auf ihren Schädel immer schwerer. Es fühlte sich für sie an, als steckte dieser in einer Presse, die sich langsam um sie schloss und dafür sorgte, dass ihre Knochen bald brachen. "Liadan. Komm zu mir." Sie spürte eine fürchterliche Übelkeit in ihrer Magengegend und schmeckte die Galle, die ihr bereits im Mund lag. Es war schrecklich widerlich, doch konnte sie sich kaum den Fehler leisten, vor dem Prinzen zu spucken. Bestimmt dachte der Prinz sich seinen Teil, warum seine Gesprächspartnerin mitten im Satz verstummt und kreidebleich geworden war.

Weiter hallte ihr eigener Name, gesprochen von seiner Stimme, in ihrem Kopf nach. Ein stetes Echo, das schmerzhaft widerhallte und wie tausend heiße Nadeln durch ihr Gehirn drang. Was hatte das alles zu bedeuten? Und was meinte Naheniel mit "komm zu mir"? Es würde einige Tage in Anspruch nehmen, bis sie das Portal erreichte, das sie aus dieser Welt herausführte. Oder wartete er etwa irgendwo im Palast? Doch bevor sie ihre Gedanken richtig sortieren konnte, griff eine unsichtbare Hand in die Mitte ihres Brustkorbs und drückte so fest zu, dass sie fast nach hinten wegkippte. "Scheiße, ja, ich hab's gehört!"

Verwundert über ihren plötzlichen Ausbruch, ließ der Prinz seine warmen Augen elegant und perfekt über sie wandern und betrachtete sie besorgt. "Verzeiht. Es muss das Wetter sein." Eine dumme Ausrede, das wusste Liadan selbst. Aber wenn sie nicht sofort aus diesem Raum kam, konnte sie nicht mehr länger dafür garantieren, dass sie ihren Körper noch kontrollieren konnte. Doch in diesem Moment kam ihr der Zufall zu Hilfe, als ein Diener mit gesenktem Kopf und demütig gebeugtem Oberkörper im Türrahmen stand. 

"Mein Prinz, Herrscher der Sonne, des Sandes und der Wüstenwinde. Meine Störung ist kaum zu verzeihen. Doch es gibt etwas, das Eure Aufmerksamkeit erfordert." Mit Bedauern auf seinem Ausdruck erhob sich Yasin und tauschte sich flüsternd mit dem Mann aus, dessen Blick fest auf den Prinzen gerichtet war und der es nicht wagte, in Richtung der Kaiserin zu sehen, da dies den Verlust seines Kopfes hätte bedeuten können.

Während die beiden sich unterhielten, nahm die Übelkeit für Liadan immer mehr zu, genauso wie der Schmerz in ihrem Kopf und das Gefühl, dass ihr Herz im nächsten Moment vollständig zerquetscht wurde. Ihre Gedanken rasten und erste Schweißperlen zeichneten sich auf ihrer Stirn ab. Je mehr sie sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen und die Stimme, die immer noch befehlend widerhallte, zu ignorieren, desto schlimmer wurde es. "Kaiserin." Entschuldigend drang die warme, von einem exotischen Klang getragene Stimme Yasins an ihr Ohr, doch sie nahm ihn kaum wirklich wahr. Sie wusste, dass er da war, aber irgendwie wusste sie es auch nicht mehr. Das echte entglitt immer mehr ihren Händen, je sie den Einfluss Naheniels spürte. 

"Für jetzt muss ich Euch alleine lassen. Jemand wird aber kommen, der Euch in Eure Räume geleitet. Es scheint eine Unregelmäßigkeit zu geben, der ich mich widmen muss." Der Prinz schien es schrecklich eilig zu haben, denn bereits mit seinem letzten Wort verließ er den Raum.
Es dauerte keine zehn Sekunden, bis Liadan zur Seite kippte und sich auf einem der hübsch gewebten Teppiche übergab. Sie zitterte am ganzen Körper und fror erbärmlich. Noch dazu tropfte Blut aus ihrer Nase, direkt auf die stinkende Galle.

"Bitte hör auf…" Sie rang nach Atem und versuchte, sich aufzurichten. "Es wird dauern…" Mehr konnte sie nicht sagen, da ihr ganzer Hals brannte und ihr Kopf dröhnte, als hätte sie von Adrians Whiskey einen Schluck zu viel getrunken. Langsam und schwankend rappelte sie sich auf und versuchte einen Plan zu fassen, wie sie so schnell wie möglich zu ihm gelangen konnte. Ihm. Ihren Schöpfer.
***  Purpurne Kaiserin *** 
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Mein Herz immer noch nur für den Einen,
Mein Bogen für die Schatten und das Chaos.
Mein Blut für meine wahre Familie.
Mein Leben einzig für Ogrimar! 


 
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-Freya-
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#1547

Beitrag: # 55316Beitrag -Freya- »

Angst durchflutete Freyas Brust wie eine Welle. Ein beklemmendes Gefühl, das sie innerlich einzwängte und ihr die Luft nahm, als sie erkannte, was die Frau vor ihr im nächsten Moment zu tun beabsichtigte. Eine Handlung, nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus gehässiger Niedertracht, die ihr ins Gesicht geschrieben war und mit der sie ihr den Weg blockierte. Keine Flucht möglich.

Wie ein gehetztes Tier spürte Freya die Panik in ihren Venen. Ein lautes Rauschen, während das Licht in ihren Augen flackerte und ihr Atem stoßweise ihre Lungen verließ. Ein goldener Glanz, der im Blau ihrer Iris schimmerte, als würde das Licht sich darin fangen, während sie das Wort förmlich von den Lippen der Hakennase ablas. „Hexe!“

Nein!“ Ihr Blick schoss zur Seite, noch während die Frau Luft holte. Nein, sie musste still bleiben, schweigen, den Mund halten.

Bevor ihre Anklage laut über die Lippen kam und sie Alarm schlagen konnte, packte das Mädchen ihren Arm und riss sie in einer einzigen, entschlossenen Bewegung an sich. Einen Arm um ihren Hals geschlungen, drückte sie unnachgiebig zu, mit einer Stärke, von der Freya weder wusste, woher sie stammte, noch, dass sie sie je besessen hatte.

All das war jedoch im Augenblick egal. Entscheidend war, dass die Frau keinen Ton von sich gab. Zitternd hielt Freya die Scherbe an ihren Hals, sodass die scharfkantigen Spitzen sich in die Haut bohrten.

„Schweig!“, befahl Freya. Ihre Stimme war ein Zittern aus Wut und Furcht. Es war eine Frage eines Augenblicks, bis jemand den Spiegelmacher entdecken würde. Ein Rennen gegen die Zeit, bis jemand um die Ecke käme und sie erwischen würde. Unsicherheiten, die auch der Frau nicht entgingen.

Doch auch wenn selbst ein einziger falscher Gedanke des Mädchens ausreichen könnte, war die Harpyie sich der Überlegenheit ihres Standes gewiss. Sie zweifelte offenbar daran, dass Freya den Mut hatte, sie zu verletzen und ihre Gunst zu gefährden. Eine Süffisanz, die in ihrem spöttischen Tonfall unüberhörbar war. „Kann das Kind die Wahrheit nicht verkraften? Weißt du, was der Prinz mit kleinen aufsässigen Juwelen wie dir macht?“

In diesem Moment bog Haya um die Ecke. Vom Lärm angelockt, weiteten sich ihre Augen, als sie die Szene erfasste und wie erstarrt stehen blieb, als sie die blitzende Waffe in den Händen des Mädchens sah. Ein Moment des Schocks, der sich selbst auf ihren verborgenen Zügen ablesen ließ.

Freyas Blick durchbohrte Haya unmittelbar, während ihre Stimme zu einem bedrohlichen Zischen wurde. „Kein Ton“, mahnte sie beide, als sie die Scherbe fester an den Hals der Frau presste, sodass ein dünner Blutfaden herabfloss. „Oder sie stirbt.“

„Wir können ihr helfen.“ Langsam hob die Dienerin ihre Hände, als wolle sie beschwichtigen, doch Freya hatte keine Zeit für Erklärungen. Nein, es gab kein Zurück. Keine Worte, die ungeschehen machten, was sie getan hatte. Der Spiegelmacher lag tot in ihren Gemächern, und diese Hexe in ihren Armen würde dafür sorgen, dass der Prinz sie zur Rechenschaft zog. Sie musste hier weg - schnell.

„Du bringst mich hier raus“, verlangte Freya. Ihre Stimme war ein verzweifeltes Fordern, während sie die Frau mit der Hakennase wie einen Schild hielt, während sie spürte, wie ein warmes Rinnsal über ihre Finger lief. „Jetzt!“

Doch die hämische Harpyie lachte – ein kehliges, höhnisches Geräusch, das Freyas Verstand in Flammen setzte. „Was glaubst du, wie weit du kommst? Du entkommst nicht“, spottete sie. „Sie werden dich hetzen wie einen Hund.“

Der Blick des Mädchens ruhte mit panischer Entschlossenheit auf Haya. Es gab keinen Weg. Nein, man würde sie ans Messer liefern.  Sie konnte förmlich spüren, wie die Frau unter ihrem Griff nach Luft holte, konnte sich die Bosheit in ihren Augen vorstellen. Das konnte sie nicht zulassen. Freya beugte sich vor, ihr Atem heiß und abgehackt, durchzogen von rasender Angst, als er über das Ohr der Frau strich, während die scharfe Kante durch die Kehle der Frau glitt. „Halt den Mund!“

Kein Befehl, sondern ein Urteil, das Freya fällte. Die Frau keuchte, ein ersticktes Gurgeln, bevor sie in Freyas Armen zusammensackte und das warme Blut durch ihre Finger sickerte, wie ein stummes Zeugnis ihrer Tat. Erschrocken ließ Freya die Frau zu Boden gleiten, während die Scherbe schwer in ihrer blutigen Hand ruhte. Ihr Atem war ein Zittern, als sie ihre blutigen Hände ansah. Doch welche Wahl hatte sie gehabt?

Sie wandte sich zu Haya, deren Gesicht bleich war wie Wüstenkalk. Die Augen vor Entsetzen geweitet und die Hände gefaltet vor ihrem Mund, blickte die Dienerin auf den leblosen Körper. „Beim Schöpfer! Was hast du getan?“

Was hatte sie getan? Eine Frage, die Freya sich selbst stellte, doch es gab keine Zeit, nach Antworten zu suchen. Schritte wurden lauter – oder war es ihr eigener Puls, der in ihren Adern hämmerte? Freya hörte nur noch ihren eigenen Herzschlag. Ein panisches Trommeln, wie tausend Schritte, die auf sie zukamen, während das Schimmern in ihren Augen die Dienerin in eine Schockstarre versetzte. „Der Prinz wird das bestrafen müssen. Hohe Frauen sind unantastbar ...“

„Bring mich raus!“, flüsterte Freya, heiser und gebrochen, während das warme Blut über ihre Finger floss. Ein Gefühl, das die Panik in ihr weiter anfachte und die Bitte selbst wie eine Forderung klingen ließ, die keinen Widerspruch duldete. Worte, welche wie ein Fluch durch die Luft schnitten, während ihr Blick mit gnadenloser Intensität auf Haya ruhte, als wäre sie die nächste.

Auch Haya zitterte sichtlich vor Furcht. Nicht nur vor Yasin, sondern auch vor dem Mädchen selbst. Das Schimmern in ihren Augen war ein Leuchten, das sich in den dunklen Augen der Frau widerspiegelte. Ängstlich versuchte sie Freya zu beschwichtigen. „Wir können es ihm erklären. Der Prinz ist gütig und gerecht. Er wird Gnade zeigen, wenn wir zu ihm gehen. Fliehen ist keine Lösung, sondern sicherer Tod.“

„Dann sterbe ich bei dem Versuch.“ Entschlossen umklammerten ihre Finger das Bruchstück aus dem Spiegel. Ein blutiges Flimmern im Sonnenlicht, das helle und rötliche Punkte an die Wände warf, während die Kanten sich zeitgleich in Freyas Handflächen schnitten. Weder würde sie sich erneut einer Gnade beugen noch sich in Fesseln legen lassen. Hilfe. Gnade. Gerechtigkeit. Wie oft hatte sie um Hilfe gefleht. Auch jetzt würde sie keine finden. Nein. Sie war allein. Niemand half ihr aus Selbstlosigkeit oder handelte aus Güte - und niemand würde sie einfach ziehen lassen.

Fordernd sah Freya zu Haya, die lediglich nickte, bleich und zitternd, bevor sie sich von den goldenen Augen losriss. Leise und wachsam deutete sie auf einen Gang. „Sie muss folgen. Es gibt einen geheimen Weg in die Stadt. Ich zeige ihn, aber es ist ein Fehler. Sahib As-Samou, seine Hoheit, wird sie finden.“

Zitternd ging Haya an ihrer Seite. Die Scherbe war nicht nötig, denn Freyas Blick genügte, während sie sich an Schatten vorbei zum Heiligtum schlichen.

„Weg für den Atem des Schöpfers“, erklärte sie, als sie einen der reich verzierten Wandteppiche anhob, nur um ein Fallgitter dahinter zu enthüllen, aus dem ein warmer Hauch hervordrang. Ein Pfad ins Dunkel, verborgen vor neugierigen Blicken, aus dem ein spürbarer Luftstrom hervorkam.

„Kommt schnell.“ Knapp nickte Freya, als der helle Stoff der Tunika ins Dunkel glitt und Haya darin verschwand. Sie musste darauf vertrauen, dass sie die Wahrheit sprach. Es blieb keine Zeit für Zweifel, als die Stimmen im Palast plötzlich laut und aufgeregt wurden. Feste Schritte, die über den Stein hinweg hallten und den Boden vibrieren ließen. Rufe in einer Sprache, die Freya nicht verstand. Doch sie ahnte genau, was sie durch den Palast hallen ließen, als sie eilig Haya in die Dunkelheit folgte.
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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