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Liadan Al Saher
Schmied / Schmiedin
Beiträge: 58
Registriert: So 25. Jul 2021, 20:15

#1676

Beitrag von Liadan Al Saher »

In verworrenen und unzusammenhängenden Bruchstücken hatte sie, seit sie in dem Zimmer Freyas von Naheniel zusammengeschlagen worden war, immer wieder was mitbekommen. Unter flatternden Lidern die Halle der Legion gesehen, die Stimme Verlions gehört, seine Nähe gespürt, die so tröstlich und so echt gewesen war. Allerdings waren es immer nur Sekunden der Wahrnehmung gewesen, bevor sie wieder abgedriftet in einen Dämmerzustand war. 

Eigentlich war sie sich die ganze Zeit auch gar nicht sicher, ob es wirklich passiert war, dass sie wieder hier in ihrem alten zu Hause war. Vielleicht träumte sie alles nur, schließlich träumte man immer das, was man sich am meisten wünschte. Und der Wunsch, in Verlions Armen zu liegen, seinen unverkennbaren Duft in der Nase zu haben und einfach die ganz normale Liadan sein zu dürfen, ohne blöde Krone und purpurnes Kleid, der war riesengroß. Aber Wünsche waren eben Wünsche und so erwachsen war sie, um zu wissen, dass das nicht eintreten würde. Sie hatte versagt, Freya gefunden und wieder verloren und jetzt war das geschehen, was sie lange befürchtet hatte. Nun war Liadan dem Schöpfer ausgeliefert und konnte weder Freya, noch ihre Familie und ehemalige Gilde schützen.

Das war so schrecklich, dass es ihr die Seele zerriss. Wäre sie doch nie aus seiner Welt geflohen, damals, vor vielen Jahren, als sie Verlion begegnete und er einfach von heute auf morgen beschlossen hatte, sie auf der Stelle und ohne eine Duldung von Widerworten und Mahnungen, doch vernünftig zu sein, zu heiraten und mitzunehmen. Hätte sie damals die kluge Entscheidung getroffen und wäre nicht ihren Gefühlen gefolgt, d
ann wären sie nun nicht in Gefahr: Die zwei Männer, die sie auf ganz unterschiedliche Weise von ganzem Herzen liebte. 

Jene zwei Männer, deren Stimmen sie seit ein paar Minuten hören konnte. In ihren Ohren klingelte es laut und ihr Kopf dröhnte, so dass sie nicht wirklich etwas verstehen konnte, der Tonfall, den vor allem Verlion an den Tag legte, war allerdings sehr eindeutig. "Hört auf zu streiten." Wisperte sie, wahrscheinlich viel zu leise, um wirklich gehört zu werden. Aber das war ihr egal. Sie mochte es nicht, wenn man sich stritt und schon gar nicht, wenn es Streit in der Familie gab. Gerade jetzt mussten sie doch alle zusammenhalten! Bemüht versuchte sie, ihre geschwollenen Augen zu öffnen und irgendetwas zu erkennen. Aber sogar das schummerige Licht des Zimmers schlug auf ihren Schädel ein wie der große Hammer des Schmieds, so dass sie schnell ihre Augen wieder schloss. Selbst im Dunkeln drehte sich alles und in Kombination mit dem metallischen Geschmack ihres Bluts im Mund, wurde ihr sofort ziemlich schlecht. 

Um sich aber  zu übergeben, fehlte ihr eindeutig die Kraft. Das erkannte anscheinend auch ihr Körper, weshalb er es bei einigen schmerzhaften Verkrampfungen ihres Magens beließ. Ein Schmerz, auf den sie gut und gern verzichtet hätte, tat ihr schließlich alles andere schon genug weh. Naja, zumindest konnte sie sich so sicher sein, dass sie noch lebte. Ganz anders als…. Sofort fielen Liadan die Leichen ein. Der Spiegelmacher, Haya, die Hakennase. Und das Blut! Das ganze Blut in Freyas Zimmer. Verdammt noch mal, Freya war immer noch dort. In dem Palast oder schon weit weg. Beides war eine absolute Katastrophe. 

Liadan musste zurück, und zwar auf der Stelle und so schnell wie nur möglich das Mädchen finden, damit Naheniel sie zurückbringen konnte und nicht noch Schlimmeres geschah und seine Wut unkontrollierbar wurde. Sie versuchte sich auf dem weichen Bett herumzudrehen und tastete nach der Bettkante, was ihr allerdings nur einen weiteren stechenden Schmerz, der sich von ihrem Arm bis über die Schulter zog. Hatte dieser Bastard ihr etwas gebrochen? Die Prinzessin wusste es nicht, was aber am Ende auch ziemlich gleich war. Hier ging es nicht um sie, sondern einzig darum, das Kind zu retten. 

"Ich muss zurück! Sofort!" Stammelte sie verzweifelt und schob die Decke mit einem Bein ein wenig von sich. Ein winziger Sieg nur, aber zumindest etwas. "Freya ist in Gefahr!" Aber je mehr sie sprach und je mehr sie sich bewegte, desto donnernder wurden die Kopfschmerzen und desto pochender der Schmerz, den sie nun sogar bis zu den Knochen spürte. Fast schon verlor sie wieder das Bewusstsein, zwang sich aber in diesem wachen Zustand zu bleiben. Die Panik, dass Freya nun komplett auf sich allein gestellt war, mit einer Armee des Prinzen im Nacken reichte aus, um sie wachzuhalten. Die eigene Schwäche war nun vollkommen fehl am Platz. Allerdings wurde es immer schwerer, ihre Erinnerungen sortiert und verständlich auszusprechen. "Überall waren Scherben in ihrem Zimmer. Und Blut. So viel Blut! Alle sind tot! Verlion? Adrian? Seid ihr da?" Ihre Unterlippe bebte. "Helft mir doch.. bitte."

In ihren eigenen Ohren klang es flehend und als sich nochmal versuchte, sich aufzurichten, wurde ihr schwummrig. Schwer zu sagen, ob sie nicht schon wieder weggetreten war, als vor ihrem inneren Auge die Dienerin zu sehen war, die voller Angst auf Liadan starrte, während der letzte Hauch ihres Lebens aus ihr wich. "Sie hat alle ermordet… und nur wegen einem Stern und einem Spiegel… Der Spiegel…" Ihre Worte wichen einem erstickten Schluchzen, als sie an das dachte was Haya ihr sagte. "... er hat sie verrückt gemacht…", fügte sie ganz leise das an, was sie schon im Palast erfahren hatte. Aber gleich, wie Freyas Geisteszustand vielleicht nun tatsächlich war, Liadan musste sie finden. Gleich, welchen Preis sie das kostete.  


Freya wurde der Morde beschuldigt und wenn sie ganz tief in sich hinein horchte, wusste sie, dass da irgendetwas dran war. Es war ein Gefühl, dass sie nicht so ganz greifen konnte. Aber es war da und gerade jetzt war es ziemlich laut noch dazu. Umso wichtiger war es, sie da rauszuholen. Auf Mord stand im Reich der Wüste die Todesstrafe, ganz egal, wie alt der Täter war. Angestrengt öffnete sie ihre Augen und durch einen schmalen Schlitz erkannte sie zumindest Umrisse. Wem sie nun genau gehörten, konnte sie aber nicht ausmachen. Es zählte nur, dass man ihr endlich half, ihr zuhörte und so schnell wie möglich handelte.

"Ich muss los. Sofort! Wenn sie sie finden…" Sie brach ab, als sie ihren anderen Arm dafür benutzte, um sich hoch zu hieven, was ihr zwar zitternd, aber wenigstens endlich gelang. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Hand zu einer Faust verkrampft war. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Der Ring, Freyas Ring. Sie öffnete ihre Finger und schaute aus ihren geschwollenen Augen auf ihre Handfläche. "Sie ist jetzt ganz allein." 


 
***  Purpurne Kaiserin *** 
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Mein Herz immer noch nur für den Einen,
Mein Bogen für die Schatten und das Chaos.
Mein Blut für meine wahre Familie.
Mein Leben einzig für Ogrimar! 


 
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Der Fuchs
Bauer / Bäuerin
Beiträge: 30
Registriert: Sa 14. Mai 2022, 21:11

#1677

Beitrag von Der Fuchs »

" 'Schatz,', hab ich erst vor Kurzem zu ihr gesagt, 'ich möchte nicht, dass du dort weiter arbeitest. Ich mache mir Sorgen.' Und das mache ich wirklich, das kannst du mir glauben."
Der Mann griff nach seinem Humpen und trank einen ordentlichen Schluck. "Fast jeden Tag kommt sie spät heim und arbeitet lange. Versteh mich nicht falsch, wir brauchen das Gold. Sie verdient gut, dort wo sie ist. Aber Gold ist doch nicht alles?" Mit einem treuen, wenn auch schon sichtbar von Alkohol geschwängerten Blick, sah er von seinem Bier auf und seinem Gegenüber ins Gesicht. 

Eigentlich war Kadir nicht der Sinn danach gestanden, sich zu unterhalten. Er war nur nach Lichthafen gekommen, um einigen Geschäften nachzugehen. Ein Besuch hier, ein Besuch dort. Sein letzter Weg hatte ihn zu Halam geführt, den er, wie jeden Monat, für Informationen entsprechend entlohnte. Natürlich interessierte sich der Dieb nicht für jede Information, aber Halam und er kannten sich bereits lange genug, so dass der Schankwirt ziemlich genau wusste, was von Relevanz war.

Gerade als Kadir sich zum Abschluss eines erfolgreichen Abends ein Getränk bestellte, hatte sich ein Herr neben ihn gesellt. Sie kannten sich bereits von Jugendtagen und waren einander in späteren Jahren häufiger in den Städten begegnet. Der Mann war ein Handwerker, reparierte an den Häusern, was es zu reparieren galt, und so kam es hin und wieder zu einem Zusammentreffen. Allerdings waren diese immer von loser Natur gewesen, einige nette Worte, ein kurzes Fragen nach der Familie und sie gingen beide wieder ihrer Wege, schließlich waren sie beide genug beschäftigt mit ihren Geschäften.

An diesem Abend aber war der Mann, Johann, redselig. Was wahrscheinlich auch dem ein oder anderen Humpen Bier zu verschulden war, den er bereits intus hatte. Am Tresen stand er und hatte einfach angefangen zu sprechen und seither nicht mehr aufgehört. Zumindest bis sein eigenes Getränk geleert war, so lange würde Kadir ihm Zeit geben, sein Herz auszuschütten. Rein aus Freundlichkeit, denn der Fuchs war eigentlich niemand, der für solche Gespräche geeignet war.


"Sie mag die Arbeit. Sagt sie. Und ich will, dass sie glücklich ist. Heute aber ist sie sauer, weil sie sich extra freigenommen hat. Hochzeitstag haben wir, deshalb war sie schon daheim, als ich nach Hause kam." Johann zog den Rotz in seiner Nase hoch und nahm nochmals einen Schluck, nur um sich gleich darauf beschämt mit seinem Handrücken über die Augen zu reiben.

"Sie hatte sich ihr hübsches Kleid angezogen, das, was ich ihr vor einiger Zeit am Markt gekauft hab. So gut, sah sie aus, meine Mila. Wie damals, als wir uns kennenlernten. Und Blumen hatte sie sich in ihr Haar gesteckt, wie ein junges, verliebtes Mädchen sah sie aus. Dabei ists kalt draußen, wissen die Götter, wie sie es geschafft hat, diese wunderschönen Blumen herzuzaubern. Aber so ist sie nun mal, meine Frau. Aber ich Idiot,", theatralisch schüttelte er seinen Kopf und sah voller Trauer und Selbsthass in sein Bier hinein, um den zusammenfallenden Schaum zu beobachten, "ich habs vergessen. Den Hochzeitstag. Hab sie gefragt, warum sie sich so schön gemacht hat. Und wie ich da so stand, in meinem dreckigen Arbeitsgewand und sie fragend ansah, hat sie sich umgedreht und wütend die Tür zugeworfen."

Wieder und wieder schüttelte er seinen Kopf, als gelänge es ihm auf diese Weise, das Bild seiner wütenden Frau aus seinem Kopf zu verbannen. "Der Tag ist ihr wichtiger als alles andere. Wichtiger als der Geburtstag und so. Das hat sie von ihren Eltern gelernt, für die stand dieser Tag auch über allem. Und ich habs versaut…" Johann schob den halb geleerten Humpen von sich weg und deutete Halam, nochmal draufzuschenken. Kadir hingegen rührte sein Getränk nicht an, sondern hörte nur zu. Von der Institution der Ehe hielt er nicht viel, verstand aber durchaus, wenn sie Bedeutung für andere hatte. 

Plötzlich haute der Handwerker einmal krachend mit seiner Faust auf den Tresen. "Dabei sollte ich doch wütend auf sie sein! Weil sie sich immer wieder in Gefahr begibt, für die Gilde, für die sie arbeitet. Die Legion. Kennst du doch sicher, oder? Natürlich kennst sie." Johann wartete gar nicht erst ab, ob Kadir etwas sagte. Dieser hob nur kurz einer seiner Brauen, was auf seine Stirn einige Falten zeichnete. So klein war sie, diese Welt.

"Erst letztens, da hat sie mir erzählt,", verschwörerisch senkte Johann seine Stimme und sah sich verstohlen um. Er wusste, dass Mila es nicht mochte, wenn er außerhalb der eigenen vier Wände über die Vorkommnisse sprach, die dort in dem Gildenhaus vor sich gingen und von denen sie ihm erzählte. Eigentlich machte er das auch sonst nicht, aber heute machte er eine Ausnahme. Schließlich hatte er gerade seinen Hochzeitstag versaut, "dass das kleine Mädchen der Priesterin, Ogrimar hab sie selig, mal wieder alleine durch das Gebäude gegeistert ist. Bis hinunter in die Kerker und das alles nur in einem dünnen Nachthemdchen."

Er schüttelte sich einmal, während er erzählte, schließlich hatte er selber Kinder, noch dazu ziemlich viele davon und wenn er sich vorstellte, dass auch nur eines davon mitten in der Nacht in unterirdischen Gewölben herumwanderte, wurde ihm ganz anders. Johann mochte heute ein lausiger Ehemann gewesen sein, aber er war ein sehr guter Vater, der seine Kinder vergötterte. "Da unten ist das Mädchen angegriffen worden. Von einer Gefangenen… ", wieder sah er sich aus den Augenwinkeln um und beugte sich dann näher zu Kadir hinüber und flüsterte ihm leise zu, "von einer Weißen."

Nun, das war der Moment, als der Fuchs begann, Interesse an dem Gespräch zu entwickeln. "Wirklich?" 

 "Ja, ja… Zwei aus der Gilde haben die Situation entschärft, die Kleine gerettet, nach Soldaten gerufen und die Gefangene zurück in den Kerker bringen lassen. Mila musste sich dann um das arme Mädchen kümmern. Wer hätt's auch sonst tun sollen? Die Mutter tot, der leibliche Vater tot und der arme Stiefvater in tiefer Trauer. An diesem Abend kam meine Frau also nicht nach Hause. Wie schon so oft. Aber war ich wütend? Nein, natürlich war ich das nicht."

Johann schnappte sich wieder sein Bier, obwohl es noch nicht aufgefüllt worden war und widmete sich wieder seinem kummervollen Leid. 
 "Ist die Gefangene für diese Unverschämtheit gerichtet worden?" Kadir strich sich über seinen Bart und deutete mit seinem Zeigefinger Halam, dem Tropf neben ihm nochmals nachzuschenken.

"Mila hat danach nicht mehr drüber gesprochen. Aber wahrscheinlich sitzt sie noch in den Kerkern. Meine Frau geht dort nicht gern runter, es erinnert sie zu sehr an eines der Mägde, die sich einst gegen die Gilde wendete und einem Gefangenen hinaus half. Aber was, wenn ihr etwas zugestoßen wäre? Wenn diese Verrückte aus dem Keller entkommen und meiner Frau begegnet wäre und sie verletzt hätte?"

Johann zog aus seiner Arbeitshose ein Tuch und schnäuzte sich geräuschvoll. "Du darfst das aber keinem erzählen, hörst? Mila darf über solche Sachen eigentlich nicht sprechen. Grad eine Gefangene aus dem anderen Lager ist schließlich eine heikle Sache." 

 Ein charmantes Lächeln zeichnete sich auf das Gesicht des Fuchses, als er sich von seinem Tresenhocker erhob und von seinem Gürtel einen kleinen Beutel löste. Einige der Goldstücke, die sich darin befanden, schob er hinüber zu Halam und nickte diesem knapp zu. "Der Mann ist heute eingeladen. Wenns mehr wird als das, schreibs auf meine Rechnung." Aus seinem Augenwinkel zwinkerte er frech, drehte sich dann zu Johann und legte ihm den klimpernden Beutel hin. "Hier, für dich. Übermorgen ist Sonntagsmarkt in Silberstreif. Davon kannst du für deine Frau und dich die Schiffsüberfahrt bezahlen und ihr einen schönen Tag bereiten. Die Schneider und Schuhmacher dort haben andere Waren als hier in Lichthafen. Sag ihr, es ist für den nächsten Hochzeitstag, den du dir, wenns nötig ist, auf die Stirn malen lässt, damit nicht nur du es jeden Morgen siehst, sondern dich auch alle anderen täglich dran erinnern werden."

Aufmunternd klopfte Kadir dem Mann zum Abscheid auf die Schulter und wandte sich ohne weitere Worte ab. Das Gespräch war doch kostbarer gewesen, als er es zu Anfang für möglich gehalten hatte. Nachdem die Priesterin tot war, war eine äußerst lukrative Einnahmequelle für ihn versiegt und auch so hatte er in der letzten Zeit keine guten Erfahrungen mehr mit der Legion des Schattens gemacht.

Das Blümchen war ihm immer noch seinen Schlüssel schuldig und eine recht hohe Bezahlung war ebenfalls ausständig. Kadir war ein Geschäftsmann und kein Wohltäter, weshalb er keine Abstriche aus gutem Willen machte, wenn es um seinen Gewinn ging. Und das wussten auch alle, die mit ihm zu tun hatten. Zumindest sollten sie es wissen. 


 Vor der Taverne, die er nun verließ, stand ein junger Bursche. Er war noch nicht lange in der Diebesgilde und musste sich das Vertrauen erst noch erarbeiten. Das begann zumeist mit ganz niederen Diensten, wie das Beobachten der Umgebung, wenn die Diebe unterwegs waren oder das Überbringen von Nachrichten. "Ich bin fertig für heute." Kadir winkte den Jungen, er war gewiss nicht älter als zwölf Jahre, zu sich und beauftragte ihn zunächst damit, die beiden Pferde, mit denen sie aus Sturmkante gekommen waren, aus dem Stall hinter Halams Taverne zu holen.

"Eins musst du heute noch für mich tun. Ein besonderer Auftrag, den ich nicht jedem übergeben würde." Das war richtig, denn führte diese kleine Aufgabe zu einem Verschwinden oder vorzeitigen Ableben des Jungen, war des zu verschmerzen. Das mochte grausam wirken, war aber ein Teil von Kadirs Erfolg, denn es wäre nur eine unnötige Blockade, würde er durchgehend von Skrupel geplagt durch die Welt laufen. "Ein paar Straßen weiter findest du die Kirche Artherks. Geh hinein, aber tu mir den Gefallen, und zeig Anstand.

Ob du an Götter glaubst oder nicht, es gehört sich, in so einem Gebäude Respekt zu zeigen. Frag nach dem Priester. Wenn er nicht da ist, warte dort. Irgendwann wird bestimmt eine Messe gehalten oder die Zeit des Beichtens sein."
Ein Schmunzeln zeichnete die Züge des Fuchses weicher und er lehnte sich dem Jungen etwas entgegen. "Hast du etwas zu beichten, nur zu. Überleg dir allerdings genau, welches Gericht schlimmer ist. Jenes der Götter oder meinst, sollte ich erfahren, dass Wissen über die Diebe an die falschen Ohren gerät."

Kadir richtete sich wieder auf und nahm dem Jungen die Zügel seines Schimmels aus der Hand. "Wenn du den Kirchenmann gefunden hast, richte ihm aus, dass eines seiner Lämmlein abhanden gekommen ist." Er strich dem Tier über den Hals, stieg in einen Steigbügel und hob sich in den nach Leder duftenden Sattel. "Schaffst du es, sein Interesse zu wecken, so wie es sich für einen treusorgenden Hirten gehören sollte, wird deine Entlohnung dementsprechend angemessen sein."

Der Fuchs legte seinen Kopf zur Seite, während er es sich bequem in dem Sattel machte. "Im Nachgang solltest du erwähnen, dass sich erzählt wird, dass die Spenden in Sturmkantes Gotteshaus länger nicht abgeholt wurden und du, an seiner Stelle, das dringend nachholen würdest. Es wäre in diesen prekären Zeiten doch äußerst nachlässig, das wertvolle Gold den Falschen zu überlassen, schließlich kann man nie wissen, ob sie nicht bereits darauf lauern."

Einen derartigen Diebstahl hatte Kadir nicht nötig, noch dazu würde es ihn nicht einmal in irgendeiner Weise fordern, die Kirche auf diese Weise um Gold zu erleichtern. Dafür hatte er ganz andere Wege, und diese Form der Einladung seinerseits an Etoh war einer davon. Leicht zog er daraufhin am linken Zügel und trieb sein Pferd mit einem Schnalzen seiner Zunge an. Sein Handeln richtete sich nicht gegen die Legion oder für die weiße Gemeinde aus. Für ihn galt seit jeher eins: Es war alles nur ein Geschäft. 


 
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-Freya-
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#1678

Beitrag von -Freya- »

Wahrheit, Illusion, Schein oder Realität. Es war als würde alles miteinander verschwimmen, sodass sie nur noch ihren Herzschlag spürte. Schmerzhaft hatte sich ihre Brust verengt, während ihr Atem unruhig über ihre Lippen kam.

Freyas Augen weiteten sich, als sie auf ihre gefesselten Hände sah. Sollte das etwa zu ihrem Schutz sein? Mehrfach versuchte sie ihre Arme auseinanderzureißen, doch das Geflecht schnürte sich dabei in ihre Gelenke, während ihre Haut zu kribbeln begann. Sie wusste, dass sie versuchen musste, zu atmen. Doch in den Wirren ihrer eigenen Gedanken und ihrer Panik gehorchte ihr Körper nicht länger, sondern fiel in eine Form der Starre.

Es war so surreal, wie die Kreatur sie überwältigt hatte und sich nun um sie kümmerte, als wäre das Wesen besorgt. Immer wieder suchte sie dessen Blick. Das Leuchten in den Augen. Wie lange würde das Grün dahinter verborgen bleiben?  

Auch als die Kreatur versuchte, sie zu füttern, sie zu beruhigen und Freya ihren Kopf zur Seite wandte, fand der hölzerne Löffel ihren Mund. Ihre wenigen Bewegungen folgten nur noch einem inneren Protokoll, während sie nach einem Riss in der vermeintlichen Realität suchte. Ihr Blick wurde leer, während er in eine Leere driftete und die Umgebung abtastete und gelenkt, wie eine Puppe sich der Situation fügte.


Auch als das Wesen sie fürsorglich aus ihren feuchten, klammen Kleidern schälte. Sanft nur schimmerte die Magie unter ihrer Haut, die unter dem abgelegten Stoff zum Vorschein kam. Nun jedoch sichtbar, wie sie durch ihre Adern floss, ohne dass sie jedoch Notiz davon nahm. Ihre Gedanken kreisten immer weiter und verloren sich, während die Stimme des kleinen Wesens nur ein leiser weit entfernter Hall war. Ein Klang, der nur wie ein Echo durch das Rauschen ihres eigenen Blutes drang.

Keine Schwäche zeigen – nicht weinen. Sich nicht verletzen – nicht kaputtgehen. Worte, die sorgenvoll klangen und doch kam es ihr so seltsam bekannt vor.

Schützend rollte Freya sich ein, als das Wesen sie zudeckte und einige warme Steine heranholte. Zitternd lag sie unter der schützenden Decke, die als einziges ihre nackte Haut bedeckte, ehe eine wohlige Wärme sich schwer und glatt an sie schmiegte und eine Stimme ihr sagte, sie solle schlafen. Auch wenn sie es nicht durfte. Umso mehr Zeit sie der Frau im Spiegel ließ, um es zu verhindern, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass sie einen Weg nach Hause finden würde. Nach Hause. Körper und Geist kapitulierten endgültig, während Freya diese unwirkliche Szenerie nicht mehr zu fassen bekam.

Der Schmerz der Spiegelscherbe in ihrer Hand verblasste zunehmend unter der kühlenden Paste an ihrer Handfläche, während das Rumoren der Erde zu einem fernen Echo wurde. Langsam schwand der kühle Stein um sie herum und die Höhle löste sich auf wie Sand im Wind, während ohne einen Laut Tränen über ihre Wangen rannen. Ihre Lider wurden zu schwer, als ob die Erschöpfung sie endlich überwältigte.
  
  


 
 
Ein kühler, ätherischer Hauch umarmte sie. Freya spürte wie ihr Körper schwerelos wurde, als ob sie durch die Grenzen der Welt glitt. Sie träumte. Ein Ort, der ihr gehörte und an dem sie frei war. Eine weite Ebene breitete sich vor ihr aus, gehüllt in einen schimmernden, silbrigen Nebel, der über den Boden waberte, um sich mit zarten schwarzen Fäden aus Rauch zu vereinen.

Die Luft war kühl, fast eisig, doch sie brannte nicht. Sie war weich, wie ein Atemzug, der die Haut streichelte. Alles um sie herum war still - kein Donner, kein Kreischen, kein Beben. Da war nur ein leises, melodisches Flüstern, das aus dem Nebel selbst zu kommen schien. Ein Wispern wie ein Lied, das sie kannte, aber nicht greifen konnte.

Vorsichtig machte sie einen Schritt vorwärts und drehte sich um ihre eigene Achse, wobei der Dunst aufwirbelte. Die Ebene war endlos, ohne Horizont, ohne Anfang oder Ende. Eine Weite, die sich in alle Richtungen erstreckte, als ob die Welt selbst aufgegeben hätte, Form zu haben. Sie kannte den Ort, auch wenn alles um sie herum unscheinbar wirkte und von wogenden Schatten bedeckt und umgeben schien.


„Bei Ogrimar“, flüsterte Freya, nur damit die Worte sich in die Luft woben und verblassten. Sie war schon einmal hier gewesen. Nicht nur einmal, doch es war lange her. Wie konnte es sein? Das alles war unendlich weit entfernt und ihr Weg unerreichbar. War es der Gräfin etwa gelungen so tief in ihren Geist einzudringen, um selbst jene Erinnerungen zu finden und sie mit ihren Träumen und Visionen zu brechen?

„Wo bist du?“ Ihre Stimme war leise und gesenkt. Worte, die nur ein ausgesprochener Gedanke waren. Leicht nur verengte Freya ihre Augen, um mehr erkennen zu können, während sie langsam einen Schritt vor den anderen machte. Doch scheinbar war sie allein, obwohl sie eine leise Melodie hörte. Einen Ruf.

Langsam nur senkte Freya ihre Lider und wandte sich erneut herum. Nein, sie war nicht allein, das spürte sie eindeutig. Ihr Blick verlor sich im Nebel, wo Formen zu Schatten wurden und die Welt in flüsterndes Schweigen getaucht war. Als würde sie auf alles, was um sie herum geschah, wie ein stiller Beobachter durch einen Schleier hindurchsehen.

Schemenhaft formten sich Silhouetten im Dunst. Blasse Abbilder von Gestalten, die sie ansahen, ohne Augen, ohne Gesicht, und doch fühlte sie ihren Blick, schwer und forschend, als ob sie in ihre Seele spähten. Sie glitten lautlos umher, bis ihre Umrisse verschwammen, als ob sie aus Rauch geformt wären. „Was hat das zu bedeuten?“
Freya hob ihre Hand, um sie danach auszustrecken. Die Schemen bewegten sich näher, als würden sie ihrem unausgesprochenen Willen folgen wollen oder von ihr angezogen werden. Ihre Formen wurden für einen Moment klarer – ein Umriss, der immer deutliche Gestalt annahm. Nicht im Detail und doch konnte sie die Frau erkennen. Hafrun. Eine andere Silhouette folgte ihr, die wie die sich gewaltige Figur des Bischofs aus den Schwaden löste. Ihr Anblick ließ sie erneut erstarren.

Es war ein Traum. Hier konnten sie ihr nichts anhaben. Oder? Nein, sie nahmen sie nicht wahr, auch wenn sie förmlich auf sie zuschritten, während sie anscheinend alltäglichen Dingen nachgingen.
Langsam drehte Freya sich herum, nur um die Andeutung einer weiteren Gestalt entdecken. Vorsichtig schritt sie auf ihn. Ihre Augen musterten die unwirkliche Gestalt, die durch ihre reine Transzendenz nicht greifbar war.


„Amir ...“ hoben sich ihre Finger ihm entgegen, um ihn zu berühren. Hätte sie es einfacher gehabt, wenn sie sich gefügt hätte? Ihm geholfen hätte? Hatte sie ihm Unrecht getan? Ein schwaches Glühen tanzte über ihre Haut und zeichnete die Stelle, an der sie sich geschnitten hatte. Ein Schimmern, das wie Sternenstaub glänzte, aber sich nicht festhalten ließ. Sie sah in die leeren Augen, die unter dem Streifen ihrer Finger von einem Licht berührt wurden, ehe seine Silhouette sich vor ihr auflöste. Sie spürte ein Bedauern. Vielleicht wäre es ein Weg gewesen. Einer, bei dem Ardyn und Haya noch leben würden und sie die Harpyie auf andere Weise in die Schranken gewiesen hätte.

Kurz nur atmete sie ein. Sie hatte jedoch keine Wahl gehabt.  Nein, sie durfte sich nicht in Zweifeln verlieren. All das war nicht wirklich hier. Oder vielleicht schon, aber nicht greifbar für sie.

Die Ebene begann zu beben, ein sanftes, rhythmisches Pochen, wie ein Herzschlag aus der Tiefe. Eine Erinnerung daran, dass diese Träume stets eine Bedeutung hatten und sie sich nicht in ihnen verlieren durfte. Erst recht nicht, da es ihr vielleicht einmalig die Gelegenheit einer Erkenntnis gewähren konnte.

Freya spürte die Zerstörung, ohne sie zu sehen – ein leises Knirschen unter ihren Füßen, als ob sie auf Asche oder zersplittertem Stein trat. Vielleicht auch ein Schädel. Doch was immer es war, der Boden blieb unsichtbar, verborgen unter dem schimmernden Schleier, der sich immer mehr mit Schlieren aus schwarzem Dunst vermischte. Finsternis.

Weitere Schemen tauchten vor ihr auf. Die dürren Arme des Strandsammlers, der in einem Topf rührte und ein weiterer - unförmig und riesig, aus schwarzem Sand und Korallen geformt, mit Löchern, aus denen Wasser troff. Er kam auf sie zu, doch auch wenn sein Fuß sie streifte, berührte er sie nicht. Stattdessen zerteilte sich die Erscheinung wie ein Dunst, durch den sie hindurchschritt.

Der Rauch stieg dichter auf, trug den Geruch von Schwefel und verbranntem Holz. Die Schemen lösten sich auf, wurden zu wirbelnden Strudeln, um Eins zu werden. Eins mit der Finsternis. Anfang und Ende.  Ihre Augen strichen über den Boden, nur um dem Dunkel zu folgen, bis die Schlieren aus dunklen Rauch in einer Silhouette mündeten, die sich am Horizont offenbarte. Eine Gestalt, die jedoch körperlich war. Sie kniete. Erschöpft und ausgelaugt. Ein Gefühl, das sie selbst kannte und doch verengten sich ihre Augen, als sie stehen blieb und zu ihr sah. Sie nahm einen tiefen Atemzug, nur damit der Duft von Jasmin unmittelbar in ihrer Nase kitzelte. Ihre Lider senkten sich und ein freudloses Lächeln legte sich auf ihre Lippen. War es wirklich wahr?

Freya konnte eine zerreißende Wut in sich spüren. Eine Enttäuschung, die sich tief in ihre Seele schnitt. Doch es war ihr Traum. Oder? Daher hatte sie dir Kontrolle. Die Macht zu entscheiden und ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Oder nicht?


„Du bist es also wirklich…“ Eine distanzierte Ironie legte sich in ihren Tonfall, während sie unbewegt dastand und zu ihm sah. Ihre Stimme war ruhig, doch begann ein Wind aufzuziehen, der an ihren Haaren wehte und auch an dem Mantel zerrte, den der Schatten trug. Eine Finsternis, die sich über den Boden schlängelte und sich in dunklem Rauch um ihre Beine legte und schwebte.

„Warum tust du mir das an?“ Freya spürte eine Wärme in ihrer Brust, ein goldenes Schimmern, das sich durch ihre Adern zog, und für einen Moment fühlte sie sich lebendig, echt, als ob der Traum sie nicht länger täuschen konnte. Nein, sie fühlte seine Nähe und gleichzeitig die unbeschreibliche Wut und Enttäuschung, die allein die Erkenntnis seines wahren Ichs mit sich brachte. 

„Keines deiner Worte über Freundschaft oder Vertrauen war echt oder wahr“, sprach sie, ihre Stimme zitterte, doch sie war klar, wie ein Glockenschlag in der Stille. Er hatte sie nur benutzen wollen und sie manipuliert. Ein Gedanke, der so schmerzhaft war, dass sie nichts als Zorn spürte. Er war nie ihr Freund gewesen.
 
„Sie hatten alle recht ... Schöpfer.“ Ihre Stimme wurde lauter, während sie ihre Arme anhob. Keine Geste des Fluchens, sondern der Griff nach einer Macht, die sie sich selbst nicht erklären konnte.  Der Nebel teilte sich und für einen Moment sah sie auf den Schatten, der sich in einer geschmeidigen Bewegung erhob. „Du bist es nicht wert.“


Ihr Urteil schwebte im Raum, während der Nebel um sie herum wogte, als ob er antwortete. Selbst die Schemen hielten inne. Ihre Bewegungen wurden langsam, fast zögerlich und stockend, bis sie zum Stillstand kamen.

Die Ebene begann zu verblassen und der Nebel zog sich zusammen, als ob er sie verschlingen wollte, während die Gestalt sich in aller Gelassenheit herumwandte, sodass sie sein Profil erkennen konnte.


„Nein“, flüsterte Freya. Ihre Stimme war ein letzter, verletzter Klang, als die Erde unter ihr aufbrach. Eine Erkenntnis, die sie wie ein Schlag traf, obwohl sie es bereits geahnt hatte. Eine Ernüchterung, die ihr den Magen zuschnürte, bevor Schwefelgeruch den Duft von Jasmin verdrängte und sie die Hitze von Feuer und Lava auf ihrer Haut spüren konnte, die aus den Rissen aufstieg.
Sie hatte ihm vertraut und war bereit gewesen für ihn in den Tod zu gehen, nur damit er sie sehen würde, damit sie ihm nahe sein konnte. Eine Bestimmung, der sie gefolgt wäre.


„Du Lügner!“ Rief sie ihm entgegen, bevor ein grelles Licht die Schatten durchschnitt und die Dunkelheit sie zurückzog. Ein einzelner Atemzug, indem die Hitze unerträglich wurde, ehe ein Scheppern die Luft zerriss. Ihre Augen öffneten sich ruckartig. Die Ebene löste sich auf, und die Höhle kehrte zurück, heiß und erdrückend.
 
  


  
  
Als Freya sich zwischen Rauch und flirrendem Dunst umsah, erfüllte das rote Glühen von Lava den Raum. Magma sickerte zischend aus der heißen Quelle, wo der Topf umgekippt auf dem Boden lag und die Brühe in einer schwelenden Glut verdampfte, die die Luft mit beißendem Rauch füllte.

„Verdammt!“ Panisch versuchte sie sich aufzusetzen, während Schweißperlen über ihre Stirn hinweg rannen. Nein, es war kein Traum. Freya keuchte, während ihr Körper zitterte. Sie musste ihre Angst bekämpfen, ansonsten würden sie beide zu Asche werden. Nein, es war kein Moment um an der Realität zu zweifeln. Gerade jetzt herausfinden zu wollen, ob es eine Illusion war oder nicht, konnte sie beide das Leben kosten und damit hätte sie am Ende nichts gewonnen. Ihre Hände waren immer noch gefesselt. Das Geflecht schnitt tief in ihre Gelenke, als sie nach dem Strandsammler sah, der an sie geschmiegt lag, reglos, klein, wie ein Kind, das Schutz suchte.

„Wach auf!“, brüllte sie, ihre Stimme ein verzweifelter Schrei, der in der Höhle widerhallte. „Du musst mich losbinden! Hörst du? Wir müssen hier weg! Sofort“

Ihre Augen, weit vor Schock, suchten seine, doch das Wesen rührte sich nicht. Sie zerrte an den Fesseln, ihr Körper zitterte unkontrollierbar, während die Hitze wuchs, der Rauch ihre Lunge füllte.

„Verdammt! Bitte!“, schrie sie, ihre Stimme brach, als sie den Strandsammler schüttelte und verzweifelt versuchte, ihn zu wecken.

„Wach auf! Wir müssen hier raus!“ Ihre Finger krallten sich in seine schmächtigen Schultern. Die Dunkelheit des Traums haftete an ihr, vermischt mit der glühenden Realität, die sie zu verschlingen drohte. Er war hier. Ganz nah. Sie konnte es spüren. Doch er war nicht gekommen, um sie zu retten. Er jagte sie.

 
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1679

Beitrag von Gesichtsloser Erzaehler »

 
 
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Das kleine Wesen schnarchte einmal laut und öffnete dann blinzelnd seine glühenden Augen, die es sogleich verärgert zusammenkniff, als es Freya sah. "Schlafen!"

Es wollte sich aufrichten, um seinen Gast wieder zurück zu legen, bemerkte allerdings schnell, wie warm es geworden war. Nicht war. Heiß. Viel zu heiß! 

"Vulkan! Was du gemacht?"

Seine Augen wanderten panisch umher, als es erkannte, dass sich über der Kochstelle Lava gesammelt hatte. Eilig packte es einige der Vulkansteine und versuchte, das Loch wieder zu stopfen. Sein Tun führte aber zu keinem Erfolg. Stattdessen quoll immer mehr glühend heiße Flüssigkeit hervor und wenn sie nicht aufpassten, würden sie schon bald keine Zehen mehr haben.

Und ohne Zehen lief es sich nicht gut, aber gerade das mussten sie nun beide. Laufen. Noch dazu sehr, sehr schnell. 


Ohne noch lange nachzudenken griff das Wesen nach den gefesselten Händen des Mädchens und zerrte es hinter sich her. Natürlich war das nun ein wenig unpraktisch, dass Freya nichts anhatte, aber im Moment gab es wesentlich größere Probleme.

Nein, nahm man es genau, eigentlich nur ein Problem.

Sie mussten hier raus, so schnell sie konnten. Ansonsten wären sie beide innerhalb weniger Minuten schwarze Kohlestücke und Kohle war nichts, als was der Strandsammler enden wollte.


"Schneller, schneller, nicht Zeit für Bummelei!"

Schnaufte es schwer und flitzte von einem Teil seines Felsenlabyrinths in den nächsten, immer darauf achtend, das Mädchen bei sich zu halten, auch wenn das gar nicht so einfach war. Schließlich wurde der Boden unter den schuhlosen Füßen mit jedem Schritt heißer und begann noch dazu zu dampfen, so dass die schmalen Spalte, durch die sie sich von Raum zu Raum bewegten, sich schon bald mit beißendem, schwefligen Rauch füllten. 

Der kleine Strandsammler war den Geruch und den Rauch gewohnt, nicht nur, weil alle hier in dieser Umgebung hier geboren worden waren, sondern auch, weil es sich oft genug an den Quellen aufhielt. Obwohl es die direkte Hitze nicht mochte, waren die heißen Quellen schöne, ruhige Orte. Und Ruhe, das mochte der Strandsammler sehr. 

Für ein Wesen, das aus dem Himmel gefallen war, musste dieser Gestank nach Schwefel und das Beißen in den Lungen und im Hals allerdings unerträglich sein. Noch dazu, wenn man zusehen musste, so schnell wie möglich weiter zu kommen und zu laufen.

Immer weiter. Ohne stehen zu bleiben oder zu rasten. 


Hoffentlich wurde das Mädchen nicht ohnmächtig, so viel Kraft besaß das Wesen nämlich nicht, um sie durch die Gegend zu tragen. Huckepack, nun, das ginge vielleicht eine kleine Weile. Aber wie es das Ding aus dem Himmel auf seinen Rücken bekommen sollte, dazu hatte es keine Idee. Deshalb musste es hoffen, dass Freya einfach durchhielt, zumindest so lange, bis das Schlimmste vorbei war. 

Ein lautes Krachen erschütterte den Boden, gefolgt von einem springenden Riss, der in einem Zick-Zack die Erde unter sich spaltete.
"Aufpassen, gleich Welt bricht entzwei. Wir müssen schauen, dass auf richtiger Seite stehen!" Während es sprach erreichten sie das Ende des Labyrinths und standen wieder draußen am Strand, jedoch jetzt weiter weg vom Ufer und von dort, wo zuvor noch das Monster aus dem Meer erschienen war.

Ein Meer, das nun vollkommen vertrocknet war, während der Vulkan, der zwar noch weit von ihnen weg war, aber trotzdem in seiner Größe und der orangen leuchtenden Lava, die bereits an ihm hinab floss, sehr majestätisch wirkte, das Bild dieses Weltenabschnitts prägte. 


Aber, und das war etwas, was für das Wesen völlig neu war, es spie und brannte nicht nur der Vulkan, sondern auch das in der Ferne liegende dunkle Gebirge. Kleine Flämmchen züngelten auf den Felsen, die sich schwarz aus dem Sand und den Kieseln erhoben und immer neue Risse brachen den Boden entzwei, um weiterer Magma, die aus den Tiefen der Welt kam, Platz zu schaffen. 

Der Strandsammler sah sich mit angsterfüllten Augen um und hielt Freyas Hände nun noch fester.

"Alles geht kaputt."

Sprach es traurig, bevor es sich wieder in Gang setzte und von seinem Felsen, in dem es bis eben noch gelebt hatte, davonlief. Es wusste, dass nichts davon übrig bleiben würde und es sich irgendwo ein neues zu Hause suchen musste. Etwas, das sich nicht leicht gestalten würde, wenn es bedachte, wie die Erde gerade auseinander riss. 

Wohin es nun gehen sollte, das wusste es nicht. Die Hauptsache war, erstmal zu laufen und nicht stehen zu bleiben. Aber auf ewig konnten sie das nicht machen, denn im Gegensatz zur fließenden Lava würden sie irgendwann müde werden und ihnen die Kraft ausgehen. Das Mädchen aus dem Himmel war schließlich jetzt schon geschwächt und der Schlaf war nicht besonders lang gewesen.

Außerdem hatte es nicht brav aufgegessen und das, obwohl die Suppe so wichtig gewesen wäre und auch wirklich lecker gewesen war. Darüber aber konnten sie ja später reden, jetzt mussten sie Schutz suchen. Allerdings: Wo einen finden, wenn alles sich von jetzt auf gleich selbst verschlingt? 


Der Strandsammler kannte die Ausbrüche des Vulkans, aber einen Ausbruch der Welt, das hatte das kleine Wesen noch nie erlebt. Es donnerte laut, als nicht nur dem Vulkan eine weitere Fontäne an brennendem Gestein geschleudert wurde, sondern auch ein weiterer Berg einen Teil seines Gipfels verlor.

Auf diesem Landstrich gab es nicht so viel Vielfalt an Natur, nur Felsen in unterschiedlichen Formationen, große und kleine Vulkane und über die Jahrtausende gewachsene Gebirge, die teilweise aus erloschenen Vulkanen und teilweise aus Verschiebungen des Bodens entstanden waren. 

Das Wesen bremste ab und blieb außer Atem stehen. "Wo wir sollen hin? Feuer auf Vulkan, Feuer bei Bergen, Feuer an Strand und bald im ganzen Land. Kein Meer mehr da, um es aufzuhalten."

Mit seinen leuchtenden Augen sah es verständnislos zu Freya auf. "Warum du nichts machen? Du doch Ding aus Wolke."

Als der nächste krachende Donner ertönte und in der Ferne ein weiterer Berg an der Spitze brach, um eine riesige Flut an Magma auszuspucken, zuckte der Strandsammler zusammen und ließ mutlos seine Hand von Freya gleiten.

"Du bist doch Schöpfer! Du kannst retten. Also…" Es streckte seine langen, dünnen Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. "Los! Helfen!"

E
s drehte sich wieder herum und sah flehend und ungeduldig auf seinen Füßen hin- und hertrippelnd zu dem Ding aus Wolken auf, als plötzlich von weit her ein markerschütterndes Kreischen zu hören war. Der Strandsammler schlug sich beide Hände vor seinen Mund und erstarrte nahezu. Ganz vorsichtig sah es an Freya vorbei, in jene Richtung, aus welcher der Ton gekommen war, der lange nicht verklingen wollte.

"Dämon." 
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Landru
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#1680

Beitrag von Landru »

Im Alptraum

Er blieb eine Weile unberührt. Selbst als ihre brüchigen aschigen Finger sein fleischliches Gewand bedreckten. Ein schmales Lächeln huschte über die bleichen Lippen. Durchaus höhnisch, denn sie zerfiel immer mehr. Wie als wäre es der Staub aus dem sie bohren worden war. Sie alle. War es nicht ironisch, dass auch seine Existenz mit Asche enden wird, egal wie er das Ende irgendwann mal findet. Es wird nichts als Staub übrig bleiben. Zu alt war der Körper bereits und zulange dieser Existenz ausgesetzt, als das er noch normal verwesen würde. Nein, es wäre ein Augenblick, ein kurzer Augenblick im Ende, wenn auch er einfach zerfällt in Staub und Asche und nichts wird dann noch übrig sein. So teilten sie diese eine Parallele zumindest im Traum. "Du denkst also ich bin meiner Existenz überdrüssig?" Tatsächlich war er ziemlich viel, aber nicht depressiv. Im Gegenteil, mehr als je zu vor erhält ihn das Tier am Leben. Es war der Garant nicht einfach in die Sonne laufen oder sich in eine Klinge zu stürzen. Ihm war der Selbstmord versagt und es wird immer eine Stimme geben die es zu verhindern weiß. 

Ihr Halt war wacklig durch die Finger die teils zerbrochen waren. So ein Bildnis von Zerbrochenheit und Fragilität war erstaunlich. Ein Spiegel ihrer Selbst? Oder doch sein Werk ihr den Spiegel hinzuhalten. Damit sie fühlt wie sie zerbricht, Stück für Stück. Zerschlagen und zerschunden von all den Dingen die passiert sind und niemand war da um ihr wirklich helfen zu können. Natürlich war er kein Held. Keiner der sie wieder zusammenkleben wird. Niemand der verhindert das sie zerbricht. Sie hatte recht, er war kein Geber des Leben, er war ein Zerstörer und bis jetzt war alles auf seinem Weg das jemals sowas wie Emotion weckte, zerstört worden. Ob bewusst oder unbewusst. Er war nicht in der Lage Leben zu erhalten, aber er verdirbt es, vergiftet es, sieht zu wie es siecht und stirbt. Er war wie der Fluch des Verwelkens. Alles was er anfässt wird zerbrechen. Seis an den Schmerzen seiner Fähigkeiten Fleisch, Knochen und Organisches Material zu formen oder an dem emotionalen Moralischen Konflikt den die gewöhnlichen Personen mit ihm betreten. Sie fallen in die Dunkelheit genau wie jetzt sie beide. Er wehrt sich nicht dagegen.

Nicht mal die Schwingen werden aufgeklappt um den Fall zu bremsen. Die Iriden starren sie einfach an und das weiße Haare flattert im Fallwind. Mancher Staub löst sich und lässt sie erneut ein Teil von sich verlieren. Dunkelheit die sie umgibt und die Schreie derer die gefallen sind. Die meisten waren bedeutungslos. Material weckte kein schlechtes Gewissen, wenn es seine Natur war. Aber ganz so spurlos soll es nicht sein. Es gab einst eine Zeit wo er durchaus Hemmung verspürt hatte. Doch was Tanuri stattdessen sah in den Augen war vielleicht mehr ein Eigentor als eine Strafe für ihn oder sie kramte sehr tief in ihren Erinnerungen. 

Erinnerungen an Feuer und Schreie von Kindern. In ihrem kindlichen Geist leuchten die Schatten einer Kreatur auf dessen Klauen zerfetzen und zerschlagen. Winzige Tropfen ihrer Mitbewohner landen auf der kleinen weichen Wange. Verharre still Kind, dann geht es vorbei. Wie viele Ratschläge hatten die Erwachsenen gegeben um den Monstern zu entkommen, die unter Betten hausen? Geh vorbei. Sagt das kleine Mädchen. Hört das Schmatzen von Knochen in Fleisch und das letzte Stöhnen junger Leben. Geh vorbei, übersieh mich einfach. Schatten die näher kommen und sofort Kälte auf einen werfen. Sie kann den Blick auf sich spüren. Hören das klackende Geräusch einer Kreatur die sicherlich nicht menschlich war. Sie hört die Bewegung der Luft als sich die Hand mit den langen zu scharfen Klingen aus Knochen verformten Fingern hob um zu zuschlagen. Just in dem Moment als etwas durch den Raum flog und das Wesen von dem Kinderbett weg riss. Im Nebel kann man nicht sehen was oder wer es war, aber man hörte das schwere Treten von Stiefeln. Das Surren von Armbrüsten und Schleudern. Das Klingen von Schwertern und das lodern von einer im Kampfgetümmel umgekippten Lampe. Sofort ergriffen Leinen Feuer und es breitete sich aus. Die Kreatur fauchte wütend und floh. Das kleine Mädchen wird ergriffen und zugedeckt. Es soll nicht sehen was im Raum für Schrecken passiert war. Die Dunkelheit der Decke und das sichere Tragen hinaus aus dem brennenden Haus. 

"Erinnerst du dich?" Flüstert er leise im Fall. Die Augen, die Züge, der Schatten. Konnte sie ihre kindliche Erinnerung endlich nach all den Jahren greifen? Verstehen was geschehen war in jener Nacht. "Du erinnerst dich." Oh das tut sie bestimmt.

Sie fand ihre Form zurück. Fand sie die Stärke sich erneut zu erheben. Zu lösen aus der Aufgabe hinein in die Kampfbereitschaft. "Dir war nicht bestimmt zu überleben. Deiner ganzen Blutlinie war es nie bestimmt zu überleben." Er sprach überzeugend. Auch wenn er falsch lag, schien er das aber nicht zu wissen. So war das manchmal mit Fedhen, es traf Unbeteiligte, die nur einen Moment in der ganzen Sache verweilt haben, aber dazu gehören. Und im Laufe der Zeit wurde es ein hartnäckiges Bedürfnis diesem Ziel zu folgen. "Vielleicht tue ich das." Er widersprach nicht. Denn immernoch schien nicht klar ob er wirklich hier war. Wenn er also nur ein Produkt ihrer Angstbewältigung war, dann wird sie kaum Antworten zu seinen Motiven erhalten, aber einen Schlüssel zu ihren eigenen Erinnerungen mit ihm. Die vergangenen und die verdrängten und die eigenen Sehnsüchte die alles befeuern oder ablehnen können. "Ja, ich will beanspruchen." Stimmte er zu und jetzt in der Dunkelheit und ihrem Blick auf seine Hand wo die Ringe ruhen, schüttelte er den Kopf. "Du willst sie zurück. Deinen Mann, deine Kirche? Es sind zwei Teile welche dir wirklich was bedeuten." 

Einen Moment funkeln die Augen tatsächlich garstig auf. Als hätte sie durchaus einen Punkt betroffen, der die Fassade und Kontrolle bröckeln ließ. Sie wusste von seiner Schwester und auch das die Gemeinde oder ein Teil dessen daran schuld war, dass sie wahnsinnig geworden war. Nur ein zerbrochenes Ding ihrer selbst, fern dem Stolz seines Blutes und dem des Clans. Sie hatte es nicht ausgesprochen, sie hatte nichts gesagt oder getan, aber trotzdem hatte dieser Gedanke in dieser Welt Macht. Macht genug um ein Schlüssel zu sein. Erkannte Tanuri langsam wie sie ihn analysierte? Seine Schwächen, seine Stärken? Alles Dinge die sie beobachtet hatte, die sie wusste, aber noch nicht bewusst wahrgenommen hatte vielleicht. Einen Moment schien die Zeit still zu stehen. 

Sie kann sich frei bewegen, aber es schien als wäre der Rest eingefroren. Der Feind ein Standbild, erhaben, mit dem garstigen Blitzen des letzten Gedanken im Auge. Selbst die Haare einfach erstarrt und doch voller Detail. Jedes einzelne Knochenstück, als hätte sie es tief in sich verboren und gespeichert für diesen Moment ihn zu studieren wie ein Insekt. 

Für den Moment hatte sie die Kontrolle über ihren Traum und ihn.



Auf Kadirs Pfad

Dunkel war der Weg und plötzlich scheut das Pferd. Will den Reiter auf seinem Rücken loswerden. "Lass es gehen Fuchs, es kommt später wieder." Raunte eine tiefe Stimme im Dunkeln. Erstmal war es nur eine Stimme. "Es gibt was viel interessanteres als das. Komm, folge dem Pfad." Flüstert es erneut und der einzige Pfad den der Wissensbeschaffer sehen kann ist tiefer in den dunklen Wald. Natürlich konnte er sich dagegen streuben. Dem Pferd hinterher und versuchen es einzufangen. Oder aber war die Neugierde stärker. "Ich zahle gut." Flügte die Stimme an und das war doch ein gar nicht so übles Argument?

 
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Sohn seiner Lordschaft Kain und der Lady Enoia Vykos
"Es widerspricht meiner Moral, mich an eure zu halten!"
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1681

Beitrag von Gesichtsloser Erzaehler »

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Norbert
  
  
Ob die Antwort Stellan tatsächlich gefiel, wusste nur er selbst. Schließlich bedeutete es, die beste Version seiner selbst zu werden, für viele etwas anderes, besonders für die hochwohlgeborenen. 

Sie erlaubten sich keine Schwächen, keine Nuancen, trugen stets ein Pokerface und strebten nach Macht oder Ruhm, der ihnen viel ihres eigentlichen Wesens nahm und sie am Ende oft einsam zurückließ. 

Da war er dankbar, nicht sein Leben für übergeordnete Erwartungen opfern zu müssen – es sei denn, man zählte einen sauberen Stall oder ein volles Glas Wein dazu. Norbert lehnte sich leicht gegen den Kaminsims, die Hände in den Taschen, während das Feuer knisterte und warme Schatten über sein Gesicht tanzten. 

Bereute Stellan Entscheidungen in seinem Leben? Norbert würde lügen, hätte er nicht den Eindruck. Aber es stand ihm nicht zu, danach zu fragen. Fehler machte jeder. Die entscheidende Frage war, ob man sie eingestand und daraus lernte oder weiterhin verbissen seinen Zielen nachjagte, koste es, was es wolle. Norbert hatte beides gesehen. 

Dass die Priesterin eine kühle Distanz zu ihrer Tochter hatte und diese bisher die meiste Zeit in der Obhut von Mila oder einem Kindermädchen verbracht hatte, waren einige Hinweise dafür, was der Preis und das Vermächtnis eines Namens mit sich brachten. Die Bürde von Macht oder Stellung hatte einen Preis. 

In ihren letzten Stunden, so erzählte Mila jedoch, hatte sie Zeit mit dem Kind verbracht. Etwas, das er durchaus glaubte. Erst recht, wenn man in die Augen eines Kindes sah und sich selbst für einen stillen Moment wiedererkannte. Die unbefangenen Wünsche eines Kindes, denen man einst selbst nachjagte. Einfache Bedürfnisse, wie Schutz, Nähe und Geborgenheit. 
Was Norbert jedoch viel mehr beschäftigte, war die Frage nach Stellans Sohn. Es wäre ihm gleich, wäre er nicht mit der Lady zusammen. Ihm waren die Male nicht entgangen, die sie an ihren Handgelenken und an ihrem Hals getragen hatte. Zeichnungen, die nicht einfach durch Unaufmerksamkeit bei einem Ausritt auftraten. Und nun war sie verschwunden. 

 „Es ist nie zu spät, aus Fehlern zu lernen.“ Seine Stimme war ruhig, aber mit einem offenen, ehrlichen Lächeln, das seine Worte unterstrich und möglicherweise zum Nachdenken anregen sollte. 

Wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, hatte Stellans eigener Sohn ihn halbtot auf den Treppen zurückgelassen. Was dachte dieser Sohn über seinen Vater? Was würde die Priesterin über Stellan sagen, wäre sie hier? Norbert schüttelte den Gedanken ab, ein leichtes Neigen des Kopfes begleitete seine Überlegung.

Stellans Worte klangen jedoch weise, besonders seine Gedanken über sein Vermächtnis und was er für Nymeria sein wollte. Jemand, der ihr beibrachte, dass selbst gekneteter Teig das beste Brot ergibt. 

„Eure Enkelin wird viel von Euch lernen können“, bemerkte Norbert, sein aufgeschlossenes Lächeln warm, während er die Hände kurz aus den Taschen nahm, als wolle er seine Worte mit einer einladenden Geste unterstreichen. Stellans Nahtoderfahrung und der Verlust seiner Tochter mochten ein Anstoß sein. Keine beneidenswerten Anlässe, aber vielleicht prägende. Vergangenes ließ sich nicht ungeschehen machen, doch die Gegenwart konnte die Zukunft neu formen. 

 „Ich hab‘ zwei Kinder“, fuhr er fort, ein kurzes Glitzern in den Augen, während er sich leicht vorbeugte. „Henri will eines Tages ein großer Magier werden und die kleine Emma ein legendärer Ritter. Dann könnt‘ ich ihnen Wein einschenken, mich um ihre Pferde kümmern und wär‘ nicht den ganzen Tag fort.“ Seine Stimme war herzlich, ein leichtes Schulterzucken begleitete seine Worte, als wolle er die Träume seiner Kinder liebevoll umarmen. 

Es war schwer zu sagen, was sie in ihm sahen, ohne ihre fantasievollen Geschichten heraufzubeschwören. Er hatte jahrelang einem Erzmagus in einer Zitadelle gedient, bevor er Syndra seine Treue schwor. Woher also die Ambitionen seiner Kinder kam, war ihm durchaus bewusst. Allerdings war es besser, dass sie nicht wirklich alles wussten.

Vielleicht war es daher auch Schicksal, dass Asja das Zimmer betrat, bevor er weiter auf die Frage selbst eingehen konnte. Kaum merklich hob Norbert eine Braue und wandte sich zum Kamin, um ein Scheit nachzulegen.  Schweigend richtete er das aufgelegte Holz, während sie Flammen knisterten und er Asjas Worten lauschte. 

Mila wollte längst gehen. Ihr Hochzeitstag war heute und ihr Mann wartete sicherlich bereits auf sie, nachdem die Vorkommnisse sie unvorhergesehen aufgehalten hatten. In einer ruhigen Bewegung richtete Norbert sich auf und sah zu der rothaarigen Magd. Ein einzelner kurzer Lidschlag, der Zustimmung signalisierte.

„Vermutlich hat sie recht. Außerdem liegt Eure Enkeltochter sicherlich auch schon im Bett.“ Norbert ließ seinen Blick wieder zu Stellan schweifen. 

„Weit würdet Ihr heute sowieso nicht mehr kommen, Milord.“  Erfahrungswerte eines Vaters, die durchaus in den kleinen Fältchen auf seiner Stirn abzulesen waren. Er könnte Stellan so einige Geschichten zu übermüdeten Kindern erzählen. Auch wenn die ein oder andere rückblickend amüsant klang, war es in den meisten Momenten allerdings oft genug auch anstrengend.
„Müde, Hunger, sind wir bald da?“ 

Wenn man ihn fragte, war es klüger, den nächsten Morgen abzuwarten und ausgeschlafen aufzubrechen. Allerdings wenn Stellans Pläne es vorsahen oder er aus anderen Gründen unmittelbar aufbrechen wollte, war es seine Entscheidung. 

„Es sei denn, Ihr wünscht es.“ Fragend sah er zu dem Hüter, was genau seine Absichten waren, denn entsprechend würden sie alles dafür veranlassen, wie es ihre Aufgabe war. 
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Etoh
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#1682

Beitrag von Etoh »

Routinen zu folgen bedeutet einer Ordnung zu folgen. Selbes gilt für Rituale. Ein fester Ablauf, eine Bewegungsfolge. Dies alles schafft Sicherheiten an denen sich, nicht nur der Geist des Einzelnen sondern auch ganze Gemeinschaften orientieren konnten. Ein fester Bewegungsablauf im Sport verhinderte Verletzungen. Beim Tanz kann durch die Ordnung, selbst eine noch so große Gruppe, im Gleichtakt den Schritt halten. Die jährlich wiederkehrenden Feiertage und Festlichkeiten trugen dazu bei dass alle Wesen etwas wiederkehrend Vertrautes fanden an dem sie sich festhalten konnten. Es schaffte Vertrauen, Wärme und Wohlbefinden.
 
Ordnung und Klarheit waren das Gegenteil von Chaos und Unordnung, welche zwangsläufig in Unberechenbarkeit münden würde. Es mag den einen oder anderen geben, welcher der Meinung ist, das seine Stärke eben genau aus dieser Unberechenbarkeit entspringen möge. Wäre er oder sie dadurch nicht so leicht zu durchschauen. Zugleich schwingt dabei immer eine gute Portion Misstrauen mit sich, gefolgt von (Gefühls)kälte und Einsamkeit.
 
Für Etoh begann jeder Morgen gleich, in seinem Haus in Sturmkante. Nach einem Morgengebet gab er seinem Haushälter Samoel die Anweisungen des Tages. Danach wanderte er über die Inseln um jeden der Tempel welche Artherk geweiht waren einen Besuch ab zu statten. Meist nutze er dafür die Portale, welche eigens für eine schnellere Reise zwischen den Tempeln errichtet wurden. Allein nur die Strecke zwischen Sturmkante und Lichthafen legte er jeh nach Wetterlage zu Fuß, auf dem Rücken eines Pferdes oder in einer Kutsche zurück. Im großen und ganzen konnte er bei dieser Routine seine festen Zeiten einhalten. So, dass man in den Tempeln ihn so manches mal die Türe bereits öffnete noch ehe sein Fuß die Schwelle betreten hatte.
Nach den Gesprächen mit den Priestern ging er an den schwarzen Brettern der Städte vorbei um sich selbst über Neuigkeiten zu Informieren. Dabei nahm er gerne das eine oder andere Gespräch mit auf.
Nach der Mittagsmesse zog er selbst hinaus um Wesenheiten, welche von den falschen Göttern berührt wurden von ihren Dasein zu erlösen. So grausam diese Praktik auch anmuten mochte, diente es allein die Ordnung der Gerechtigkeit wieder herzustellen. Zu viele Wesenheiten kannten nichts anderes als niedere Instinkte, fehlgeleitet und dump gehalten von den Göttern, welche sich erhofften dadurch zu erstarken, indem sie ihren Anhängern das freie Denken entzogen. Um so schlimmer stand es um jene die genau wussten welchen Gott sie ihr Dasein verschworen hatten.
Genau genommen würde es ihn, Etoh und auch alle anderen Seraphen, in keinster Weise von allen anderen Unterscheiden. Auch für ihn gab es nur einen Gott welchen er sein Leben verschrieben hatte. Dem er gelobt hatte nur seine Macht alleine zu mehren. Immer mit einem Funken Hoffnung, dass Artherk eines Tages aus den Himmlischen Sphären in das irdische Dasein zurück finden würde.
 
Zur Nachmittagszeit, zwischen der 4 und 5 Stunde nach Hochsonne, zog es Etoh jeden Tag an den Strand südlich von Sturmkante. Auf einer Gruppe von Findlingen nahm er sich jeden Tag eine Stunde Auszeit von all seinen Verpflichtungen. Er lauschte den Wellen, meditierte und kehrte in sich. Anders als er es spät Abends noch einmal in der kleinen Kapelle im Gemeindegarten tat. Er saß nur da, lauschte und wartete. So, wie er es mittlerweile nicht nur einer Person versprochen hatte.
 
Abends zog es den Priester wie manch anderen Gläubigen in die Gemeindehalle zurück. Dort hatte er nicht nur sein Arbeitszimmer, nein, man traf sich dort noch zu einen kleinen Umtrunk. Erzählte von den Geschehnissen des Tages, oder man trat mit Fragen zum Glauben, einer Anfrage zu einer Hochzeit oder Taufe an ihn heran. Die Türen zur Gemeindehalle waren immer für jeden offen.
 
So war die Routine, die Ordnung, das Wiederkehrende das Etoh so schätze.
Doch kamen auch Tage an denen diese Ordnung gestört wurde......
 
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Heiler zum Beruf - Priester aus Berufung
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1683

Beitrag von Gesichtsloser Erzaehler »

Im Tempel Artherks - der noch namenlose Bote


Die Ermahnung Kadirs, sich im Tempel zu benehmen, wäre nicht nötig gewesen. Der Bursche wusste das. Sehr gut sogar. Aber das erzählte er natürlich nicht. Bisher war er bemüht gewesen, seine Vergangenheit außen vor zu lassen.

Das war nicht immer einfach, ihm aber wichtig, denn, auch wenn man es ihm nicht direkt ansah, er stammte aus gutem Haus. Aus sehr gutem Haus sogar. Und gläubig war seine Familie noch dazu. Die Messen in den Tempeln Artherks hatten sie oft besucht, mehrmals die Woche sogar.

Die Feiertage wurden zelebriert, die Worte des Priesters verehrt. Artherk war für seine Familie nicht nur ein Gott, er war Wahrheit und Gesetz. Auch für den Jungen, der nun zögernd seine Hand auf die Pforte legte, die in den Tempel Lichthafens führte, war das lange so gewesen. Beziehungsweise war "gewesen" nicht ganz richtig. Ein Teil von ihm verehrte Artherk immer noch. Oft genug vermisste er die Gebete und die stummen Gespräche mit seinem Gott. Davon sprach er aber nicht, genauso wenig wie über seine Familie. 


Eines Morgens hatte er seine Sachen gepackt, nicht viel davon, denn ein Junge von der Straße, zu dem er werden wollte, sollte nicht viel besitzen. Ohne sich noch einmal umzusehen, hatte er sein Elternhaus verlassen und war seitdem nicht zurückgekehrt. Das war schmerzhaft gewesen, da seine Familie immer gut zu ihm gewesen war.

Er war in eine hervorragende Schule gegangen, besaß, was man besitzen konnte und musste nie hungern. Warum er sich also entschieden hatte, fort zu gehen und ein Leben hinter sich zu lassen, von dem viele nur träumen konnten? Vielleicht wird dies an einer anderen Stelle erzählt. Vielleicht aber auch nicht. 


Erstmal schluckte er nun schwer und senkte demütig seine Lider, als er in den Tempel eintrat. Der vertraute Geruch von Weihrauch schlug ihm entgegen und er sah und hörte, wie der Chor des Kinderheims vorne neben dem Altar probte.

Es hatte für ihn immer etwas besonderes gehabt, diesen Stimmen zu lauschen, die trotz ihres schweren Lebens so rein und ehrlich waren. Ein leises, wehmütiges Seufzen kam über seine Lippen, bevor er ein paar Schritte zwischen den Bänken hindurch ging, um sich dann auf eine davon zu setzen.

Das kühle Holz knackte laut unter dem plötzlichen Gewicht, was die Singenden aber nicht störte, die mit vor Aufregung und Stolz geröteten Wangen und glänzenden Augen zu Bruder Thorkas aufsahen, der einmal die Woche aus Silberstreif anreiste, um die Kinder zu unterrichten und den Chor zu dirigieren. 


Gerade als der Junge sich gesetzt hatte, war zwei Bänke weiter vorne ein älteres Mütterchen auf ihn aufmerksam geworden und sah zu ihm nach hinten. Mit einem strengen und mahnenden Blick starrte es ihn an und deutete mit einem unzufriedenen Kopfschütteln auf seinen Kopf.

Erschrocken griff er sich auf sein Haupt und zog schnell die aus Schafswolle gewebte Mütze herunter. Da war es wieder, das Gefühl, das ihm so bekannt war und weshalb er unter anderem ausgebrochen war. Eilig strich er sich sein blondes Haar zurecht, setzte ein entschuldigendes Lächeln auf und senkte seinen Kopf, als wäre er in ein entschuldigendes Gebet vertieft.

Dabei waren es erstmal nur seine Gedanken und Erinnerungen, die ihn beschäftigten. Es war für ihn lange her, dass er die geweihten Stätten Artherks betreten hatte, auch wenn es weder den Anwärtern der Diebe noch denen, die schon seit Jahren ein Teil der Gilde waren, nicht verboten war, ihren Glauben auszuleben. Zumindest solange dieser sie in der Ausübung ihrer Tätigkeiten nicht behinderte oder zu viel Moral einforderte.

Trotzdem hatte der Bursche sich von den Glaubenshäusern fern gehalten. Zum einen wollte er niemanden aus seiner Familie begegnen und zum anderen konnte er schwer sagen, ob nicht doch früher oder später der Zorn seines Gottes auf ihn treffen würde.

Er war schließlich auf dem Weg ein Dieb zu werden, einer der stahl und zwar nicht, um seinen Hunger und seine Not zu stillen, sondern einzig, um einem Mann zu gehorchen, der das Gesetz nur zu gerne zu seinem eigenen Vorteil auslegte. Aber es war aufregend und es war neu für den Jungen, weshalb er es bis heute noch nicht bereut hatte, bei Kadir vorstellig geworden zu sein. 


Ein jugendlicher Leichtsinn, der ihm womöglich schon bald zum Verhängnis werden würde. Aber das wird die Geschichte noch zeigen. 

Erstmal saß er aber nun hier, etwas verloren, lauschte dem Chor der Kinder und sah sich hin und wieder verstohlen um, ob er irgendwo den Priester sehen konnte. Es war gleich, wie lange es dauern würde, bis der Kirchenmann kam, Kadirs Befehl dahingehend war eindeutig gewesen. Selbst wenn er hier übernachten musste, er würde warten und sich damit vor dem Fuchs beweisen. 

Auf der Bank lagen an der Seite einige Gebetsbücher, von denen er sich eines nahm und darin zu blättern begann. Worte, die er immer gut gekannt hatte und die ihm für diesen Moment in der Kühle des Tempels eine fast vergessene Geborgenheit gaben. 


 
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Verlion
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#1684

Beitrag von Verlion »

Ungläubig schüttelte Verlion den Kopf, wobei er nicht einmal sagen konnte, ob es die Worte seines Bruders waren oder seine verfluchte Ruhe und Beherrschtheit, die ihn zur Weißglut trieben. 
Seine dunklen Haare fielen ihm wirr ins Gesicht, während er einfach nicht fassen konnte, was um ihn herum passierte.  

„Ist das dein verdammter scheiß Ernst, Adrian?“ Seine Stimme war rau und sein Tonfall provokativ. Sicher war das wenig hilfreich, aber es machte ihn einfach rasend, dass Adrian derart fokussiert blieb, während um sie herum die Welt unterging.

Sicherlich verstand er, dass Adrian Freya suchen wollte, erst recht, da er nun die Wahrheit kannte.  Aber darum ging es nicht. Verdammt, Tanuri war von den Toten auferstanden. Er hatte keine Ahnung wie oder was da unten geschehen war, aber Adrian konnte sie doch unmöglich sich selbst überlassen. Weder sie noch Nymeria. Ebenso wenig Liadan, die halbtot geprügelt worden war und der dunkle Lord allein wusste, was für unsichtbare Wunden Naheniel ihr noch zugefügt hatte. Wie konnte Adrian da einfach sagen, er würde nun gehen? Er hätte ihn verdammt noch mal umbringen sollen, als er die Chance dazu gehabt hatte.

„Schau dich um, Adrian! Alles versinkt im Chaos. Tanuri braucht dich, verdammt! Du kannst nicht…“ Mitten in seinen Worten brach er ab, als ein Rascheln von Daunen erklang, gefolgt von Liadans leiser, brüchiger Stimme, die etwas flüsterte. Worte, die er sich nur gedanklich ausmalen konnte. Seine Augen weiteten sich und die Wut erlosch schlagartig. Alles stand still und spürbar schrumpfte seine Welt einzig auf sie.

„Verdammt, Liadan.“ Sein Blick zu Adrian deutete an, dass das Gespräch für ihn noch nicht beendet war – doch seine dunklen Augen wurden weich und erfüllt von aufrichtiger Sorge, als er sah, wie Liadan versuchte, sich aufzustützen. Ihre Bewegungen waren unbeholfen und Verlion konnte sehen, wie jeder Millimeter, den sie sich erkämpfte, an ihren Kräften zehrte und ihr höllische Schmerzen verursachte. Sie sollte nicht auch noch in ihren Streit hineingezogen werden. 

„Du musst dich ausruhen, Prinzessin.“ Sein Ton war streng, doch warm, als er sich zu ihr aufs Bett setzte. Die Matratze sank leicht unter seinem Gewicht, als sich seine Hände sanft auf ihre Schultern legten. Er spürte das Zittern ihrer Arme, die kaum Kraft hatten, während ihr schmerzverzerrtes Gesicht ihm das Herz zerriss. Doch versuchte er es nicht zu zeigen, als er sie behutsam zurück in die Kissen wies. Weder seine Sorge, noch seine Angst um sie. „Keine Widerrede.“
 
Seine Finger streiften ihre Haut mit einer Zärtlichkeit, die seine vorherige Wut Lügen strafte. Egal, was geschehen war, denn weder traf Liadan eine Schuld noch seinen Zorn. Sie hatte schon genug getan und erduldet. Seine Stirn glättete sich, während er ihren Blick in den geschwollenen, halb geöffneten Augen suchte, die vor Schmerz, Verwirrung und Angst glänzten.

„Ganz ruhig.“ Auch wenn ihre Worte – Freya in Gefahr, Blut, ein Spiegel, ein Stern – mehr als besorgniserregend waren, wirr und bruchstückhaft, war es nichts Ganzes und nichts Halbes. Sie war durcheinander und er konnte ausschließen, dass Naheniel sie vielleicht noch immer benutzte, um seine Drohungen zu unterstreichen. 

Mit zitternden Fingern strich Verlion eine Haarsträhne beschwichtigend und sanft aus ihrem Gesicht und schenkte ihr ein Lächeln, das sie aufmuntern sollte. Was auch immer geschehen war, es musste schlimm gewesen sein. Nein, es war einfach Irrsinn. 

Beruhigend wurde seine Stimme leiser, während Verlion mit zwei Fingern über ihre Wange strich. Vorsichtig und beinahe berührungslos, um ihr nah zu sein, ohne ihr gleichzeitig wehzutun.

„Wir sind beide hier. Und wir streiten nicht.“ Er warf einen kurzen Blick zu Adrian. Ein harter Ausdruck, der ihn streifen sollte, während er Liadan jedoch gleichzeitig durch seine Nähe und Berührungen auf sanfte Weise Schutz und Geborgenheit versprach. Er würde nicht zulassen, dass sie ging, geschweige denn, dass sie in die Nähe ihres Schöpfers lassen würde. „Im Gegenteil. Wir sind uns einig, dass du nirgendwohin gehen wirst.“
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Verlion Al Saher - Gemahl der einzigartigen Liadan Aureate
Bruder des Adrian Al Saher

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Adrian
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#1685

Beitrag von Adrian »

Adrian folgte seinem Bruder vorerst nur mit seinem Blick. Wie sehr er selbst sich zurücknahm, verrieten dabei nur die Flammen der Kerzen, die sich im Dunkel seiner Augen widerspiegelten.

Was glaubte Verlion? Dass er in irgendeiner Weise Witze machte? Humor war noch nie eine seiner Stärken gewesen und erst recht nicht in Bezug auf die Familie. Nichts – auch nicht sein kleiner Bruder – würde ihn davon abhalten, Freya zu finden. Wie oft hatte man auf ihn eingeschlagen, dass er etwas tun sollte, nur um ihn dann davon wieder abzubringen. Dieses Mal jedoch würde er nicht diskutieren.

Kühl wanderte das Blau seiner Augen mit Verlion mit und durchkreuzten den Raum, bis sie unter einem Lidschlag auf Liadan trafen. Selbst Verlion musste begreifen, dass es kein nächstes Mal geben durfte. Unter einem Lidschlag griff er in seine Tasche und sah auf den Siegelring, der in seiner Handfläche aufschimmerte. Mehr brauchte es nicht, denn alles Weitere lag in seinen Gemächern bereit, auch wenn er nicht vorhatte, zu scheitern. Doch konnte er es spüren, auch wenn er noch die Kontrolle wahrte. Das Brennen in seinen Adern, das Flüstern in seinem Geist.

Er war am Rande seiner Kräfte und seiner Beherrschung. Einen Punkt, den er selten derart intensiv gespürt hatte. Das unerwartete Rascheln der Bettdecke war in diesem Moment wie eine Fügung. Ogrimars Wille, der unmittelbar intervenierte, bevor er wesentlich deutlicher geworden wäre. Es gab keinen anderen Weg.

In einer beiläufigen Handbewegung strich das schwarze Leder über das Fensterbrett und ließ ohne weitere Worte den Ring dort zurück. Alles, was es zu sagen gab, hatte er gesagt. Verlion würde wissen, was zu tun sei, wenn es darauf ankam. Vielleicht sogar auf eine andere Weise und eventuell sogar bessere Entscheidungen treffen. Es war seine Gelegenheit.

Ein flüchtiges Blinzeln streifte den Gedanken fort und auch er wandte sich der Prinzessin zu, als sie langsam zu Bewusstsein kam und vor sich hinflüsterte. In Liadans Gegenwart würde Verlion nicht weiter diskutieren und möglicherweise konnte sie ihnen verraten, was geschehen war.

Mit langsamen Schritten trat Adrian auf die andere Seite des Bettes, während Verlion sie in jenes zurückbeorderte. Nein, sie würde nirgendwo hingehen. Da hatte sein Bruder ganz gewiss recht. Auch wenn die Liadan sich mit Händen und Füßen dagegen aufbäumen würde. Sie würde zulassen, dass man ihre Wunden versorgte, und dann würden sie weitersehen, wie sie die Prinzessin aus Naheniels Bann reißen konnten. Egal, ob sie es wollte oder nicht. Ihr Schwur vor Ogrimar reichte weiter als die Floskeln, die sie unter Naheniels Einfluss vorbrachte. Sie hatten nichts mit ihrem eigenen Willen gemein. Auch wenn sie es erst einmal abstreiten würde. Aber sie war und blieb ein Teil der Familie. Ein Punkt in dem sie sich vollkommen einig waren.

„Liadan.“ Seine Stimme erhob sich in einem warmen, einnehmenden Klang, der nichts mit der Kälte und Härte gemein hatte, die zuvor unter den Brüdern geherrscht hatte. Eine Diskussion, die für ihn beendet war, da seine Entscheidung feststand. Das musste selbst Verlion einleuchten.

Berührungslos legte sich Adrians Schatten über sie, während er zusah, wie sein Bruder behutsam aber konsequent Liadan zurück in die Kissen wies, um sich zu erholen.

„Verlion hat recht. Du wirst nirgendwohin gehen.“ Seine Mahnung hatte einen warmen Tonfall, doch ebenso ruhte dahinter eine Entschiedenheit, die sie mahnte, keine idiotischen Fragen zu stellen, was sonst die Konsequenz wäre. Es war eine deutliche Erwartung und er hatte keinen Zweifel, dass auch Verlion sich vorerst durchsetzen würde.

Außerdem war es zu ihrem eigenen Besten. Er kannte Naheniel und ihm war sehr bewusst, wie grausam und tief die Dunkelheit greifen konnte, um Lebewesen nicht nur den Tod zu bringen, sondern sie lange und ausgiebig zu foltern. Knapp hob er eine Braue, denn ohne jeden Zweifel hatte Liadan es zu spüren bekommen. Allerdings nicht nur, weil sie gegen Naheniel aufbegehrte, sondern wegen ihm. „Was ist mit Freya? Du musst mir sagen, was passiert ist. Warum war sie nicht bei Naheniel? Was für Scherben?“

Nachdenklich fuhr er sich über die Lippen, als er auf Liadans geöffnete Hand sah und den kleinen schimmernden Reif darin erkennen konnte. Ohne Liadan zu berühren streckte er seine Hand aus und griff mit zwei Fingern nach dem Schmuckstück, um es näher zu betrachten. Es war Freyas Ring. „Woher hast du ihn, Liadan?“

Was immer die Prinzessin erlebt oder gesehen hatte, es machte ihr Angst. Angst, die greifbar war und nicht ihr selbst, sondern Freya galt. Wenn Freya nicht bei Naheniel war, wie war Liadan an ihren Ring gekommen?

Erneut senkte er seine Lider – resignierend und sich gleichzeitig um Beherrschung mahnend, während seine Finger sich um das Schmuckstück schlossen. Was hatte dieser Bastard getan? Die Schatten um seine Finger zuckten kaum merklich, als wollten sie die aufwallende Wut und den Schmerz zurückdrängen. Tief holte er Luft, nur um mit einem weiteren Lidschlag den Blick der Prinzessin zu suchen. Eindringlich legte sich das helle Blau seiner Augen auf Liadan, sodass es die Bedeutung seiner Worte umso deutlicher unterstrich.„Hör zu, Prinzessin. Ich muss wissen, wo Freya ist. Du musst mir sagen, wo ich sie finden kann.“
 
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✟ Oberhaupt der Familie Al Saher ❖ Gemahl der PriesterinTanuri Al Saher
❖ Bruder des Verlion Al Saher ❖
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Der Fuchs
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#1686

Beitrag von Der Fuchs »

Sein Pferd scheute nie. Was auch immer es verschreckt hatte, es musste mehr gewesen sein als ein Reh im Dunkeln. Kadir klopfte sich den Schmutz von der Hose und dem dunkelbraunen Halbmantel und sah sich um. Die Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien, war ihm vollkommen unbekannt. Allein dies weckte seine Neugier, denn eigentlich kannte er viele, auch wenn jene nicht wussten, von ihm gekannt zu werden. Dümmlich wäre es, wenn er nun fragte, wer es war, der da mit ihm sprach. Mit Fragen, die man Fremden gegenüber stellte, sollte man sparsam umgehen, schließlich konnte man nicht wissen, wie lange der oder die Fremde blieb, um zu antworten. Weshalb man das, was man wissen wollte, besser weise auswählte. 

 "Mhm." War stattdessen seine vorerst einzige ausgesprochene Reaktion darauf der Einladung und wahrscheinlich auch seiner Neugier zu folgen. Mit einem bedauernden Blick sah er nochmal seinem Pferd hinterher, das mit galoppierenden Hufen längst verschwunden war. Wohin es lief, konnte er nicht beeinflussen. Mit ein wenig Glück fand es den Weg nach Sturmkante und wartete irgendwo dort auf ihn. Er mochte dieses Pferd, weshalb es schade wäre, wenn es verloren ging.

Für weitere Gedanken verschenkte er nun aber keine kostbare Zeit, sondern wandte sich in jene Richtung, die ihm nur durch die Stimme gewiesen wurde. Furcht verspürte er nicht, genauso wenig wie ein Zögern. Einer seiner Dolche steckte im Stiefel, der andere am Gürtel und auch in seinen Taschen besaß er die ein oder andere Kleinigkeit, mit der er sich verteidigen konnte. 


Allerdings glaubte Kadir nicht, dass er in eine Falle lief. Wer auch immer ihm aufgelauert war, da derjenige seinen Namen wusste, sollte er wissen, dass es nichts brachte, ihn zu töten. Der Fuchs war nur ein Sinnbild, eine Figur, die für die gesamte Diebesgilde stand. Diese gab es schon lange vor ihm und würde auch ohne ihn weiter existieren. Auch eine Entführung wäre dumm, ziemlich dumm sogar, da das, was darauf folgte für die Entführer nicht besonders angenehm verlaufen würde. 

Des Diebes Schritte knirschten auf dem Waldboden, während er seinen Mutmaßungen, wer nach ihm rief, im Stillen  freien Lauf ließ. Denn, so war es zumindest klar, derjenige wusste, mit wem er es zu tun hatte. Während er seinen echten Namen, Kadir, nur selten nannte, war er als Fuchs weit über die Inseln bekannt. Der Mann, oder besser die Stimme, hatte also bereits von ihm gehört. 

Während er ging, war die Nacht dunkler geworden und die Bäume schirmten die wenigen Strahlen des Mondes, die durch die Wolken schimmerten, nahezu vollständig ab. Es wäre ein Armutszeugnis, würde er sich aufgrund der Dunkelheit fürchten, schließlich bewegte er sich am liebsten in dieser, um das zu erlangen, was seine Kunden, oder auch er selbst, verlangten. Bequem schob er seine Hände in seine Manteltaschen und ließ seine Augen zwischen den Baumstämmen und dem Blätterdach unauffällig umherwandern. Von irgendwoher musste die Stimme gekommen sein, bisher gelang es ihm aber nicht, zu dieser einen Körper auszumachen.

"Folge ich einem Ziel, oder soll ich einfach nur gehen, bis der Wald ein Ende findet? Sollte es Letzteres sein: Ich habe meine guten Schuhe an. Für lange Wanderschaften eignen sie sich nicht." Ein verschmitztes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, das bis zu seinen Augen reichte. "Noch dazu habe ich sie geschenkt bekommen, eine Schande, wenn sie schmutzig oder kaputt werden."  Während er sprach blieb er aufmerksam, hielt seine Ohren gespitzt und seinen Blick zwischen die Bäume gerichtet, durch die sich das Dunkel der Nacht lautlos bewegte und nichts zeigte, was nicht gesehen werden sollte. Die Nacht war eben nicht nur die Verbündete eines Diebes. 

 
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Es ist nicht wichtig, wer das Spiel beginnt, sondern wer es beendet.
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Latoria
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#1687

Beitrag von Latoria »

So weit entfernt... 

Verrat. Intrigen. So viel Asche, so viel verbrannte Erde – das war alles, was blieb. Oh ja. Was war es was sie suchten? Den Anfang vom Ende? Die Berührung einer Erlösung? Ein Hauch von Lebendigkeit? War es Vergebung? Oder am Ende Rache? Der Sinn des Lebens, einer Existenz zu verstehen, vermochten vielleicht wirklich nur die Götter.


Ein düsteres Glitzern durchzog ihre Augen, in denen sich die Flammen widerspiegelten. Sie spürte den Schmerz in ihren Adern brennen. Den Drang, der Versuchung nachzugeben, der in ihr rief. Ketten so unsichtbar und unzerstörbar wie ein Schwur.

In weiter Ferne blickte sie auf die Mauern, die in Flammen standen. Ein züngelndes gnadenloses Feuer, das sich nährte. 
Die Vergänglichkeit der Welt offenbarte sich in ihrem vollen Glanz – eine Welt, in der am Ende nichts Bestand hatte. Alles zerfiel irgendwann einmal zu Staub – zu Asche.

Ihre Finger glitten dicht an den Flammen entlang, ohne sie zu berühren, ohne ihren Schmerz zu kosten. Eine Hitze, die auf ihren Handflächen Blasen schlug, während sie die Feuer schürte und den vergänglichen Schreien im Inneren lauschte.  Ein dünnes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie ihren Kopf in den nacken legte und sich mit ausgestreckten Armen um ihre eigene Achse drehte.

Ihre Schreie klangen wie ein Gesang – so ehrlich, durchdringend, und doch seltsam schön. Sie ließen Latorias Schritte federleicht über den Boden gleiten, als würde die Melodie sie tragen. Ein Klang, geboren aus Leid, der sich wie ein Schleier um ihren eigenen Schmerz legte und ihn erträglich machte. Asche, die ihr Haupt streifte und sich wie eine Schuld in weißen Flocken auf das ebenholzfarbene Haar legten.

Für eine Unsterbliche war Schuld kein Moment, sondern ein Echo, das ewig nachhallte. Ein Schmerz, der für immer blieb. Die Ewigkeit folgte anderen Gesetzen. Sie war kein Trost, kein Ende.
Und Vergebung? Ein wunderschönes Versprechen. Doch blieb sie ein ferner Gedanke - wie ein Schatten, der nie ganz greifbar wurde. Ein Wispern in ihrem Blut, das keine Ruhe gab. 





... und auf eine Weise vielleicht doch so nah 

Die Nacht. Eine liebreizende Mischung aus Finsternis und Stille. Doch vielleicht nicht für jeden. Sie flüsterte, sie wisperte, als wäre sie selbst ein atmendes Wesen.

… Nebel stieg zwischen den Bäumen auf – kühle Schwaden, die wie flüssiger Atem über den Waldboden glitten und lautlos durch das Unterholz schwebten. Alles wirkte friedlich, still – und doch: Wer genau hinsah, konnte es spüren.
Das verborgene Leben, das in der Dunkelheit erwachte, das sich leise unter dem Schleier der Nacht regte. Ein Hauch von Wind strich durch die Äste, ließ sie flüstern.
Blätter raschelten, ein einzelner Vogel rief in die Stille hinein.

… und dann – eine Melodie. Zart. Kaum mehr als ein Summen. Ein fernes Echo, getragen vom Wind. Fremd und vertraut zugleich, für jene die ihm lauschten und zuhörten. Wie ein uraltes Flüstern, das  von weit entfernt durch die Nacht wandert und nie ganz vergeht …
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Würdest du für mich sterben? ... Nein, das wäre zu einfach. Würdest du für mich leben?
Du solltest diesen Eid auf keinen Fall unbedacht leisten... ~ Seine Worte an ihrem Ohr - Ja, sie wollte es - für ihn allein ~

Verlangen wird zu Hingabe, Hingabe wird zu Macht... und sie gab sich ihm - dem Wahnsinn- hin
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Etoh
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#1688

Beitrag von Etoh »

Ein Streiter des Lichts hat gelernt,
daß es besser ist, dem Licht zu folgen.

Er hat schon verraten, gelogen, vielleicht auch gestohlen,
ist vom rechten Weg abgekommen,
hat der Finsternis den Hof gemacht.
Und alles ging weiterhin gut, als wäre nichts geschehen.

Dennoch öffnet sich Unvermittelt ein Abgrund.
Man kann tausend sichere Schritte tun,
und mit dem nächsten Schritt ist alles zu Ende.

Dann hält der Streiter rechtzeitig inne, bevor er sich selbst zerstört.

Wenn er diesen Beschluss fasst, dann hört er vier Kommentare:

Du hast falsch Gehandelt.
Du bist zu alt, um dich zu ändern.
Du bist nicht gut.
Du verdienst es nicht.

Er wird zum Himmel sehen, und eine Stimme wird zu ihm sagen:

Mein lieber, jeder hat schon falsch gehandelt.
Dir sei vergeben,
aber ich kann dir nicht gegen deinen Willen vergeben.
Entscheide dich!

Der wahre Streiter des Lichts nimmt die Vergebung Artherks an.
 
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Vertraue fest darauf,
dass Artherk jede Situation zu einem guten Ende führt.
Und wenn es noch nicht gut ist,
ist es auch noch nicht das Ende.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 
 
So war es wenn man die Seiten der Lehren Artherks mit allen Gebeten, Weissagungen und Psalmen aufschlug. Auf irgendeiner Seite blieb man hängen und kam nicht umhin den Absatz zu ende zu lesen.
Was diese Worte die der Junge zu lesen bekam mit ihm machte oder in ihn auszulösen vermochte, sollte sein Geheimnis bleiben. Vielleicht würde er sich auch eines Tages, wenn die Zeit reif dafür wahr an jene zurück erinnern.
Niemand wusste das so genau.
Ein anderer Umstand den das lesen im Gebetsbuch mit sich brachte, war die Zeitlosigkeit welches es mit sich brachte. Vor allem dann wenn man auf Etwas oder Jemanden wartete.
 
Der Kinderchor verstummte und aus einer Nische heraus erhob sich die Gestalt vom Priester, Pater Etoh. Mit Freude auf seinen Zügen trat er neben Bruder Thorkas. Etoh öffnet seine Arme und deutet mit den Handflächen nach oben und vorne gerichtet auf die Kinder, ganz so als würde er alle zugleich umarmen wollen. „Ihr lieben Kinder. Das habt ihr ganz toll gemacht. Lasst uns gemeinsam noch das Lob auf Artherk sprechen. Dann seid ihr für heute fertig.“ Die Kinderaugen strahlen mit Stolz über das Lob den Priester an, um sogleich mit ihm zusammen im Chor ihr Lob auf Artherk zu sprechen.
 
 
 
„Artherk, Vater, sieh uns an
all das Licht das dir gebührt
Artherk, Vater, sieh uns an
aller Schmerz er wird gespürt
Artherk, Vater, sieh uns an
hier nun Preisen wir nur dich
denn kein Dunkel aller Welten
holt uns jeh aus deinem Licht.“
 
Nachdem sich die Kinder und auch Bruder Thorkas von Etoh verabschiedet hatten, glitt Etohs Blick nun ganz offen auf den Jungen der allein auf einer der langen Bänke saß.
Mit ruhigen Schritten wandert er die Reihen entlang, nickte hier und da dem einen und anderen zu. Niemand schien den Priester mit eigenen Belangen aufhalten zu wollen.
 
Ob der Junge ihn bereits bemerkt hatte, oder noch weiterhin im lesen des Gebetsbuches vertieft war, in der Hoffnung Etoh würde ihn womöglich nicht bemerken, wusste der Priester nicht. Das einzige was er sah, war ein Junge der schon seit Monaten von seinen Eltern vermisst wurde.
Gemeinsam mit seinen Eltern hatte auch er um den Jungen gehofft und gebangt. Nun saß er hier. Das Erscheinungsbild des Jungen hatte für den Priester nicht das gewohnte Auftreten. Um so mehr verlangte es ihn danach mit dem Jungen zu sprechen.
 
Neben der Bankreihe blieb Etoh stehen und sprach den Jungen leise an. „Darf ich mich zu dir setzen, Flynt?“
Ohne den Anflug eines Vorwurfs oder Verurteilung über sein plötzliches Verschwinden, die Sorgen und den Schmerz den er seinen Eltern und auch anderen aus der Kirchengemeinde verursacht hatte, ruhte der gütige Blick Etohs auf dem Jungen. Ruhig stand der Priester da. die Hände vor sich ineinander gelegt, wartet er darauf von dem jungen die Erlaubnis zu bekommen sich zu ihm zu setzen. 
 
Es war noch nicht der richtige Zeitpunkt um zu viele persönliche Fragen zu stellen. Der Junge sollte und musste erst einmal wieder ankommen. Vielleicht war es auch nur ein kurzer Besuch? Immerhin war der Junge in einem Alter in dem er in die Pubertät kam. Ein Alter in dem die jungen Leute anfingen sich selbst zu erkennen. Ein Alter in dem sich jeder auf die eine oder andere Weise neu findet, neu orientiert und sich eigene neue Vorbilder suchte.
Mit jeden Kind das sich von der Kirche abwandte, stellte auch Etoh sich selbst die Frage was genau gefehlt hatte, dass einen Menschen zweifeln lies.
 
Vielleicht war aber auch der kurze Besuch des Jungen außerhalb der Zeit zu einer Messe, der Versuch des Jungen auszutesten ob es für ihn überhaupt einen Weg zurück zu Artherk gab.
 
Bevor er Flynt mit Fragen überschütten würde, wollte er dem Jungen die Möglichkeit geben selbst das Wort zu ergreifen.
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Heiler zum Beruf - Priester aus Berufung
"Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die du nicht trägst"
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Liadan Al Saher
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#1689

Beitrag von Liadan Al Saher »

Unbeabsichtigt zuckte Liadan zusammen, als Verlion sie berührte. Auch wenn sein Tun vorsichtig war, es tat in diesem Moment weh. Sehr weh. Nicht nur körperlich, sondern auch in ihrer Seele. Sie wusste, dass sie all das verloren hatte und es keinen Weg geben würde, dorthin zurückzukehren. Wieder diese alte Normalität und Unbeschwertheit haben, lachen können, frei sein. Egal was sie machten, selbst wenn sie Naheniel in Ketten legen würden, sie blieb an ihn gebunden. Verlion und Adrian und auch alle anderen konnten nicht verstehen, welche Kräfte auf sie wirkten. Von jemandem geschaffen zu werden, war etwas völlig anderes, als geboren zu werden.

"
Ich geh mit!" Natürlich war das ein totaler Schwachsinn, das wusste Liadan schon auch. In ihrem Kopf schepperte es bei jeder noch so kleinen Bewegung, ihre Muskeln zitterten und überhaupt konnte sie wahrscheinlich froh sein, gerade noch so etwas erkennen zu können. Aber sie konnte es nicht akzeptieren, dass wegen ihrer Fehler nun andere auch in den Fokus von Naheniel gerieten und sich noch mehr ihrer Liebsten in Gefahr brachten.

"Es ist meine Schuld, dass sie nun allein ist. Ich hatte es versprochen, auf sie aufzupassen, sie zu finden und nach Hause zu bringen." Ihre Stimme blieb weiterhin leise und kraftlos, jetzt vielleicht noch mehr, weil das Bewusstsein darüber, nichts eingehalten hatte, sehr schwer auf ihr lastete. Verzweifelt sah sie zu Verlion und legte ihre Hand auf seinen Arm, als könne sie ihn damit davon überzeugen, dass sie wirklich dringend gehen musste und schon wusste, was sie tat.

"Wenn er weiß, dass ich mich euch darüber spreche... wenn er es herausfindet … dann bringt er euch um." Allein der Gedanke schnürte ihr den Hals zu und es wurde ihr sofort elendig schwummerig. Eilig kniff sie die Augen zu und ließ ihren Kopf wieder in dem weichen Kissen versinken, während ihre Hand immer noch auf Verlions Arm lag. "Es war der Tausch … meine Freiheit für Adrians Leben. Warum sollte ich das nun wieder riskieren?"

Lautlos zählte sie bis zehn und wartete darauf, dass das Schwindelgefühl wieder verschwand, bevor sie ihre Augen zögerlich öffnete und sie zu Adrian hinüber sah. "Denkst du, er merkt es nicht, wenn jemand durch seine Schöpfung spaziert, den er dort nicht haben will?" Ihre Nase krauste sich und sie biss sich auf ihre aufgesprungene Lippe. "Und glaub mir, DICH will er dort bestimmt nicht haben. Er ist wütend, so fürchterlich wütend. Ich konnte es fühlen, als er mich zu euch brachte."

Naheniel war schon in Freyas Zimmer, dort im Palast, kaum noch zu halten gewesen, aber irgendetwas hatte seine Wut noch mehr gesteigert, als er sie in die Gilde brachte, Was es genau war, das wusste sie nicht. Sie war in einem Dämmerschlaf gewesen, der ihre Schmerzen zumindest ein wenig unter Kontrolle hielt, weshalb sie von ihrer Umgebung kaum etwas wahrgenommen hatte. Seinen Zorn allerdings, den hatte sie gespürt. Durch und durch. 

"Was habt ihr nur getan?" Liadan kannte Adrian allerdings gut genug, um zu wissen, dass sie darauf wahrscheinlich wie immer keine zufriedenstellende Antwort bekam und Verlion war viel zu besorgt, als dass er irgendwelche Erklärungen jetzt für notwendig hielt. Sein ganzer Gesichtsausdruck sprach von der Sorge, die er ihr gegenüber verspürte und die für ihn jetzt das Wichtigste zu sein schien. Auch wenn die Prinzessin es als noch so falsch empfand, musste sie sich vorerst fügen, denn dass sie gegen die beiden Brüder in ihrem derzeitigen Zustand nicht ankam und einfach zurücklaufen konnte, stand außer Frage.

"Naheniel hat ihn mir gegeben." Der Ring… sie trug ihn bei sich, seitdem sie ihm darüber Bericht erstattet hatte, wie es um den Tod Tanuris aussah. Eigentlich war dieser eine weitere Erinnerung daran, dass sie die Menschen hintergehen musste, die sie liebte. Auf der anderen Seite aber hatte das kleine Schmuckstück ihr die Hoffnung gegeben, Freya wiederzusehen und ihn ihr persönlich geben zu können. Ihre jetzige Situation zeigte ihr sehr deutlich, dass es an der Zeit war, sich nicht ständig an irgendwelche Hoffnungen zu klammern.

"Nachdem ich hier war, brachte er mich zum Palast des Wüstensprinzen um gemeinsam Freya zu holen." Es war anstrengend zu sprechen und auch die ganzen Ereignisse der letzten Tage, oder waren es vielleicht sogar schon Wochen, richtig in ihrem malträtierten Kopf zu sortieren, weshalb sie beschloss, das ganze drum herum einfach wegzulassen. "Aber ich konnte sie nicht mehr finden. Sie war dort, wirklich! Das müsst ihr mir glauben." Sie bebte, als sie daran dachte, wie Naheniel auf sie losgegangen war, nachdem sie Freya nicht finden konnte. "Vielleicht ist sie immer noch dort und hat sich irgendwo versteckt, aus Angst vor den Konsequenzen… Für das, für das, was sie getan hat."

Ihre Stimme brach, aber sie versuchte, die Fassung zu wahren. "Ich wollte weiter nach ihr suchen, Hinweise über das, was passiert ist, finden" Liadan musste schwer schlucken, als sie an die ganzen Leichen dachte, die anscheinend Freyas Weg pflasterten, "aber er … er ließ mich nicht…" Liadan ballte ihre nun leere Hand zu einer Faust. Es fühlte sich furchtbar an, nicht nur das Mädchen, sondern auch das kleine Schmuckstück nicht mehr festhalten zu können. Ein kleiner Ring, der symbolisch für ihr ganzes Scheitern stand.

"Komm Verlion." Ihre andere Hand ruhte immer noch auf seinem Arm und drückte diesen nun ganz sanft. Als aber die Erschöpfung endgültig stärker wurde als sie, flatterten ihre Lider und ihre letzten Worte, waren nur noch ein fast unverständliches Murmeln, bevor die Müdigkeit und der Schmerz ihrer Wunden und Brüche sie übermannte und sie davon in einen tiefen Schlaf gezogen wurde. "Wir müssen endlich los…" 


 
***  Purpurne Kaiserin *** 
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1690

Beitrag von Gesichtsloser Erzaehler »

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Die Worte in dem Gebetsbuch, sie erschreckten ihn, machten ihm Angst und er fühlte sich ertappt. Aber gleichzeitig waren sie wie ein nach Hause kommen. Wenn man gläubig aufwuchs, in einem Haus, das Artherk und die Kirche stets ehrte, blieb auch nach einem Weggang und nach der Entscheidung für ein anderes Leben immer eine Spur aus der Vergangenheit zurück.

Vielleicht fiel er deshalb in die Worte Etohs und des Kinderchors ganz leise, fast unhörbar ein:

"Artherk, Vater, sieh uns an,
all das Licht, das dir gebührt.
Artherk, Vater, sieh uns an,
aller Schmerz er wird gespürt.
Artherk, Vater, sieh uns an,
hier nun preisen wir nur dich,
denn kein Dunkel aller Welten,
holt uns jeh aus deinem Licht." 


Flynt senkte demütig seinen Blick vor dem Glauben und vor dem Gott, der genau in diesem Moment in seiner ganzen Allmacht hier zu sein schien und seine Augen auf ihn richtete. Es war immer etwas besonderes gewesen, wenn sich viele Stimmen innerhalb des Tempels erhoben und sich das Echo des Gesprochenen, mal dröhnend laut, mal wispernd leise, zwischen den hohen Steinmauern hin und her warf.

So versunken in den Zauber, den eine Kirche auszustrahlen wusste, wenn man sich darauf einließ, bemerkte er nicht, wie der Chor sich auflöste und Etoh seiner Bank näher kam. Nachdem der Priester ihn aber leise angesprochen hatte, zuckte Flynt unmerklich zusammen und hob hastig den Kopf. Seine Augen, mittlerweile wachsam und von den Lehren der Diebe geschäft, weiteten sich und wirkten leicht panisch, was ihn wieder wesentlich jünger und weicher wirken ließ. Dass der Priester ihn erkannte, ja, sogar noch seinen Namen wusste, damit hatte er nicht gerechnet. 


Eilig schloss Flynt das Buch mit einem leisen Klicken der Holzdeckel und hielt es, wie ein kleines Schutzschild, fest an seine Brust gedrückt. Mit einer Mischung als schuldiger Angst, von Unsicherheit geprägter Zweifel und gleichzeitig alter Vertrautheit sah er Etoh an.

Der Junge fühlte sich allein schon durch seine Kleidung, einer einfachen grünen Tunika, die definitiv nicht nach der Handarbeit seiner Mutter aussah, einer ledernen, dunkelbraunen Weste und Hosen, die erste Kampfspuren trugen, ziemlich fehl am Platz in dieser stillen und heiligen Atmosphäre des Lichthafener Tempels. Auch wenn er wusste, dass Gott nicht das Äußere, sondern nur das Innere sah, war es immer eine der Regeln in seinem Elternhaus gewesen, dass man die Gotteshäuser nur angemessen zurechtgemacht betrat.

Er wollte etwas sagen, aber die Worte wollten seine Lippen nicht verlassen und die Güte in Etohs Blick, das Fehlen, jeglichen Vorwurfs, machte es ihm noch schwerer. Seit er aus den Mauern seiner Eltern ausgebrochen war, hatte er niemanden mehr aus seinem alten Leben gesehen und die Kirche, sowie auch Artherk, gemieden. Diese Fülle an Vergangenem traf ihn deshalb nun umso mehr absolut unvorbereitet. Egal, was bisher geschehen war und was er gesehen hatte, seitdem er sich den Dieben anschloss: Er war eben noch ein Junge und die Reife, mit der Vergangenheit und dem Jetzt locker umzugehen, fehlte ihm. 


Schließlich nickte der Junge nur kurz, kaum merklich und ohne Etoh wirklich anzusehen murmelte er dann beinahe unverständlich, während er seinen Blick wieder auf das Gebetsbuch senkte: „...J-Ja. Setzt Euch, Etoh. Es... es tut mir leid, wenn ich gestört habe. Ich bin nur kurz hier.“

Flynt rutschte auf der harten Holzbank etwas zur Seite, um Platz zu machen und unbewusst hielt er dabei das Buch noch fester, als der Priester, der für ihn immer der Inbegriff des Glaubens gewesen war, nun so nah war.

Verunsichert kniff er die Lippen zusammen und starrte auf den Boden zwischen seinen Stiefeln. Flynt wusste, er musste die Nachricht des Fuchses überbringen, aber der Ort und des Priesters Anwesenheit machten es ihm unerklärlich schwer. Die Worte blieben ihm im Hals stecken, und er fühlte sich plötzlich wieder wie der Junge, der er gewesen war, bevor er ausgerissen war, um sich kurz darauf den Dieben anzuschließen.


 
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-Freya-
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#1691

Beitrag von -Freya- »

Ein panischer Ruck riss Freya vorwärts. Anstatt dass der Strandsammler die Fesseln löste, packte das kleine Geschöpf sie an den Händen und zerrte sie mit sich. Die Fesseln schnitten tief in ihre Gelenke, doch der Zwang, ihm zu folgen, trieb sie voran, obwohl jeder Muskel in ihrem Körper vor Erschöpfung schrie.

Grollend und reißend bildeten sich Spalten und Risse in Decke, Wände und Boden. Gestein löste sich in der Dunkelheit und fiel krachend auf den Boden. Ein Rumoren, das immer lauter wurde, während langsam zähflüssiges Magma aufstieg, als würde die Erde bluten.

Sie mussten hier raus, hinaus, bevor die Höhle einstürzen würde oder alles von der glühenden Lava verschluckt wurde.

Mit jedem Schritt wurde der Boden mehr zur Qual. Die Hitze stieg von den Steinen in ihre schuhlosen Fußsohlen. Es war nicht nur warm, es wurde glühend heiß und schon bald dampfte die Erde unter ihr. Ein schwefliger Hauch, der die Luft vergiftete.

Das Wesen zog sie durch enge Spalten im Felslabyrinth, seine kleinen Schritte hastig, atemlos, während Freya stolperte, ihre Brust brannte, als ob ihre Lunge in Flammen stünde. Der Rauch, beißend und schwer war überall. Er kratzte in ihrer Kehle, biss in ihre Augen, bis Tränen über ihre Wangen liefen und sie nur noch blind ihren Instinkten folgte.

Hatte es überhaupt einen Sinn? Sie war nur ein Mädchen. Wenn er der Schöpfer war, was für einen Sinn machte es dann länger zu fliehen? Vor seinem Zorn, woher dieser auch immer kam. Das kleine Geschöpf hatte recht. Alles ging kaputt.
  


    
  

Was ich davon habe? Finde es heraus.“
Seine Stimme verklang, doch das besessene Lächeln auf seinen Lippen war nicht länger nur eine Vision für sie, sondern eine Erinnerung.
„Was ich will?“  
Für einen Moment spürte sie den Schatten förmlich auf ihrer nackten Haut. Ein Flüstern, als stände er hinter ihr.
 
  


   
Freya spürte, wie ihre Beine nachgaben, während ihr Körper bebte. Nicht vor Kälte, sondern Angst. Erschöpft fiel sie auf die Knie. Ohne wirklich zu registrieren, dass sie das Labyrinth verlassen hatten, sah sie wie gebannt auf die brennende Welt. Das Meer war verschwunden, vollkommen vertrocknet, während überall Glut und Feuer. Eine Hitze, die sie auf jedem Millimeter ihrer Haut fühlen konnte.

Asche regnete vom Himmel. Feine Partikel, die sich auf sie und ihren Körper bedeckten, während sie zum Himmel sah. Der kleine Strandsammler drängte sie dazu, etwas zu machen. Sie beide zu retten. Aber wie? Was sollte sie denn tun? Sie war keine Schöpferin.

„Nein, du bist keine Schöpferin.“ Es war ihre eigene Stimme, die sie streifte, verbunden mit einer körperlosen Berührung, sie wie ein Windhauch über ihren Scheitel strich und einzelne Strähnen ihrer Haare auftanzen ließ. „Aber du bist mit ihm verbunden. Erinnere dich. Im Orakel, du hast es gespürt. Seine Macht, die ihn berührte, streifte auch dich.“

Kopfschüttelnd sah sie auf den Boden. Schwarzer Sand in den sich ihre Finger gruben. Nein, sie wollte das alles nicht sein. Sie wollte nur nach Hause. Naheniel war ihr Freund gewesen. Warum tat er ihr das alles an?

„Du bist der Schlüssel. Der Hüter hat es dir gesagt. Eine Bestimmung fragt nicht danach, ob man sie will oder nicht. Du musst es begreifen und akzeptieren.“

Hatte er Angst, dass sie sich gegen ihn stellen würde? Zitternd fischte sie die salzigen Tränen von ihren Lippen, die den Beigeschmack von bitterer Asche hatten. Ihre Hände ruhten auf der Erde. Sie spürte das Raunen, das Pulsieren der heißen Glut unter sich, als ein gellender Schrei das Grollen übertönte. Doch weder drang dieser zu ihr durch, noch die Warnung des Strandsammlers. Sie spürte nur das Zittern in ihrem eigenen Atem, die Panik.

„Erinnere Dich, Freya.“  Leise verblasste die Stimme, während Freya regungslos im Sand kniete. „Du hast es schon einmal getan.“

Erinnern woran? Sie hatte eine ganze Oase zerstört. Ein Dorf aus Menschen, deren Asche nicht mehr als eine Erinnerung in der Wüste war und sich mit dem roten Sand vereinte.


Verzweifelt gruben sich ihre gefesselten Hände tiefer in den heißen Sand. Konnte er es fühlen? Nein. Bestimmt nicht. Doch stellte sie es sich vor, als sie plötzlich etwas spüren konnte. Da war etwas – nicht nur Hitze, Sand und Erdschichten, sondern ein Herzschlag. Ein tiefes, urtümliches Pochen, das durch ihre Handflächen direkt in ihre Knochen fuhr. Freya konnte es fühlen. Das Leben darin. Den Fluss. Ein Rauschen und Pulsieren, so tief und urtümlich, dass es ihr beinahe Angst machte.

„Du bist mit ihm verbunden."

Die Erkenntnis kam nicht als Wort, sondern als Bild - Naheniels Gesicht, seine eisblauen Augen, die sich in ihre eigenen spiegelten. Ein Dunkelheit, die sie nicht jagte, sondern aus ihr selbst herausfloss, und für einen Herzschlag sah sie durch seine Augen – sah, wie er mit bloßer Wut die Welt zerbrach, wie seine Finger Risse in den Himmel trieben und seine Stimme Vulkane zum Schreien brachte.

 

 

„Sieh mir in die Augen und sag mir, wen Du dort siehst.“
 
  



„Nein!“ Flüsterte sie leise, nur um ihre Finger noch tiefer in die Erde zu krallen.  Sie fühlte es in sich selbst. Dieselbe Macht, nur jung, wild, ungezähmt und unbeherrscht, ein Sturm in einem zerbrechlichen Körper. Sie erinnerte sich an das, was sie hätte sein sollen. An die Hände, die sie hätte greifen müssen.

Fokussiert sah Freya ins Leere, während ihre Sinne sich einzig darauf konzentrierten, die Erde zu fühlen und ihre Ängste zu bändigen. Jeder ihrer zitternden Atemzüge wurde bewusster, während winzige, silbrige Risse im schwarzen Sand aufleuchten, wie Adern aus Mondlicht, die sich unter der Oberfläche verzweigten.
 


 
„Zumindest scheinst du verstanden zu haben, dass der Schein einer angeblichen Nähe und Zuneigung, oft mehr als trügerisch ist.
Nur wenn du es schaffst, dich selbst zu beherrschen, erlangst du Kontrolle über die Macht in dir.“


 


Die Erde atmete mit ihr, während die Brüche zu vibrieren begannen. Ein Beben, das ihren Körper ebenso durchfuhr. Ihre zierlichen Arme zitterten, als würde sie die Spalten verschließen wollen.
Je stärker ihr Herz raste, desto heller leuchteten die silbrigen Adern unter ihren Händen. Ein Riss, der rumorte – und schloss sich mit einem krachen.


Doch es war nur einer und sie spürte die Macht, die Wut, den Zorn, der sich durch die Schichten trieb. Ein Wille, der sich gnadenlos gegen ihren stellte. Es waren nur Bilder, die vor ihren Augen aufblitzten. Sein eisiger Blick. Die Welt, die seinem Willen gehorchte. Ihre Hände zitterten so stark, dass die Fesseln bluteten. Die silbrigen Adern unter ihr pulsierten jetzt im Takt ihres Herzschlags – und im Takt eines anderen, dunkleren Herzschlags, der die Erde selbst war. Naheniel.

„Ich schaffe es nicht.“ Ihr Atem ging stoßweise, während ihre gefesselten Hände unter all der Anspannung zitterten. Wieso stellte er sich gegen sie? „Er ist zu stark. Sein Zorn…“
 

„Vielleicht fürchten sie sich davor, dass Du mit Deiner Kraft nicht richtig umgehen kannst? Oder sie haben einfach nur Angst, dass Du sie alle übertreffen wirst?“


Erneut gellte das Kreischen durch die Finsternis. Ganz nah. So nah, dass Freya panisch die Augen aufriss, und ihren Fokus verlor, als sie nach oben sah. Ihr Wille glitt ihr aus den Händen. Sie verlor den Halt, die Kontrolle.  Ein tiefes Grollen unter ihnen ertönte, nur um die Wunden erneut aufzureißen. Doch ihr Blick sah hinauf zum Himmel. Einer Schwärze, die nur noch Rauch war, doch darin zeichnete sich eine Silhouette ab. Dunkel und dämonisch.

„Lauf!“ Es war ein herrisches Flüstern, panisch und voller Angst, als sie zu dem Wesen sah, das zitternd an ihrer Seite stand. Ihre Stimme war kaum hörbar, doch das war egal.

Ein letzter, silberner Faden schoss aus ihrer Hand, schleuderte das kleine Geschöpf fort – weg von der Glut, weg von ihr, ehe die Erde erneut auseinanderbrach: Eine Erschütterung, die sich über den ausgetrockneten Ozean ausbreitete und unter einem berstenden Geräusch ein gewaltiger Spalt sich die Oberfläche teilte.

Glasig vor Tränen, die in ihren Augen brannten, sah Freya in die Dunkelheit hinein. Warum sollte sie weglaufen und wohin? Der Stern war nicht mehr zu sehen und die Welt selbst brannte lichterloh. Es gab kein Entkommen. Er würde sie überall finden oder? Nein, sie hatte vielleicht eine Macht, aber weder beherrschte sie diese noch hatte sie eine wahre Kontrolle darüber. Sie war vielleicht der Schlüssel, aber ebenso war sie einfach nur Freya. Ein Mädchen voller Angst, dem nichts mehr geblieben war und das keine Kraft mehr hatte, weiterzulaufen. Auch wenn sie kurz vor ihrem Ziel war, schien es dennoch ausweglos. Nein, sie konnte sich nicht retten, aber das Geschöpf hatte vielleicht eine Chance. Verzweifelt schimmerten ihre Augen zu dem Strandsammler, als sie ihn fordernder als gewollt anschrie. „Ich sagte – Lauf!“
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Geboren aus dem Wissen einer dunklen Vergangenheit - verblasst mein altes Leben im Schatten einer neuen Zeit.
~ Einfach Freya ~

In den Momenten, in denen nichts mehr bleibt, sieht man die unsichtbaren Fäden, die uns wirklich halten.
Ein Name allein hat dabei keine Bedeutung. Er kann verblassen, wie Tinte auf einem Pergament - wie ein leeres Versprechen.
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Stellan
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#1692

Beitrag von Stellan »

Der holte tief Luft. Als hätte er es geahnt. Aber was war schon Zeit, es war gleich ob heute oder morgen oder Übermorgen. Er hatte es nicht eilig. Nicht im Sinne das es einen Unterschied machte. Bei den Erzählungen des Mannes nickte er langsam. "Vielleicht werden sie das werden, genau so wie sie es sich vorstellen." Er lächelte einen Moment. Kurz. "Sie sollten nie aufhören an etwas zu glauben oder zu träumen." Er hatte irgendwann keine Träume mehr, da es nur noch Berufung gab. Nur noch dieses eine Ziel, diese Verpflichtung. Diese Wichtigkeit und er hat es getan. Jahr für Jahr und die Träume wurden leise. Irgendwann waren sie still. 

"Sieht aus als würde ich vorerst bleiben. Vielleicht habt ihr ein Gästezimmer übrig. Ich würde mich dann auch zurück ziehen. Ich merke wie die Müdigkeit anklopft und der Wein .. nun ja, macht nicht gerade wach." Er schmunzelte und drückte sich an den Lehnen hoch. Nach dem Stock hangelnd. Der Wein war geleert und tatsächlich wirkte er auch nicht gerade sehr ausgeruht. Nur das er dieses Mal nicht halb tot diese Gastfreundschaft in Anspruch nahm. "Wenn jemand da ist der für die Legion sprechen kann oder zumindest für Nymeria und die Mitgabe der Magd, dann lasst es mich wissen ja? Ich werde den Abläufen nicht im Wege stehen und auch euch nicht unnötig von der Arbeit ablenken." Er strich über den Mantel um die Falten auszubügeln, dann schien er darauf zu warten, dass jemand ihm sein Zimmer zuweist, sofern es eines gab das man zuweisen konnte.

Ein interessantes Gespräch mit einem Interessanten Mann. Einfach, schlicht ohne viele Hintergedanken. Jemand der seine liebt und ihre Träume mit stützt. Etwas was er nie getan hatte, er hatte beiden jegliche Aussicht auf Träume versagt. Jedenfalls den Träumen die schön waren. Von Rittern, von Prinzessinnen, von Heldentum und Freundlichkeit. Am Ende war es kein Traum sondern das Schicksal das beide auf den Pfad der Gnadenlosigkeit und Verzicht führte. Zumindest den einfachen Verzicht. Eine andere Welt die der Herrschenden oder Hütenden, der großen Namen und mächtigen Wesenheiten. "Ihr seid ein guter Mann Norbert. Haltet daran fest, an euren Prinzipien und euren Fundament im Herzen. Es kommt der Tag an dem müsst ihr eure Kinder vor Menschen wie mich schützen." Er nickte bedacht. "Sonst zerbrechen sie." 
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Das Chaos wird entbrennen und aus diesem die ewige Dunkelheit geboren.
Und dann, wenn das Heer des Meisters sich erhebt, wird niemand ihm noch widerstehen können.
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Landru
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#1693

Beitrag von Landru »

So war es eben mit dem Dasein. Manchmal glaubt man Dinge schlicht weg unwiderbringlich verloren. Sie mag ihn sehen wie sie will, er war sich keiner Schuld bewusst und wird dies vermutlich nie wirklich sein. Ansichten waren verschieden und sie entschied sich einem falschen Mann zu vertrauen der sie zerstört hat. So sehr, dass sie sich gegen die ihren gewandt hatte. Es gab auf diesen Verrat kaum eine passende Antwort und doch hat er sie nie hinrichten lassen. War es reines Bestrafen, weil der Tod zu gnädig wäre? Oder steckte mehr dahinter, denn so sehr mancher sich das wünscht, so ganz ohne Emotion geht es nicht. Sonst wäre es ihm egal, alles wäre egal. Clan, Familie, Blut, alles wäre einerlei. So viele Wesen die glaubten sich der absoluten Emotionslosigkeit hinzugeben und in Wahrheit tun sie genau das Gegenteil. Sie leben und brennen vor Leidenschaft, Hass und Wut oder auch Liebe. Was auch immer, es waren Emotionen. Keine bedeutete absolute Gleichgültigkeit und genau das war sein Problem. Er war nicht gleichgültig, seine Moral war nur eine andere. Ein Punkt mit dem er immer schon Konflikte ausgelöst hatte. So wie es aussah, glaubte er nicht mehr daran, dass er seine Schwester heilen konnte. Aber um so mehr kann er andere dafür bestrafen, kann die Rache kosten und diejenigen die Schuld an dem Wahnsinn waren - aus seiner Sicht natürlich - jagen. Sie verfolgen.

Kadir bekam lange keine Antwort, fast könnte man meinen die Stimme wäre fort. Doch dann tat sich eine Lichtung auf. "Hier ist es gut." Flüstert es wieder und er sieht in den Baumreihen gegenüber eine dunkle hagere Gestalt. Die Flügel eng an den Leib gelegt. Neben der Kälte des Waldes und huschenden Schatten die Kadir gut kennen vermag, lag jetzt auch noch die Kälte des Wesens in der Luft und der erdige Geruch von Alter, aber nicht modrig oder verwest. Woher kennt er diesen Mann und wann wurde er interessant. Für ihn war alles interessant was sich listig und mit manigfaltigen Möglichkeiten durch das Leben wuselt. Er hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt den Fuchs an sich zu binden, aber das wäre nicht klug. Es würde sein Denken einschränken und seine Möglichkeiten zu handeln benebeln. Nein, er war tatsächlich frei viel wertvoller. "Gute Schuhe sind wichtig." Stimmte er zu, wobei er nicht glaubte das der Dieb sonderlich viel auf Prunk gab. Sicher das Geld und das Materielle lockte, vor allem wenn es jemand anderem gehörte, aber wäre er glücklich, wenn er Reich wäre? Könnte er dann aufhören? Vermutlich nicht. Die meisten Diebe blieben es. Es war der Nervenkitzel, die Verschlagenheit und Aufregung des Lebens und des Erwischt werdens. 

"Ich weiß ihr gehört Elstern an, die glitzernde Dinge in ihr Nest tragen. Es ist egal welcher Fuchs es ist. Für die euren ist einer gleich dem anderen, ein Schatten im Nebel. Ist doch so." Ein kurzes Lächeln zeigte sich auf dem fahlen Gesicht. Es wirkte erstaublich menschlich. Das weiße Haar blitzte unter schwarzem Tuch hervor das sein Gesicht wie eine Kapuze ramte. Ebenso das schwarze Gewand, festgehalten mit einem einfachem Gürtel aus Metall. Er wirkte wie ein Gelehrter, denn für einen Bettler war der Stoff zu sauber und unversehrt. Die rötlichen Augen, der fahle Teint, könnte sicherlich Fragen auslösen, aber machte es für den Fuchs einen Unterschied wer oder was vor ihm stand. Von der Statur her wirkte Kadirs nächtliche Begegnung nicht gerade kräftig. "Füchse sind begehrt, wenn sie einem Beute bringen. Vor allem wenn sich der Bau weit erstreckt. Viel Gemurmel in den Gassen, von den Huren bis zu den Herrn der adligen Häuser." Er legte den Kopf leicht seitlich und beäugte den Mann vor ihm. "In einer Welt voller zwei seitiger Münzen und Verrat, ist der Getreue Informant bester Freund." Er nickte langsam und die hand schnippte eine Münze in Kadirs Richtung. Sie war schwer. Keine der gewöhnlichen Münzen, sondern eine ältere Münze mit einer alten Prägung. Ein Kenner erkennt es, dass sie bereits Jahrhunderte alt sein müsste. Sämtliche Präger hatten ihre Siegel und dieses war sehr alt.
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Sohn seiner Lordschaft Kain und der Lady Enoia Vykos
"Es widerspricht meiner Moral, mich an eure zu halten!"
Asja
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#1694

Beitrag von Asja »

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Asja hörte den beiden Männern zu, wollte sie in ihrem Gespräch und ihrem Austausch nicht stören. Über Familie, genauer Kinder, wusste sie nichts. Ob sie jemals welche haben würde, wusste nur der dunkle Vater, allerdings würde es ihm nicht übel nehmen, wenn es nicht geschah. 

Sie versuchte aufmerksam zu bleiben, doch schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Zu den Worten, zu dem Gesehenen. An Stellan haftete der Tod, das war für sie nichts Neues. In einer Welt wie dieser wurde nicht selten getötet oder gemordet. Ob für den Glauben, für die Gier oder einfach zum Spaß.
Es gehörte dazu, genauso wie das Aufwachen und das zu Bett gehen. Trotzdem wollten die Bilder in ihrem Kopf nicht verblassen, womöglich auch deshalb, weil sie auf eine Weise gesehen und gespürt hatte, wie es bisher noch nie der Fall gewesen war. Sie wollte, nein, sie musste mehr darüber erfahren. Auch darüber, was er über sie gesagt hatte. 


Denn, wenn die Worte Stellans tatsächlich an sie gerichtet gewesen waren, dann wusste er mehr. Aber woher? Sie holte tief Luft, als er sich von seinem Sessel erhob und sie bemerkte, dass sie ihn über eine ganze Weile stumm angestarrt hatte.

"Wenn Ihr gestattet, zeige ich Euch eines der Zimmer. Die Gilde hat nicht mehr häufig Gäste, weshalb die Räume eher einfach gehalten sind." Verunsichert senkte sie ihren Blick und schob ihre Hände unter ihre Schürze. "Aber ich werde mich darum kümmern, dass Ihr es so angenehm wie möglich habt. Ich bin mir sicher, dass es Eurem Schwiegersohn, der nun die Gilde führt, wichtig ist, Euch genügend Komfort zu bieten."

Sie merkte, wie der leichte Anflug einer Röte sich erneut auf ihre Wangen schlich und eilig drehte sie sich nochmal zu dem Brett mit Speisen, um dieses mit sich zu nehmen. Asja wusste genau, dass sie zu viel sprach, wesentlich mehr, als sie es sonst tat. Aber irgendwie musste sie ihre Nervosität übertünchen. Bisher war sie während ihres Dienstes mehr für sich allein als wie mit anderen gewesen und das war ihr auch ganz recht so.

Weder mochte sie Aufmerksamkeit noch wenn Blicke auf sie gerichtet waren. Je mehr sie in einer Masse unterging und nicht gesehen wurde, desto rechter war es ihr. Aber hier und jetzt konnte sie dem nicht entgehen. Nun, natürlich, sie könnte einfach hinausgehen und nach einer anderen Magd rufen, die Stellan half und ihm ein Zimmer vorbereitete. Aber aus welchen Gründen sollte sie eine andere der Frauen fragen? Das wäre seltsam, wenn nicht sogar unter dem Gesinde äußerst unpassend und würde nur unangenehme Nachfragen aufwerfen.

Außerdem… etwas in ihr sperrte sich vehement dagegen, denn sie war vielleicht einmalig, diese Chance auf… ja, auf was genau eigentlich? 


Ihre Hände klammerten sich an das Brett, als sie es nach oben hob. Stumm wies sie sich zurecht und hoffte darauf, dass ihr Zwiespalt nicht auffiel. So unbedingt wollte sie mehr wissen und verstehen, woher dieses plötzliche intensive Fühlen der Vergangenheit eines anderen herrührte. Auf der anderen Seite konnte genau das ihren Rauswurf, wenn nicht sogar einen Platz auf dem Scheiterhaufen bedeuten. Sich zusammen reißend richtete sie  sich an Norbert und schenkte ihm ein zögerliches Lächeln.

"Ich bringe Lord var Aesir hinauf in das freie Zimmer, das unter dem Dach gelegen ist. Es gehörte einst einem Mitglied der Legion." Die Frau, die es einst bewohnte, kehrte von einer Reise nicht mehr zurück und nach Jahren waren die Sachen aus dem Zimmer geholt worden, so dass es wieder genutzt werden konnte. Es hatte eine besonders schöne Aussicht, hinaus auf die Weiden der Pferde und den Waldrand. War man früh genug wach, konnte man Rehe und Hirsche beobachten, die friedlich weideten.

"Sollte Herr Al Saher unerwartet von der Aufbahrungsstätte der Priesterin vor dem Morgen zurückkehren, kann er den Vater Tanuris dort finden. So kann hoffentlich schnell für Nymerias weitere Zukunft gesorgt werden." Von Stellans Worten bezüglich der Magd, fühlte sie sich nicht angesprochen. Sie kannte den vorherigen Inhalt des Gesprächs nicht, weshalb sie überhaupt nicht daran dachte, gemeint zu sein. 


Mit dem Versuch, Selbstsicherheit auszustrahlen, die sie gerade eigentlich gar nicht besaß, nickte sie dem Vater der Priesterin zu. "Wenn Ihr mir folgen wollt?" Asja trat zur Tür und öffnete diese mithilfe ihres Ellenbogens und Rückens, da sie das Tablett in ihren Händen hielt. Dieser eine stille Augenblick, in dem sie darauf wartete, dass Stellan ihr folgen würde hörte sie die Stimme in ihrem Kopf. Diesmal war es aber ihre eigene: Finde dich gleich damit ab, dass du nur Gespenster siehst. Das, was du gehört hast, war nur eine Einbildung… ein Echo, aus seiner Vergangenheit.
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Gesichtsloser Erzaehler
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#1695

Beitrag von Gesichtsloser Erzaehler »

Die Heilung des gebrochenen Bodens war nur von kurzer Dauer gewesen. Als würde die Spaltung dem Kreischen folgen, zogen weitere feine Risse über den Strand, bis weit hinein in das Landesinnere. Die feinen, schwarzen Kieselsteine fielen rieselnd in den Abgrund hinab, was umso mehr zeigte, wie wenig übrig bleiben würde, wenn das Verschlingen sich immer weiter und weiter fortsetzte. Der Schöpfer war wütend und ließ es alle spüren, seine Kreaturen, seine Welt und seine Besucherin. Die Zerstörung, die er durch seine Macht heraufbeschwor, hatte gerade erst begonnen. 
 



Nahezu schwebend bewegten die Dämonen sich in der Ferne vorwärts, beugten sich nach vorn, streckten in fließenden Bewegungen ihre Arme zu den Seiten aus, als könnten sie mit ihren grotesk langen Fingern nach etwas greifen, was jedoch für das sehende Auge unsichtbar blieb.

Dabei sprachen sie etwas, das tief aus ihrer Kehle kam und in der Sprache völlig fremd war. Jene, mit dem weißen Gewand, hatte Glöckchen an ihre Beine gebunden, die mit jedem ihrer Schritte einen Ton abgaben, der lockend, zugleich aber alarmierend für alle war, die es hören konnten. 


 



"Nicht laufen! Verstecken!" Der Strandsammler sah sich panisch um, drehte sich um sich selbst pustete die Luft aus und schnell wieder ein und schüttelte seinen Kopf. "Du noch üben müssen Schöpfer zu sein!"

Weiterhin war das kleine Wesen überzeugt davon, dass Freya tatsächlich diese Welt geschaffen hatte. Eine andere Erklärung für ihr auftauchen gab es nicht. Für gut möglich hielt es allerdings, dass Freya erst geboren worden war und das alles lernen musste. Bestimmt gab es bei den Schöpfern auch Familien und vielleicht war Freyas Nest eine Wolke und sie war dort herunter gepurzelt. Wie bei den Vögeln. Und wenn die nicht zuerst ordentlich fliegen gelernt hatten, waren sie verloren.

Ganz so verloren wirkte das fremde Mädchen allerdings nicht auf den Strandsammler, sie konnte immerhin laufen, sprechen und richtig hell leuchten. Aber alles schien sie noch nicht zu können. Das war aber auch egal, solange sie ein bisschen Schöpfer sein konnte, genügte das dem kleinen Wesen. Allerdings würde es ihm nichts mehr bringen, wenn sie beide von den Dämonen gefangen und getötet wurden.

Dämonen waren gefährlich. Sehr gefährlich. Und unberechenbar. Wenn sie auftauchten, hieß das nie etwas Gutes. Woher sie aber genau kamen, das wusste das Wesen nicht, dafür sah man sie hier viel zu selten. Jetzt waren sie aber da und das bedeutete, dass sie etwas suchten. Mit großen Augen blickte der Sammler wieder zu Freya und verstand es dann endlich.
"Sie suchen nach dir." Flüsterte es leise und überlegte fieberhaft, wie es nun weitermachen sollte.

Eigentlich konnte es das Kind jetzt hier stehen lassen und eilig davonrennen. Wenn Freya aber diese schöpferische Macht hatte, würde sie sich womöglich irgendwann rächen. Das war aber auch eine verzwickte Lage! Egal, welche Optionen es bedachte, irgendwie endete alles damit, dass es am Ende tot war. Und es wollte wirklich nicht tot sein, überhaupt nicht wollte es das!


"Schnell!" Es legte seine kleine, kühle Hand auf das gefesselte Handgelenk Freyas, löste den Knoten, den es zuvor noch so säuberlich gebunden hatte, packte ihren Unterarm und rannte wieder los. 


 



Aus der Ferne hörte man den nächsten Schrei, der sich weiter und weiter ausbreitete. Es war kein wütendes Kreischen, sondern ein Ruf, der bis in die verborgensten Winkel, die es hier auf diesem Landstrich gab, reichte. Die Glöckchen der weißen Gestalt verstummten für einen Moment, als sie ihren Kopf langsam hob und direkt in die Richtung blickte, in die Freya und der Sammler liefen.

Kalt und ohne Erbarmen war der Blick, der unter der Tiermaske aufflammte, bevor der Dämon zu seinen Begleitern sah. Die tiefen Töne, die sie von sich gaben, erstarben und sie wandten ihre Schädelmasken ebenfalls in die Richtung des Kindes und des Wesens. Sie hielten ein, warteten. Worauf? Vielleicht auf ein Zeichen. Vielleicht auf einen Befehl. 


 



Der Strandsammler rannte und rannte, so schnell ihn seine dünnen Beinchen eben trugen. Er hatte keine Zeit, sich nochmal umzusehen und zu bemerken, dass die Dämonen sie erspäht hatten. Was brächte es außerdem, wenn er es wüsste? Es würde nur noch viel mehr Angst machen. Und davon hatte er schon genug.

"Wir uns verstecken in Stinkewasser." Das Wesen streckte seinen Arm aus und deutete auf eine der dampfenden Quellen,  die inmitten des schwarzen Gesteins war. Hier und da waren kleine Rinnsale Lava zu sehen, diesen konnten se aber ohne Schwierigkeiten ausweichen.

Erst als der Boden erneut bebte, und gleich darauf von dem Dröhnen eines fernen Befehls begleitet wurde und der Sammler zu stolpern begann, sah er über seine schmalen Schultern. Die Gestalten waren plötzlich näher gekommen. Viel zu nah. 


 



Die Luft über dem vulkanischen Strand flimmerte nicht nur von der Hitze des pechschwarzen Sandes, der sich durch die ausbrechende Erde immer mehr erhitzte, sondern auch von der verzerrten Aura der fünf Dämonen. Ihre Bewegungen waren keine normalen Schritte, sondern ein gleitendes Kriechen, während das Glühen unter den unterschiedlichen Masken stärker wurde, je näher sie ihrer Beute kamen.

Dampf stieg von ihren Füßen auf, wo sie den heißen Sand berührten, ein zischendes und gleichzeitig erschreckendes Geräusch, das im Einklang mit den nun wieder erklingenden, dunklen Tönen stand, die aus den Kehlen der Fünf drangen.


 



Ohne noch länger darüber nachzudenken, schubste das Wesen Freya in das dampfende Wasser, das ihren nackten Körper schützend warm umgab. "Wasser riecht nach viel Schwefel. Genau wie Dämonen. Sie uns dann nicht riechen können." Zumindest war es das, was das Wesen von den Dämonen wusste. Ob es aber auch stimmte? Das galt es nun herauszufinden.

"Nase zu!" Es hielt sich die Nase zu und deutete Freya, das Gleiche zu tun. Dann holte es tief Luft und tauchte in dem warmen Wasser unter, legte seine andere Hand auf die Schulter des Kindes und drückte sie mit hinab. 

Kleine feine Luftbläschen lösten sich und schwebten an die Wasseroberfläche, um dort geräuschlos zu zerplatzen. Jetzt musste es darauf hoffen, dass irgendwie alles gut ging und die Luft lange genug anhielt. Gerade als es sich nach Freya umsehen wollte, um zu prüfen, ob diese auch nicht erstickte, zeichnete sich der Schatten von einer der Gestalten direkt über ihnen ab. 


 



Der Blick der Kreatur, der durch die leeren Öffnungen der Tiermaske dunkel leuchtete, war nicht mehr auf die Ferne gerichtet, sondern fixierte die leicht kräuselnde Wasseroberfläche. Rauch und Dampf stiegen von dem Schwefelwasser auf, waberten um seine Füße und verschleierten den in rot gewandeten Dämon.

Seinen Kopf hielt er dabei leicht zur Seite geneigt, suchend und nahezu auf irgendein verräterisches Zeichen wartend. Doch Geduld besaß er nicht und so tunkte er einen seiner knochigen Finger in das dampfende Wasser, allerdings ohne dabei Wellen zu schlagen. 


 



Panisch riss das Strandwesen seine Augen auf, als es sah, dass die Finger, die die Oberfläche durchbrachen und durch das Wasser glitten dem Gesicht Freyas gefährlich nahe kamen. 

 
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Nymeria
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#1696

Beitrag von Nymeria »

Es war dunkel. So düster, dass Nymeria nur schemenhaft die Umrisse ihrer Mutter wahrnehmen konnte. Die schweren Vorhänge waren zugezogen und kein Mondstrahl fand einen Spalt hinein. Nur das schwache Glimmen der erloschenen Glut im Kamin warf rötliche Streifen über die Decke und ließ die Schatten an den Wänden tanzen. Leicht verengte sie ihre Augen, als könne sie dann besser sehen. Aber das war nur ein Trugschluss. Trotzdem - sie war da – Mutter. Aber sie wurde nicht wach oder reagierte. Allerdings schlug ihr Herz. Ein unruhiges Pochen, das sie in ihrer Brust schlagen hörte, wenn sie sich an sie kuschelte. 

Hatte sie Angst oder ging es ihr schlecht? Dass sie nicht reagierte, war irgendwie … gruselig. Nymeria hörte ihren aufgeregten Atem. Schnell und flach. Es fühlte sich nicht richtig an. 

Vielleicht sollte sie aufstehen und Adrian oder Mila suchen gehen? Immerhin hatte er gesagt, sie sollte gut auf Mutter aufpassen. Was war, wenn der Fährmann leise und unsichtbar ihre Mutter holen wollte? Das wäre gar nicht gut. Ihre nackten Füße zuckten schon unter der Decke, bereit, über den kalten Boden zu tapsen. Schließlich hatte Adrian schon einmal alles wieder gut gemacht oder würde sie in den Arm nehmen und sagen, dass alles in Ordnung sei.

Fest drückte Nymeria ihren Teddy an sich, das weiche Fell kitzelte ihre Wange. Ihre Unterlippe zitterte, als sie die Nase in seinem Bauch vergrub. Vielleicht schlief sie auch nur ganz fest und träumte etwas Schauriges. Nachdenklich gruben sich ihre kleinen Finger in das Fell ihres Stofftiers.

Sollte sie nochmal versuchen, sie zu wecken? Schlimme Träume waren nicht schön. Blinzelnd neigte Nymeria den Kopf und strich mit ihrer kleinen Hand erneut über die warme Wange ihrer Mutter. Die Haut war feucht, fast heiß. Nein, sie sollte keine Angst haben. Niemand musste das. Es waren nur Träume. Das sagte Mila immer wieder. Aber trotzdem pochte ihr eigenes Herz schnell und aufgeregt, ein dumpfes Trommeln in ihren Ohren.


Sie könnte auch mit einem Gedanken erstmal die Kerzen anzünden – ein winziger Funke, nur ein bisschen Licht. Aber das durfte sie nicht. Sowohl Syndra, Mila als auch Adrian – eigentlich jeder – hatte gesagt: keine Magie im Zimmer. Hörbar atmete Nymeria aus. Ein kleiner, zitternder Luftstoß, während sie behutsam und tröstend die Wange ihrer Mutter immer wieder streichelte.

Ein leises Seufzen ihrer Mutter ließ Nymeria erstarren. Der Atem strich warm über ihre Hand. „Mutter ist hier und wir passen auf sie auf“, flüsterte sie in den Teddy, so leise, dass nur er es hören konnte. Die Angst wurde kleiner, ein kleines bisschen nur, wie ein Knäuel, das sich langsam auflöste.

Vorsichtig kuschelte Nymeria sich wieder unter die Decke und rutschte ganz nah an sie heran. Sie würde aufpassen. Ganz sanft legte sie ihren Arm um ihre Mutter, so dass sie das Heben und Senken ihrer Brust spüren konnte, während sie ihrem Herzschlag lauschte. Sie würde aufpassen.

Das Pochen in ihrer Brust wurde langsamer, passte sich einem ruhigeren Rhythmus an. Ihre Augenlider wurden schwer, schwerer als der dicke Teddy in ihren Armen. Die Glut im Kamin knackte ein letztes Mal, ein winziger Funke stieg auf und erlosch. Nymeria gähnte heimlich. Ein kaum hörbares Geräusch, das in der Dunkelheit verhallte, bevor sie ihren kleinen Arm um ihre Mutter legte, so dass sie neben dem Herzschlag auch ihren Atem spüren konnte. Immerhin sollten Tod und Fährmann und sie alle einen weiten Bogen machen. Sie würde über sie wachen. Ganz... ganz ... ganz aufmerksam.

Ein letztes Mal blinzelte sie in die Finsternis, sah nur noch das sanfte Heben und Senken der Decke über Mutters Brust, bevor ihre Augen zufielen. Ihr Atem wurde flacher und gleichmäßig. Die Welt schrumpfte auf Wärme und das leise Pochen an ihrem Ohr. Die Dunkelheit war nicht mehr gruselig, sondern weich wie eine zweite Decke und warm wie der Atem an ihrem Scheitel. Lautlos überkam sie die Müdigkeit und  unbemerkt schlummerte Nymeria trotz angestrengter Wachsamkeit wieder ein.
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⚜ Tochter der Priesterin und Hüterin Tanuri Al Saher- Enkelin des Hütervaters Stellan var Aesir ⚜
⚜ Kleines Halbblut ihrer Schwester Syndra ⚜ Stieftochter des Adrian Al Saher ⚜

~ Alle doof, außer Mutter!~
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Der Fuchs
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#1697

Beitrag von Der Fuchs »

"Ein Ungleichgewicht. Ihr wisst mehr über mich, als ich über euch." Ein Lächeln hob einen seiner Mundwinkel, als er die Münze fing. Vorerst blieb sein Blick aber auf dem Fremden haften, der sich perfekt in die gespenstisch mystische Umgebung einfügte.

Kadir kannte ihn nicht, hatte aber eine Ahnung, was er vor sich hatte. Einem wie ihm war er bisher nicht begegnet, was durchaus eine recht bedauerliche Tatsache war. Schließlich war er von neugieriger Natur. Aber Begegnungen konnte man nicht erzwingen, sondern musste manchmal einfach geduldig darauf warten, dass die Schicksale sich kreuzten. 


Erst jetzt richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Münze in seiner Hand und strich mit seinem Daumen über die Prägung. Hier und da hatten die Vertiefungen in das Metall schon Verformungen angenommen, waren nicht mehr so deutlich zu sehen, aber immer noch mehr als genug, um die Muster zu erkennen. "Ein schönes Stück." Kurz noch besah er sie, bevor er seinen Blick wieder auf den Fremden warf.

"Eine Vorauszahlung für ein Gespräch unter uns beiden? Wenn ja, dann lasst Euch gesagt sein, Ihr überzahlt meine Anwesenheit." Leise und warm lachte der Fuchs auf, umschloss mit seiner Hand das schwere Metall und ließ es verschwinden. Es war nur ein kleiner Taschenspielertrick, denn Magie beherrschte er nicht. "Ich gehe davon aus, woher diese kommt, gibt es mehr." Die Prägung war ihm zwar nicht geläufig, aber natürlich erkannte er Wert, wenn er ihn sah. Dabei ging es nicht immer um den Gewinn, den er erzielen konnte. Seine Kammern waren gefüllt und für die Diebe war über Generationen hinweg gesorgt, solang seine Nachfolger sorgsam mit den Gütern umgingen, die er und seine Vorgänger, nennen wir es "gesammelt", hatten.

Noch dazu liefen seine Geschäfte unterhalb der Taverne Sturmkantes hervorragend. Wollust und Sucht waren zeitlos und würden ihm über weitere Jahre ein gutes Einkommen bescheren. Solche Treffen wie diese und sich daraus möglicherweise ergebende Handel dienten deshalb mehr zu Kadirs eigener Freude. Der Mann vor ihm, wenn er den per Definition einer war, war nicht gewöhnlich und schon allein das hatte sein Interesse geweckt. Die Münze und die Aussicht auf weitere Schätze waren dabei nur ein nettes Beiwerk. 


"Sucht Ihr jemanden, der das Gemurmel der Gassen zu Euch bringt?" Fragend legte er seine Stirn in Falten und betrachtete die Erscheinung vor ihm genauer. "Dafür gibt es billigere Methoden. Von den Huren, von denen Ihr spracht, bis hin zu den Hafenarbeitern. Bereits für einen kleinen Obolus werdet Ihr ziemlich viel erfahren." Kadir ging nicht davon aus, dass es darum ging. Zumindest nicht nur. In aufgesetzter Nachdenklichkeit strich er sich über seinen Bart und ließ seine Augen für einige stille Augenblicke umherwandern.

"Ah, oder wollt Ihr Euch als Informant bei mir anbieten? Ich bin mir sicher, Ihr habt mir dahingehend einiges zu erzählen." Ein Schmunzeln zeichnete sein vom Alter und seiner Vergangenheit gezeichnetes Gesicht, bevor die Münze wieder zwischen seinen Fingern auftauchte und er sie vor sich hielt, um sie in dem fahlen Mondlicht, das auf die Lichtung geworfen wurde, betrachtete. Auch wenn es eine ganze Truhe davon gab, blieb jedes Stück einmalig. So wie unter ihnen eben auch. "Bei einer Sache muss ich Euch aber korrigieren: Unter den Menschen gibt es nur einen Fuchs. Das bisschen Selbstverliebtheit gönne ich mir."
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Es ist nicht wichtig, wer das Spiel beginnt, sondern wer es beendet.
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